Bücher im Sommer
In den vergangenen Monate habe ich zahlreiche Rezensionexemplare gelesen, aber natürlich auch selbst Bücher gekauft:
Kai-Eric Fitzner. Willkommen im Meer.
Gekauft, als Johannes Korten die Aktion „Ein Buch für Kai“ ins Leben rief. Darum geht’s im Buch: Tim ist ein Lehrer mit Idealen. Er möchte seinen Schülerinnen und Schülern beibringen, die Dinge zu hinterfragen, selbst zu denken, sich eine eigene Meinung zu bilden. Als er an seiner neuen Schule anfängt, läuft die ganze Sache etwas aus dem Ruder: Plötzlich wohnt ein Schüler in seinem Haus, Schwiegermutter reist an und seine Frau heckt auch etwas aus. Die Geschichte ist eine temporeiche Komödie mit Hintersinn, etwas, das gut in einen Fernsehfilmabend im ZDF passt – und das meine ich nicht negativ: gute Unterhaltung, manchmal etwas holzschnittartig, hier und da ein paar Längen, aber alles in allem eine kurzweilige Sache.
Luca di Fulvio. Das Kind, das nachts die Sonne fand.
(Deutsch von Katharina Schmidt)
Der dritte Di Fulvio nach „Der Junge, der Träume schenkte“ und „Das Mädchen, das den Himmel berührte“. Offensichtlich wechseln sich die Geschlechter ab, denn diesmal geht es wieder um einen Bub: Der junge Marcus ist Sohn des Landesfürsten von Raühnval, einem Herrschaftsgebiet in den Ostalpen. Als die Burg seines Vaters überfallen wird, verliert er seinen Stand und muss sich verstecken. Er wird Mikael, der Leibeigene, und ist fortan der Willkür des neuen Fürsten ausgesetzt. So weit, so klassisch der Plot: Dem edlen Prinzen widerfährt Unrecht, und er muss sich Gerechtigkeit erkämpfen. Liebe kommt auch vor, das Ganze auf 832 Seiten – mindestens 300 Seiten zu viel, wenn Sie mich fragen. Die Story ist auch leider so platt, die Charaktere sind nichts als Stereotype für Gut und Böse. Den vierten Di Fulvio werde ich mir klemmen.
Tom Rachman. The Rise and Fall of Great Powers.
(Aufstieg und Fall großer Mächte)
Von Tom Rachman „Unperfekten“ war ich begeistert – ein leiser, relevanter Roman zur Zeitungskrise mit guten Charakteren und scharfer Beobachtungsgabe. Deshalb war es keine Frage, dass ich „Aufstieg und Fall großer Mächte“ direkt kaufte, als ich es in der Buchhandlung sah. Ich vermutete hinter dem Titel ein Gesellschaftsthema, etwas Franzen-haftes, eine ebensolche Studie wie „Die Unperfekten“. Stattdessen erzählt das Buch die Geschichte von Tooly Zylberberg, die einen Buchladen in Wales hat, früher auf der ganzen Welt wohnte und die keine richtige Beziehung eingehen kann. Der Aufbau, insbesondere der Charaktere, ist verworren; es wird erst nach und nach klar, wie Tooly zu den einzelnen Menschen steht, wer ihr Vater ist und wer ihre Mutter. Dazu die Zeitsprünge und ihr Charakter, der wenig Halt hat – nicht in sich selbst und nicht in Beziehung zu den Menschen. Das ist alles nicht meins, tut mir leid, Tom Rachman.
Fabio Volo. È una vita che ti aspetto.
Das erste Buch von Fabio Volo, das mich nicht begeistert hat – im Gegenteil: Es hat geradezu knausgårdsche Züge. Wie in vielen von Volos Büchern geht es um einen Mitdreißiger, diesmal ist es Francesco, der zufrieden-unzufrieden ist. Er hat einen job, wechselnde Beziehungen, ein schwieriges Verhältnis zu den Eltern. Im Gegensatz zu Volos übrigens Büchern, in denen es einen Spannungsbogen, eine Entwicklung des Protagonisten gibt, mäandert die Geschichte diesmal vor sich hin – viel Selbstreflexion, wenig Substanz. Lesen Sie lieber Volos andere Bücher, damit fahren Sie besser.
John Williams. Butcher’s Crossing.
John Williams ist einigen von Ihnen womöglich bekannt durch „Stoner“. Das Buch at mir außerordentlich gut gefallen: Es ist leise, mit einem guten Gefühl für Zwischentöne. „Butcher’s Crossing“ ist ein früheres Werk; es spielt 1870, und es geht um den jungen Städter Will Andrews, der im Wilden Westen das Abenteuer sucht. Er schließt sich eine Gruppe Cowboys an, um Büffel zu jagen, und erlebt die Härten der Natur und die Unerbittlichkeit des Tötens. Leider fehlt der Geschichte ein Spannungsbogen. Die Beschreibungen der Natur, der Landschaft und der Gemeinschafts der Cowboys reichte nicht aus, um mich fesseln.
Mir fällt gerade auf, dass ich bis auf Kai-Eric Fitzner keinen Autor und keine Autorin das erste Mal gelesen habe. So auch Pia Ziefle, von der ich im Sommer das zweite Werk las:
Pia Ziefle. Länger als sonst ist nicht für immer.
Den Erstling „Suna“ habe ich im Andalusienurlaub gelesen; er war wunderbar stimmungsvoll. Die Erwartungen ans zweite Buch waren also hoch. Die Handlung: Es ist der Sommer 1976. In Ostberlin kommt der 9-jährige Lew in eine neue Familie, nachdem seine Eltern Republikflucht begingen. In einer schwäbischen Kleinstadt wird ein Mädchen namens Ira geboren. In Jugoslawien begibt sich der 4-jährige Fido mit seinem Großvater auf die Reise nach Deutschland. Die Protagonisten finden zusammen oder auch nicht – einiges bleibt vage. Ich bin leider nicht so richtig in die Geschichte reingekommen: Viele Figuren, aber keiner komme ich nahe; die Geschichte ist für mich nicht schlüssig. Es gibt bislang kein Buch, über das ich das behauptet habe, dies ist das erste: Mehr Seiten hätten der Geschichte gut getan.
Hier auch nochmal die Rezensionsexemplare:
Nickolas Butler. Shotgun Lovesongs
Eine Geschichte über Freundschaft in der Provinz.
Patricia Cammarata. Sehr gerne, Mama, du Arschbombe
Das Buch zum Nufblog: Geschichten aus dem Familienleben, fernab von Perfektion.
Einzlkind. Gretchen
Eine schrullige alte Dame reist zwangsweise nach Island.
Esther Verhoef. Gegenlicht
Ein Beziehungsdrama: Frau, Ehemann, Geliebter – Lebenskrise.
Pieter Webeling: Das Lachen und der Tod
Auschwitz, ein Komiker – der Gegensatz macht das Grauen noch unfassbarer.