Heute: 40! In der Mitte des geschenkten Monats: Geburtstag.
Ich stand früh auf und fuhr in die Abruzzen, in den Nationalpark des Gran Sasso mit dem höchsten Gipfel des Abruzzesischen Appenins, dem Corno Grande (2.912 Meter). #serviceblog-Wissen: Hier ist auch der südlichste Gletscher Europas, der Calderone.
Bevor ich in Assergi von der Autostrada 24 abfuhr, musste ich unter dem Gebirgsmassiv hindurch. Dazu fährt man durch den Gran-Sasso-Tunnel. Der ist ziemlich lang, zehn Kilometer. #serviceblog: Er ist der längste zweiröhrige Tunnel Europas.
In Nebenanlagen des Tunnels befinden sich die Versuchslabore Laboratori Nazionali di Gran Sasso – #serviceblog: die größten unterirdischen Versuchslabore der Welt zur Untersuchung von Elementarteilen (Website). Die Labore sind durch die 1.400 Meter umgebenden Felsen von kosmischer Strahlung abgeschirmt. Bis zum Erdbeben im Jahr 2009 konnte man die Anlagen besuchen. Seither sind sie außer Betrieb. Ich bin überirdisch zum Besucherzentrum gefahren. Doch es war geschlossen und mit Ketten verhängt. Gespenstisch.
Ich fuhr daraufhin weiter in die Berge hinauf in Richtung Campo Imperatore, dem Hochplateu des Gran-Sasso-Massivs. Nach rund zehn Kilometern war die Straße allerdings wegen Schnees gesperrt. Ich parkte und beschloss, ein Stück zu Fuß den Berg hinauf zu gehen.
Das war eine gute Idee. Das Wetter war toll, schon nach der ersten Kurve gab es eine wundervolle Aussicht – und sie wurde noch besser. Ich stieg bis auf Passhöhe hinauf. Zum Genießen:
Das Wetter ist hier seit fünf Tagen durchgehend gut: 15 Grad und Sonne. In der Höhe waren es vier Grad. Beim Bergaufgehen in der Sonne wurde mir aber gehörig warm. Nur der Wind blies kräftig.
Danach fuhr ich weiter nach L’Aquila. L’Aquila wurde im Jahr 2009 fast komplett von einem Erdbeben zerstört, und ich hatte überlegt, ob ich überhaupt hinfahren sollte. Ich wollte keine Katastrophentouristin sein. Andererseits ist das Beben neun Jahre her, und es nützt den Leuten nichts, wenn weitere neun Jahre keine Menschen kommen und ein bisschen Geld in die Stadt bringen. Also fuhr ich hin.
Der Zustand der Stadt ist leider nachwievor erschreckend – und das nach vergleichsweise langer Zeit. Die Altstadt ist praktisch nicht betretbar: Es gibt auch nach neun Jahren kaum intakte Häuser, überall Baugerüste, teils scheinen es noch die ersten zu sein, die die Häuser abstützen.
Zwar wird überall gewerkelt: In jeder Straße sind Bauarbeiter. Doch es scheinen mir nicht sehr viele angesichts des Ausmaßes der Zerstörung. Die Stützen und Gerüste stützen ab, was abzustützen gibt. Ich hatte den Eindruck, es wird versucht, möglichst viel von der Bausubstanz der Altstadt zu erhalten. Doch mehr als abstützen ist an zahlreichen Stellen noch nicht geschehen.
Vereinzelte Häuser sind saniert. Merkwürdigerweise handelt es sich entweder um Behörden, Kirchen oder um Palazzi. Kaum eines der normalen Wohnhäuser in der Altstadt scheint inzwischen instand gesetzt zu sein. Sie liegen noch immer in Schutt. Drumherum sieht es etwas besser aus: Dort stehen moderne Mehrfamilienhäuser.
Das Epizentrum des Bebens lag seinerzeit fünf Kilometer südwestlich des Stadtzentrums von L’Aquila, in einer Tiefe von rund neun Kilometern statt. 308 Menschen starben. Fast 70.000 wurden obdachlos. Rund 15.000 Gebäude wurden beschädigt.
Trotz dieses Ausmaßes ist es verstörend, wie wenig der Aufbau der Stadt seither vorangegangen ist. Die Welt hat dazu einen Artikel veröffentlicht: 30 Sekunden Beben. Der Wiederaufbau? 30 Jahre lang. In dem Artikel geht es um Behördenversagen und um Geld, das in mafiösen Strukturen versickert. Außerdem stellt er die Frage, wer in Zukunft in der sanierten Altstadt wohnen soll: Die Menschen haben sich inzwischen andernorts ein Zuhause gesucht. Zur Ergänzung: Ein weiterer Artikel der Südwest-Presse.
Es gibt aber auch schöne Orte in L’Aquila: Die Stadt hat tolle Parks und eine wunderbare Aussicht auf die Berge.
Außerdem hat sie die beste Eisdiele der bisherigen Reise. Sie sehen im Bild: Pistazie und Stracciatella.
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Auf dem Rückweg hielt ich an meinem kleinen Supermarkt in Montesilvano, um mir frisches Brot zu kaufen. Die Dame von der Theke erkannte mich direkt wieder.
„Bleiben Sie länger? Was machen Sie hier?“
„Nur noch bis Freitag. Ich bin Touristin.“
„Ein bisschen die Abruzzen anschauen, ja? Das ist eine gute Idee!“
„Ich nehme noch fünf von den Biscotti di latte.“
„Das sind unsere besten Kekse. Wollen Sie auch den Wein probieren? Montepulciano, 2014. Ein sehr guter Wein.“
„Na klar. Nehme ich mit.“
Ich muss ihr zustimmen: ein wirklich guter Tropfen. Ich werde wohl noch ein drittes Mal hinfahren und ein paar Flaschen für die Daheimgebliebenen kaufen müssen.
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Lied des Tages, passend zum Schnee auf den Berggipfeln: Giorgia & Marco Mengoni – Come neve