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Wie ich 16 Stunden lang einen Menschen beim Leiden anfeuerte

16. 06. 2024  •  12 Kommentare

Ausflug nach Hamburg | In meinem letzten Beitrag setzte ich einen Cliffhanger, und es ist nun an der Zeit, von meinem Ausflug nach Hamburg zu erzählen. Anlass der Reise: Herr Stör hatte sich vorgenommen, dreieinhalb Kilometer in der Alster zu schwimmen, danach 180 Kilometer Fahrrad zu fahren, direkt im Anschluss einen Marathon zu laufen und Ironman von Hamburg zu werden. Seine erste Langdistanz. Wenn man seine gesamte Triathlon-Historie einbezieht, kann man sagen, dass er dafür sieben Jahre trainiert hat; in den vergangenen zwölf Monaten besonders eifrig.

Wer seinen Körper 226 Kilometer in kleinen und großen Kreisen – unangenehm vielen Kreisen – durch eine Stadt bewegt, braucht Freunde, die am Rand stehen und ihn anfeuern. Also fuhren der Reiseleiter und ich nach Hamburg, um Herrn Stör beizustehen, gemeinsam mit seiner Liebsten.

Die ganze Sache begann unangenehm früh, nämlich morgens um sechs, als die Profi-Damen starteten. Kurze Zeit später ließ sich auch Herr Stör zu Wasser – gemeinsam mit seinem Freund Olli, der ihn im Training begleitet hatte.

Binnenalster, Aufstieg des Triathlon. Fahnen wehen, eine Rampe ist aufgebaut. Schwimmerinnen und Schwimmer sind im Wasser.

Wir beobachteten den Start per Tracking-App aus der U-Bahn und waren rechtzeitig am Platze, als unser Athlet nach eineinhalb Stunden aus der Alster stieg, leicht vertüdelt, so schien es. Obwohl wir grölten und winkten, bemerkte er uns nicht. Hinterher erfuhren wir, dass es ein beschwerlicher Schwumm war, bei dem er sich sogar kurz an einem DLRG-Boot festklammern musste, um eine kleine Panik wegzuatmen, hervorgerufen durch Freiwasser und Gedrubbel.

Wir gingen zur Wechselzone, aber als wir dort anlangten, saß Herr Stör schon auf dem Rad und fort war.

An dieser Stelle möchte ich einschieben, dass ein Ironman auch für die Begleitmannschaft eine langwierige Angelegenheit ist. Nicht nur, dass wir früh aufgestanden sind, um Herrn Stör nach dem Schwimmen zu empfangen – die anschließende Radausfahrt dauerte 6 Stunden und 45 Minuten. Es ist eine ernsthafte Aufgabe, diese Zeit einerseits gut zu vertrödeln, andererseits aber auch Kräfte zu sparen. Wir haben schließlich alle noch einen Marathon vor uns.

Es war also ungefähr 9 Uhr, als Herr Stör uns in Richtung Geesthacht davonfuhr. Wir gingen erstmal frühstücken. Ein gutes Verpflegungsregime ist ein maßgeblicher Teil der Renntaktik, deshalb aßen wir reichlich, darunter auch Blaubeerpfannkuchen. Anschließend gingen wir zum Jupiter am Hamburger Hauptbahnhof, „das einzige Kaufhaus, das dich reicher macht“. In einem ehemaligen Karstadt-Kaufhaus stellen Künster und Künstlerinnen ihre Werke aus, es gibt Theater, Workshops und ein Café. Eine recht spannende Angelegenheit; einige Kunstwerke gefielen mir ausnehmend gut, andere passten zum Thema des Tages.

Die Graffitis gehören zur Ausstellung Female Frames, die den weiblichen Blick auf Graffiti zeigt. Die Künsterlinnen stammen aus Portugal, Litauen, Indien, Kolumbien und Deutschland.

Vom Dach des Jupiter aus hatten wir eine gute Aussicht auf die Rennstrecke vor der Stadtbibliothek. Wir gingen hinunter und standen tatsächlich parat, klatschten und riefen, als unser Athlet an uns vorbeifuhr. Doch wieder sah er uns nicht.

Der Athlet auf dem Triathlonrad

Wie wir dort standen, entdeckten wir, dass die Stadtbibliothek geöffnet hatte. Wunderbar! Wir gingen hinein, und ich las die ersten 50 Seiten von Elizabeth Strouts „Am Meer“ – ein Buch, das ich mir anschließend in der Bahnhofsbuchhandlung kaufte. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir auch kurz in den wirklich gemütlichen Sesseln einnickten. Als wir uns wieder aufrafften, waren wir jedenfalls etwas hüftsteif und musste erstmal wieder zurück ins Rennen finden.

Ungefähr bei der 90-Kilometer-Marke, so erzählte Herr Stör später – wir mussten zwischen Jupiter und Bibliothek gewesen sein -, habe er an einem Penalty-Zelt angehalten und den Helfern dort gesagt, dass es jetzt genug sei und er aufhören wolle; ihm täte alles weh, das könne so nicht weitergehen. Die Helfer hätten mitfühlend genickt und geantwortet, dass das schon nachvollziehbar sei, dass das aber alles in allem kein Grund sei aufzugeben. Er solle bitte einfach weiterfahren; er könne ja an jedem weiteren Zelt wieder anhalten und es sich neu überlegen, aber hier bei ihnen – nein, das sei unangebracht. Also fuhr er weiter, noch einmal 90 Kilometer, bis er wieder in der Wechselzone war und offiziell absteigen durfte.

Dort warteten wir auf ihn – wir hatten gerade einen Sandwich verdrückt, um neue Kräfte zu finden -, und schauten ihm beim Umziehen zu. Er fragte uns, wie er jetzt noch einen Marathon laufen solle. Das wussten wir auch nicht; diese ganze Veranstaltung war uns ohnehin ein Rätsel, also sagten wir: „Ach, das schaffst du schon!“ Dann gingen wir an die Lombardsbrücke, die Binnen- und Außenalster trennt. Dort kamen die Athleten in jeder Runde viermal vorbei – vier Gelegenheiten anzufeuern.

Wie sich herausstellte, war das auch dringend nötig, denn nach den ersten drei Marathonkilometern lief Herr Stör nicht mehr, er ging nur noch spazieren. Was los sei, fragten wir. Er könne nicht mehr laufen, antwortete er, es ginge einfach nicht mehr, überhaupt sei das alles eine Schnapsidee gewesen, er wolle aufgeben, das habe alles keinen Zweck mehr, er schaffe das sowieso nicht. Er wirkte etwas weinerlich – ein Zustand, zu dem er allen Grund hatte, der aber zu diesem Zeitpunkt unangemessen war, schließlich hatte er schon mehr als 188 Kilometer und damit mehr als achtzig Prozent der Strecke zurückgelegt. An den restlichen 38 Kilometer durfte es jetzt nun wirklich nicht scheitern. Wir sprachen ihm wohlmeinende Worte zu. Als er um die nächste Kurve verschwand, holten wir unseren Taschenrechner heraus und kamen – auch für uns überraschend – zu dem Ergebnis, dass er, wenn er mit sechs Kilometern pro Stunden weiterspazieren würde, noch vor der Cut-Off-Zeit von 15 Stunden 30 ins Ziel käme. Es gab also keinen Grund zur Eile, es war noch alles drin! Als er wieder vorbei kam, teilten wir ihm diese Erkenntnis mit. Er wirkte nicht überzeugt, aber immerhin etwas gelöster.

Das nachfolgende Bilddokument zeigt den Athleten und seinen Kumpel Olli beim Spazierengehen an der Alster.

Herr Stör und sein Kumpel Olli gehen spazieren.

Nun kommt der Punkt, an dem die Erzählung deutliche Längen hat, aber nun ja, das liegt in der Natur der Dinge.

Wir hielten die Stellung an der Lombardsbrücke. Jedesmal, wenn Herr Stör an uns vorbeikam, fragte er: „Wie viel Uhr ist es? Wie viel??“ Wir sagten es und gleich dazu, dass er absolut on track sei; er solle einfach weitergehen, immer weiter. Möglicherweise rechnete er während des Spazierengehens nach und kam zum gleichen Ergebnis; oder er konnte nicht mehr rechnen und glaubte uns einfach – jedenfalls ging er und ging und ging. Eine Runde. Noch eine Runde.

Die Menge der Läufer wurde kleiner und kleiner, auch die Zuschauer dünnten sich aus. Wir kannten irgendwann jeden, der noch auf der Strecke war: Nigel und Michael, dann der Österreicher im Kostüm und die Britin im gelben Oberteil. Wir feuerten sie alle an. Jemand rollte Flatterband zusammen. Die Sonne senkte sich über die Strecke hinab. Verpflegungsstände wurden abgebaut. Die Laternen gingen an. Der Mond ging auf. Es begann, nach Nacht zu riechen. Unser Athlet spazierte.

Es war gegen 22 Uhr 10, als Herr Stör das letzte Mal an uns vorbeimarschierte. „Weitermachen, einfach weitermachen!“, riefen wir. „Zweineinhalb Kilometer noch!“ Er wirkte jetzt ganz frohgemut, sein Gang war fast wippend.

Wir machten uns in Richtung Rathaus auf, während Herr Stör noch eine Schleife lief. Vor dem Rathaus der Zieleinlauf: Musik, Lichtkegel, klatschende Menschen. Die Rathausuhr zeigte zwanzig vor elf, als unser Athlet die Glocke bimmelte und die letzten Metern über die Linie lief – ja, tatsächlich: lief.

Kurz nach ihm zündeten Menschen Wunderkerzen an und sangen: „In Hamburg sagt man Tschü-hüs …!“ Der Ironman Hamburg 20024 war vorbei. Herr Stör raschelte rhythmisch mit der ihm umgehängten Aludecke.

Athletinnen und Athleten vor dem Hamburger Rathaus mit Wunderkerzen

Am nächsten Tag erfuhren wir: Herr Stör ist Letzer geworden. Der Allerletzte: Platz 2.330 von 2.330 Menschen, die rechtzeitig ins Ziel gekommen sind. 15 Stunden und 27 Minuten, drei Minuten vor der Cut-Off-Zeit. Er ist ein Ironman.


Die andere Perspektive: Herr Stör berichtet vom Ereignis.

Zumba

31. 05. 2018  •  48 Kommentare

Ich war beim Zumba.

Mein Fitnesstudio schreibt zu Zumba:

Dieses Workout verbindet Elemente aus verschiedenen Tanzstilen zu heißer lateinamerikanischer Musik. Alle Schritte und Drehungen sind für jeden einfach zu erlernen und bringen die Stimmung im Kursraum zum Kochen.

Symbolvideo:

Es ist ein Montagabend, ich bin auf alles vorbereitet, und ich bin locker im Lendenwirbel. Das habe ich vorher mit leichten Hüftschwüngen getestet. Bildungsbandscheibe, Sie wissen schon.

Im Kursraum haben sich etwa zwanzig Damen und ein Herr versammelt – alt, jung, dick, dünn und einige in fescher Zumbakleidung. Zumbakleidung ist normale Sportkleidung, auf der „Zumba“ steht, falls die Trägerin vergisst, weshalb sie hier ist. Eine der Damen trägt sogar die Aufschrift „Zumba Queen“, was mich ein bisschen wundert, denn die Königin eines feurigen, kolumbianischen Sporttanzes habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Aber was weiß ich schon.

Ich habe mir einen Platz am Rand ausgesucht, vorne, aber doch seitlich, direkt neben der Tür – falls es Gründe zur Flucht gibt. Außerdem weiß man ja aus der Schule, dass man vorne am besten aufgehoben ist, denn der Blick des Lehrers schweift immer über die ersten Reihen hinweg, weshalb man als Nichtskönner dort viel besser untertauchen kann als in der letzten Reihe.

Der Raum ist voll verspiegelt. Ich sehe mich nicht nur von vorne, sondern auch von der Seite. Das macht mich nicht sehr glücklich; ich bin jedenfalls sicher, dass die Spiegel irgendwie gebogen sind, unvorteihaft gebogen, konvex heißt es wohl. Konkav und konvex – den Unterschied kann ich mir gut merken, denn es gibt eine Eselsbrücke: War das Mädchen brav, bleibt’s konkav. Hatte es Sex, wird’s konvex. Wie auch immer: Die Spiegel sind jedenfalls eindeutig konvex.

Der Vorturner betritt, das Hinterteil in leichten Schwüngen wiegend, den Raum und geht direkt durch zur Bühne, wo er seinen MP3-Player an eine Musikanlage anschließt. Er vereint in sich das Beste aus Strass-Gott Harald Glööckler und Ricky Harris, jenem kleinen Amerikaner – die Teenager der 90er erinnern sich -, der nach Arabella, vor Ilona Christen oder zeitgleich mit Britt, wer weiß das schon noch so genau, eine dieser Talkshows moderierte und der später im Dschungelcamp auftauchte, wo er uns vor Augen führte, was Dreadlocks und Halbglatze aus einem Mann machen können. Eine Ahnung von Dschungelprüfung weht also durch den Saal, als Haraldricky die Bühne betritt, in Hosen, die wir in den 90ern, als wir alle Camel Boots trugen und Helmut Kohl schon lange und noch eine Weile Kanzler war, im Eine-Welt-Laden kauften, zusammen mit einer handgewalkten, bolivianischen Bluse und einem Sack voller Sorgenpüppchen.

Haraldricky, das merke ich sofort, ist kein Mann großer Worte. Er hat uns weder begrüßt noch in anderer Weise beachtet; er lässt einzig seinen Körper sprechen, und sein Körper sagt: Ich habe mir im Schritt etwas wundgescheuert. Er stellt sich breitbeinig auf das Podest und läuft langsam auf der Stelle, die Schenkel leicht zur Seite hebend, als wolle er seine Hose zurechtruckeln, ohne sich wohin zu fassen; ich kenne das von langen Wanderungen, es tut wirklich weh, und in der Öffentlichkeit will man dort nicht dauernd fummeln, volles Verständnis also. Baila! Baila! schallt es aus der Musikanlage, während wir nun alle versuchen, unsere Hose aus dem Schritt herauszulaufen.

Dann reckt Haraldricky seine Hand in die Luft, streckt drei Finger in die Höhe und zählt stumm Drei! Zwei! Eins! und los geht’s. Wir beginnen mit einem Ausfallschritt nach rechts, linker Fuß ranziehen; dann nach links, rechter Fuß ranziehen. Wunderbar, denke ich, das kriege ich hin, das ist Tanzschule im Sauerland. Seit – Tab – Seit – Tab, wie damals mit Matthias, der zu jeder Tanzstunde dasselbe Polyesterhemd trug und unter Hyperhidrose litt, übermäßige Schweißproduktion. Im Gegensatz zu damals fühle ich mich fantastisch und schon sehr locker in der Hüfte, so soll es sein, so habe ich mir das vorgestellt. Denn ich brauche eine Alternative zu aggressiven Ballsportarten; ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich Ausgleichssport betreiben muss, für Herz-Kreislauf und gegen das lange Sitzen, etwas Schonendes – warum also nicht Zumba?

Haraldricky nimmt die Arme hinzu, angewinkelt, schmeißt die Ellenbogen nach hinten, überstreckt lasziv seinen Hals und schüttelt seine Schultern. Sehr gut, endlich mal die Brasilianerin in mir rauslassen, irgendwo da drin muss sie ja sein. Doch was jetzt?  Vor – Tab – Seit – Tab – Vor. Nach vorne jetzt auch? Immer? Nein, nicht immer. Nur … hä? Arme hoch! Wenn wir vorne sind. Nee – Seite. Beide Arme jetzt zur Seite und … was? Hände schütteln? Warum?  Seit – Tab – Vor – Vor – Vor –  … aber da ist die Wand … und um die eigene Achse. Oh, zu spät. Egal, neue Chance. Huch! Direkt zurück, Rück – Rück – Seit – Tab … und um die eigene … nee, doch nicht. Hallo! Können wir bitte mehrmals hintereinander dieselbe Bewegung machen? Wie soll ich sonst … Seit – Tab – Vor – Tab – Vor- Vor – Vor … um die eigene Achse. Und: Pause. Was trinken.

Ernsthaft! Wie soll ich die Bewegungen nachmachen, wenn nichts zweimal passiert? Das ist doch Betrug. Ich habe hier für fünfzehn Wiederholungen bezahlt! Drei Sätze à fünfzehn Wiederholungen, mindestens, so macht man das an jedem Gerät, wie soll mein Körper sonst verstehen, was er tun soll?

Die Musik geht wieder an. Haraldricky schüttelt seine Schultern aus und beginnt wieder mit Seit – Tab – Seit – Tab, aber ich ahne schon, dass es nicht so weitergehen wird. Gleich kommt wieder eine dieser zufallsgenerierten Bewegungsabfolgen, ein hektisches Drehen und Winken wie in der Sesamstraße – wie bei Grobi, wenn er „nah“ und „fern“ erklärt. Doch ich irre mich: Der Plumpssack geht um.

Wir legen etwas hinter uns auf die Erde und laufen dann nach vorne und wieder zurück, tanzend natürlich, heben es auf und zur Seite und legen es wieder ab und zur anderen Seite und immer schön Baila! Baila!, die Hüften schwingen mit und Rück – Rück – Seit – Tab, drehen. Die Arme machen auch irgendwas, nur was?  Seit – Seit – Rück – Tab. Eine Teilnehmerin rasselt krachend auf die Zumba-Queen, die Zumba-Queen fällt um wie ein Sack Zement. Links, rechts, seiten- und spiegelverkehrt, es hat seine Tücken.

Wir halten inne. Die Queen muss sich erst erheben, und die Bewegungsabfolge ist ohnehin zu Ende. Haraldricky läuft sich währenddessen die Hose aus dem Schritt, immer locker bleiben, er schüttelt abwechselnd seine Schultern und klatscht aufmunternd in die Hände – allerdings nicht für uns, sondern eher selbstreferentiell. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob er echt ist. Vielleicht ist er eine dieser Maschinen von Boston Dynamics; die können ja jetzt auch laufen und springen; ein humanoider Zumbaroboter, ein selbstlernendes System, das Schrittfolgen reproduziert – allerdings ohne Vernetzung mit der Umwelt, denn Haraldricky hält es weiterhin nicht für nötig, mit uns in Interaktion zu treten. Semantisch ist bei der künstlichen Haraldricky-Intelligenz noch Luft nach oben.

Dann geht es direkt wieder los, Vor – Tab – Seit – Tab – Vor, Arme hoch und Hände schütteln, Rück – Tab – Vor – Tab – Seit, Arme hoch und Hände schütteln und wieder Vor – Tab … nein, doch nicht, Drehen – Tab – Seit – Seit … und um die eigene Achse und Arme hoch und Seit – Seit – Seit und … huch, fast den Nebenmann erwischt … schnell wieder weg. Es ist wie Völkerball, wenn man die Letzte im Feld ist und alle versuchen, dich abzuwerfen.

Zumba, es lässt mich ratlos zurück.

Samstag und Sonntag, 27. und 28. Januar

28. 01. 2018  •  4 Kommentare

Zunächst die schlechte Nachricht: Die Kalendergirls haben gegen den Spitzenreiter verloren. Die noch schlechtere Nachricht: zurecht und deutlich.

Ich möchte nicht darüber sprechen. Ich musste danach erstmal ins Fitnessstudio gehen und mich abreagieren. Werde morgen Muskelkater haben. Stellen Sie sich hier eine Parade weinender Emojis vor.

*

Die guten Nachrichten: Der Samstag war Waffeltag, relativ spontan. Das sind die guten Dinge im Leben.

Waffel mit Vanilleeis und Sahne

Nutznießerinnen: Rosa Bänkchen und die Turnschwester. Ganz unbescheiden muss ich eingestehen: Es waren astreine 10er-Waffeln unter den gesammelten Werken.

Weil auf Instagram einige Leute danach gefragt haben, hier nochmal das Hauswaffelrezept aus dem Sauerland: ½ Pfund Butter schaumig schlagen. 175 Gramm Zucker und 2 Päckchen Vanillezucker dazugeben, danach 6 Eier. Eine Prise Salz schadet nicht. Zuletzt noch 500 Gramm Mehl, 2 Päckchen Backpulver und ½ Liter Milch dazugeben – fertig. Von Aromen nehme ich Abstand, Zucker nehme ich immer etwas weniger. Es kommt ja noch Puderzucker drauf.

Herr Stibbons verwies auf Twitter auf dieses Buttermilchwaffelrezept, das ich beizeiten ausprobieren werde. Mit Buttermilch habe ich in anderen Kuchenzusammenhängen sehr erfreuliche Erfahrungen gemacht – vong Fluffigkeit her.

Die liebe Rosa hat mir etwas mitgebracht (juchhuu!): eine neue Vogelfutterstation, nachdem’s die alte zerlegt hat.

Vogelfutterstation im Baum mit Sonnenblumenkernen

Die Vögel waren bislang noch nicht so auf Zack. Dauert wohl noch, bis sie das neue Fressparadies entdecken. Ich werde das beobachten.

Dafür hockte am Sonntagabend die Nachbarskatze auf der Fußmatte. Ich saß mit dem Rücken zur Terrassentür in der Küche und hatte das dumpfe Gefühl, angestarrt zu werden. Ich sah mich um: Dort saß Moritz und guckte mitleidigserregend durchs Fenster.

Er ist ein schwarz-weißer Kater aus der Nachbarschaft. Sein Bruder heißt Leo; er hält eher Abstand. Sowohl Moritz als auch Leo jagen Vögel und Mäuse. Sie halten meinen Garten wühlmausfrei. Ich habe sie schon mit diverser Beute durch den Garten stolzieren sehen – darunter auch eine Fledermaus.

Moritz entert manchmal meine Küche und lässt sich kraulen, zieht dann aber enttäuscht ab, wenn er merkt, dass er nichts zu fressen von mir kriegt. Nichtsdestotrotz ist er ein unterschütterlicher Optimist und kommt immer wieder.

Hier Moritz bei der Abreise, von Enttäuschung leicht gebeugt:

Gartenkatze

*

Jetzt Tatort mit zwei Schauspielern, die ich beide sehr gerne sehe: Martin Brambach und Alwara Höfels.

Die Professionalisierung der Kalendergirls

4. 10. 2017  •  4 Kommentare

Sportsgeist, Grandezza, Raffinesse – es gibt Neuigkeiten von den Kalendergirls. Die zauberhafteste Handballmannschaft Dortmunds ist in ihre dritte Saison gestartet.

In der Vorbereitung sind wir neue Wege gegangen und haben komplett auf Waldläufe verzichtet. Stattdessen haben wir in jedem Training gegen 20 Jahre jüngere, pfeilschnelle A-Jugendliche gespielt. Das Ergebnis: völlige Entkräftung Rasanz und Spielwitz.

Doch nicht nur auf dem Platz haben wir gearbeitet. Wie es sich für eine aufstrebende Mannschaft gehört, lief hinter den Kulissen eine ausgeklügelte Marketing- und Organisationsmaschinerie.

Um die wachsende Nachfrage unserer Fans zu bedienen, hat der Verein eine Dauerkarte eingeführt. Zum Vorzugspreis von 15 Euro (ermäßigt 10 Euro) können Sie ab sofort alle Heimspiele der Kalendergirls auf einem Premiumplatz* genießen.

Dauerkarte für die Saison 2017/2018

660 Minuten Eleganz, Dynamik und technische Finessen zum Gegenwert von drei Starbucks-Kaffees! Für zwei zusätzliche Euro pro Spiel können Sie überdies unser Fan-Menü erwerben: ein Radler plus zwei Mettbrötchenhälften, serviert auf einer Genießerpappschale.

Als Dreingabe haben Sie kostenlos Eintritt zu den Spielen unserer 1. Herren. Unsere Herrenmannschaft spielt ebenfalls sehr schön, wenngleich weniger anmutig. Im Gegenzug sind die Herren deutlich jünger, und es gibt ein paar mehr Singles. Bislang konnten wir schon mehr als 50 Dauerkarten verschenken verkaufen. Greifen Sie zu, solange das Angebot heiß ist.

Unser geschätzter Trainer hat außerdem daran gearbeitet, unsere internen Prozesse zu optimieren. Wir nutzen nun eine Mannschaftsapp. Sie heißt „Spielerplus“, und wir wickeln über sie das gesamte Mannschaftsgeschäft ab: Spiel- und Trainingsteilnahme, Mannschaftskasse, Urlaube und Verletzungsmeldungen.

Der Trainer hat die App so eingestellt – warum bloß? -, dass sie uns an unsere Pflichten erinnert.

In ca. 6 Stunden findet dein Spiel statt

So können wir nun rechtzeitig vor dem Spiel mit der mentalen Vorbereitung beginnen. Schließlich sind in unserem Alter körperlichen Zustand Leistungsbereich Wille und Einstellung das A und O.

Die App gibt auch Auskunft über unsere aktuelle Aufstellung.

Aufstellung veröffentlicht: Die Aufstellung für das Spiel am 28.09. gegen Aplerbecker Mark wurde freigegeben

Bislang hat jedoch noch kein Pressevertreter Interesse angemeldet. Wir arbeiten an unseren Kontakten zur überregionalen Sportberichterstattung.

Nach vier Spieltagen mit drei Spielen und einer Spielverlegung stehen wir zurzeit übrigens auf Platz Zwei der Kreisliga-Tabelle.

*von zwei Kalendergirls eigens herbeigetragene Turnbank

Zumba immer montags und mittwochs

24. 07. 2017  •  14 Kommentare

Als ich zuletzt über Spinning bloggte, kam die Sprache auf Zumba. Ich möge das doch bitte mal ausprobieren, das sei sicherlich sehr spaßig – zumindest lohnend für eine anschließende Berichterstattung, schrieben Menschen in die Kommentare.

Ich habe nachgesehen: Mein Fitti bietet tatsächlich Zumba an, immer am Montagabend und am Mittwochabend. Die Ankündigung im Kursplan ist vielversprechend:

Dieses Workout verbindet Elemente aus verschiedenen Tanzstilen zu heißer lateinamerikanischer Musik. Alle Schritte und Drehungen sind für jeden einfach zu erlernen und bringen die Stimmung im Kursraum zum Kochen.

Kochen, das ist ja so ein Buzzword für mich – kochen ist gut, denn kochen bedeutet am Ende auch: essen.

In dem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Saisonvorbereitung im Sauerland, es muss Ende der 90er gewesen sein. Ich war gerade einmal 19 Jahre alt und auf dem Höhepunkt meiner körperlichen Leistungsfähigkeit, als der Trainer ankündigte: „In der nächsten Einheit machen wir etwas Besonderes. Zur nächsten Trainingseinheit kommt eine Aerobic-Trainerin.“

Haha, Aerobic!, dachten wir, die wir seinerzeit mehrmals pro Woche über Sauerländer Hügel kilometerweit durch den Wald rannten. Das wird superlustig.

Es dauerte nur etwa 20 Minuten ab Start der Aerobiceinheit, bis wir das Ganze nur noch mittellustig fanden. Einerseits war es anstrengender als gedacht, andererseits erforderte es eine Koordinationsleistung, die uns vollständig abging.

Denn die Rechenleistung in meiner Großhirnrinde ist auf zwei parallele Prozesse begrenzt, weshalb ich zwar Arme und Beine gleichzeitig bewegen kann, aber nicht zur Musik. Das ist beim Handball ja auch nicht gefordert: Da genügt es, Arme und Beine zwar irgendwie mit einem gemeinsamen Ziel, aber arhythmisch und ohne jede Grazie zu bewegen.

Ich war beim Aerobic also entweder mit den Armen oder mit den Beinen im Rhythmus – oder Arme und Beine waren im Rhythmus, dann aber nur miteinander und nicht zur Musik. Den anderen Mädels ging es ähnlich: In der Gruppe mussten wir ausgesehen haben wie die Augsburger Puppenkiste in dreifacher Schlupp-vom-grünen-Stern-Geschwindigkeit.

Wenn ich die Zumba-Ankündigung richtig verstehe, geht es dabei sowohl um Arme als auch um Beine als auch um heiße lateinamerikanische Musik. Sie dürfen sich also gemeinsam mit mir auf ein außerordentliches Erlebnis freuen.

Ich lasse Sie wissen, wenn ich dort war.

Wie ich unversehens auf ein Spinning-Rad geriet und deshalb nun samstags immer früh aufstehe

16. 07. 2017  •  20 Kommentare

Neulich hieß es in der Whats-App-Gruppe der Handball-Veteraninnen:

Hallo Mädels, wir haben für Samstag noch Räder frei. Mag jemand? Viertel nach neun ist Beginn.

Die Handball-Veteraninnnen sind Damen, mit denen ich allesamt Handball gespielt habe. In der Whats-App-Gruppe verabreden wir uns regelmäßig zum Essen und Klönen. Eine der Veteraninnen ist nun Trainerin, und ihre Mädels gehen in der Vorbereitung zum Spinning. Wenn Räder frei sind, können die Veteraninnen auffüllen.

Ich antwortete auf obigen Beitrag:

9.30 Uhr ist schmerzhaft früh. Möchte ich nur mal sagen.

Ich wollte damit lediglich auf die Abwegigkeit des Vorschlags hinweisen: Spinning am Samstagmorgen um 9:30 Uhr an einem Ort, der am anderen Ende der Stadt liegt. Das heißt nämlich: 7:30 Uhr aufstehen – vor solch absurd anstrengenden Sportarten muss man vorher ein Brot essen -, Kontaktlinsen ins Auge stecken, anziehen, durch die Gegend fahren (mit Autobahn!), um bei dröhnender Musik mit den Füßen auf ein Standrad gekettet zu werden. Eine bizarre Idee.

Los Nessa! Nicht lange zögern! Wir können anschließend bei mir frühstücken!

Frühstück! Bei der Veteranin mit der Schaumkaffeemaschine und den holländischen Schokostreuseln!

Ich sitze also am folgenden Samstag um kurz nach Sonnenaufgang mit Augen, verquollen wie Donatella Versace nach der achten Oberlid-OP, in einem winzigen Raum auf einem Standrad. Draußen scheint die Morgensonne. Hier drinnen dröhnt Musik. Ein Tüp mit Waden von der Größe eines Babypandabären brüllt: „Vier! Drei! Zwei! Und up!“

Und als ob das nicht genügt: Der Tüp hat eine Nebelmaschine.

„Wir bleiben im Rhythmus! Seid ihr alle wach?“
//*ppfffffffft

Chinareise im Jangtze-Delta, August 2005: 32 Grad, 97 Prozent Luftfeuchtigkeit, 100 Prozent Smog. So ist Spinning im Juli 2017, in einem Panic Room mit Nebelmaschine.

„Und jetzt eine schnelle Runde. Vier Minuten Sprint! Davon zwei Minuten aus dem Sattel! Vier! Drei! Zwei! …“

Sprints sind völlig ungeeignet für meine Beine. Meine Beine sind für langes Ausschreiten gemacht. Oder für schnelles Laufen an Land. Aber nicht für Roadrunner-artige Umdrehungen an einer winzigen Kurbel. Erstaunlich, wie schnell manche Menschen ihre Beine bewegen können. Diese kleine Person vor mir zum Beispiel – die Beine, eine rotierende Scheibe.

„Noch zwanzig Sekunden!“
Zwanzig?!
„Noch fünfzehn!“
Nebelmaschine, Lasershow, dazu AC/DC.
„Die hintere Reihe auch! Ein bisschen schneller.“
Ich geb dir gleich schneller. Mach mal die Augen zu, dann siehste, was schnell ist. Ich glaube, es hackt.
„Noch zehn!“
Für dich vielleicht.
„Fünf!“
Alta.
„Und setzen.“
Na endlich.
„Nicht langsamer werden!“
Nicht???
„Aktive Erholung!“
Wie das gehen soll, habe ich noch nie verstanden.
„Und nochmal! Vier! Drei! Zwei! Und up!“
Pass mal auf, du Kasper.
„Nochmal fünfzehn Sekunden Vollgas!“
Was halt so Vollgas ist, ne.
„Seid ihr bereit?“
Nee.
„Fünfzehn!“
Moment! Eben ware es fünfzehn! Jetzt müssen es zehn sein!
„Zehn!“
Du lügst doch.
„Fünf!“
Meine Oberschenkel sind das Fegefeuer.
„Setzen. Widerstand raus. Und erholen.“

Spining ist auch deshalb völlig absurd, weil ich bei keiner anderen Sportart so bizarr viel schwitze. Mir tropfen die Niagara-Fälle vom Körper.

„Jetzt kommt ein schöner, langgezogener Berg. Ein Berg, der euer Herz erfreuen wird.“
Moment. Ich dachte, wir erholen uns.
„Widerstand rein.“

Das Problem mit Spinning, besonders mit Spinning morgens um 9:30 Uhr ist: Danach fühle ich mich zwar wahnsinnig straff. Ich möchte aber auch umgehend ein kleines, mit Crème fraiche gefülltes Schwein essen. Auf Toast. Überbacken mit einer Käsekruste. Zum Glück gibt es Frühstück mit Schaumkaffee. Und Schokostreusel.

Nächste Woche wieder.

Das große Kalendergirl-Saisonfazit

23. 05. 2017  •  7 Kommentare

Meine zweite Saison mit den Kalendergirls ist beendet. Dafür, dass ich niemals mehr Handball spielen wollte, sind das ganz schön viele Saisons.

Sportliches Fazit: Platz Zwei der Damen-Kreisliga mit 33:3 Punkten und 396:276 Toren. Klassenerhalt geglückt. Wir haben nur einmal verloren, aber es war eben eine Niederlage zu viel, um aufzusteigen. Das wurmt schon ein bisschen, selbst wenn man, so wie ich, frei von sportlichem Ehrgeiz ist.

Zwischenmenschliches Fazit: Ein neues Mannschaftsbaby und niemals mehr Flausch in meinem Sportlerinnenleben.

Natürlich, damals in der Landes- und Verbandsliga, das war auch flauschig. Allein die Mannschaftsfeiern: legendär. Gleichzeitig war da aber dieser Leistungsgedanke, der das Grundgefühl doch deutlich trübte.

Den Kalendergirls hingegen ist der Leistungsgedanke fern. Oder sagen nicht: Er ist zwar da – aber nur, solange wir keine Waldläufe machen müssen. Oder Bergaufsprints. Himmel! Wenn ich daran zurückdenke: Bergaufsprints! Und dieses Gehüpfe auf einem Bein die Treppen hoch! Wenn’s mich während meiner Rentnerjoggingrunde wild packt, ja, dann kann ich kurz ansprinten, also … von hier bis zur Ecke, kurz vor Zuhause vielleicht. Aber als offizieller, halbstündiger Programmpunkt? Also: nee.

„Es gibt schon tolle Übungen“, meinte der Trainer während der Mannschaftsfeier am Wochenende. „Aber ihr wollt ja nicht mehr alles machen.“ Es ist so schön, dass er das verstanden hat.

Die Mannschaftsfeier war ebenfalls ohne sportlichen Ehrgeiz. Damals™ hat die Mannschaft erst noch eine 80-Kilometer-Fahrradtour gemacht, bevor sie einkehrte. Jetzt kehren wir direkt ein. Mit Partnern, Partnerinnen, Kind und Kegel – frisch Kennengelernte werden der Mannschaft zu dieser Gelegenheit kurz vorgestellt. „Wir sind seit dem 15. zusammen.“ – „Dem 15. was?“ – „Na, Mai.“ Je früher das Genehmigungsverfahren läuft, desto früher können wir bei Problemen unterstützen.

Weil wir in dieser Saison so gut abgeschnitten haben, bekommen wir neue Trikots. Alta! Das wird ein Projekt! Wir haben schon kurz vorbesprochen: Das neue BVB-Trikot ist eine schöne Sache. Allerdings: Unsere Vereinsfarben sind blau-weiß (ausgerechnet!), die Farben passen also nicht. Aber das Muster: Blockstreifen, die zur Mitte auslaufen. Das formt eine schmale Taille. Die Bewegungsunschärfe wirkt gleichzeitig enorm dynamisch. Ein Trikot, wie für uns designt.

Hinzu kommt, dass wir Einiges an Guthaben in der Mannschaftskasse haben. Ist ja logisch: Wir vertrinken unsere Monatsbeiträge nicht mehr so ausdauernd wie noch mit 25, dafür können wir aus dem Handgelenk achtstöckige Kuchen backen, die beim Hallenverkauf horrende Einnahmen generieren. Zusätzlich haben wir süße, ebenfalls selbst produzierte Kinder zur Verfügung, die wir hinter die Theke stellen, damit sie während des Verkaufs rechnen lernen – und die gleichzeitig gute Trinkgelder provozieren (Win-Win!). Wir schwimmen also im Geld. Nur, wohin damit? Eine Sweaterjacke mit Reißverschluss wäre noch schön. Oder doch lieber ein Langarmshirt? Es ist so schwierig. Wir werden noch ein zweites Projekt aufsetzen müssen.

Das Ziel für die nächste Saison ist also klar: Neue Trikots aussuchen. Und Kleidung. Ach ja, und: Aufstieg in die Bezirksliga.

#bedforawayfans: Das Netz ist ein guter Ort, wenn wir es dazu machen

12. 04. 2017  •  13 Kommentare

#bedforawayfans: The Internet is a great place, if we make it great
(English translation below)

Es ist kurz nach der Absage des Spiels des BVB gegen Monaco, als der Hashtag geboren wird: #bedforawayfans. Drei Stunden später sammele ich V. und seinen Freund P. am Stadion ein.

Es ist bereits mitten in der Nacht, halb zwölf, und die beiden stehen am Remydamm vor dem Gebäude der TSC Eintracht. Straßenlaternen beleuchten sie. Es ist still dort – auf dem großen Parkplatz in der Nähe des Stadions. Er ist leer. Der Wind weht leicht. Sie winken, als ich angefahren komme.

Am Mittag, erzählen sie, seien sie in Paris losgefahren, mit dem Fernbus. Dort wohnen und arbeiten sie. Eine Schande sei dieser Anschlag. Und eine Schande seien auch die Umstände. Nicht einmal das Stadion hätten sie von innen gesehen, denn ihr Bus habe stundenlang im Stau gestanden. Sie seien erst dort angekommen, als alle Leute es schon wieder verließen.

Wir fahren heim zu mir. Natürlich habe ich vorher abgewogen: Allein daheim, als Frau. Ist es da klug, zwei fremde Kerle einzuladen? Aber ich habe Befürchtungen satt, diese ständigen Bedenken, das Immer-vom-Schlimmsten-Ausgehen. Das hemmt einen nur, Tolles und Interessantes zu erleben, und was soll das auch, das ist doch alles Unsinn.

Wir schwatzen ein bisschen über dies und das, aber vor allem sind wir müde. Ich beziehe beiden ihre Oberbetten, P. bemerkt den Kerzenhalter mit den Weinkorken in meinem Wohnzimmer und meint anerkennend, dass ich sicher gerne Wein möge. „Ja,“ sage ich. Aber das, ich deute auf die Korken, sei die Sammlung einiger Jahre Beisammensein mit Freunden. „Bien sûr“, meint P., „natürlich einige Jahre. Und“, in seiner Stimme schwingt das sanfte Vibrato der Ironie mit, „natürlich viiiiieler Freunde.“ Wir verstehen uns.

Natürlich hätten sie heim fahren können nach Paris – mit dem Abendbus, wie geplant. Aber dann hätten sie den ganzen Weg auf sich genommen, ohne das Spiel zu sehen. Und auch ohne das Nachholspiel am nächsten Tag erleben zu können. Sicher: Sie hätten auch ein Hotel nehmen können, theoretisch. Doch bei 3.000 Franzosen in der Stadt, den üblichen Messe- und Geschäftsgästen und wenig Orientierung zu später Stunde – da ist es in der Praxis schwierig, ein Bett zu finden.

Als ich frage, ob die beiden Hunger haben, winken sie ab. Nein, nein, sagen sie. Nur keine Umstände. Und: Sie hätten Chips gehabt und einen Snack im Bus, das genüge für die Nacht.

Keinen Hunger? So kann ich nicht arbeiten. Ich habe Gastfreundschaft in Russland gelernt, da wird aufgetischt, bis sich die Tische biegen. Gäste, die nichts essen wollen? Undenkbar! Aber nun gut. Meine Stunde wird kommen.

Am Morgen hole ich Brötchen und decke den Tisch. Wir halten es unkompliziert: Frühstück an der Kücheninsel. V. freut sich über ein typisch deutsches Frühstück mit Aufschnitt und Marmelade, das sei ausgesprochen prima. Wir sprechen über Fußball und über Marine Le Pen. Über Europa und den Brexit, über Flüchtlinge hier und dort, über die anstehenden Wahlen, über die Auswirkungen auf die Wirtschaft (P. arbeitet bei der Bank und verwaltet Aktienportfolios seiner Kunden), über die Rolle der Medien (V. arbeitet bei einem Fernsehsender als Community-Manager) und wieder über Fußball. Die beiden bekommen Zahnbürsten und eine Dusche. Danach jeder ein Bergmannbier für den Weg, das beste und traditionellste der Dortmunder Biere – natürlich, das muss sein. „Was steht da?“, fragt mich P. und deutet auf das Etikett. – „Harte Arbeit. Ehrlicher Lohn.“ – „That’s me.“ Ich gebe ihnen auch eine kleine Skizze mit Tipps für den Zeitvertreib und mit dem Weg zum Stadion.

Als ich sie in die Stadt fahre, sagen sie: „Vielleicht sind wir heute Abend die einzigen im Gästeblock. Gestern sind so viele Fans direkt wieder abgefahren.“ Sie schauen sich an und schwingen ihre Oberarme. Ich lache. „Geht auf den Alten Markt“, sage ich. „Dort werdet ihr Freunde treffen.“

P. drückt mir ein Kärtchen in die Hand. Dann verschwinden sie in die Stadt.

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*

It was shortly after the match had been cancelled, yesterday evening: Borussia Dortmund – AS Monaco, when the hashtag #bedforawayfans was born. Three hours later I pick up V. and his friend P. at the stadium.

It is already late at night, half past eleven, when they stand at Remydamm in front of the club house of TSC Eintracht Dortmund. Street lights are spending a blunt brightness. It’s quiet and silent out there, at this vast parking space next to the stadium. A smooth wind is blowing. They wave at me when I’m coming closer.

It was noon, they tell me, when they started their bus trip from Paris to Dortmund.  Paris, that’s where they live and that’s where they work. The attack’s a shame, a disgrace, they say. „And it’s also a shame that we haven’t even seen the stadium!“ Their bus had stuck in traffic jams for hours. When they’d finally reached the stadium people were already leaving it.

We go home to my house. Of course, I’d reflected: Alone at home, as a woman. Is it a good idea to host two strangers? But I’m tired of all those fear and doubts, of always considering the worst. Fear is a show stopper in experiencing wonderful und interesting things. The heck with it!

We’re chatting about this and that, but primariliy we’re tired. I prepare their beds, and P. takes notice of my candle holder with the wine corks. Impressed by their number he asks if I like wine.

– „Yes“, I say. But well, I point at the corks, „this is the result of many years with friends.“

-„Bien sûr“, P. answers, and his voice vibrates with the soft timbre of subtle irony, „many years. And a lot of friends.“ We’re getting along.

Of course, V. and P. could have gone home to Paris, could have taken the latest bus from Dortmund back to Paris as they’d planned. But if so, they had made the whole journey for nothing. They won’t be able to see the stadium from inside and they won’t be able to the watch the rearranged match which will take place the next day. Surely they could have taken a hotel room, hypothetically. But with 3.000 French people in town, with the common business and trade fair guests and with little knowledge of Dortmund late at night – with all that it’s difficult to find a hotel room.

I ask them if they’re hungry. They shake their heads. No, they say. No trouble, please. They’ve had chips and a snack in the bus. That’ll be enough for the night.

Not hungry? That’s not the way I work. I once learnt hospitality in Russia. Where they dish up until the table breaks. Guests who don’t want to eat? Impossible! But well. My time is yet to come.

In the morning I go to the bakery and fetch some rolls. We keep it simple: breakfast at the kitchen island. V. says he likes typical German breakfast with meat and jam. We talk about football and Marine le Pen. About Brexit and Europe, refugees here and there, about the nearby elections, about their impact on the economy (P. is portfolio manager at a bank), about the role of media (V. is community manager at a TV station) and about … football. They get some tooth brushes and they take a shower. And they get two bottles of beer for their day in town, Bergmann Bier (Digger’s beer), Dortmund’s best and most traditional beer.

– „What’s written there?“, P. asks and points at the label.

– „For people who work hard.“

– „That’s me!“

They also get a draft with some sightseeing suggestions and the way from the centre to the stadium. When I drive them into town, they say:

-„Maybe we’re the only ones in the visitor’s block today. Many supporters left Dortmund yesterday.“ They look at each other and wave their arms enthusiastically.

I’m laughing.

-„Go to the Old Market“, I say. „There you’ll meet friends.“

P. hands me his business card with a note on the back. Then they disappear in town.

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Neues von den Kalendergirls, Neues vom A-Wort

19. 03. 2017  •  7 Kommentare

Noch drei Spiele, dann ist Schluss. Dann ist die zweite Handballsaison beendet, die ich eigentlich nicht mehr spielen wollte.

Heldin der Kreisliga

Das A-Wort sprechen wir seit zwei Wochen nicht mehr aus, denn der Aufstieg, jetzt können wir ihn beim Namen nennen, ist erstmal vom Tisch: Wir haben gegen die direkten Konkurrentinnen mit einem Tor verloren – das einzige Spiel bislang, das wir verloren haben, aber eben das entscheidende Spiel, und so wird dem Aufstieg 2016 nicht direkt ein zweiter folgen. Das wurmt natürlich, denn mit 27:3-Punkten und dem besten Angriff der Liga möchten wir nach oben. Aber so ist das eben im Sport. So funktioniert Charakterbildung.

Immerhin sind wir mittlerweile die bestgekleidete Mannschaft der Liga: neuer Vereinspulli, neue Flauschhose, neues Warmmachshirt, und sogar Vereinssocken haben wir. Alles in schmeichelndem Blau. Wir sehen top aus.

Nur ein Thema haben wir noch nicht gelöst: das des fehlenden Physiotherapeuten. Drei Spiele vor Saisonende ist das Team ein einziges muskuläres Problem. Es zwickt und zerrt überall zwischen Nacken und Fußsohle. Dazu kommen die bestehenden Versehrungen aus 25 Jahren Handball: Innenbänder, Außenbänder, Kreuzbänder, Syndesmosebänder, Bandscheiben, Schultersehnen – jeder Wetterwechsel ist eine größere Herausforderung als der Gegner.

Der Trainer sagte nun, für die kommende Saison könne der Verein eine zweite Hallenzeit akquirieren. Das heißt: zweimal pro Woche trainieren statt einmal. Wir schwiegen betreten. Nun ja, meinte er daraufhin, wir müssten natürlich nicht zweimal trainieren. Aber schlecht sei es sicher nicht, auch das Publikum, so wandte er ein, habe sich in diese Richtung schon geäußert. Da wir in der kommenden Saison einen Euro Eintritt kosten werden, wolle man mehr geboten bekommen. (Hallo?! Noch mehr?)

Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, dass wir manchmal zweimal pro Woche trainieren werden: abwechselnd der Rückraum, die Außenspielerinnen, die Kreisläuferinnen, die Torleute. So ist jede alle vier Wochen dran.

Die Frage des Physiotherapeuten wird dadurch natürlich noch drängender.

Zehn Meter

1. 02. 2017  •  15 Kommentare

Die Filmemacher Maximilien van Aertryck und Axel Danielson haben ein Experiment gemacht.

Über eine Online-Anzeige haben sie Menschen gesucht, die von einem Zehn-Meter-Turm in ein Schwimmbecken springen. Sie bekamen dafür 30 Dollar.  67 Leute meldeten sich. Das Ergebnis ist ein Kurzfilm.

Mehr als zwei Drittel der Menschen, die hinaufstiegen, sprangen. Der Rest drehte wieder um.

Die New York Times zeigt den kompletten Film, 16 Minuten. Es sind sehr witzige Szenen dabei. Lange Diskussionen. Spannende Szenen. Und Momente mit Herz.

Falls Sie so einen Zehn-Meter-Sprung nachmachen möchten: Der Serviceblog hat das für Sie getestet. Die Erkenntnisse:

  • Zehn Meter sind von oben höher als von unten, was logisch ist, denn von unten sieht man von der Wasseroberfläche hinauf, von oben aber bis auf den Grund des Beckens hinunter. Lassen Sie sich also nicht ins Bockshorn jagen. So hoch ist es gar nicht.
  • Man ist verdammt lange in der Luft. Nicht objektiv natürlich. Subjektiv. Suchen Sie sich schöne Momente aus Ihrem Leben aus, die Sie an sich vorbeiziehen lassen können.
  • Holen Sie vorher tief Luft. Sie tauchen länger und tiefer, als Sie denken. Jedenfalls dauerte es für mein Empfinden zwei nicht getane Atemzüge zu lange, bis ich wieder schnaufen durfte.
  • Halten Sie Ihre Badeklamotten fest. Ich sag nur.

Und nun viel Spaß beim Filmgucken.



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