Vier Jahre nach Bildungsbandscheibe
Bisweilen werde ich gefragt: Wie geht’s eigentlich deiner Bandscheibe? Meist von Leuten, die einen Bandscheibenvorfall haben, unter akuten Schmerzen leiden und auf der Suche nach einem Strohhalm der Hoffnung sind.
Deshalb hier mal mein Fazit vier Jahre nach Bildungsbandscheibe – zum Mutmachen:
Ausgangssituation:
Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule mit Bewegungsstörungen und Taubheit im Bein. Ich hatte sehr starke Schmerzen, wirklich, wirklich stark. Bei bestimmten Bewegungen, vor allem reflexhaftem Husten, stand ich, ich übertreibe nicht, kurz vor der Ohnmacht. Das war … beeindruckend.
Erstversorgung:
Hausarzt und MRT. Durch Vitamin B bin ich binnen 24 Stunden an einen MRT-Termin gekommen. Rückblickend hat das erheblich zur Heilung beigetragen.
Das MRT war eindeutig; auch für mich als Laiin war dort zu erkennen, was los ist. In Absprache mit dem Hausarzt verzichtete ich auf eine Überweisung zum Orthopäden, denn mal ehrlich: Beim Orthopäden sitze ich dann vier Stunden im Wartezimmer (oder stehe vielmehr, sitzen geht ja nicht), er guckt zwei Minuten auf die Bilder, sagt mir, dass ich einen Bandscheibenvorfall habe und verschreibt mir Physio.
Der Hausarzt und ich beschlossen, dass wir das auch können – wobei eher ich den Hausarzt in seiner Diagnose und Therapieempfehlung unterstützt habe als umgekehrt.
Das Thema „Operation“:
Direkt im ersten Gespräch kam der Hausarzt auf das Thema „Operation“ zu sprechen – in dem Sinne, dass er sagte, es gebe halt die konservative Methode und immer auch die Möglichkeit einer OP. Ich besprach mich mit ihm und belas mich im Internet zu dem Thema. Die Meinungen dort: Man kann operieren, es ist aber oft überflüssig. Im Grunde geht es bei einem Bandscheibenvorfall nämlich erstmal darum, dass der Körper Wasser abtransportiert und dass Entzündungen und Verkrampfungen zurückgehen müssen. Das lindert dann schon die Symptome. Dafür benötigt er körperliche und seelische Entlastung, Bewegung und später: Sport und Muskelaufbau.
Faszienmassage und Spazierengehen:
Schon zwei Tage nach Bandscheibe begann ich, spazieren zu gehen. Sitzen ging eh nicht, liegen so lala, also 600er Ibu eingeworfen und los. Ich bekam außerdem Faszienmassage bei der Physiotherapeutin. Falls Sie solch eine Behandlung noch nicht genießen durften, aber auf Nahtoderlebnisse stehen, kann ich sie wärmstens empfehlen: Wenn die Folterkraft das Bindegewebe vom Muskel schiebt, ist das wie lebendig häuten. Eine super Sache für Freunde von Grenzerfahrungen.
Faszienmassage hilft allerdings sehr gut (langfristig, währenddessen muss man sich das leise vorsummen), und ich habe gelernt, dass die Faszien bei mir tatsächlich ein Schwachpunkt sind, auch heute noch – bei Belastung im Garten oder wenn ich mich seelisch und körperlich verspanne.
Die Entscheidung „keine OP“:
Nach zwei Wochen hatte ich das Thema „Operation“ abgehakt. Ich war noch weit entfernt davon zu sagen: „Mir geht es gut“, aber ich spürte, dass das, was ich tat, das Richtige und alles nur eine Frage der Zeit war. Meine sportliche Erfahrung hat mir sicherlich dabei geholfen, dieses Selbstbewusstsein und das Vertrauen in meinen Körper zu haben. Wenn Sie das nicht haben, seien Sie versichert: Ihr Körper kann das auch. Trauen Sie ihm etwas zu.
Die Komplikation „Piriformissyndrom“:
Immer, wenn ich jemandem vom Piriformis erzähle, sagt er: „Piri- was?“ Und: „Das denkst du dir doch aus.“ Der Name ist tatsächlich seltsam, wenn man aber Probleme mit dem Piriformis-Muskel hat, sind diese sehr real und total un-komisch.
Durch mein Durch-die-Gegend-Gelatsche hat sich der Muskel im Po bei mir so verkrampft, dass er schlimmere Symptome als der Bandscheibenvorfall selbst hervorgerufen hat: Ich konnte nicht mehr liegen, stechender Schmerz zog über viele Wochen in Kniekehle und Wade. Am Ende half: dehnen, dehnen, dehnen und sich auf einen Tennisball legen. (Diese Tennisballsache trägt nicht grad zur Versachling des lustigen Muskelsyndroms bei.)
Medikamente:
Haben Sie keine Angst davor, Schmerztabletten zu nehmen. Dröhnen Sie sich zu. Je nach Konstitution dürfen Sie bis zu 2.400 mg Ibuprofen pro Tag nehmen. Ich habe das voll ausgenutzt. Anders geht es nicht, und nur so bildet sich kein Schmerzgedächtnis. Also hauen Sie rein.
Außerdem habe ich Keltican genommen (Marketingseite des Herstellers), dessen Wirkung allerdings nicht erwiesen ist. Ich hatte das Gefühl, dass es ein bisschen was bringt. Das kann aber auch Einbildung gewesen sein.
Erste richtige Besserung:
Geringe Besserung nach zwei Wochen. Weitere Besserung nach vier Wochen. Wirkliche Besserung nach drei Monaten.
Tiefschlag Hexenschuss:
Nach einem halben Jahr sowie nach einem Jahr hatte ich jeweils einen Hexenschuss. Beim ersten Mal eher leicht, beim zweiten Mal so, dass ich mich kein Mü mehr bewegen konnte. Echt: Es ging nix, ich konnte mich nicht selbst herumdrehen, mich nicht selbst aufsetzen, nicht gehen. Pflegestufe 3.
Beim ersten Mal hat mir mein Arzt ein Medikament verschrieben, dessen letzte Tablette ich wie meinen Augapfel hüte. Es heißt Tolperison, ist ein nicht-sedierendes Muskelrelaxans und wird zum Beispiel bei Spastiken nach Schlaganfall eingesetzt. Das Zeug kann zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen führen; ich hatte nix, bei mir wirkte es Wunder: Nach nur einer Tablette und vier Stunden warten konnte ich mich wieder bewegen. Wahnsinn, was mit den richtigen Drogen alles möglich ist. Es war auch meine Rettung, denn ich war gerade in einer Berghütte in Spanien.
Nach dem Hexenschuss hatte ich fortwährend Muskelprobleme im Rücken – kleine Feuerstöße wie vor einem Krampf. Dafür nehme ich regelmäßig Magnesium, das hilft.
Sport:
Ja. Bewegung, Bewegung, Bewegung. Wenn ich micht nicht bewege, kriege ich Probleme. Dinge zu Fuß erledigen, joggen, gezielt den Rücken stärken. Und den Bauch! An dem geht nix vorbei. In jeder Fitti-Runde und auch zu Hause mache ich Übungen für die Bauchmuskeln.
Nach Hexenschluss #2 hatte ich mir geschworen: Erst, wenn ich ein Jahr lang keine Rückenprobleme habe, fange ich wieder mit dem Handball an. Zweieinhalb Jahre nach Bandscheibe war es soweit. Erst trainierte ich sehr vorsichtig, ich hatte eine riesige Blockade im Kopf. Die ist mittlerweile weg – auch wenn ich immer noch sehr sensibel auf meine Rückenmuskulatur lausche.
Yoga und Gymnastik:
Ich mache regelmäßig Übungen, mit denen ich auch in der Lage bin, Blockaden selbst zu lösen. Sollten Sie nicht nachmachen, deshalb hier keine Details. Zwischendurch habe ich mal Yoga gemacht. Das ist gut für den Rücken, ich habe das nach jeder EInheit positiv bemerkt. Aber insgesamt ist es nicht meine Sportart. Sollten Sie Yoga mögen, ist das ’ne tolle Sache.
Wenn Sie Fragen oder Ergänzungen haben: gern.