Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Dieser Tage sagte mir mein Vater, er habe Äpfel im Zugriff, einen ganzen Haufen Äpfel, er werde damit zugeschüttet – und fragte, ob ich welche haben wolle.

Ich erinnerte mich an ein Rezept, dass ich vor langer Zeit einmal rausgeschrieben hatte: Apfelwähe.  Ich sagte: Natürlich möchte ich!, und er brachte mir viele kleine Äpfel vorbei.

Äpfel aus dem Garten

Das Aufwändigste an einer Apfelwähe ist das Schälen und Schneiden der Äpfel, besonders wenn sie so klein sind. Der Teig ist einfach.

Wähenteig-Grundrezept:

300 g Mehl  (plus Mehl zum Bearbeiten)
1 gestrichener Teelöffel Salz
1 Päckchen Backpulver
150 g Butter

Ich habe 200 g normales Mehl und 100 g Dinkelmehl genommen, weil ich es gerne mag, wenn der Teig ein Hauch vollkornig ist, ohne gesund und spaßbefreit zu wirken.

Die Menge reicht für zwei Bleche oder, etwas dicker, für zwei Spring- oder Pizzaformen.

Rollen Sie den Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche zu einem Rechteck aus. Falten Sie die beiden Schmalseiten danach zur Mitte. Danach klappen Sie den Teig ein weiteres Mal zusammen, so dass vier Lagen entstehen. Rollen Sie den Teig danach noch einmal aus und wiederholen Sie das Ganze. Der Bäcker sagt dazu „eine Tour geben“. Geben Sie dem Teig noch zwei weitere Touren.

Wähenteig und Nudelholz

Bewahren Sie den Teig danach mindestens 30 Minuten im Kühlschrank auf. Wenn Sie ihn nicht direkt verarbeiten möchten, können Sie ihn auch gut einfrieren.

Rollen Sie ihn danach noch einmal aus. Legen Sie ihn auf ein Blech oder in eine Form. Stechen Sie ihn hier und da mit der Gabel ein und belegen Sie ihn mit Äpfeln. Bestreuen Sie die Äpfel mit einem Esslöffel Zucker. Die Wähe kommt jetzt für 10 Minuten in den Ofen, unterste Schiene, 225 Grad (bei Umluft etwas weniger).

Apfelwähe, bevor sie in den Ofen kommt

Während die Wähe das erste Mal backt, können Sie sich um den Guss kümmern.

Zutaten für den Wähen-Guss:

3 Eier
250 g saure Sahne
3 Esslöffel Zucker
½ Teelöffel Zimt
50 g Rosinen (habe ich weggelassen)

Verrühren Sie alles mit einem Schneebesen und geben Sie es nach 10 Minuten über die Äpfel. Backen Sie die Wähe danach weitere 20 Minuten auf der untersten Schiene.

Apfelwähe im Ofen

Auf dem Blech wird die Währe arg dünn. Das nächste Mal werde ich wohl eine Springform nehmen. Allerdings hat die dünne Variante den Vorteil, dass man einfach mal ein Stück naschen kann und nicht gleich so ein voluminöses Ding auf dem Teller hat.

fertige Apfelwähe

Weil ich aktuell fast jeden Tag irgendetwas aus dem Garten esse, muss ich öfter mal an Inocencio denken. Sie erinnern sich: meinen andalusischen Bruder im Geiste – „todo ecológico”, alles ökologisch. Ich fühle mich schon ganz reich an Vitaminen.

Lange haben Sie nichts mehr von Thorsten gehört.

In diesem Jahr habe ich erstmals drei Thorstens angepflanzt: den klassischen Balkonzauber, Black Cherry und Oxheart – auf Empfehlung und mit freundlicher Samenspende von Torfrau i.R. und Obertomatenmutti A.

Thorsten ließ sich in diesem Jahr Zeit mit seiner Entwicklung: Früh gepflanzt, war er zögerlich und schüchtern, eine eher introvertierte Tomate. Die neuen Sorten gaben sich mimosenhaft dünnhäutig, einige Setzlinge verabschiedeten sich frühzeitig aus dem Diesseits. Hinzu kamen stürmische Rückschläge. Was übrig geblieben ist, gedeiht allerdings kräftig und lebensfroh. Mein erster Oxheart-Thorsten:

Der Oxheart-Thorsten, noch grün

Neu-Leser fragen sich vielleicht, warum ich meine Tomaten „Thorsten“ nennen, ob ich ihnen auch Musik vorspiele oder anders: ob ich sie nicht alle aufm Zaun habe. Letzteres kann ich nicht zweifelsfrei dementieren, der Grund aber, warum Thorsten Thorsten heißt, ist: Als Torfrau A mir meine erste, meine allererste Tomatenpflanze schenkte, als sie heranwuchs und ich zum erstmals ihre kleinen, haarigen Arme sah, fühlte ich mich prompt an einen Schulkameraden erinnert, der schon in jungen Jahren einen beträchtlichen Armhaarwuchs aufwies. Er hieß – Sie ahnen es.

Kurioserweise heißen seither alle Tomatenpflanzen in meinem Bekanntenkreis, bei der Torfrau, der Doktorandin und sogar im fernen Sauerland Thorsten.

Die Terrassenthorstis, ihres Zeichens Nachzügler in der Zucht, haben nun auch das Erwachsenenalter erreicht:

Vier Terrassentomaten

Das feuchtwarme Wetter ist Doping für Thorsten. Ich habe die Pflanzen schon zweimal ausgegegeizt – zwei Armvoll Buschwerk habe ich aus den Pflanzen herausgeholt. Sie wuchern trotzdem wie blöde. Die ersten Früchte werden nun auch bald rot:

Die Balkonzauber-Thorstens, noch grün

Ich schätze, dass genau in der Zeit, in der ich im Urlaub sein werde, die große Ernte anfällt. Die Nachbarn wird’s freuen. Denn es ist ja klar: Was unter den eigenen, gießenden Händen reif wird, darf man behalten.

Donnerstag! 7. August! Berlin!

Dann lädt der Taubenvergrämer Jan-Uwe Fitz zum Jour Fitz nach Berlin – und ich bin dabei.

Kommen Sie zahlreich, trinken Sie, lauschen Sie, lachen Sie im 4010 Telekom-Shop! Gemeinsam mit mir sind dort: Matthias Sachau, Frédéric Valin, Erasmus von Meppen und Nutellagangbang

Musik gibt’s auch! Vom Duo MeystersingerRoman Shamov und Luci van Org (Kennen Sie von damals, gell?)

Jour Fitz im 4010
Alte Schönhauser Straße 31
7. August 2014, 20 Uhr
Eintritt: frei
Mehr Infos

Ich lebe in einer Einflugschneise.

Ferienflieger im Gegenlicht

Schon bevor ich diese zauberhafte Wohnung mit Garten und Balkon erwarb, bevor ich hier einzog und Rotkohl und Mangold und Thorstis pflanzte, lebte ich in einer Einflugschneise. Es ist schwierig, in Dortmund nicht in oder am Rande einer Einflugschneise zu wohnen, zumindest nicht, wenn man in einigermaßen netten Stadtteilen leben möchte.

Mir macht es nichts aus, Dortmund ist ja kein Großflughafen. Es gibt Tage, an denen fliegen nur drei oder vier Maschinen übers Haus, von denen ich etwas mitkriege. An anderen sind es ein paar mehr. Ich schaue in den Himmel, betrachte den Flieger und überlege mir, woher er wohl gerade kommt, was für Menschen darin sitzen und ob sie froh sind, wieder zu Hause zu sein, oder eher nicht. Manchmal gucke ich ins Flightradar, oft aber höre ich die Maschinen kaum, vor allem nicht, wenn ich alleine bin und etwas arbeite.

Trotzdem frage ich mich, ob wir so viele Flughäfen brauchen. Denn Dortmunds Flughafen ist defizitär – und mal ehrlich: Es gibt wirklich genug Alternativen rundherum. Düsseldorf, Köln/Bonn, Münster/Osnabrück, Paderborn/Lippstadt – für Urlauber und andere Flüchtende sollte es kein Problem sein, von hier fort zu kommen. Alle umliegenden Flughäfen sind nur zwischen 70 und 130 Kilometer entfernt, und auch wenn man nicht in Dortmund wohnt, sondern in Hagen oder Arnsberg oder Castrop-Rauxel sieht es mit der Strecke, die man zum nächsten Flieger zurücklegen muss, nicht anders aus. Was Frachten angeht, kann ich den Bedarf schlecht beurteilen, aber er scheint mir immerhin genauso fragwürdig.

Ich selbst bin in den vergangenen zehn Jahren nur einmal vom Dortmunder Flughafen aus geflogen: eine eintägige Geschäftsreise nach München. Zu allen anderen Zielen bin ich aus Köln oder Düsseldorf gestartet. Da frage ich mich schon, was das soll und ob so ein Flughafen nicht auch ein Prestigeobjekt ist, etwas, das man haben muss, um Bändchen durchzuschneiden und Sektchen zu trinken, um zu sagen: „Wir tun etwas, um attraktiv zu sein!“ – für Menschen und für Firmen, auch wenn diese ihn gar nicht brauchen und ohnehin niemals ins Ruhrgebiet kommen würden, sondern sich lieber direkt in Düsseldorf ansiedeln, weil es dort auch den Rhein gibt und weil alle meinen, es sei dort nicht so asi und schmuddelig wie in Dortmund. Dabei ist es in Düsseldorf mindestens genauso uselig wie in Dortmund, wenn man mal aus der hübschen, alkoholseeligen Altstadt rausfährt – wenn nicht gar noch schäbbiger (ich habe fünf Jahre in Düsseldorf gewohnt und kann das beurteilen). Aber das ist eine andere Geschichte.

Wo war ich stehen geblieben? Mir soll es wurscht sein. Sollen sie starten und landen, wie sie mögen. Ich stelle mir jedenfalls vor, wie die Menschen im Flieger sich freuen – einige, weil weil sie heim kommen, und einige, weil sie fort fliegen.

 

 

Der Mangold im Garten ist reif und bettelt darum, gepflückt und verarbeitet zu werden.

Mangold im Garten

Sein Begehren kommt mir gerade recht, denn die liebe Frische Brise hat in den vergangenen Tagen ein vielversprechendes Rezept für eine Mangold-Quiche gebloggt. Also ab in den Garten, Mangold jagen und auf geht’s:

Mangold vorm Zerschnibbeln

Der einzige Grund, warum ich übrigens nicht Pizzabäckerin geworden bin, ist, dass ich eine Vollnulpe im Teigausrollen bin. Wirklich: Einen größeren Honk als mich gibt es in dieser Sache nicht. Entweder klebt der Teig an der Arbeitsplatte oder am Nudelholz – niemals aber lässt er sich vernünftig ausrollen, ganz unabhängig davon, wie die Konsistenz des Teigs ist, wie viel Mehl und Wasser ich nehme, ob ich den Teig mit extradick Mehl bestreue oder ihn mit den Händen auseinanderschiebe. Sollten Sie mir jemals einen Heiratsantrag machen, bedenken Sie bitte vorab dieses rettungslose Unvermögen.

Mangold-Quiche in Vorbereitung

Das Auskühlgitter, das unter der Kuchenform steht, und den Messbecher hat übrigens mein Opa geschmiedet.

Ich habe meinen Opa nicht kennen gelernt: Er starb recht jung Ende der 1960er Jahre. Was von ihm geblieben sind, sind seine vor und während des Krieges selbst hergestellten Küchenuntensilien, die bis zu ihrem Tod meine Oma benutzte und die ich schließlich von ihr erbte. Ich benutze sie jedesmal mit Freunde, weil nicht nur eine Menge Erinnerungen darin stecken, sondern weil sie von außerordentlich guter Qualität sind.

Die Quiche ist ausnehmend lecker geworden:

Ein Stückchen Mangold-Quiche

Statt normales habe ich Dinkelmehl verwendet. Weil ich nur noch drei Eier hatte, ist eins weniger als im Rezept in die Quiche gekommen, was sich aber nicht als Nachteil erwiesen hat.

Das feucht-warme Wetter gefällt meinem Gemüse. Es explodiert geradezu. Noch mehr gefällt es aber einer anderen Berufsgruppe in meinem Garten: den Nacktschnecken. Seit einer Woche herrscht eine Invasion in meinen Beeten, die Spielberg-artige Ausmaße annimmt. Hans Zimmer komponiert schon.

Anfangs habe ich es mit Schneckenkorn versucht. Aber die täglichen Gewitter spülen es weg. Was bleibt, schimmelt. Insgesamt ist es nur mäßig effizient und kostet, gemessen an der Fläche, die ich bedecken muss, Unsummen.

Parallel habe ich die fetten Schleimer liebevoll abgesammelt: morgens und abends Handschuhe an, raus in den Garten, Schnecke vom Rotkohl gezupft, gegen das Gartenhaus geworfen. Dort schlugen sie mit einem satten „Plonk!“ gegen die Wand, schüttelten ihre Fühler aus und krabbelten wieder zurück. Sisyphos gefiel das.

Seit einer Woche greife ich nun zum Äußersten: Bierfallen. Funktionsweise: Löcher graben, Becher mit Bier reinstellen, die Schnecken denken: „Mmmh! Lecker Bier!“, kriechen rein und ersaufen. Manch einer kennt das von sich selbst – Stichworte: Mallorca, Bierkönig, Mannschaftsfahrt.

Bierfallen sind das aller-ekeligste, was Sie sich vorstellen können. Ich verzichte hier bewusst auf eine fotografische Wiedergabe. Ich sage nur: fahle, aufgequollene Schleimschnecken. Leider findet nicht jede Schnecke persönlich den Weg ins Becherchen. 80 unorientierten Spezln musste ich heute Abend den Weg weisen.

Doch das schäumt gehörig. Und schleimt. Gerade, wenn das Bier frisch ist. Und wenn der Becher voll ist, kriechen sie wieder raus, gestützt auf 20 tote Freunde. Deshalb werde ich sie das nächste Mal in kochendes Wasser werfen.  Denn der Kampf hat gerade erst begonnen.

 

 

Twitter-Lieblinge 06/2014.

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WM-Edition:

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Gelesen im Mai und Juni:

Bücher im Mai und Juni 2014

Joshua Ferris. Ins Freie.
(Deutsch von Marcus Ingendaay)
Tim Farnsworth muss laufen, er muss raus, er muss sich bewegen. Wenn er seine Laufanfälle bekommt, hält ihn nichts, dann muss er los, er kann sie nicht kontrollieren. Seine Frau Jane reibt ihn mit Vaseline ein, packt ihm einen Rucksack, zieht ihm Thermowäsche an, damit er nicht erfriert. Denn ist der Anfall vorbei, sackt Tim an Ort und Stelle zusammen und schläft, auch draußen, auch im Winter. Das Buch hat mich etwas ratlos zurückgelassen, was sowohl positiv als auch negativ ist. Ist das Laufen eine Metapher? Wenn ja, wofür? Es wird nicht klar, wovor Tim wegläuft, ob er überhaupt wegläuft oder ob er nur getrieben ist. Das Offene der Geschichte ist gleichzeitig ihr Vorteil: Es lässt dem Leser Raum für eigene Gedanken. Das hat mir gefallen.

Marc Fitten. Valeria letztes Gefecht.
(Deutsch von Claudia Wenner)
Valeria ist alt, wenig hübsch und fürchterlich grantig. Dann verliebt sie sich in den Töpfer des Ortes. Der Töpfer mag Valeria, aber er ist mit Ibolya zusammen, die die Dorfkneipe führt. Was eine nette Verwicklung und auch eine schön verschrobene Geschichte hätte werden können, hat Marc Fitten wie eine Parabel geschrieben: unpersönlich, leidenschaftslos. Gefiel mir nicht.

David E. Hilton. Wir sind die Könige von Colorado.
(Deutsch von Bettina Abarbanell)
Ich nehme es direkt vorweg: ein tolles Buch! Der 13-jährige Will hat einen trunksüchtigen Vater, der ihn und seine Mutter terrorisiert. Eines Tages nimmt Will ein Messer und verletzt ihn damit. Daraufhin kommt er in eine Besserungsanstalt: eine Pferdefarm in Colorado. Dort herrschen Willkür und Gewalt – durch die Aufseher und durch die Mitgefangenen, ebenfalls Teenager. Gleichzeitig entstehen tiefe Freundschaften. Die Geschichte wogt hin und her zwischen diesen zwei Polen, zwischen Gewalt und Zuneigung, sie ist intensiv, aber dennoch ruhig erzählt. Sehr gute Unterhaltung.

Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt. Der Mann, der kein Mörder war.
(Deutsch von Ursel Allenstein)
Ebenfalls ein gutes Buch, ein spannender Krimi. Roger Eriksson war ein Teenager; Pfadfinder finden seine Leiche in einem Tümpel im Wald. Kommissar Höglund und sein Team nehmen die Ermittlungen auf – und greifen rasch auf den Psychologen Sebastian Bergmann zurück, einen fiesen Typen und ehemaligen Freund Höglunds, der vor dem Tod seiner Frau und seiner Tochter ein guter Profiler war. Liegt die Auflösung des Falls im Elitegymnasium, das Roger besuchte? Oder steckt anderes dahinter? Die Geschichte hat alles, was gute Unterhaltung braucht: interessante Protagonisten, einen spannenden Kriminalfall. Kann ich empfehlen.

Arne Jysch. Wave and Smile.
Meine erste Grahic Novel. Leider bin ich nur sehr mäßig begeistert: Es geht um den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Die Geschichte fängt gut an, endet aber in einem Helden- und Actionspektakel, das ich ausnehmend doof fand.

Herman Koch. Angerichtet.
(Deutsch von Heike Baryga)
Zwei Elternpaare gehen in ein Sternerestaurant. Sie sprechen zunächst über Belangloses. Eigentlich treffen sie sich, um über ihre Kinder zu reden – und um eine Entscheidung zu treffen. Der Leser erfährt lange nicht, was eigentlich los ist; man ahnt nur, dass die Kinder etwas auf dem Kerbholz haben. Der Roman ist gut konstruiert. Er gibt Einblick in die obere Mittelschicht. Es geht um das Festhalten an fragwürdigen Werten, um Rückgrat und um das Aufrechterhalten von Fassade. Mir hat er gut gefallen.

David Levithan. Das Wörterbuch der Liebenden.
(Deutsch von Andreas Steinhöfel)
26 Buchstaben. Zu jedem Buchstaben mehrere Wörter, anhand derer die Geschichte zweier Liebender erzählt wird. Es ist ein ganz kleines Buch, und es ist ein tolles Buch: Die Geschichte wird nicht von A bis Z chronologisch erzählt, weshalb man an jeglichem Buchstaben beginnen und enden kann. Auch ist offen, wer die Liebenden sind, wie sie heißen: Es gibt einen Ich-Erzähler (oder eine Ich-Erzählerin), der/die sein Gegenüber mit „du“ anspricht – es können Mann und Frau, Frau und Mann, aber auch Frau und Frau oder Mann und Mann sein. Das alles macht das Buch ziemlich super.

Ann-Marie MacDonald. Wohin die Krähen fliegen.
(Deutsch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann)
Kann es sein, dass ich im Mai und Juni nur gute Bücher gelesen habe? Nicht ganz, aber fast. „Wohin die Krähen fliegen“ gehört definitiv ebenfalls in die Kategorie „super“ – wenn auch mit einem Wehrmutstropfen. Erstmal: Worum geht’s? Es ist 1962, Madeleine und ihre Familie müssen wieder einmal umziehen. Ihr Dad arbeitet bei der kanadischen Air Force, Madeleine bekommt neue Nachbarn, neue Freunde, eine neue Schule. Die Geschichte fließt in den ersten 400 Seiten munter dahin, es passiert nicht viel, trotzdem habe ich den Anfang gerne gelesen. Als ich dann dachte: „Jetzt könnte mal was passieren“, passiert auch tatsächlich etwas – jemand wird ermordet. Man meint zu wissen, wer der Täter ist, weiß es aber nicht sicher. Die Geschichte fließt weiter; sie dreht sich um vieles mehr als um einen Mord: Es geht um den Mief der 60er, um Aufrüstung, um den Kalten Krieg, um Loyalität, um die Mondlandung. Die Geschichte erstreckt sich auf 1000 Seiten – ein wahres Epos, das ich sehr gerne gelesen habe. Allein die letzten 200 Seiten fand ich überflüssig, denn sie lösen auf, was besser offen geblieben wäre. Oder nicht? Entscheiden Sie am besten selbst.

Ross Raisin. Unter der Wasserlinie.
(Deutsch von Arnd Kösling)
Mick Little ist in seinen mittleren Jahren, als seine Frau stirbt. Früher war Mick Werftarbeiter, zuletzt fuhr er Taxi. Der Tod seiner Frau wirft ihn aus der Bahn: Er verwahrlost, geht nach London, arbeitet dort kurz, beginnt zu trinken, wird dann obdachlos. Ross Raison erzählt die Geschichte eines menschlichen Niedergangs, die Geschichte eines Kampfs um Würde und eines Kampfs zurück in die Normalität. Das Buch ist okay; es hat mich nicht tief berührt, war aber gut zu lesen.

Peter Stamm. Agnes.
Hach ja, Peter Stamm. Die Geschichte: Er schreibt Sachbücher, aktuell über Luxuseisenbahnwagen. Sie ist Studentin. Die beiden lernen sich in der Bibliothek kennen, werden erst Freunde, dann ein Liebespaar. Parallel zur Realität beginnt er, ihrer beider Geschichte aufzuschreiben; er schreibt sie rückblickend, aber auch voraus. Das Buch ist doppelbödig und von daher recht prima, die Protagonisten machen mich aber wahnsinnig: So schwammig, unentschlossen, rückgratlos wie Stamms Männer sind, möchte ich ihnen beim Lesen fortwährend eine reinhauen.

Thomas von Steinaecker. Wallner beginnt zu fliegen.
Stefan Wallner hat eine Frau (Deutsch-Rumänin), einen Sohn (pubertärer Teenager) und eine Firma für Landmaschinen. Im Betrieb läuft es mehr schlecht als recht, Wallner fühlt sich ausgebootet, wittert eine Verschwörung. Er verlässt die Firma. Sei Sohn Costin nimmt an einer Casting-Show teil, gewinnt und wird für kurze Zeit ein Superstar. Der erste Teil des Buches erzählt von Wallner, der zweite von Costin. Die Geschichte beginnt wirklich gut, wird aber schnell vorhersehbar. So richtig hat sich mich deshalb nicht gepackt.

Klaus-Peter Wolf. Ostfriesenkiller.
Zum Schluss dann doch ein, nun ja, schwer erträgliches Buch. Nicht wegen der Story – die Geschichte ist okay: In Aurich wird erst ein Mann ermordet, dann noch einer und noch einer. Alle haben für den gemeinnützigen Verein „Regenbogen“ gearbeitet, der sich für die Integration Behinderter einsetzt. Kommissarin Ann Kathrin Klaasen, frisch von ihrem Mann getrennt, übernimmt die Ermittlungen. Der Stil Klaus-Peters Wolfs gleicht Schlägen mit dem Holzhammer: simpel, stumpf, stupide und ohne Rücksicht auf den Leser; er lässt keinen Raum für eigene Gedanken und nervt irgendwann unglaublich.

Jeden Tag ist er da und trinkt einen Automatenkaffee.

Erst flaniert er durch die Einkaufsstraße, sich zögerlich umsehend, bedächtig und mit den Händen hinter dem Rücken, als warte er auf den Bus und dürfe sich nicht zu weit von der Haltestelle entfernen. Gegen 14 Uhr kehrt er in die immer gleiche Bäckerei ein, in der er am immer gleichen Tisch mit seinen immer gleichen Kumpels sitzt: der Eine trägt eine Prinz-Heinrich-Mütze, der Andere einen grauen, über den Ohren hitleresk abrasierten Kurzhaarschnitt.

Er selbst trägt Toupet, das toupet-igste Toupet, das man sich ausdenken kann: Als schwarzes, borstiges Fell thront es auf seinem grauen Haarkranz, einem überfahrenen Eichhörnchen nicht unähnlich. Leise für mich selbst, wenn ich mir zur immer gleichen Zeit meinen Mittagspausenkaffee ziehe, nenne ich ihn „König Fiffi“, den Herrscher der Bäckerei, den Mann mit der Zweithaarkrone.

Die Drei aus der Bäckerei sind allesamt Rentner, müssen es sein. Seit längerem stelle ich mir vor, was König Fiffi einst tat, was er arbeitete, was er erlebt hat und was ihn dazu bewegt, dieses Toupet aller Toupets zu tragen. Vielleicht war er ein Model, ein Dressman, einer der heißesten Typen neben Cary Grant – bis ihn seine Haare verließen, wofür er sich fürchterlich schämte. Er kaufte sich ein Toupet, verlor aber trotzdem seinen Job und lebt nun fern der Glamourwelt in Dortmund, zwar mit Fiffi, um der alten Zeiten willen, aber dennoch – von kärglicher Altersrente.

Oder er war Friseurmeister, Meisterfriseur und Gründer des umsatzstärksten Zweithaarstudios im Ruhrgebiet: „Wolfgangs Echthaar  – natürlich und diskret“, vertrauliche Beratung in separaten Räumlichkeiten, einfühlsam und ohne Vertragsbindung, in harmonischem Ambiente in Waltrop-Brockenscheidt, typgerechtes Styling für den Herrn und die Dame. Wie Optiker stets Brillen tragen, setzte auch König Fiffi ein Toupet auf – und vergaß es bei seinem Renteneintritt 2007 schlichtweg abzunehmen, weshalb es immer noch auf seinem Kopf herumliegt, schwarz und dicht und drahtig.

Vielleicht ist aber auch alles ganz anders, und der König war in den 80ern Mitglied der „Hell’s Angels Saarland“, bis er sich mit den Jungs überwarf und bei den Bullen auspackte, was für ihn in einem Straßenkampf endete, den er nur schwer blutend überlebte. Er wurde erst in ein Krankenhaus gebracht, dann wurde er Kronzeuge, bekam eine neue Identität als Horst Schlüter aus Hagen-Boele und wohnt seither inkognito in Dortmund, mit Schutzprogramm und allem Schischi – aber immer noch volltätowiert einschließlich Kopfhaut. Deshalb spendiert ihm die Staatskasse alle fünf Jahre ein Toupet; doch die Steuermittel sind knapp, das Budget entsprechend klein, graues Haar ist zu teuer, und so ist es zuletzt das schwarze Fiffi aus Synthetik-Fasern geworden – für 39,90 Euro während der Wohlfühlwochen bei Aldi Nord. „Je auffälliger, desto unauffälliger!“, befindet die Behörde, aus der Not eine Tugend machend – und bislang lebt der König tatsächlich unbehelligt.

Ja, ich denke, eine der drei Geschichten wird es sein, so oder ähnlich.

Es gibt gute und schlechte Nachrichten.

kohlrabi_juni2014

Die gute: Aus den kleinen Kohlrabi-Setzlingen sind dicke Dinger geworden. Die schlechte: Deshalb habe ich sie schon aufgegessen. Den Salat auch.

Es gibt aber eine zweite gute Nachricht: An Stelle des Salats wachsen nun Möhrchen. Ich hoffe, nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe.

Möhren und Zucchini

Zwei Zucchini leisten ihnen Gesellschaft. Sie legen so zügig vor wie die deutsche Nationalmannschaft gegen Portugal: Bam, bam, bam schießen die Triebe nach links und rechts.

Die Kürbisse recken sich über die Beet-Begrenzung und gucken von nebenan zu. Sie leben mit den Zucchini in verwandtschaftlicher Nachbarschaft: nicht im gleichen Beet, aber nur ein Häuschen weiter. Bewohner sauerländischer Kleinstädte kennen das.

Kürbispflanze

Wiederum daneben wohnt und wächst glücklicher Mangold:

Mangold - inzwischen knöchelhoch

Vielleicht denken Sie: Hat die Frau denn keine Blumen? Doch, doch. Die Vorbesitzer des Gartens haben mir Rosen vererbt: kleine, rosa Rosen; größere, pinke Rosen; dicke, rote Rosen; dicke, gelbe Rosen. Sie wachsen an vier verschiedenen Stellen, und ich freue mich sehr über sie.

Rosen

Nicht nur bei den Rosen, auch bei allen anderen Dingen, die im Frühjahr aus der Erde kamen, habe ich erstmal abgewartet, ob es noch lebt, ob es blüht, ob es nur wuchert, ob es klein bleibt oder ob es riesig wird. (Tipp: Es wird grundsätzlich alles riesig, wenn man nur zuguckt.)

Viele Pflanzen entpuppten sich als nicht so hübsch wie die Rosen. Es sind hübsch hässliche Stauden – oder, wie eine befreundete Gärtnerin sagte: „Die Grenze zwischen einer Staude und einem Unkraut ist ja eher schmal. Sehr schmal. Ein My quasi.“

An verschiedenen Ecken habe ich beschlossen, dass das My überschritten ist, und habe mit Hacke und Spaten großflächig umgegraben. Das macht den Boden nicht nur fluffig für neue Projekte. Es ist auch ein exzellentes Workout: Vier Stunden Gartenarbeit haben mir solch einen Mörder-Männer-Muskelkater beschert, dass ich kaum mehr eine Tasse heben konnte. Zu derartigen Schmerzen (//*jammerjammerjammer) hat mir – vor allem in ihrer Ganzheitlichkeit – bislang noch kein Fitness-Studio verhelfen können (nur mehrtägige Handball-Bootcamps in Ostwestfalen).

Die Gemüse-Konsequenz: Wo vorher krautige Stauden wuchsen, ist nun Blumenkohl geschlüpft.

Blumenkohl (sehr klein)

Sein Vorbild ist der Rotkohl, der sich prächtig entwickelt. Allerdings ist er noch nicht sehr kohlig rund. Doch das wird bestimmt noch – pünktlich zum Herbst.

Rotkohlpflanze

Ein weiteres Garten-Erbstück – neben den Rosen – ist eine Mauer aus Steinkübeln. Sie kennen diese Dinger bestimmt: graurot, geschwungen, unansehnlich. Aber nun ja: Sie sind da, und weil ich Höhenunterschiede im Garten habe, müssen sie auch erstmal bleiben, wo sie sind. Ich mache das Beste daraus und weiß nach viermonatiger Experimentalzeit immerhin: Es gibt Hoffnung.

Steingarten

Und die Thorstis? Nach traumatischen Erfahrungen stehen sie so dick im Saft wie nie. Nicht mehr lange, und Thorsten bekommt Blüten. Dann dürfen wir wieder fummeln.

Tomatenpflanze im Juni

Aber: Einer ist mir nicht genug! In dieser Saison hat Thorsten Konkurrenz aus dem eigenen Hause: Auf dem Balkon wächst nicht nur mein traditioneller Balkonzauber-Thorsten, sondern auch der Neuling „Oxheart“:

Tomatenpflanze Oxheart

Thorsten, Oxheart und ich führen also eine polyamore Beziehung – und was soll ich sagen: Wir sind glücklich damit. (Zum Glück wissen die beiden nicht, dass es auf der Terrasse noch „Black Cherry“ gibt.)

Zum Schluss grüßen: Thymian und Minze.

Thymian und Minze

Die Minze ernte ich regelmäßig, damit sie mir nicht über den Kopf wächst. Aktuelles Lieblingsrezept ist ein Wassermelone-Feta-Salat:

½ Wassermelone
Feta nach Geschmack
eine Handvoll frische, gehackte Minze
Olivenöl
Fleur de Sel

Guten Appetit!

 



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