Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Die Twitterlieblinge habe ich ein bisschen vernachlässigt. Deshalb jetzt: eine Sammlung.

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Als ich zuletzt über Spinning bloggte, kam die Sprache auf Zumba. Ich möge das doch bitte mal ausprobieren, das sei sicherlich sehr spaßig – zumindest lohnend für eine anschließende Berichterstattung, schrieben Menschen in die Kommentare.

Ich habe nachgesehen: Mein Fitti bietet tatsächlich Zumba an, immer am Montagabend und am Mittwochabend. Die Ankündigung im Kursplan ist vielversprechend:

Dieses Workout verbindet Elemente aus verschiedenen Tanzstilen zu heißer lateinamerikanischer Musik. Alle Schritte und Drehungen sind für jeden einfach zu erlernen und bringen die Stimmung im Kursraum zum Kochen.

Kochen, das ist ja so ein Buzzword für mich – kochen ist gut, denn kochen bedeutet am Ende auch: essen.

In dem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Saisonvorbereitung im Sauerland, es muss Ende der 90er gewesen sein. Ich war gerade einmal 19 Jahre alt und auf dem Höhepunkt meiner körperlichen Leistungsfähigkeit, als der Trainer ankündigte: „In der nächsten Einheit machen wir etwas Besonderes. Zur nächsten Trainingseinheit kommt eine Aerobic-Trainerin.“

Haha, Aerobic!, dachten wir, die wir seinerzeit mehrmals pro Woche über Sauerländer Hügel kilometerweit durch den Wald rannten. Das wird superlustig.

Es dauerte nur etwa 20 Minuten ab Start der Aerobiceinheit, bis wir das Ganze nur noch mittellustig fanden. Einerseits war es anstrengender als gedacht, andererseits erforderte es eine Koordinationsleistung, die uns vollständig abging.

Denn die Rechenleistung in meiner Großhirnrinde ist auf zwei parallele Prozesse begrenzt, weshalb ich zwar Arme und Beine gleichzeitig bewegen kann, aber nicht zur Musik. Das ist beim Handball ja auch nicht gefordert: Da genügt es, Arme und Beine zwar irgendwie mit einem gemeinsamen Ziel, aber arhythmisch und ohne jede Grazie zu bewegen.

Ich war beim Aerobic also entweder mit den Armen oder mit den Beinen im Rhythmus – oder Arme und Beine waren im Rhythmus, dann aber nur miteinander und nicht zur Musik. Den anderen Mädels ging es ähnlich: In der Gruppe mussten wir ausgesehen haben wie die Augsburger Puppenkiste in dreifacher Schlupp-vom-grünen-Stern-Geschwindigkeit.

Wenn ich die Zumba-Ankündigung richtig verstehe, geht es dabei sowohl um Arme als auch um Beine als auch um heiße lateinamerikanische Musik. Sie dürfen sich also gemeinsam mit mir auf ein außerordentliches Erlebnis freuen.

Ich lasse Sie wissen, wenn ich dort war.

Neulich hieß es in der Whats-App-Gruppe der Handball-Veteraninnen:

Hallo Mädels, wir haben für Samstag noch Räder frei. Mag jemand? Viertel nach neun ist Beginn.

Die Handball-Veteraninnnen sind Damen, mit denen ich allesamt Handball gespielt habe. In der Whats-App-Gruppe verabreden wir uns regelmäßig zum Essen und Klönen. Eine der Veteraninnen ist nun Trainerin, und ihre Mädels gehen in der Vorbereitung zum Spinning. Wenn Räder frei sind, können die Veteraninnen auffüllen.

Ich antwortete auf obigen Beitrag:

9.30 Uhr ist schmerzhaft früh. Möchte ich nur mal sagen.

Ich wollte damit lediglich auf die Abwegigkeit des Vorschlags hinweisen: Spinning am Samstagmorgen um 9:30 Uhr an einem Ort, der am anderen Ende der Stadt liegt. Das heißt nämlich: 7:30 Uhr aufstehen – vor solch absurd anstrengenden Sportarten muss man vorher ein Brot essen -, Kontaktlinsen ins Auge stecken, anziehen, durch die Gegend fahren (mit Autobahn!), um bei dröhnender Musik mit den Füßen auf ein Standrad gekettet zu werden. Eine bizarre Idee.

Los Nessa! Nicht lange zögern! Wir können anschließend bei mir frühstücken!

Frühstück! Bei der Veteranin mit der Schaumkaffeemaschine und den holländischen Schokostreuseln!

Ich sitze also am folgenden Samstag um kurz nach Sonnenaufgang mit Augen, verquollen wie Donatella Versace nach der achten Oberlid-OP, in einem winzigen Raum auf einem Standrad. Draußen scheint die Morgensonne. Hier drinnen dröhnt Musik. Ein Tüp mit Waden von der Größe eines Babypandabären brüllt: „Vier! Drei! Zwei! Und up!“

Und als ob das nicht genügt: Der Tüp hat eine Nebelmaschine.

„Wir bleiben im Rhythmus! Seid ihr alle wach?“
//*ppfffffffft

Chinareise im Jangtze-Delta, August 2005: 32 Grad, 97 Prozent Luftfeuchtigkeit, 100 Prozent Smog. So ist Spinning im Juli 2017, in einem Panic Room mit Nebelmaschine.

„Und jetzt eine schnelle Runde. Vier Minuten Sprint! Davon zwei Minuten aus dem Sattel! Vier! Drei! Zwei! …“

Sprints sind völlig ungeeignet für meine Beine. Meine Beine sind für langes Ausschreiten gemacht. Oder für schnelles Laufen an Land. Aber nicht für Roadrunner-artige Umdrehungen an einer winzigen Kurbel. Erstaunlich, wie schnell manche Menschen ihre Beine bewegen können. Diese kleine Person vor mir zum Beispiel – die Beine, eine rotierende Scheibe.

„Noch zwanzig Sekunden!“
Zwanzig?!
„Noch fünfzehn!“
Nebelmaschine, Lasershow, dazu AC/DC.
„Die hintere Reihe auch! Ein bisschen schneller.“
Ich geb dir gleich schneller. Mach mal die Augen zu, dann siehste, was schnell ist. Ich glaube, es hackt.
„Noch zehn!“
Für dich vielleicht.
„Fünf!“
Alta.
„Und setzen.“
Na endlich.
„Nicht langsamer werden!“
Nicht???
„Aktive Erholung!“
Wie das gehen soll, habe ich noch nie verstanden.
„Und nochmal! Vier! Drei! Zwei! Und up!“
Pass mal auf, du Kasper.
„Nochmal fünfzehn Sekunden Vollgas!“
Was halt so Vollgas ist, ne.
„Seid ihr bereit?“
Nee.
„Fünfzehn!“
Moment! Eben ware es fünfzehn! Jetzt müssen es zehn sein!
„Zehn!“
Du lügst doch.
„Fünf!“
Meine Oberschenkel sind das Fegefeuer.
„Setzen. Widerstand raus. Und erholen.“

Spining ist auch deshalb völlig absurd, weil ich bei keiner anderen Sportart so bizarr viel schwitze. Mir tropfen die Niagara-Fälle vom Körper.

„Jetzt kommt ein schöner, langgezogener Berg. Ein Berg, der euer Herz erfreuen wird.“
Moment. Ich dachte, wir erholen uns.
„Widerstand rein.“

Das Problem mit Spinning, besonders mit Spinning morgens um 9:30 Uhr ist: Danach fühle ich mich zwar wahnsinnig straff. Ich möchte aber auch umgehend ein kleines, mit Crème fraiche gefülltes Schwein essen. Auf Toast. Überbacken mit einer Käsekruste. Zum Glück gibt es Frühstück mit Schaumkaffee. Und Schokostreusel.

Nächste Woche wieder.

Der liebe Herr Jawl hat es vorgemacht. Doch eigentlich kommt es von Frau Brüllen:

Was machst du eigentlich den ganzen Tag? (#WMDEDGT)

Eine Initiative zur Förderung des Tagebuchbloggens. Heute auch mit mir und dem Beweis, wie unaufregend mein Leben ist.

6:00 Uhr

Wecker. Das ist irre früh. Es mag Leute geben, die das anders sehen. Aber für mich: mitten in der Nacht. Hilft aber nichts. Also auf, auf! Ich richte mich her, mache mir ein Brötchen und packe mich ins Auto auf die A1.

8:00 Uhr 

Ankunft beim Kunden.

11 Uhr:

Nachricht in der Whats-App-Gruppe der Handballveteraninnen (die allesamt doch wieder spielen). Es sind Plätze beim Spinning der Verbandsliga-Mädels frei: Samstag, 9:30 Uhr. Ich schreibe, dass 9:30 Uhr an einem Samstagmorgen eine völlig irrationale Zeit für Spinning ist. Am Ende bin ich dabei. Fragen Sie mich nicht, wie das immer passiert. Vielleicht, weil eine Sportskameradin mir ein anschließendes Frühstück avisiert.

12:00 Uhr

Mittagspause. In der Kundenkantine gibt es Seelachsfilet mit Gemüsereis und Dillsauce. Fisch ist büschn trocken. Zum Nachtisch spendiert mir meine Gesprächspartnerin ein Eis. Das ist hervorragend.

16:00 Uhr

Abfahrt beim Kunden. Ich muss zu Hause noch Dinge tun, die ich beim Kunden nicht tun kann. Kein Stau auf dem Weg zur Autobahn. Das ist sensationell und bisher kaum dagewesen.

17:00 Uhr

Ich bin zu Hause und arbeite noch etwa eine Stunde von daheim, um den morgigen Tag vorzubereiten.

18:00 Uhr

Wäsche einstecken. Wäsche abnehmen. Balkon gießen. Nachbarbalkon gießen wegen Urlaub. Tomaten gießen. Schnadegang durch den Garten. Altpapier wegbringen.

19:00 Uhr

Noch ein Telefontermin.

19:30 Uhr

Feierabend. Ich esse Cornflakes mit Milch, beobachte Vögel und Eichhörnchen. Wäsche falten. Wäsche wegräumen. Koffer packen. Auto mit Arbeitsgeraffel packen. Denn morgen habe ich einen beruflichen Termin mit Übernachtung.

20:30 Uhr:

Warten, dass die Wäsche fertig gewaschen ist und ich sie aufhängen kann. Dabei bloggen. Doch noch was arbeiten, weil ich etwas vergessen habe.

21:00 Uhr

Wäsche aufhängen. Zähne putzen.

21.30 Uhr:

Bett.

In den letzten Monaten lese ich viele Artikel zum Thema Mobilität, Parkgebühren, autofreie Innenstädte, Fahrverbote. Und natürlich über Staus.

Vor allem das Stauproblem bewegt mich, denn ich stehe derzeit selbst viel drin. In NRW sind fast ein Drittel aller deutschen Staus. Es nimmt absurde Züge an. Für eine Strecke von Dortmund nach Essen, das sind rund 40 Kilometer, benötigte ich zuletzt eineinhalb Stunden, für eine Fahrt von Dortmund nach Düsseldorf, die eigentlich eine Stunde dauert, benötigte ich zweieinviertel Stunde. In beiden Fällen hatte ich Termine – beim letzten kam ich trotz doppelt angenommener Anfahrtszeit eine Viertelstunde zu spät.

Was soll die Lösung sein? Die eigentliche Reisezeit zukünftig mal drei nehmen – und den Großteil seiner wertschöpfenden Arbeitszeit auf der Autobahn verbringen?

Bahnfahren!, rufen Sie jetzt, nicht wahr? Nun – wenn ich in meiner Region Ruhrgebiet/Rheinland nur von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof fahren möchte, ist alles in Ordnung. Doch ich wohne nicht neben dem Hauptbahnhof – und mein Ziel ist auch selten das Ibis-Hotel.

Nehmen wir also die Fahrt zum Termin nach Düsseldorf: Um zum Hauptbahnhof zu gelangen, steige ich in den Bus, von dort steige ich in die Stadtbahn um, von der Stadtbahn steige ich am Dortmunder Hauptbahnhof in den Regionalexpress und fahre mit ihm nach Düsseldorf. Am Hauptbahnhof Düsseldorf steige ich wieder in eine Stadtbahn um – und von der Stadtbahnhaltestelle gehe ich noch gute zehn Minuten zu Fuß zum Zielort. Das ergibt eine reine Wegzeit mit dem ÖPNV von 2 Stunden 30 Minuten – wohlgemerkt, wenn alle Anschlüsse pünktlich und reibungslos funktionieren, was auf dieser Strecke eigentlich nie passiert. Preis für Hin- und Rückfahrt: fast 60 Euro.  Es muss nicht erwähnt werden, dass dieselbe Rechnung nach 20 Uhr, also bei geringerer Taktung, deutlich ungünstiger ausfällt, der Preis aber gleich bleibt.

Menschen, die auf dem Land leben, lachen ohnehin laut auf, wenn sie die Worte „Bus und Bahn“ hören.

Während ich also im Stau stand, machte ich mir Gedanken. Denn es macht mich wütend, dass alleinig dem Autofahrer die Schuld daran gegeben wird, dass er Auto fährt. In vielen Artikeln in Kommentarspalten und in der öffentlichen Diskussion schwingt die Haltung mit: Der Autofahrer ist ignorant. Der Autofahrer ist eine Umweltsau. Der Autofahrer müsste nur mal weniger bequem sein. Soll er doch Rad fahren! Soll er doch Bahn fahren!

Seltsam finde ich, dass alle Kritiker stets nur im Kontext „Verkehr“ argumentieren – und die Lösungen für Verkehrsprobleme lediglich in Verkehrslösungen sehen. Doch liegt die Ursache für unsere Verkehrsprobleme nicht woanders?

  1. Die Arbeit ist immer weniger planbar. Conti-Schichten, Früh-, Spät-, Nachtarbeiten, Bereitschaftszeiten, spontane Mehrarbeit, Zeitverträge, Zeitarbeit, Aushilfsverträge. Das alles führt dazu, dass Menschen keine Fahrgemeinschaften bilden, dass sie pendeln und dass sie – weil der Vertrag befristet ist – dem Arbeitsplatz erstmal nicht hinterherziehen.
  2. Beide Partner sind erwerbstätig. Weil sie es müssen, weil sie es wollen und weil sie es wollmüssen – weil ein Einkommen zwar ausreichen könnte, wenn man zu Viert auf 60 Quadratmetern wohnte; weil jedoch im Falle einer Trennung einer der Partner sofort in Hartz 4 und damit in Armut rutschte – von Armut im Alter ganz zu schweigen. Zur Arbeit müssen sie hinkommen, vor allem, wenn sie als Erzieher*in, in der Pflege oder im Einzelhandel in Schichten, in Teilzeit oder als Aushilfen arbeiten.
  3. Flexibel kollidiert mit starr. Der Arbeitnehmer soll flexibel sein. Die Kinderbetreuung ist es nicht. Das Kind muss pünktlich abgeholt werden, der Chef wünscht aber noch eine spontane Besprechung. Und dann noch auf den Bus warten, der zu spät kommt, wo eh immer alles so knapp ist?
  4. Der Alltag hat sich verdichtet. Die Schlagzahl auf der Arbeit ist hoch: just in time, Service-Level-Reaktionszeiten, immer weniger Personal. Der Vertrag ist befristet, das Unternehmen wird umstrukturiert. Die Kinder müssen von der Betreuung abgeholt werden, die Mutter ist dement, der Schwiegervater braucht Hilfe im Haushalt. Die Steuererklärung ist überfällig, der Antrag für die Pflegestufe auch, im Keller ist die Wand nass. Der Gatte muss nächste Woche auf Dienstreise – ausgerechnet, wo die große Tochter eine Zahn-OP hat. Und jetzt das Auto stehen lassen und über nicht ausgebaute Radwege 15 Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit und zurück fahren? Oder das Doppelte der Wegzeit in Kauf nehmen, um mit Sack und Pack in der unklimatisierten Bahn zu sitzen?
  5. Immer mehr Lastverkehr. Der Personenverkehr hat zwischen 1991 und 2015 zwar um ein Drittel zugenommen – der Güterverkehr aber um zwei Drittel (Quelle). Weil es immer mehr Güter gibt, aber auch, weil diese Güter längere Wege zurücklegen. Wenn man sich durch bilaterale Güterstromanalysen hindurchwühlt, stellt man zum Beispiel fest, dass die Güterströme zwischen den europäischen Ländern allesamt immens zugenommen haben. Woran das liegt? Keine Ahnung. Meine Vermutung: Öffnung des europäischen Binnenmarktes und preiswertere Produktionsorte. Güter durch die Lande zu karren ist eben preiswerter als einen Standort in West-Europa zu unterhalten (oder Güter zu lagern). Dafür fahren immer mehr Menschen mit der Bahn, auch wenn es sich auf der Straße nicht so anfühlt. Wer mal zu Stoßzeiten im RE1 durchs Ruhrgebiet fahren möchte: Bon voyage im Viehtransport.

Wenn wir das Verkehrsproblem lösen möchten, müssen wir gesamtwirtschaftliche Themen lösen. Das ist politisch, nicht indivuell. Ein bisschen mehr Fahrrad zu fahren, mag im Einzelfall richtig und hilfreich sein. Aber die große Herausforderung löst es nicht.

Das Thema Manspreading ist grad mal wieder aktuell: Männer, die sich so breitbeinig hinsetzen, dass sie zwei Sitzplätze benötigen – oder Nebensitzer an die U-Bahn-Wand verweisen. Viele Frauen bringt das auf die Palme.

Dazu möchte ich einige praktische Hinweise geben:

Männer sind im Durchschnitt größere Menschen als Frauen. Größere Menschen haben längere Beine. Lange Beine sind hilfreich beim Laufen, Fahrradfahren oder Rudern. Sie sind nicht hilfreich beim Sitzen.

Auf normalen Stühlen liegen die Beine langer Menschen nur mit dem hinteren Teil – und damit zu höchstens einem Drittel – auf der Sitzfläche auf. Manchmal gar nicht, denn Langbeinige haben nicht nur lange Oberschenkel, sondern auch lange Unterschenkel, länger als das Stuhlbein. Die fehlende Auflage ist bei längerem Sitzen unangenehm. Deshalb verschränken langbeinige Menschen die Beine oft unter der Sitzfläche und legen dort einen Fuß auf die Ferse des anderen. Oder sie klemmen die Füße hinter die Stuhlbeine. Dadurch sitzen sie oberhalb der Sitzfläche automatisch breitbeinig.

Langbeinige machen das auch, weil es ihnen an alternativen Sitzhaltungen mangelt. Beine auszustrecken, geht oft nicht. Denn dann okkupiere ich den Tanzbereich des Gegenübers. Oder es gibt ein Hindernis, wie zum Beispiel bei Tischen, die in der Mitte einen Sockel haben. Apropos Tisch: Beine übereinander schlagen geht auch nicht. Wenn ich auf einem Stuhl mit Tisch sitze, ist die Tischplatte nicht hoch genug, damit die Beine darunter passen. Mein Unterschenkel plus der darübergeschlagene Oberschenkel des anderen Beins sind höher als die Tischkante. Deshalb kann ich am Tisch sitzend nicht die Beine übereinander schlagen. Das gilt auch für Vierertische in der Bahn.

Damit sind wir bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Die DIN-Norm 33402 befasst sich mit den Körpermaßen des Menschen. Sie hat Einfluss auf Beinraum- und Fußraumtiefen, Abstützhöhen und Sichtgeomtrie. 90 Prozent der deutschen Frauen sind zwischen 1,53 und 1,72 Meter groß, 90 Prozent der deutschen Männer zwischen 1,65 und 1,85 Meter (Quelle). Ich bin eine der restlichen zehn Prozent, sogar eine der zehn Prozent bei den Männern.

Öffentliche Verkehrsmittel sind für den Durchschnitt gemacht, für den Durchschnitt aus dem durchschnittlichen Mann und der durchschnittlichen Frauen. Also für Menschen um die 1,70 Meter mit durchschnittlich langem Ober- und Unterkörper (Durchschnittsgröße deutscher Männer: 1,80 Meter).

Wenn ich ÖPNV fahre, mache ich Manspreading. Es geht nämlich nicht anders. In Sitzreihen kann ich entweder nur breitbeinig sitzen oder die Beine zusammennehmen und in den Gang richten. Denn es gibt einfach nicht genug Beinraum. Im Gang sind die Beine dann im Weg, die Leute treten dagegen (autsch!). Außerdem tut auf längeren Fahren der Rücken weh, denn ich verdrehe mich ja in der Hüfte. Also breitbeinig.

Im Vierersitz habe ich keinen Sitz vor mir, aber mir sitzen Leute gegenüber, die ebenfalls Beine haben. Damit beide ihre Beine unterkriegen, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Einer schließt sie, der andere öffnet sie. Der, der sie geschlossen hat, steht in den Manspreading-Beinen des anderen – perfekt. Nur nicht für den Nebensitzer.
  2. Alternativ öffnen beide die Beine leicht und machen das Reißverschlussverfahren: Seins, meins, seins, meins. Das ist etwas schicklicher.

Das ist sogar vonnöten, wenn der Gegenüber kürzere Beine hat, also normal groß ist: Öffentliche Verkehrsmittel sind nämlich nicht einmal dafür gemacht, dass nur einer lange Beine hat. Ist ja auch logisch: Der durchschnittliche Beinraum im Vierersitz ist für zwei durchschnittliche große Menschen gemacht. Ist einer durchschnittlich groß, der andere aber größer, passt es schon nicht. Außerdem müssen Menschen auch aufstehen und sich hinsetzen, das heißt, es gibt einen Bewegungswinkel. Oft hat mindestens einer von beiden eine Tasche – oder einen Hund oder fährt seinen Tannenbaum spazieren, was auch immer. (Die Sache mit dem Gepäck ist für Verkehrsunternehmen, so scheint es mir, übrigens eine vollkommen irre, allenfalls theoretische, insgesamt ziemlich surreale Idee – aber das ist ein anderer Blogbeitrag.)

Was ich damit sagen möchte: Es ist nicht immer Manspreading. Manchmal ist es nur einfach schwierig, anders zu sitzen. Oder auf Dauer unbequem. Solange insgesamt genug Platz für alle da ist, verdrehe ich mir nicht aus vorauseilendem Gehorsam den Rücken. Sondern manspreade. Das heißt ja nicht, dass man sich nicht arrangiert, wenn jemand zusteigt.

Pfingsten ist in meiner Heimatstadt traditionell mit zwei Ks verknüpft: Kirmes und Klassentreffen. Beide stehen zueinander in kausaler Beziehung: Weil es Kirmes gibt, gibt es Klassentreffen, denn zur Pfingstkirmes kommen alle heim.

Pfingstkirmes Menden: Riesenrad vor der Vincenzkirche

Pfingstkirmes in Menden, das sind Karussells vor Fachwerkkulisse, das sind Los- und Schießbuden, das ist der Geruch von Zuckerwatte und gebrannten Mandeln. Das sind Softeis und Wahrsagerinnen, Stände mit Lederwaren und batterbetriebenen Hundefiguren, und das ist Kokosnuss, die ihr Volumen im Mund zu einem trockenen Brei verdreifacht.

Kirmes ist überdies ein dicker, weicher Haufen Nostalgie: Kirmes war der Höhepunkt meiner Kinderjahre. Sie war nicht nur Erleben, sie war das Leben, das reine Leben, der Sinn des Lebens, Zucker und Glück, verpackt in Dosenwerfen, Schaumwaffeln und Musikexpress.

Kirmes – das ist auch die emotionale Wucht meiner Teenagerjahre: Es war Schaulaufen von der Ober- in die Unterstadt, untergehakt bei den Freundinnen, es war Herumstehen am Autoscooter, Kreischen im Breakdance und die Sehnsucht nach Knutschen.

Pfingstkirmes Menden: Riesenradgondel vor Fachwerkhaus

Pfingstkirmes Menden: Karussell vor Himmel

Meine Instagram-Story

Die diesjährige Kirmes ist die zwanzigste Kirmes seit meinem Abitur – weshalb sich am Samstagabend 56 Ex-Abiturient*innen in einem Fachwerkhaus trafen, um miteinander zu trinken.

Sie tranken lange, bis nachts um vier, und erzählten sich Geschichten: von einst, von heute und von dem Dazwischen; das eindimensionale Damals wurde ein Damals der vielen Perspektive – und die Wege zum Heute enthielten ein paar gute plot twists.

Wenn sich Menschen wiedersehen, die einst gemeinsam losliefen und sich dann konsequent aus den Augen verloren haben; wenn diese Menschen allesamt angekommen sind im Leben; wenn darunter Menschen sind, die überraschenderweise genau das wurden, wovon sie niemals dachten, dass sie es werden wollten; wenn außerdem Menschen darunter sind, die über sich und ihre Durchschnittlichkeit, ihre Besonderheit, ihr besondere Durchschnittlichkeit und ihre durchschnittliche Besonderheit lachen können; wenn sie aus Spanien, Belgien und der Schweiz anreisen, um einander zu erzählen – dann ist das eine zauberhafte Veranstaltung. Ein großer Dank an die Organisatoren;  Tobi und Hendrik, wenn Ihr das lest: Das war super.

Die Nacht verbrachte ich dann bei Tante und Onkel – auch so ein Ort. Auf den ersten Blick ein normales Wohnhaus. Doch wenn Sie genau hinschauen, wenn Sie die Details suchen, entdecken Sie Ihre Kindheit, die Kindheit Ihrer Eltern und die Kindheit aller in den 60er und 70er Geborenen.

Schild "Dusche" auf alten Kacheln

Als ich gegen Mittag erwachte und in die Küche kam, lag auf dem Resopaltisch eine Platzset, darauf lagen ein Holzbrettchen, auf dem Brettchen lag ein Messer und daneben stand ein hartgekochtes Ei. Meine Tante stand am Herd, rühte in Töpfen und sagte: „In 25 Minuten sind die Klöße fertig.“

Auf Reisen habe ich gelernt: Brot und Ei sind, was Frühstück angeht, im internationalen Vergleich in der Minderheit. Warum also darauf pochen? Ein Rinderrouladenfrühstück passt ohnehin besser zur vorangegangenen Nacht. Wieso also nicht?

Rinderrouladen, Klöße, Rotkohl

Natürlich – Sie wissen es sowieso – ist das nur der Teller fürs Foto. Nach der Aufnahme bekam er vier weitere Löffel Soße, im Nachschlag einen Zusatzkloß; außerdem einen Schlag Gurkensalat, dessen Sahne sich mit der Rouladensoße zu einer fulminanten Mélange vereinte. Die nachfolgende Götterspeise ist nicht dokumentiert.

Danach ging ich in die Stadt und fuhr Riesenrad.

Meine zweite Saison mit den Kalendergirls ist beendet. Dafür, dass ich niemals mehr Handball spielen wollte, sind das ganz schön viele Saisons.

Sportliches Fazit: Platz Zwei der Damen-Kreisliga mit 33:3 Punkten und 396:276 Toren. Klassenerhalt geglückt. Wir haben nur einmal verloren, aber es war eben eine Niederlage zu viel, um aufzusteigen. Das wurmt schon ein bisschen, selbst wenn man, so wie ich, frei von sportlichem Ehrgeiz ist.

Zwischenmenschliches Fazit: Ein neues Mannschaftsbaby und niemals mehr Flausch in meinem Sportlerinnenleben.

Natürlich, damals in der Landes- und Verbandsliga, das war auch flauschig. Allein die Mannschaftsfeiern: legendär. Gleichzeitig war da aber dieser Leistungsgedanke, der das Grundgefühl doch deutlich trübte.

Den Kalendergirls hingegen ist der Leistungsgedanke fern. Oder sagen nicht: Er ist zwar da – aber nur, solange wir keine Waldläufe machen müssen. Oder Bergaufsprints. Himmel! Wenn ich daran zurückdenke: Bergaufsprints! Und dieses Gehüpfe auf einem Bein die Treppen hoch! Wenn’s mich während meiner Rentnerjoggingrunde wild packt, ja, dann kann ich kurz ansprinten, also … von hier bis zur Ecke, kurz vor Zuhause vielleicht. Aber als offizieller, halbstündiger Programmpunkt? Also: nee.

„Es gibt schon tolle Übungen“, meinte der Trainer während der Mannschaftsfeier am Wochenende. „Aber ihr wollt ja nicht mehr alles machen.“ Es ist so schön, dass er das verstanden hat.

Die Mannschaftsfeier war ebenfalls ohne sportlichen Ehrgeiz. Damals™ hat die Mannschaft erst noch eine 80-Kilometer-Fahrradtour gemacht, bevor sie einkehrte. Jetzt kehren wir direkt ein. Mit Partnern, Partnerinnen, Kind und Kegel – frisch Kennengelernte werden der Mannschaft zu dieser Gelegenheit kurz vorgestellt. „Wir sind seit dem 15. zusammen.“ – „Dem 15. was?“ – „Na, Mai.“ Je früher das Genehmigungsverfahren läuft, desto früher können wir bei Problemen unterstützen.

Weil wir in dieser Saison so gut abgeschnitten haben, bekommen wir neue Trikots. Alta! Das wird ein Projekt! Wir haben schon kurz vorbesprochen: Das neue BVB-Trikot ist eine schöne Sache. Allerdings: Unsere Vereinsfarben sind blau-weiß (ausgerechnet!), die Farben passen also nicht. Aber das Muster: Blockstreifen, die zur Mitte auslaufen. Das formt eine schmale Taille. Die Bewegungsunschärfe wirkt gleichzeitig enorm dynamisch. Ein Trikot, wie für uns designt.

Hinzu kommt, dass wir Einiges an Guthaben in der Mannschaftskasse haben. Ist ja logisch: Wir vertrinken unsere Monatsbeiträge nicht mehr so ausdauernd wie noch mit 25, dafür können wir aus dem Handgelenk achtstöckige Kuchen backen, die beim Hallenverkauf horrende Einnahmen generieren. Zusätzlich haben wir süße, ebenfalls selbst produzierte Kinder zur Verfügung, die wir hinter die Theke stellen, damit sie während des Verkaufs rechnen lernen – und die gleichzeitig gute Trinkgelder provozieren (Win-Win!). Wir schwimmen also im Geld. Nur, wohin damit? Eine Sweaterjacke mit Reißverschluss wäre noch schön. Oder doch lieber ein Langarmshirt? Es ist so schwierig. Wir werden noch ein zweites Projekt aufsetzen müssen.

Das Ziel für die nächste Saison ist also klar: Neue Trikots aussuchen. Und Kleidung. Ach ja, und: Aufstieg in die Bezirksliga.

Wo wir gerade über Ansprechgesichter reden: Ich war heute im REWE. Zum Wocheneinkauf. Den mache ich jetzt immer freitags um 10, weil Google mir sagt, dass die große Einkaufswelle erst ab 14 Uhr  losgeht.

Ich stehe in der Regalreihe „Backen, Milchreis und alle Salzsorten dieser Erde“, als eine Frau mich fragt: „Wie kann im Salz Senf sein?“
„Was meinen Sie?“
„Hier. Auf der Packung. Da steht: Kann Spuren von Senf enthalten.“

Ich gucke sie an. Was soll ich darauf sagen? War das eine rhetorische Frage? Oder sehe ich aus, als sei ich Senfexpertin? Wie heißen eigentlich Senfexperten? Senfperten? Sinapisten?

Sie sagt: „Wissen Sie auch nicht, oder?“
„Nein, weiß ich nicht.“
„Komisch ist es schon.“
„Sind denn auch Erdnüsse im Salz?“
„Wieso Erdnüsse?“
„Sonst steht auf Packungen doch immer: ‚Kann Spuren von Erdnüssen enthalten‘.“
„Ja?“
„Die sind jetzt sogar in Brötchen. Am Mittwoch war ich in Berlin am Bahnhof. Ich habe mir ein belegtes Brötchen gekauft, und die Verkäuferin sagte mir: ‚Das Brötchen kann Spuren von Erdnüssen enthalten.“
„Wo war das?“
„In Berlin. Die Bäckerei vor Gleis sieben.“
„Gegen Erdnüsse habe ich nichts.“
„Aber gegen Senf.“
„Nein. Gegen Senf habe ich auch nichts.“
„Dann ist es ja nicht schlimm, dass im Salz Senf sein könnte.“
„Ich kaufe es besser trotzdem nicht“, sagt die Frau und geht grußlos Richtung Speisenatron davon.

In der Heimat gibt es einen kleinen Fluss. Der Fluss fließt an der Innenstadt entlang. Für Menschen, die an Flüssen wie dem Rhein oder der Elbe wohnen, ist es eher ein Bach, denn es kann kein Schiff darauf fahren, nicht einmal ein Boot. Einmal im Jahr fahren Badeenten auf dem Fluss. Dann gibt es ein Badeentenwettrennen. Das ist immer ein großes Hallo. Jede Ente hat eine Nummer, und die Nummer, die zuerst von der Oberstadt in die Unterstadt hinuntergeflossen ist, gewinnt einen Preis. Doch davon möchte ich nicht erzählen. Ich möchte von dem Mann erzählen, der eine Käsepackung am Fluss spazieren führte.

Ich sah den Mann zuerst von hinten. Er war klein und auf eine tatkräftige Art untersetzt. Er ging langsam und trug eine große Packung Tip-Schnittkäse Edamer in seiner Hand. So ging er am Fluss spazieren, im Strickjanker mit Hirschhornknöpfen.

Ich überholte ihn, denn er schlurfte hüftsteif, und wir lächelten uns an, als ich vorbeiging. Ein Stück weiter blieb ich stehen, um auf jemanden zu warten, und Herr Edamer zuckelte wieder auf mich zu. Als er mich schließlich erreichte, sagte ich: „Da hamwa uns wieder“, und er antwortete: „Aber ’nen Spitzkohl hab‘ ich davon immer noch nicht“, was zweifellos eine Entgegnung war, die weiterer Erläuterungen bedurfte.

„Ich soll einen mitbringen“, schloss er auch direkt an, „zum Abendessen, hat meine Frau gesagt, aber im Markt haben sie keinen mehr, und jetzt brennt zu Hause gleich der Baum.“

„Sie könnten Weißkohl mitbringen“, sagte ich. „Das ist fast genauso.“

„Sagen Sie. Und sage ich. Aber sagen Sie das mal meiner Frau.“

„Deshalb der Käse? Versöhnungskäse?“, fragte ich und deutete auf die Packung.

„Der war im Angebot und ich mag den so gerne. Aber eigentlich macht er alles noch schlimmer, denn jetzt habe ich Käse, den ich nicht mitbringen sollte, aber keinen Spitzkohl, den sie dringend braucht. Ich bin ja abends auch mit einem Butterbrot zufrieden, aber nein.“

„Das ist knifflig.“

„Jetzt wissen Sie, wie das ist, im Alter, mit der Ehe. Knifflig ist gar kein Ausdruck.“

(Dieser Beitrag wird Ihnen präsentiert von Frau Novemberregen und HappySchnitzel, die ich beide auf der re:publica geherzt habe, und die meinten, ich solle wieder mehr von dem aufschreiben, was ich erlebe. Außerdem haben Frau Novemberregen und ich bei einem gemeinsamen Maisküchlein festgestellt, dass wir Ansprechgesichter und deshalb immer diese skurrilen Begegnungen haben.)



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