Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Klappern | Die beiden Störche in der Nachbarschaft sind noch da und klappern und klappern. Sie klappern, wenn ich einschlafe. Sie klappern morgens. Sie klappern nachts. Als wir am Freitag spät nach Hause kamen, war es 0:36 Uhr, als wir im Bett lagen (ich weiß das so genau, weil ich auf den Radiowecker schaute): Die Störche klapperten.

In der Nachbarschafts-Whats-App-Gruppe wurden heute dann Bilder eines störchlichen Liebesaktes geteilt.

Der Storch ist übrigens ganz schön groß und hungrig, wenn er über den Garten fliegt. //*guckt zu den Meerschweinen


Gruß | Im Garten blüht die Magnolie. Auch die Wildtulpen blühen und haben sogar Bienenbesuch. Ein Gruß geht raus an Herrn Buddenbohm, den Zuschauer aus arktischen Regionen.

An den Bäumen am Straßenrand sehe ich es nun auch schon deutlich grünen. Im Dorf blühen die Kirschbäume.

Weiß blühender Baum unter blauem Himmel. Im Hintergrund ein Edeka-Schild.

Der Frühling kommt also, danach wird es Sommer werden. Der immer gleiche Kreislauf, wunderbar.


Motivation und Lebensalter | Berufsbedingt habe ich mich diese Woche intensiv mit Motivationspsychologie befasst – ein wirklich weites Feld mit vielen Modellen und Theorien. Motivation von Menschen ist eine komplexe Sache; es wirken viele Faktoren ineinander und miteinander – und dann kommt noch die Individualität des Einzelnen dazu. Im Training fragte mich der Kunde, ob sich Motivation mit Alter verändere. Ich hatte Erinnerungsfetzen im Kopf, aber Details musste ich nochmal nachlesen. Die Studienlage*:

  • Ältere Mitarbeiter:innen sind in der Regel motivierter. Die Forschung erklärt das mit Selektionsmechanismen: Man hat bereits vorher ausgewählt, Wechsel angestrebt, die Tätigkeit aktiv verändert, ist vielleicht in die aktive Altersteilzeit gewechselt.
  • Ältere Mitarbeiter:innen sind stärker intrinsisch motiviert – suchen interessante Herausforderungen, schätzen Teamarbeit und Autonomie in der Suche nach Lösungen; extrinsische Motivatoren wie Prestige, Titel und Status verlieren an Bedeutung.
  • Der Wunsch nach Generativität nimmt zu, also der Weitergabe von erworbenen Erfahrungen.
  • Generell nimmt die Wichtigkeit von Arbeitsbeziehungen mit dem Alter ab.

Meine Erfahrung ist ja, dass ältere Mitarbeiter:innen genauso viel (oder auch mal wenig) motiviert sind wie junge. Auch erlebe ich ältere Menschen ebenso veränderungsbereit wie jüngere; es kommt vielmehr auf die individuelle Biographie an: Wer wenig Veränderungserfahrung hat, ist eher skeptisch, egal wie alt oder jung er ist.

Gerade Menschen, die in ihren Leben schon Brüche und Krisen mitgemacht haben oder bei denen sich schlichtweg die Arbeitsanforderungen ein paarmal verändert haben, erlebe ich gelassen und konstruktiv, was Veränderungen angeht. Widerstände und Gegenargumente haben oft eine Berechtigung und speisen sich aus Erfahrungen der Vergangenheit.

*Kehr, Strasser, Paulus: Motivation und Volition im Beruf und am Arbeitsplatz; in Heckhausen/Heckhausen (Hrsg.): Motivation und Handeln, 2018


Leibesübung | Ansonsten passiert hier entweder nichts, die Dinge passen nicht hierhin oder sie wären zu kompliziert oder sind schlichtweg uninteressant. Eines kann ich noch berichten: Am Mittwochmorgen war ich Radfahren. Ich bin dreiunddreißig Kilometer durch Feld und Flur gefahren, einfach so. Es war warm, ich radelte erst in die Stadt, um einer Bekannten Vergessenes vorbeizubringen, und dann ins Nachbardorf zum Hof Hagedorn, um zu schauen, wie weit der Bau des Hofcafés gediehen ist. Vor dem Café parkte eine Autoparade, innendrin frühstückten Rentner und Menschen mit Kindern; das Café ist offenbar fertig. Dann fuhr ich durch den Wald Richtung Dülmen, eine schnurgerade, asphaltierte Straße parallel zur Autobahn – ich kam gut voran. In Dülmen betrachtete ich einen sehr gelungenen, neuen Spielplatz und fuhr dann wieder heim, über Wirtschaftsstraßen die Bahnstrecke entlang. Das war eine angenehme Ertüchtigung.


Viel gelesen, immer mal wieder zwischendurch. Blättern Sie durch oder springen Sie drüber.

Gelesen | Teresa Bücker schreibt in ihrem Newsletter über die gesunkene Geburtenrate. Bis zum Jahr 2000 enthielten die Ergebnisse der Geburtenstatistik nur Angaben für die Väter, welche zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet waren. Männliche Fertilität wird kaum untersucht. Eine Studie hat dies getan und festgestellt: In der Kohorte der 50-Jährigen sind heute mehr kinderlose Männer als kinderlose Frauen; wenn Männer Kinder zeugen, zeugen sie mitunter mit mehreren Frauen Kinder, während andere Männer gar keine Kinder zeugen.

Der Soziologe Aladin El-Mafaalani bespricht die Studie in mehreren Posts auf Instagram. Kernaussagen:

  • Die Geburtenziffer sei in den 2010ern hauptsächlich aufgrund von Migration gestiegen – in Ostdeutschland auch ein ganz klein wenig, nachdem dort die Geburtenzahl nach der Wiedervereinigung eingebrochen sei.
  • Kinderlosigkeit sei kein neues Phänomen: Auch im 18. und 19. Jahrhundert seien zwanzig bis dreißig Prozent der Frauen kinderlos gewesen. Frauen, die Kinder bekamen, hatten hingegen durchschnittlich mehr als fünf Kinder.
  • Der eigentliche Geburtenrückgang habe sich in den 1960er Jahren vollzogen, als diejenigen Frauen, die Kinder bekommen, nicht mehr fünf bekamen, sondern nur noch ein bis zwei im Schnitt.
  • Die Zahl der kinderlosen Frauen sei seit langem konstant bei etwa 20 Prozent. Wenn wir also von Geburtenrückgang sprechen, dann von der Entscheidung von Müttern und Vätern gegen das (meist) zweite oder dritte Kind – etwa aus wirtschaftlichen Gründen, weil kein Wohnraum vorhanden ist, weil die Betreuungssituation unzureichend ist, weil die beruflichen Nachteile zu groß sind, weil die Beziehung instabil ist – oder anderes.

Kinderlosigkeit, so El-Mafaalani, werde zu Unrecht problematisiert:

Kinderlose Menschen sind heute nicht etwa ein Problem, sondern notwendig zum Erhalt der gesamten gesellschaftlichen Infrastruktur. Würde die Geburtenrate ab heute deutlich steigen, stünden wir vor dem Kollaps. Weil: Wir bräuchten umso mehr KITA- und Schulplätze (wir haben jetzt schon zu wenig). Mehr Mütter (und hoffentlich Väter) wären durch Elternschaft gebunden. Arbeitsmarkt und Sozialstaat stehen schon wegen der in den Ruhestand gehenden Baby Boomer unter extremen Druck. Ohne Kinderlose (und späte Eltern) würde z.B. das gesamte KITA- und Schulsystem zusammenbrechen. Das lässt sich auf andere Teile der Infrastruktur übertragen.

Aladin El-Mafaalani auf Instagram

Gelesen | Interview mit dem Sozialwissenschaftsprofessor Arthur C. Brooks über Glück, Freundschaften, Karriere und den eigenen Verfall [SZ, €]

Glück ist nicht die Folge von Erfolg, sondern die Voraussetzung. Nur wer glücklich ist, kann auch erfolgreich sein. Nicht umgekehrt.

Gelesen | Prophylaxe und Propaganda [SZ, €]. Ein Lesestück über Gernot Mörig, ein Düsseldorfer Zahnarzt, der im vergangenen November Rechtspopulisten und Rechtsextreme, Funktionäre der AfD und der Werteunion, mit Martin Sellner zusammenbrachte, dem ehemaligen Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich. Ein Blick in die Netzwerke rechtsnationaler, deutscher Gutverdiener.

Gelesen | Boeing: Absturz einer Ikone [SZ, €]. Management-Summary:

Allein in den vergangenen zehn Jahren hat Boeing Aktien im Wert von 40 Milliarden US-Dollar zurückgekauft, um damit den Kurs des Papiers zu stützen. Gleichzeitig hat der Konzern 22 Milliarden Dollar per Dividende an die Anteilseigner ausgeschüttet. Zum Vergleich: Ein neues Flugzeugmodell zu entwickeln, kostet rund 15 Milliarden Dollar. Das sagt viel aus über die Prioritäten der einstigen Industrieikone.

Gelesen | Datenanalyse: Diese Menschen wählen AfD [ZEIT, €].


Passierschein A38 | Nun fällt mir doch noch etwas ein, das ich hier aufschreiben kann. Ich war nämlich ganz ergriffen.

Ich muss demnächst zum Bürgerbüro. Mein Personalausweis läuft ab, und im Zuge dieser Angelegenheit beantrage ich gleich einen neuen Führerschein mit; der alte rosa Lappen läuft ja irgendwann aus, 2026, glaube ich. Ich buchte mir also online einen Termin. Dabei klickte ich mich durch den Zoo der Verwaltungsvorgänge; es wäre noch einiges mehr möglich. Die Ersterteilung einer Fahrgastbeförderung. Abmeldung ins Ausland. Ein Quell der Lebensentscheidungen!

Dann sah ich: „Ausstellung einer Lebensbescheinigung“. Daneben stand: „Dauer: 5 Min.“ Ein Kribbeln erfasste mich, zusammen mit einem Moment der Rührung. Vor zwölf Jahren verbrachte ich einen Vormittag damit, diesem Passierschein A38 nachzujagen, und hier in Haltern gibt es das 2024 als Standardauswahl. Fünf Minuten Aufwand. Fünf! Nicht zu fassen.


Schweine | Drinnenschweine am Schlechtwettertag.

Drei Meerschweine im Stall - eins auf 9 Uhr, eins auf 12 Uhr, eins auf 3 Uhr. Zwei fressen, eins glotzt.

Wiegenfest | Es gab eine Geburtstagssituation. Ich bin nun 46 Jahre alt. Seit ich 42 bin, habe ich Schwierigkeiten, auf die Frage nach meinem Alter spontan und richtig zu antworten. Das Altersempfinden wird diffuser, verwischt irgendwie. Vielleicht wird das wieder besser, wenn ich 50 bin; vielleicht ist das dann wieder eine deutlichere Wegmarke.

Alter ist übrigens in keinster Weise etwas, über das ich nachdenke, ebenso wie dessen Begleiterscheinungen. Es ist sogar eine erfreuliche Angelegenheit, dass beides da ist – also das Alter, die Falten und so weiter -, denn die Alternative wäre ja, tot zu sein, und das ist eindeutig unerquicklicher. Überdies war ich nie eine Frau, deren Leben übermäßig von äußerer Attraktivität geprägt war. Möglicherweise haben es Frauen, die stets positive Rückmeldungen zu Ihrem Äußeren bekamen und sich daher stärker darüber definieren, schwerer. Ich hingegen finde ja, dass das, was in meinem Kopf stattfindet, viel interessanter ist als dass, was darauf stattfindet.

Ich feierte den Geburtstag im kleinen Kreis. Credits gehen raus an Kind Zwei, das die Hasenservietten gefaltet hat:

Frühstückstisch, auf den Tellern Servietten, die zu Hasenohren gefaltet sind. Im Hintergrund eine Anrichte, darüber quadratische Bilder von Obst an der Wand

Nach Anfertigung des Fotos bemerkte der Reiseleiter, dass die Bilder über der Anrichte schief hängen. Es folgten Loriot-eske Szenen des Bild-Anstupsens, wobei das Anstupsen eines Bildes zu Anstupsnotwendigkeiten bei anderen Bildern führte. Letztlich, ich kürze das ab, endete die Unternehmung in Kapitulation: Die Bilder hängen immer noch schief, manche auch: wieder.


Gelesen | Frau Novemberregen, ihres Zeichens Inhaberin einer beruflichen Position, die das Wort „Director“ im Namen trägt, wurde gefragt, ob sie eine Führungskraft sei, und hat geantwortet.

Ich stimme im Übrigen nicht mit allen Teilen der Antwort überein. So halte ich das Feedback der Mitarbeiter:innen für bedenkenswert. Allerdings – dahingehend bin ich bei Frau Novemberregen – sollten nicht Harmonie und Gefallen die Messgrößen darstellen. Vielmehr ist eine Kernaufgabe von Führung, dafür zu sorgen, dass Leute so gut arbeiten können, dass Erfolg zustande kommen kann. Insofern sind die Rückmeldungen zur Führungsleistung schon relevant.

Mitunter erlebe ich Führungskräfte in einer klagenden Haltung, solidarisiert mit ihrem Team – gerade wenn es darum geht, Veränderungen zu initiieren. Sie lamentieren über Strukturen, obwohl es ihre Aufgaben ist, diese Strukturen zu entwerfen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, auf äußere Entwicklungen im Markt zu reagieren, Bürokratie zu begrenzen, funktionierende Werkzeuge für den Erfolg bereitzustellen, Aufgabenfülle und Personal in Einklang zu bringen und Aufgaben zu priorisieren – also Arbeit nicht einfach geschehen zu lassen, sie nicht einfach zu verwalten, sondern zu lenken und zu gestalten. Das ist nicht immer einfach, das ist klar. Jede Entscheidung, die ich als Führungskraft treffe, mutet Anderen die Folgen zu, provoziert Konflikte und Widerstand, benötigt Verhandlung und Durchsetzung. Aber wenn es einfach wäre, würde es eben auch von alleine geschehen, dann bräuchte es meine Führungsposition nicht.

(Den Satz „Es ist ja ein Arbeitsplatz, keine Tagespflege“ werde ich mir abspeichern. Den kann ich bestimmt noch gebrauchen.)


Feedback | Ab Mai werde ich einen Kunden in einem Transformationsprojekt begleiten, das bis mindestens Ende des Jahres dauert, vielleicht auch länger. Alles war schon in trockenen Tüchern: Wir hatten die Situation sondiert, wir hatten darüber gesprochen, wie wir beginnen, Termine gemacht, Leute ins Boot geholt. Vergangene Woche kam dann der Anruf, dass sich der Auftrag noch einmal ändert.

Ich bekam Lob, dass ich die Veränderung gelassen und positiv aufgenommen habe und wir direkt überlegt haben, welche Konsequenzen sie hat und was wir nun anders machen müssen. Die Rückmeldung freut mich. Gleichzeitig ist genau das mein Geschäft: Veränderung begleiten und führen – das nimmt den eigenen Auftrag, das eigene Projekt nicht aus. Es ist halt so, dass sich Perspektiven verändern können und dass sich Rahmenbedingungen verschieben. Vorhaben wandeln sich. Dann überlegen wir halt, wie wir damit umgehen.


Die kleinen Dinge | Mein Dorf hat die Blümchen schön.

Eine Wiese mit Narzissen an einer Bushaltestelle

Störche | In der Nachbarschaft ist ein Storchenpaar eingezogen, nur hundert Meter von unserem Haus entfernt. Dort steht ein Baum, und auf dem Baum ist ein Wagenrad angebracht.

Ein schlechtes Bild von einem Storch auf einem Wagenrad auf einem Baum bei schlechtem Wetter

Ich kann die Störche klappern hören und sie aus dem Schlafzimmerfenster sehen. Im vergangenen Jahr waren sie um diese Jahreszeit auch dort, waren später aber wieder weg.

Laut Internet fresse Störche Kleinsäuger wie Ratten und Maulwürfe. Ob sie auch Meerschweine fressen, ist nicht überliefert, allerdings auch nicht ausgeschlossen. Ich warte also auf den Tag, an dem ich in den Garten gucke, ein Storch auf unserem Rasen steht und gerade das Dramaschwein herunterwürgt, das in diesem Moment in allen seinen Ängsten und Vorurteilen bestätigt wird.


Schweine | Fensterrentner.

Lingen | Am vergangenen Wochenende fuhr ich nach Lingen an der Ems. Sie dürfen mit Fug und Recht fragen, warum ich das tat, das ist nun wirklich nicht naheliegend. Wäre ich nicht dorthin entführt worden, wäre ich in meinem Leben niemals nach Lingen gekommen.

Der Hintergrund ist, dass ich Teil einer Reisegruppe war, die nicht wusste, wohin es ging, und auch nicht wusste, was am Zielort geschehen würde. Dieser Umstand ist kein Bug, sondern ein Feature. Die Reisegruppe ist der Dortmunder Agora Club Tangent (ACT), in dem ich Mitglied bin; der ACT ist das Seniorenheim des Ladies‘ Circle, in dem ich dereinst ebenfalls Mitglied war, aber mit meinem meinem 45. Lebensjahr turnusmäßig ausschied. Einmal im Jahr organisiert ein Mitglied des ACT einen Wochenendtrip. Die Mitreisenden erfahren nicht, wohin es geht; das Fahrtziel muss lediglich in zwei, drei Stunden zu erreichen sein. So landete ich in Lingen.

Der Vorteil, mit einem Club mittelalter Damen zu verreisen, liegt darin, dass alle fast alles schon erlebt haben: Eheschließungen, Scheidungen, Neuverliebungen, kleine Kinder, pubertierende Kinder, aus dem Haushalt ausziehende Kinder, körperliche und seelische Gebrechen, von Orthopädie bis Gynäkologie, Gerontologie (natürlich), selbst Astrologie. Jedes Lebensthema ist anschlussfähig in der Gruppe. Wunderbar.

Ein Programmpunkt war Krav Maga, Selbstverteidigung. Eine Freundin des Clubs führt in Lingen ein Fitnessstudio, bietet Personal Training und eben auch Selbstverteidigung. Wir bekamen einen zweistündigen Crash-Kurs. Das Motto von Krav Maga: Head and Nuts, Kopf und Nüsse – wenn’s hart auf hart kommt, geht’s immer gegen diese Körperteile, bei den Herren wie bei den Damen. Das war sehr lehrreich; ich stellte mich trotz meines friedfertigen Wesens als talentiert heraus. Dreißig Jahre in einer aggressiven Kontaktsportart und eine Karriere im Abwehrmittelblock scheinen für diese Sportart hilfreich zu sein.

Wir lernten auch etwas über die Stadt. Zwei Kivelinge, örtliche Junggesellen, führten uns durch Lingen. Wir erfuhren etwas übers Kievelingsdasein, über die Sektionen, in denen die unverheirateten Bürgersöhne sich organisieren, und über ihre Aktivitäten; aus den Ausführungen erinnere ich, dass viel getrunken wird, allerdings keine Limonade. Außerdem findet alle drei Jahre das Kivelingsfest in Lingen statt, ein Volkfest, bei dem ebenfalls viel getrunken wird. Dem ist zuträglich, dass Lingen eine Bier-Kultur pflegt. In der Alten Posthalterei, einem Kneipenrestaurant, wird allerlei angeboten; wir kosteten und besuchten zudem Heidis Litfass, in dem auch getrunken wird. Alles in allem verfestigte sich der Eindruck, dass die Menschen in Lingen viel Durst haben.


Heimgymnastik | Wir haben hier ein Rudergerät, das ich bisweilen benutze, und neuerdings auch ein Wahu-Board. Ein Weihnachtsgeschenk für die Kinder, das sich als gutes Traininhgsgerät auch für uns Erwachsene erweist. Der Reiseleiter und ich machen Kniebeugen auf dem wackeligen Ding und können danach zwei Tage nicht laufen. Anscheinend haben wir es nötig.


Gesehen | Zone of Interest. Verstörender Film. Unfassbar guter Film. Eine beachtliche Schauspielleistung; besonders Christian Friedel hat mich beeindruckend – noch mehr als Sandra Hüller als seine Gattin. Friedel gelingt es, Rudolf Höss, dem Ökonom der Massenvernichtung, dem Prozessingenieur der Vergasung und Verbrennung, menschliche Momente abzuringen und gleichzeitig eine Grausamkeit zu zeigen, die in keinen Moment körperlich ist. Es lässt einen erschüttert zurück. Der Sound ist beklemmend und hat den Oscar verdient. Der Film wurde mit versteckten Kameras gedreht, die Schauspieler:innen bewegten sich frei im Haus und spielten einfach, wohnten, aßen, lebten. Große Filmkunst. Unerträglich.


Schlauer werden | Ich habe ein bisschen Luft in meinem Kalender. Das ist gut. Ich nutze sie fürs Lesen. Dank meiner Fortbildung an der Fernuni habe ich wieder Blut geleckt, mich mit Wissenschaft und Fachbüchern zu beschäftigen. Ich habe mir Motivation und Handeln reingezogen, den Klassiker von Jutta und Heinz Heckhausen (Hrsg.); seit meinem Studium gibt es doch einige neue Erkenntnisse. Werde mich nun Arbeits- und Organisationspsychologie und der Psychologie der Entscheidung widmen, um auch hier wieder näher an aktuelle Forschung zu kommen.


Armenisch kochen | Diese Woche brachte ich mein armenisches Kochbuch zur Anwendung, das schon seit Weihnachten in meinem Haushalt wohnt, für das ich aber bislang keine Muße hatte.

Montag: Adjarakan Khachapuri (Teigschiffchen mit Käse und Ei). Ich ergänzte Frühlingszwiebel zum Rezept.

Teigschiffchen mit Käse und Ei

Dienstag: Vospov Aghtsan (Linsensalat) und Jingalov Hats (Brot mit Kräutern)

Vospov Aghtsan (Linsensalat) und Jingalov Hats (Brot mit Kräutern)

Beides lecker. Der Reiseleiter gab zu Protokoll, dass die Mahlzeiten sicherlich auch kaukasische Minenarbeiter sättigen.


Gesehen | 37 Grad: Burnout auf dem Bauernhof – Landwirte kämpfen gegen ihre Depression


Schweine | Um nochmal auf den Beginn zurückzukommen, die Reise nach Lingen: Ein anschlussfähiges Lebensthema war auch das Thema „Meerschweine“, das irgendwer irgendwann aufmachte, und in dem ich dann erzählte, dass Abendessen, das Dramaschwein, quasi vergoldet sei, nachdem wir es mit einer Glatze beim Tierarzt vorstellen mussten und es ein Mittel gegen Hautpilz bekam; eine Unternehmung, die uns ein Vielfaches kostete, als wir für das Schwein bezahlt hatten – eine Notschlachtung wäre finanziell angemessener gewesen. Daraufhin erzählte meine Mitreisende die Geschichte des Familienzwergkaninchens, das ebenfalls ein kleines Leiden hatte und dem Tierarzt vorgestellt wurde. Sie bat den Veterinär, dass er bei den Behandlungsoptionen bitte berücksichtige, dass dieses Tier, nun ja, eben ein Zwergkaninchen und kein Lipizanerhengst sei. Kaum hatte sie dies ausgesprochen, brach ihr Sohn neben ihr in Tränen aus; er heulte, dass der Rotz das Kinn hinabfloss; unter Schluchzen sprach der Bub wütende Worten über Ethik und Moral. Daraufhin wurde das Zwergkaninchen stationär aufgenommen, erhielt ein Einzelzimmer und kam kurzerhand in die monetäre Reichweite eines Lipizaners.

Die Schweine kommen in den Genuss von Obstbaumzweigen: Im Dortmunder Garten schnitt ich Bäume. Die Zweige nahm ich mit nach Haltern. Der Reiseleiter baute den Schweinen daraus einen Tunnel. Sie erinnerten sich daraufhin daran, dass sie Nagetiere sind, und knabbern nun mit großer Hingabe die Apfel- und Kirschbaumzweige ab.

Samstag | Der Tag begann mit Fußball: Anpfiff um elf, ein Freundschaftsspiel der U13-Mädchen, Kind Zwei und Kind Drei waren dabei. Die Sonne schien, und wenn sie das tat, war es warm. Zwischendurch tat sie es mal nicht, dann war es kalt. Das ist nun also diese Jahreszeit. Während kein Tor fiel, beobachtete ich einen Hundewelpen, der ebenfalls zusah oder schlief oder dasaß oder sich für Gänseblümchen interessierte. Am liebsten saß er – vor allem dann, wenn sein Mensch mit ihm irgendwo hingehen wollte -, er saß bombenfest, man konnte ihn nur mit dem Hintern über die Wiese schleifen.

Das Spiel verlief höhepunktarm. Oder nein, nennen wir es lieber eine raffinierte Taktikschlacht, das hört sich besser an. Die Kinder waren jedenfalls glücklich: Zuletzt verlor man 0:3 gegen diesen Gegner, entsprechend ist ein 0:0 ein Erfolg.

Ein Fußball am Rande eines Kunstrasenplatzes. Sonnenschein. Im Hintergrund Spielerinnen.

Nach dem Spiel fuhren wir heim, ich legte Wäsche und pruschelte im Garten herum. Die Beete wollten aufgefüllt, geharkt und gedüngt werden. Ich hegte Gemüsegefühle und beschäftigte mich mit Kletterpflanzen für Schattenwände.

Gegen Abend rüschte ich mich auf: Ich war zu einem 45. Geburtstag im Bergischen eingeladen. Wie ich gerade das Haus verlassen wollte – ich hatte schon die Jacke an und den Schlüssel in der Hand -, klingelte das Telefon des Reiseleiters: Kind Eins, das im städtischen Hallenbad weilte, hatte sich verletzt. Eine Gefahr für Leib und Leben bestand nicht, aber der Besuch eines Arztes war ratsam. Also fuhren wir zum Hallenbad, der Reiseleiter behielt das Auto und brachte das Kind zum Arzt, ich nahm des Kindes Fahrrad und fuhr es nach Hause. Nachdem ich mit den Knien an den Ohren nach Hause geradelt war, kümmerte ich mich ums Abendessen, außerdem um die Rückkehr von Kind Zwei, das den Nachmittag bei einer Freundin verbracht hatte und – es war inzwischen schon dämmerig – von der Bushhaltestelle abgeholt werden musste.

Als ich mit dem Kind in unsere Straße einbog, sahen wir ihre Schwester, die sich in meiner Abwesenheit zwei Nachbarmädchen angeschlossen hatte und mit ihnen Fußball spielte. In dem Moment steckten die Eltern der Mädchen ihre Köpfe aus dem Haus und riefen: „Kommt! Wir gucken Fußball und haben Snacks!“ Bei den Eltern handelt es sich um drei Frauen, die ehemals in hohen Ligen Fußball spielten, ein original Fußballtor im Garten haben und überdies das Nachbarschaftstippspiel verwalten, in dem ich aktuell einen respektablen sechsten Platz belege. Während die Kinder also pölten, guckten wir sportschau und aßen Salzstangen. Später kam der Reiseleiter hinzu, die Kinder verlegten nach drinnen, das inzwischen versorgte Kind Eins ruhte sich vom Schrecken aus und chillte vorm Fernseher. Als die Salzstangen alle waren, holten die Nachbarinnen Erdnüsse. Als die Erdnüsse alle waren, holten sie Chips. Als die Chips alle waren, fanden sie noch Käse. Ein wunderbarer Abend mit guten Gesprächen. Irgendwann landeten alle fünf Kinder bei uns, wir bauten ein Matratzenlager auf, und so endete der Tag dann: mit vielen Decken, müden Kindern, müden Erwachsenen, ohne Geburtstagsfeier, aber mit anders tollen Begegnungen.


Dies und Das | Frau Herzbruch schreibt, dass sie keinen Orientierungsinn hat, und schreibt außerdem darüber, in welchen Himmelrichtungen Sprachen Vergangenheit und Zukunft verorten (sie ist Sprachwissenschaftlerin). Sehr interessant! Ich kann nur bestätigen, dass Sprache das Denken prägt; ich habe den Eindruck, dass ich selbst eine Andere bin, wenn ich in anderen Sprachen unterwegs bin, ein bisschen zumindest. Jede Sprache, die ich gelernt habe, funktioniert anders, manche sehr anders, manche weniger, aber jede hat ihre Eigenheiten; allein, wie Zeiten gebildet werden und welche Zeiten es gibt, wie Wörter zueinander stehen und welchen Regeln die Grammatik folgt. Oder die Verniedlichungsformen! Eine Welt für sich, in jeder Sprache anders schön. Das Italienische und ja, auch das Russische, sind großartig darin. Oder die Bildung größerer Zahlen: Mal wird der Einer vorangestellt, mal der Zehner, in einigen Sprachen muss man geradezu ein Rechengenie sein (mille neuf cent quatre vingt dix neuf, 1999, meine Güte; oder Dänisch firs, 80,  fir sinds tyve, viermal zwanzig, herrje). Oder die An- und Abwesenheit von Artikeln in einer Sprache; manche kommen ganz ohne aus! Dazu die Unübersetzbarkeit mancher Wörter, deren feine Nuancen keine Entsprechung finden.

Zum Orientierungssinn ein Kapitel aus dem #Serviceblog: Ich besitze noch eine Uhr mit Ziffernblatt, und wenn Sie auch eine haben, können Sie leicht feststellen, wo Süden ist. Richten Sie den Stundenzeiger auf die Sonne. Auf der halben Strecke zwischen dem Stundenzeiger und dem 12-Uhr-Strich ist Süden. Wenn Sie dorthin müssen: fein. Wenn nicht, wählen Sie die entsprechend anderen Richtungen. Gerade beim Wandern ist das ganz praktisch.

Eigentlich wollte ich aber nicht über Orientierung reden, auch nicht über Sprachen, sondern einen Satz aus dem verlinkten Text zitieren:

Ich fuhr heute nachmittag mit dem Teenager in den Aquaristen-Nerdladen. Er brauchte eine Lösung, damit seine Garnelen nicht in den Filter eingesaugt werden, eine kam dort leider ums Leben, das will ja nun keiner.

Wäre dies der erste Satz eines Buches: Ich hätte es gekauft.


Gehört | Jessy Wellmer in der Hörbar Rust. Ich hatte ein, zwei Aha-Erlebnisse in Bezug auf Befindlichkeiten in Ost- und Westdeutschland.

Gehört | Kinderpsychiater Jakob Hein zu Gast im Hotel Matze. Ebenfalls interessant und unterhaltsam.


Schweine | Die Sonne schien, das Gras wächst, die Schweine fraßen es weg.

Expedition nach Utrecht | Am Wochenende fuhr ich nach Utrecht, gemeinsam mit dem Reiseleiter. Der Reiseleiter hatte vorab einen Reiseführer studiert – mit dem Ergebnis, dass wir die Reise auf uns zukommen lassen sollten, ohne Plan. So stiegen wir also in den Zug, der uns erstaunlich schnell nach Utrecht brachte, in zweieinhalb Stunden nur. Der Reiseleiter, der zweimal wöchentlich zum Arbeitgeber nach Köln pendelt und hart unter den Widrigkeiten des Bahnfahrens leidet, meinte, dass er möglicherweise einfacher nach Utrecht als nach Köln käme und dieser Sachverhalt Erwägungen nach sich ziehen könnte, langfristig. Er verwarf den Gedanken dann aber doch wieder, vorläufig, aus Liebe zur Arbeitsstelle.

Wir kamen also an, es war Samstagmorgen, schlossen unsere Rucksäcke in ein Schließfach und marschierten los, ohne Plan, wie geplant. Wenn man in Utrecht aus dem Bahnhof tritt, steht dort ein monumentales Einkaufszentrum, das größte überdachte Ding Europas. Es ist erstaunlicherweise genauso wenig einladend wie alle Einkaufszentren und macht ebensowenig Spaß. Aber wir gingen hindurch, um in die Stadt zu kommen. Auf dem Weg zum Einkaufszentrum begegnete uns das Fahrradparkhaus. Es hat zwölfeinhalbtausend Stellplätze, und wie wir sehen konnten, zumindest auf der ersten Etage, waren fast alle besetzt. Die Leute sausten hinein und hinaus. Es war erfreulich anzusehen. Wir standen eine ganze Weile dort.

Die Innenstadt ist autofrei: Gassen und Grachten, Geschäfte und Cafés, und es war erstaunlich viel los, man könnte auch von Menschenmassen sprechen. In Utrechts Altstadt biegen überall Gässchen ab, oftmals begegnet man Wasser, und es ist nicht ganz klar, wohin man nun soll, weil es überall hübsch ist. Man möchte in diese und in jene Straße abbiegen, mit der Aufmerksamkeitsspanne eines umherflatternden Schmetterlings.

Irgendwann aber kommt man zurecht und denkt: „Hier war ich schonmal“, dann erkennt man erstmals Dinge wieder und es kommt das Gefühl auf, sich irgendwie orientieren zu können.

Im Reiseführer hatten wir von einem Blumenmarkt gelesen, der immer Samstags stattfindet und von dem niemand ohne Blumenzwiebel nach Hause geht. Die Autoren hatten recht. Ich kaufte einen Haufen Blumenzwiebeln, die der Reiseleiter fortan tragen durfte.

Alsdann war es an der Zeit, ein Café zu besuchen. Wir beschlossen, erst ein Bier und dann einen Kaffee zu trinken. Damit das Bier nicht so alleine war, aßen wir ein Brötchen mit Apfel und Ziegenkäse dazu – und Kürbissuppe. Das war schmackhaft. Wir saßen dabei an einer Gracht, um nicht zu sagen: darüber. Das Haus ragte etwas übers Wasser. Manchmal fuhr ein Schiff vorbei, manchmal paddelten Kajakfahrer, wir besäuselten uns leicht, das Leben war wunderbar.

Blick auf einem Sprossenfenster auf das Ufer der Gracht

Nicht nur Blumenzwiebeln, auch Buchläden hatten eine Anziehung auf uns. Wir entdeckten, dass es in Utrechts Buchläden viele englischsprachige Bücher gibt, und zwar jene, die einem in Deutschland nicht unterkommen: Bücher aus kleineren Verlagen und solche, die jenseits des Mainstreams der Spiegel-Bestsellerliste stattfinden. Wir arbeiteten uns durch alle Buchhandlungen der Stadt, einschließlich des ältesten feminstischen Buchladens der Niederlande, und fanden in jedem der Geschäfte etwas, das der Reiseleiter tragen durfte.

Holzleiter vor einem Bücherregal

Insofern gesellten sich etliche Bücher zu den Blumenzwiebeln, weshalb es irgendwann an der Zeit war, das Hotel aufzusuchen, bevor der Reiseleiter sich zum orthopädischen Notfall entwickeln würde.

Am nächsten Tag schlossen wir unser Gepäck wieder im Bahnhof ein, dazu die Blumenzwiebeln und die Bücher und gingen ins Centraal Museum. Es verfügt über eine umfangreiche Sammlung aus Kunst, Design, Mode und Stadtgeschichte; das konnte nicht falsch sein für uns als Utrecht-Newbies. Am meisten mochte ich die Sonderausstellung mit fotorealistischen Werken, also mit Bildern, die gemalt sind, aber aussehen wie Fotos. Das gefiel mir, denn bei dieser Art der Malerei sieht man besonders gut, was abgebildet ist; das kann man nicht von jedem Kunstwerk behaupten.

Außerdem mochte ich das Atelier von Dick Bruna, dem Erfinder von Nijntje (deutsch: Miffy) und Illustrator von Buchumschlägen und Plakaten. Er lebte in Utrecht und mochte es gemütlich. Ich war sogleich versucht, mich nur noch aufs Schriftstellertum zu konzentrieren und ebenfalls solch ein Atelier zu bewohnen, nur um während des Arbeitens auch in einer Hängematte liegen zu können – wie Dick Bruna, wenn er nachdachte.

Atelier von Dick Bruna in einem Dachgeschoss: Es sieht etwas durcheinander, aber gemütlich aus.

Wir kehrten nochmal in einem Restaurant ein, diesmal in ein vietnamesisches in einer etwas abseitigen Straße; der Ausflug lohnte sich. Dann holten wir unsere Rucksäcke und Bücher und Blumenzwiebeln aus dem Schließfach und fuhren zurück nach Hause, wieder in zweieinhalb Stunden und ohne Zwischenfälle. Das war komfortabel.

Mehr über Utrechts autofreie Innenstadt bei Bloomberg (How Utrecht Became a Paradise for Cyclists) und auf einer irischen Website: How much can a city’s street change in about a decade? Before/after images from Utrecht.


Gelesen | Gabriele von Arnim: Das Leben ist ein vorübergehender Zustand. Just an dem Tag, an dem Gabriele von Arnim ihren Mann verlassen möchte, erleidet dieser einen Schlaganfall – und zehn Tage später den zweiten. Er wird aus allem herauskatapultiert: aus seinem Berufsleben und seinen privaten Plänen. Seiner Frau geht es genauso. Was folgt, sind zehn gemeinsame Jahre der Pflege, der Zuwendung und Fürsorge, aber auch der Übergriffigkeit, der Hilflosigkeit und der Balance zwischen Würde und Demütigung. Eine sehr nahe Erzählung, die nicht mit dem Tod endet, sondern zwei Jahre danach.

Gelesen | Imre Kertész: Roman eines Schicksallosen, aus dem Ungarischen von Christina Viragh. Imre Kertész, geboren in Budapest, wurde als 14-Jähriger nach Auschwitz verschleppt, kam anschließend nach Buchenwald und in das Buchenwalder Außenlager nach Zeitz. Im Roman erzählt er seine Geschichte im Plauderton eines unbedarften Teenagers: die Fahrten im Zugwaggon, das Sortieren der Häftlinge, die Vernichtung der Mitreisenden, die Arbeit und das Leben im Lager. Schließlich wird er krank – was ihm erst fast das Leben kostet und dann sein Leben rettet. Ein Buch, das noch lange nachhallt.

Gelesen | Tagebuchbloggen: Little Ente ist weg

Gehört | Elitenforscher Michael Hartmann zu Gast bei Jung & Naiv. Ich habe erst die ersten eineinhalb von vier Stunden gehört. Aber die sind schon weiterempfehlenswert. Außerdem möchte ich eine Erkenntnis teilen: Hartmann argumentiert deutlich pro Frauenquote, ergänzt aber eine interessante Beobachtung aus der Forschung. Denn Ergebnis eine funktionierenden Frauenquote ist, dass Nicht-Akademiker:innen benachteiligt werden – oder anders gesagt: Bürgertöchter verdrängen Arbeiterkinder. Der Begriff dazu ist homosoziale Kooptation: Gleich und Gleich gesellt sich gern; Entscheider:innen bevorzugen diejenigen Kandidat:innen, die ihnen ähnlich und deshalb vertrauter sind; Aspekte sind hier beispielsweise Geschlecht, Habitus, gemeinsame Glaubenssätze, Interessen und Sozialisierungserfahrungen. Steht das Geschlecht als Variable nicht zur Verfügung, weil es eine Quote gibt, werden die anderen Merkmale dennoch – mitunter stärker – aufrecht erhalten.


Frühjahrsbereitschaft | Ich wäre jetzt übrigens bereit fürs Frühjahr, insbesondere für den Start ins Gartenjahr. Sie wissen schon: Hände in die Erde und Setzlinge einbuddeln, ein bisschen umgraben, harken und nachbessern – und freudig streicheln, was bereits aus der Erde guckt. Ich wäre auch bereit, in den Blumemmarkt zu fahren, Pflanzen zu kaufen, sie in Töpfe zu setzen und die Töpfe dann hübsch zu drappieren, etwa vor die Haustür oder auf der Terrasse. Ich wäre auch bereit, Rad zu fahren, nicht vermummt wie jetzt in Februar, sondern nur mit einem dünnen Pullover bekleidet, mit warmem Wind im Gesicht. Ich wäre bereit, die Blumenzwiebeln aus Utrecht zu setzen, in Töpfe und Beete, vors Haus und hinters Haus. Für all das wäre ich bereit, an mir soll es also nicht liegen, wenn noch Winter ist.

Immerhin bemerkte ich auf der Rückfahrt aus Utrecht, dass die Sonne nun nicht mehr am Nachmittag untergeht, sondern zu einer Tageszeit, die man fast schon Abend nennen kann. Wir fuhren heim, es war 18 Uhr, und ich konnte noch aus dem Fenster schauen. Das stimmte mich froh.


Wohnwende | In der vergangenen Woche besuchte ich einen Vortrag von Daniel Fuhrhop, einem Mann, der sich mit unsichtbarem Wohnraum beschäftigt. Er nennt sich „Wohnwendeökonom“, was einerseits eine gute Marketingnummer ist. Andererseits liefert er tatsächlich einen interessanten Beitrag zur Wohnungsnot in den Städten. So sagt er – ich gebe hier eine Managementsummary -, dass es ausreichend Wohnraum gebe und dass er nur schlecht verteilt sei: Ein Drittel der deutschen Rentnerinnen und Rentner lebe auf mehr als 100 Quadratmetern. Die Gründe sind klar: Die Kinder ziehen aus, irgendwann verstirbt der:die Partner:in, man ist allein, kann oder möchte sich aber nicht vom Eigentum trennen. Für die Wohnpolitik, so Fuhrhop, sei deshalb ein Schlüssel, Renter:innen bei einem Umzug in ein kleineres Zuhause zu motivieren und zu unterstützen – nur jene, die wollen, versteht sich, aber das seien immerhin einige: Solch ein Eigenheim kann schließlich auch eine Last sein. Die Süddeutsche Zeitung hat diesem Thema jüngst einen Artikel gewidmet: Oma soll umziehen [€].

Eine weitere Möglichkeiten für mehr Wohnraum, so Fuhrhop, sei eine Form der Untermiete; es nennt sich „Wohnen gegen Hilfe“: Student:in oder Geflüchtete:r zieht bei älterem Menschen ein, zahlt keine Miete und verrichtet dafür haushaltsnahe Tätigkeiten. In Belgien gebe es dafür professionelle Agenturen, die ein Casting und damit Sicherheit garantieren und bei Konflikten unterstützen.

Auch die Anzahl der unvermieteten Wohnungen ist nach Fuhrhops Ansicht spannend: Etliche Wohnungen in Städten seien ungenutzt, eine genaue Zahl sei oft nicht erfasst, gerade in kleineren Orten. Auch die seien unsichtbarer Wohnraum. Der Grund sind in kleineren Städten nicht Immobiliengesellschaften, die spekulieren, sondern: Die Vermieterin hat in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht, hat es nicht unbedingt nötig zu vermieten und lässt nun lieber leerstehen.

Insgesamt ein interessanter Vortrag. Die Zahlen für meine Wohnstadt Haltern am See zeigten das ganze Problem des Ortes: Hier gibt es etwas mehr als 10.000 Wohngebäude für 39.000 Einwohner:innen. 6.390 dieser Gebäude, also fast zwei Drittel, sind Einfamilienhäuser, 2.500 sind Zweifamilienhäuser und nur ein kläglicher Rest Mehrfamilienhäuser. Wer hier mehr als ein Kind hat und mit überschaubarem Einkommen eine Wohnung sucht, ist aufgeschmissen, die gibt es nämlich nicht. Stattdessen gibt es viele Ein-Personen-Haushalte in den mehr als 6.000 Einfamilienhäusern.


Schweine | Damit es nicht wieder zu Verwirrungen kommt: Nach dem Schweinebild ist Schluss. Bitte würdigen Sie die präzise kommunizierte Erwartungshaltung des Pionierschweins (Mitte).

Drei Schweine, von links nach rechts: Das Dramaschwein mit vorgereckten Kopf, schnüffelnd. In der Mitte das Pionierschwein, die Pfoten aus die Futterschale aufgestützt, erwartungsvoll. Rechts, in einer Weidenrolle, wohlig liegend, der Dicke.

Dieser Winter | Als ich durchs Dorf ging, dachte ich: Dieser Winter ist nicht so schlimm wie die letzten Winter.

Es ist nun schon Mitte Februar, und es scheint, als fehlten diesem Winter die endlosen Tage der Trübnis, das sehnsüchtige Warten auf die ersten Winterlinge, auf die Schneeglöckchen und die Krokusse. Denn ohne, dass ich sie bereits ersehnt habe, sind sie plötzlich da, sogar gleichzeitig: Während am kleinen Sandbach die Schneeglöckchen wie ein Teppich daliegen, bekommen ein paar Meter weiter, im Straßengraben vor der Bahnschranke, schon Krokusse Besuch von Bienen.

Wenn ich sage, dieser Winter sei kürzer als andere Winter, meine ich mit diesem Winter meinen Winter, nicht Ihren Winter und auch nicht den Winter meiner Freunde oder Nachbarn; der mag anders sein. Mein Winter legt eine außerordentliche Geschwindigkeit an den Tag, hat kaum Längen und erstaunlich viele Freuden.

Vielleicht liegt es an den bislang recht umtriebigen Tagen, an den Reisen nach Köln und Karlsruhe, nach Berlin und Niedersachsen – und daran, dass ich zwischen und nach diesen Reisen das Zuhausesein genieße, auch wenn es draußen regnet und der Matsch im Garten steht.

Vielleicht liegt es auch daran, dass es außerordentlich warm ist; daran, dass sich kein kalter, regennasser Wind in die Kleidung drängt, dass er nicht eishagelkalt ins Gesicht prickelt, sondern dass ich zuletzt mit dem Rad in die Stadt fuhr, um Besorgungen zu erledigen, als sei es bereits Mai.


Niedersachsen | A propos Niedersachsen, dort war ich diese Woche – in einem Hotel weitab jedes Bahnhofs. Die schnellste Anfahrt mit dem Zug hätte 4 Stunden 30 gedauert; die letzten dreißig Minuten zu Fuß. Mit dem Auto war ich in eineinhalb Stunden dort, allerdings gestaltete es sich stimmungsvoll. Im Dämmerlicht des niedergehenden Tages führte mich die Navigation über Wirtschaftswege, auf Höfe und vor Weidezäune, während Schneegriesel einsetzte und das Fernlicht des Wagens Hasen jagte. Nach zwei gescheiterten Versuchen, zum Hotel durchzudringen, eine Pferdeweide vor der Motorhaube, schaute ich manuell auf die Karte, suchte mir einen Weg und navigierte selbst. Ich rumpelte über Kopfsteinpflaster an einem Kirchhof vorbei, vorbei an einem Fußballfeld und durch Tannenwald, in dem vergilbte Schilder mir mitteilten, dass ich nun richtig sei, und den Weg zum Hotel wiesen. Ein Reh stand am Wegesrand, ich umfuhr Schlaglöcher. „So beginnen Kriminalromane“, dachte ich. Kurz, nachdem wieder ein Hase den Weg gequert hatte, sah ich Licht durch die Bäume schimmern: das Hotel, die Fenster erleuchtet, auf dem Parkplatz funzelige Laternen. Ich rechnete fest damit, dass am kommenden Morgen einer der Gäste tot sei und es nur einer der übrigen gewesen sein konnte, einschließlich mir selbst. Doch, soweit ich weiß, überlebten alle die Nacht, und es tauchte kein Hercule Poirot auf.


Marktplatz | Der Marktplatz an einem Februarabend. K2, K3 und ich genehmigten uns ein Eis aus der neuen Eisdiele, schleckten es vor der Buchhandlung und betrachteten das Treiben, während wir darauf wartenen, hineingehen zu können. Aber das geht eben nicht mit einem Eis.

Die neue Eisdiele führt nicht nur Vanille und Schokolade, Stracciatella und Nuss, sondern auch Milchschnitteneis, Käsekucheneis und manchmal auch Waldmeister. Die Sorten sind stets andere; das Angebot wandelt sich nach Lust des Betreibers. Waldmeister ist eine Offenbarung; leider gab es die Sorte bislang nur einmal, kurz nach Eröffnung im September – und doch betrete ich die Eisdiele jedesmal in der Hoffnung, dass heute der Tag ist, an dem es wieder Waldmeister gibt.


Gelesen | Rónán Hession: Leonard und Paul, übersetzt von Andrea O’Brien. Es ist die Geschichte von Leonard und Paul, introvertierte Männer mit Beharrungsvermögen im Hotel Mama. Während Leonard immerhin einem Beruf nachgeht – er ist Ghostwriter für Kinderenzyklopädien -, verdingt sich Paul lediglich zwei Tage pro Monat als Aushilfspostbote. Das Buch wird beworben mit dem Worten: „Eine hinreißend charmante Lektüre, die nachdrücklich vor Augen führt, wie bereichernd es sein kann, sich auf den Nebenstraßen des Lebens zu bewegen.“ Auf den ersten Kilometern ist die Geschichte tatsächlich charmant; es macht Freude, Paul und Leonard kennenzulernen. Da allerdings auf den Nebenstraßen des Lebens wenig Verkehr ist, wird es nach der Hälfte der Strecke dramaturgisch dünn.


Familienfeier mit Bingo | Irgendwann später, wenn ich im Seniorenheim Zur Goldenen Abendsonne im Gemeinschaftsraum sitze, werde ich vorbereitet sein – vobrereitet auf Bingo-Abende.

Dann werde ich mein Bingo-Gehirn einschalten: den wohligen Zustand zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen dem aufwühlenden Hoffen auf die letzte passende Zahl, die nötig ist für einen triumphalen „Bingo!“-Ruf, und dem unbeschwerten Fallenlassen in die Situation, die allenfalls drei Gehirnzellen benötigt, um bewältigt zu werden.

Bingo-Karte mit einigen markierten Zahlen

Ich mag solche Aktivitäten, die einerseits kaum Geistesleistung benötigen, andererseits aber doch so viel Aufmerksamkeit fordern, dass ich an nichts andere denken kann. Außer an: N31. B25. G57. Neben Bingo gehört auch Puzzeln dazu; beim Puzzeln werden meine Hirnwellen lange, ruhige Schwünge. Dann denke ich nur Dinge wie: „Ein rotes Teil mit gelber Spitze. Das muss doch irgendwo sein. Ein rotes Teil … ah, da! … Nee, doch nicht.“

Bingo hat zwei Seiten: die des Teilnehmenden und die der Lottofee. Die Älteren von uns erinnern sich noch an Karin Tietze-Ludwig, die Dame mit dem goldenen Haar, die von den Wirtschaftswunderjahren bis zum Ende des Jahrtausends vor einer Maschine stand, die Kugeln rührte und dramatisch langsam ausspuckte – Kugeln, auf denen Zahlen standen, die Karin Tietze-Ludwig dann verlas, samstäglich zwischen sportschau und tagesschau.

Nachdem alle Kinder dran waren, durfte ich auch einmal die Maschine drehen und die Zahlen verlesen. Ich fühlte mich sehr karintietzeludwigig – und gleichzeitig gut vorbereitet für die Goldene Abendsonne.


Schweine | „Dum spiro spero“, sagte einst Cicero: Solange ich atme, hoffe ich. Und so hoffen sie, die Schweine, jeden Tag – auf Gemüse und Erbsenflocken, auf noch eine Erbsenflocke und auf Löwenzahn, der alsbald wieder ihr Lebens verschönern wird.


Gelesen | Letzte Male, erste Male

Gelesen | Müssen Jugendliche besser lesen lernen? – Eine kritische Bemerkung zu einer populären Forderung

Die entscheidende Frage ist, wie ein gutes Leben ohne die Lektüre schriftlicher Texte aussehen kann; wie gute Bildung gestaltet werden kann, wenn Jugendliche zuhause teilweise nicht mehr lesen; wie wir Werte verhandeln können, wenn wichtige Debatten auf audio-visuellen Plattformen stattfinden und nicht mittels gedruckter Texte geführt werden.

Vielleicht müssen also Jugendliche gar nicht mehr oder besser lesen, sondern wir müssen Wege finden, damit umzugehen, dass einige es nicht tun und trotzdem gebildete, gute Menschen sind.

Ich tue mich schwer mit dem Gedanken, dass es eine Welt ohne das gedruckte Wort geben soll: ohne die Bücher mit ihren Geschichten, deren Bilder nicht von anderen gefilmt wurden, sondern im eigenen Kopf entstehen; ohne die Reportagen und Features, die Dossiertexte und Magazingeschichten, die uns einen Blick in die Welt Anderer anbieten, eine Welt, in die wir uns Wort für Wort vortasten – und dadurch nicht nur konsumieren, sondern selbst durchdenken. Außerdem:

Die Fähigkeit zum Lesen und Schreiben ist die Voraussetzung für die Analyse von komplexen Problemen und für einen Strom von Ideen und kritischem Denken. Sie ermöglicht eine sachlich fundierte öffentliche Debatte und eine sinnvolle kollektive Entscheidungsfindung. Je besser Individuen im Lesen geschult sind, umso besser können sie öffentliche Angelegenheiten kontrollieren und zu einer wirklich demokratischen Regierung beitragen.

José Moraís vom belgischen Center for Reasearch in Cognition and Neurosciences, in einem Beitrag der Max-Planck-Gesellschaft

Und sonst | Im Garten schlägt das Vogelfutter aus.

Vogelfutterstation vor einer Bretterwand, daneben ein Insektenhotel. Aus dem Futter wachsen grüne Stängel.

Fahrbericht | Seit drei Monaten wohnt nun Fred bei mir, der Tesla. Ein Model Y, Ergebnis eines längeren Entscheidungsprozesses. Fred und ich – die Kinder haben ihn so getauft, man kann ihm in seiner App einen Namen geben -, wir haben viel Freude miteinander. Manchmal leiden wir aber auch aneinander.

Die Freude: schönes Fahrgefühl, tolle Beschleunigung, Kameras gegen den toten Winkel, viel Platz für lange Beine, Sitzkomfort, Tesla Connect mit Spotify, Youtube und Podcasts, Stauraum hinten im Kofferraum und vorne unter der „Motorhaube“ und überall Supercharger zum Stromtanken.

Das Superchargen habe ich vor Kurzem das erste Mal ausprobiert und war geflasht. Ich habe Fred gesagt, wo ich hinfahren möchte, er baute einen Tankstopp ein und lotste mich zum Charger. Der wusste, dass ich ich bin – ich brauchte nur den Stromrüssel anschließen, schon lief es. Nach knapp zwölf Minuten war auch schon alles vorbei. Ich tankte 23 Kilowattstunden, das reichte für den Rest der Strecke. Die Kinder schauten währenddessen Youtube. Komfortabler als Benzin tanken (und ohne stinkende Hände).

Mit dieser Erfahrung frage ich mich: Warum bauen wir das nicht flächendeckend? Warum baut das Elon für seine Elon-Autos, aber nicht der Staat als Subventionsgeber für seine Bürger und Bürgerinnen? Wenn mehr Leute dieses Erlebnis haben dürften: Diese ganze Reichweitendiskussion wäre kein Thema mehr.

Manchmal leiden wir aber auch aneinander, Fred und ich. Denn Fred überschätzt seine Fähigkeiten als Autopilot. Wenn er mit Tempomat fährt und weitere Assistenzsysteme ins Spiel kommen, ist er bisweilen fehleranfällig. Manchmal bremst er beispielsweise unvermittelt, weil er denkt, er müsste Abstand halten. Etwa auf der Autobahn, wenn ich mit Tempomat auf der rechten Spur fahre und jemand in einer bestimmten Entfernung auf die Beschleunigungsspur einbiegt. Fred denkt dann: „Alarm! Kollision!“

In einer der vielen Ruhrgebietsbaustellen erreichte unser gemeinsames Autopilotenleid seinen Höhepunkt: auf der Straße weiße Streifen, daneben gelbe Streifen, ein inneres Armageddon für Fred und seinen Spurhalteassistenten. Als ich dann noch auf Baustellenbarken zufuhr (Abstandsautomatik!), um in einem sachten Links-Rechts-Schwung in die Baustelle einzufahren, piepte er nicht nur wie ein Irrer, sein Display begann auch, blau zu pulsieren. Bis er ganz still wurde. „Jetzt hat er sich aufgegeben“, dachte ich, „jetzt betet er nur noch stumm zu Elon.“

Ich habe nun alles an Autopilot, was geht, abgeschaltet. Seitdem geht es Fred und mir besser.


Fahrradtour im Februar | Die Klimakatastrophe treibt Blüten: Der Reiseleiter und ich fuhren die erste Fahrradtour der Saison – im Februar. Fünfzig Kilometer durchs Münsterland, ohne Mütze und Handschuhe, mit warmen Füßen. Verrückt!

Münsterländer Landhaus, Backstein mit blauen Fensterläden. Davor ein Maibaum und Bäume - und ein Fahrrad.

Das Rad kommt frisch aus der Werkstatt. Im Spätherbst war es zunächst in Werkstatt Eins: Die Schaltung hakelte, der Umwerfer warf die Kette vorne nicht mehr vom kleinsten aufs mittlere Ritzel. Die Werkstatt behob es – allerdings mit dem Feature, dass der Umwerfer die Kette zwar aufs mittlere, aber nicht mehr aufs größte Ritzel hob. Ich verschwitzte zu reklamieren und wandte mich ein paar Wochen später an Werkstatt Zwei. Sie machte darauf aufmerksam, dass – zusätzlich zum Fehler beim Umwerfer – der Bremszug zu kurz sei. Das stimmte: Seit ich den Lenker höher gestellt hatte, war der Bremszug auf Spannung. Ich beauftragte, den Bremszug gleich mit auszutauschen.

Als ich das Rad dann abholen sollte, machte ich – Lernkurve nach dem Erlebnis mit Werkstatt Eins – eine Probefahrt. Das unterwältigende Ergebnis: Die Schaltung schaltete immer noch nicht, zusätzlich bremste das Rad nun auch nicht. Ich lief vier Kilometer zu Fuß nach Hause. Beim zweiten Abholversuch bremste das Rad, aber Schaltung: weiterhin Fehlanzeige. Diesmal blieb ich so lange dort, bis die Sache behoben war. Der Werkstatt war das alles sehr unangenehm, und sie tat ihr Bestes. Wir sind nun Freunde, und ich bin glücklich.


Gesehen | Anatomie eines Falls. Habe mich gut unterhalten gefühlt. Tolle Schauspielleistung, spannende Kameraarbeit, gutes Drehbuch. Und das Popcorn im Kino war auch lecker.

Gesehen | The Crown. Ein würdiges Ende der Serie.


Schweine | Erbsenflockenerwartungen:

Meerschweine, die sich der Kamera entgegen strecken: Meerschwein Eins liegt dabei fast auf Meerschwein Zwei

Und sonst | Während ich in einem Hotelzimmer in Niedersachsen liege und „Hör mal, wer da hämmert“ schaue, lese ich, dass Taran Noah Smith, der den Sohn Mark spielt, jetzt Marinetechniker bei SpaceX ist.

Berlin Hauptbahnhof | Diese Woche stehe ich im Berliner Hauptbahnhof. Draußen regnet es, es ist kopfschmerzfrüh, ein zu warmer Februartag. Gestern Abend hat es noch geschneegrieselt, heute sind es schon wieder acht Grad. Ich habe mir einen Saft gekauft, für ein Brötchen ist es noch zu früh. In einer halben Stunde fährt mein Zug.

Der Verkäufer einer Obdachlosenzeitung stellt sich neben mich, fragt mich nach Geld. Ich greife nach dem Portmonee, aber ich habe nur eine Hand frei. „Ich kann deinen Becher halten“, sagt er. Ich gebe ihm den Saftbecher und danach zwei Euro. Er ist 25, vielleicht 30 Jahre alt. Sein Blick ist weich, sein Haar dunkel, der Bart vielleicht fünf Tage alt.

„Kommst du von hier?“, fragt er und reicht mir den Saft zurück. Ich sage, dass ich gleich nach Hause fahre, ins Münsterland. Er komme aus Stuttgart, sagt er. Vor einigen Wochen sei er hergekommen, weil in Berlin alles besser sein solle. „Und?“, frage ich, „ist es das?“ Nein, antwortet er, überhaupt nicht. Aber Stuttgart sei auch nicht gut.

Er fragt, ob ich mit hoch zum Gleis komme. Dort könne er rauchen. Es ist das Gleis, auf dem ich abfahren werde. Wir gehen hoch und suchen uns einen Platz am Ende der Überdachung. Weiter vorne, sagt er, stehe immer eine Frau, die auch Zeitungen verkaufe. Es sei besser, weiter durchzugehen, sonst gebe es Ärger.

Er zündet sich eine Zigarette an. „Rauchst du auch?“, fragte er und hält mir eine Zigarette hin. Ich verneine. „Gut so“, meint er. „Ist doof und kostet Geld.“ Er werde von den Menschen oft gefragt, warum er nicht arbeite. Manchmal schrien sie es ihm als Befehl zu: „Geh arbeiten!“ – „Was antwortest du dann?“, frage ich ihn. Er zuckt mit den Schultern. Er habe gearbeitet, auf dem Bau. Aber er habe kein Geld bekommen und Angst gehabt vor den Serben. „Das waren schlimme Menschen.“ Zweimal habe er auf einer Baustelle gearbeitet, aber immer habe er das Geld nur unregelmäßig bekommen, manchmal gar nicht, und er habe sich gefürchtet. Jetzt lebe er in einem Zelt. Einmal, sagt er, habe ein Mann es sehen wollen, das Zelt. „Er hat mir nicht geglaubt. Er dachte, ich betrüge.“ Da habe er den Mann zu seinem Zelt geführt, er habe es sich angesehen und ihm zwanzig Euro geschenkt. „Das war nett. Aber es war ein komischer Mann.“

Ich frage ihn, ob er Freunde habe. „Nein“, sagt er. „Du?“ Ich bejahe. „Das ist gut“, sagt er. Zwischen den Worten stehen wir da und schauen, wie Züge einfahren, wie Menschen aussteigen, wie sie einsteigen, wie sie fort fahren und verschwinden. Ich frage ihn, ob er demnächst woanders hin möchte. Er zuckt mit den Schultern. „Manchmal kriegst du Hilfe hier“, sagt er und nennt eine Straße. „Dort kannst du hingehen.“ Er werde wohl noch bleiben. Denn wohin sonst? Fünfzehn Euro habe er gestern eingenommen, das reiche für Essen und seine Zeitungen und manchmal für eine neue Schachtel Zigaretten. Aber es sei mühsam.

Am Ende fragte er nach meinem Kontakt, fragt, ob er ihn auf dem Handy einspeichern dürfe. „Nein“, sagte ich, „das möchte ich nicht.“ Er nickt. Dann hält er mir die Ghettofaust hin. „Ich muss jetzt los“, sagt er. Ich stupse dagegen. und sage: „Alles Gute.“ – „Dir auch“, sagt er. Dann verschwindet er die Rolltreppe hinab.


Gelesen | Kathrine Kressmann Taylor: Adressat unbekannt. Ein kleines und doch ganz großes Buch, 80 Seiten, veröffentlicht erstmals im Jahre 1938. Ein Briefroman, der die Freundschaft zwischen zwei Geschäftsleuten in den Monaten um Hitlers Machtübernahme schildert, der Eine ein deutscher Geschäftsmann, der Andere ein emigrierter Jude. Kein Satz zu viel, keiner zu wenig, mit intelligentem Twist.


Wannsee | Den Bahnhof Wannsee mag ich sehr – und auch dieses Foto mit den zwei gelangweilten Tauben:

Weg zu den Gleisen im Bahnhof Wannsee, darüber eine Taube auf einer Uhr und eine auf einem Sims.

Große Freude erlebte ich, als ich den Tunnel zu den Gleisen entlang ging. Unverhofft begegnete mir der Designer und Illustrator Christoph Niemann, dessen Arbeit ich gern mag:

Niemann-Mosaik im Bahnhof Wannsee

Partytante | Anfang Februar steht immer ein wichtiger Termin an: Geburtstag des kleinen Patenmädchens. Wobei: So klein ist es mittlerweile nicht mehr, aber im Vergleich zum großen Patenmädchen, das bereits eine Patenfrau ist, doch.

Das kleine Patenmädchen wurde Neun, ein gewichtiges Alter. Dritte Klasse, bald steht die Kommunion an. Das Bücherlesen eröffnet neue Welten, danach kommt zügig das letzte Jahr in der Grundschule – das sind große Entwicklungen.


Work-Life-Achtsamkeitsbumms | Morgenspaziergang im Münsterland. Werde ich demnächst öfter tun, das war erfrischend. Ich habe mir in den nächsten Wochen Zeiten im Kalender reserviert, so dass mir niemand Termine reinschieben kann.


Generationen | Ein Kunde wünscht ein Seminar zu Thema „Generationenübergreifend zusammenarbeiten“. Es gebe Konflikte zwischen den Jungen und den Alten im Unternehmen. Er nannte Beispiele. Ich war neugierig und sagte zu.

Ich bin ja der Meinung, dass es keine Generationen gibt. Natürlich existieren sie im familiären Sinne als Oma, Sohn und Enkel, aber nicht im Sinne, dass Geburtsjahre bestimmte persönliche Einstellungen prägen, auch wenn es selbst ernannte Trendforscher gibt, die Gegenteiliges behaupten.

Der Soziologe Martin Schröder, Professor an der Universität des Saarlandes, hat sich der Frage gewidmet und bestätigt, was ich anekdotisch erlebe: Es gibt keine Generationen. Was es allerdings gibt, sind zwei Effekte: einen Alterseffekt und einen Periodeneffekt. Man kann Einstellungen von Menschen mit ihrem Alter erklären: Zunehmendes Erfahrungswissen prägt Einstellungen. Ein Beispiel sind Frauen, die in jungen Jahren noch der Ansicht sind, dass Frauenrechte überflüssig sind, und mit zunehmenden Erfahrungen im Berufsleben ihre Meinung ändern. Oder man kann Einstellungen von Menschen mit dem Zeitpunkt erklären, mit dem sie befragt wurden: Wir alle denken heute anders als früher – als zum Beispiel 1930, 1950 oder 1985.

Ich werde nun ein schönes Seminar machen, in dem wir über Generationen, Alter und Zeitgeist sprechen. Ich werde fragen, inwiefern es praktisch ist, Wünsche an Arbeitgeber damit abzuwehren, dass wir sie auf Jahrgänge projizieren – und was eine Alternative sein kann. Ich bringe Übungen mit, in denen die Teilnehmer:innen Konfliktgespräche führen und Lösungsräume zu schaffen. Ich freue mich schon sehr.


Schlauer werden | Meine Coachingausbildung an der Fernuni schreitet voran, und ich bin immer noch begeistert. Handfeste Methoden, eine tolle Tiefe und vieles, das auch außerhalb von Eins-zu-Eins-Coachings anschlussfähig an meine Arbeit ist.

Beim letzten Präsenzwochenende lag der Schwerpunkt auf Veränderung. Da war ich natürlich gespannt wie ein Flitzebogen, und ich wurde nicht enttäuscht. Nur eine Erkenntnis sei hier genannt: Ich habe bislang – aus meiner Erfahrung heraus – immer von „Takt und Rythmus“ gesprochen, die Veränderung braucht. Nicht alles passt zu jeder Zeit, stattdessen ist es wichtig, Momente abzuwarten, in denen Menschen bereit sind für Veränderung. In der Uni habe ich jetzt gelernt, dass diese Momente „Kairos“ heißen, und Kairos eines der acht generischen Prinzipien der Synergetik ist, die Ordnungs- und Chaosphänomene in offenen dynamischen Systemen beschreibt.

Kairos bedeutet „Passung in der Zeit“: Veränderung verläuft nicht linear, sondern sprunghaft in Form von Kipppunkten. Die Kipppunkte sind Momente maximaler Instabilität: Das Alte ist nicht mehr passend und hilfreich, über längere Zeit hat sich eine Spannung aufgebaut. Wollen wir nun Veränderung anstoßen, brauchen wir Destabilisierung im Kontext von Stabilität: sichere Rahmenbedingungen und gleichzeitig Irritation.

Ich habe Methoden gelernt, an diesen Kipppunkten zu arbeiten. Das war gut.


Schweine | Der Dicke und das Pionierschwein:

Meerschweine: Der Dicke schaut in die Kamera, das Pionierschwein wendet sich grad nach hinten, mit einer Paprika im Maul

Und sonst | Meine ehemalige Kollegin und nun Professorin Annika Sehl hat im Zukunftsrat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitgearbeitet und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen Vorschläge zu seiner Reform vorgelegt, die ich allesamt vernünftig finde.

Na sowas | Es ist immer noch Januar, kaum zu glauben.


Haltung bewahren | Am Wochenende war ich auf dem Markplatz hier im Ort, anlässlich einer Kundgebung für Demokratie und Vielfalt. Mein Jahresvorsatz ist ja, Haltung zu bewahren. Wenn mir dafür eine Demo serviert wird, quasi verzehrfertig, gehe ich dort natürlich hin.

Der Halterner Marktplatz voll mit Demonstrant:innen.

Angemeldet waren 500 Teilnehmer:innen. Es kamen 5.000 – für unsere Kleinstadt eine erfreuliche Quote, etwa ein Sechstel der Bevölkerung. Die Redner:innen hielten sich knapp: Klare Worte, kurze Sätze, das war gut. Der inhaltlich beste Beitrag kam vom evangelischen Pfarrer, war mit Wumms vorgetragen und inhaltlich auf den Punkt.

Ich bemerkte eine gewissen Erfahrungsschatz in der Anti-Akw-Generation, was die Fertigung von Bannern angeht: Während die junge Generation in bester Absicht und stets bemüht mit Pappkarton und Holzleisten an den Start ging, zeigten sich die Älteren mit soliden Besenstielen, boten hochwertige textile Aufbereitung und gut lesbare, gut zitierfähige Schriftzüge. Hier können wir voneinander lernen.

Herr Buddenbohm berichtet mit gewohntem Unterhaltungswert von verwandten Ereignissen in Norddeutschland.


Handball | Ich hatte große Freude an der Handball-EM. Zum Halbfinale besuchte mich die Torfrau (die dereinst auf einem französischen Landschloss ihre Ehe feierte, Sie erinnern sich vielleicht). Sie brachte Zimtschnecken mit, „damit wir die Dänen wenigstens so vernaschen“. Die Zimtschnecken waren wunderbar lecker und zimtig. Die Torfrau deutete an, dass sie zu achtzig Prozent aus Guterbutter bestünden; ich verweigerte mich weiteren Informationen.


Broterwerb erklären | Am Wochenende war ich an der Schule der Bonuskinder zu Gast. Die Schule veranstaltet einmal im Jahr eine Berufemesse, auf der Eltern (und Bonuseltern) ihren Beruf vorstellen.

Stand auf der Berufemesse in der Schule: An der Wand ein Plakat mit den bislang ausgeübten Berufen, davor ein Tisch mit Lego

Der Aufruf der Schule, dort mitzuwirken, war von dem Wunsch begleitet, dass auch weniger gradlinige Lebensläufe teilnehmen. „Da könntest du mitmachen“, hatte der Reiseleiter daraufhin gemeint. Also tat ich es – weniger, um Schüler:innen speziell für den Beruf der Unternehmensberaterin zu begeistern, sondern mehr, um zu zeigen, dass man einen Beruf lernen und einen anderen ausüben kann (und noch einen und noch einen); und auch, dass es Berufe gibt, zu denen man auf verschiedenen Wegen kommt. Ich erlebe nämlich Schulabgänger:innen unter großem Druck, einerseits nicht zu wissen, welchen Weg sie einschlagen wollen, und andererseits voller Sorge, sich mit der Wahl einer Ausbildung oder eines Studium fürs Leben festzulegen.

Damit die Jugendlichen etwas mit nach Hause nehmen konnten, habe ich ein Flyererstellt. In einem Interview erkläre ich in einfachen Worten, was ich arbeite (Credits gehen raus an K2, die die Fragen gestellt hat).

Auf der Messe besichtigten mich mehrere Gruppen. Ich hatte jeweils zehn Minuten Zeit, meinen Beruf zu zeigen. Die 14-Jährigen bauten aus Lego Ideen, was ihre Schule besser machen würde. Die Top Drei:

  • eine Außenerweiterung der Schulcafeteria für Sommertage
  • ein Raum, in dem man sich zurückziehen kann, wenn es einem nicht gut geht
  • Sitzsäcke, weil der Hintern nach 90 Minuten Unterricht so weh tut, dass man sich gar nicht mehr konzentrieren kann

Wir überlegten danach, wie man die Ideen testen könnte, ohne zunächst groß zu investieren (minimum viable product), und wie man messen könnte, ob die Idee funktioniert und genutzt wird (Proof of Concept). So erfuhren die Kids im eigenen Erfahrungshorizont, was ich – neben anderem – in Unternehmen tue.

Ich bin übrigens ziemlich angetan von den Ideen, die alle binnen fünf Minuten entstanden. Die dahinter liegenden Bedürfnisse sind klar artikuliert.


Gelesen | Junge Frauen werden liberaler, junge Männer konservativer. Die Gründe dafür finden sich im Papier von Axel Honneth vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung. Es ist aus dem Jahr 2011, also deutlich älter als die neuesten Beobachtungen, aber dennoch lesenswert. Honneth argumentiert, dass Männer stärkerer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt seien, seit Frauen vermehrt daran teilnähmen. Dadurch seien männliche Privilegien wie Bildungsabschlüsse, Karriereperspektiven und durch Sexismus geprägte Arbeitskulturen unter Druck geraten; körperliche Arbeit werde zunehmend abgewertet. Die verlorene Anerkennung in der Wirtschaftssphäre können Männer aber nicht mit Anerkennung im Privaten kompensieren: Ihre Rolle als Familienernährer sei infrage gestellt, sogar die Rolle des Vaters gelte nicht mehr, wenn Frauen gleichgeschlechtlich Kinder aufziehen können. All dies manifestiere sich in Versuchen, …

[…] die eigene Unsichtbarkeit in Augenblicken einer obszönen Präsenz in den Medien abzustreifen, verkörpern sich in Gegenkulturen des Respekts, in denen eigensinnige, gesellschaftlich abgekoppelte Anerkennungsregeln herrschen.

Verwilderungen des sozialen Konflikts: Anerkennungskämpfe zu Beginn des 21. Jahrhunderts

Broterwerb |  Die Tage gestalten sich arbeitsreich, wenngleich nicht arbeitsreicher als sonst. Es ist eher die Themenvielfalt, die anspruchsvoll ist. Ich möchte mich jedoch keinesfalls beschwerden. Die Auftragslage 2024 entwickelt sich bereits jetzt, in der Jugend des noch neuen Jahres, ausgesprochen erfreulich – nicht nur quantitativ, sondern auch, was die Art der Herausforderungen angeht: tolle, interessante Projekte, super Kunden, mit denen es große Freude macht zusammenzuarbeiten.

Ich versuche dieses Jahr ein bisschen achtsamer mit mir zu sein. Gerade im zweiten Halbjahr 2023 bin ich viel gereist. Der Alltag war zwischendurch arg verdichtet. Das möchte ich in diesem Jahr besser machen. Ich muss schließlich noch fünfundzwanzig Jahre arbeiten und möchte gerne gesund bleiben.

(Falls mir vor Ablauf der fünfundzwanzig Jahre jemand eine Tätigkeit als Privatier anbieten möchte, etwa durch Übertragung nennenswerter Vermögenswerte und einer kleinen Finca, bin ich natürlich offen. Ich würde auch weiterbloggen.)


Wer den Schaden hat | Im letzten Blogbeitrag habe ich einen Fehler eingebaut. Ich erhielt deshalb wiederholt und natürlich vollkommen berechtigt die Information, dass Karlsruhe nicht in der Südpfalz liegt – in Kommentaren unter dem Blogartikel, auf Social Media und mündlich am Küchentisch: Ich wohne nämlich mit einem Geographen zusammen. Was ich mir anhören konnte! Ich bitte freundlich, von weiteren Zuschriften abzusehen. Ich in geläutert.


Gelesen und gehört | Petras Aufzeichnungen oder Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit von Paula Schlier. Die demokratische Journalistin Schlier berichtet in ihrem autobiographischen Text von 1926, wie sie sich drei Jahre zuvor als Schreibkraft in den Völkischen Beobachter, das Propagandablatt der Nationalsozialisten, einschleust. Sie erzählt vom Hitler-Putsch ebenso wie von den Sitten in der Redaktion. Schlier konnte damals unbehelligt beim Völkischen Beobachter recherchieren, weil sie nur als „Tippmamsell“ wahrgenommen wurde; es bedurfte keiner weiteren Tarnung, als eine Frau zu sein. Der Bayerische Rundfunkt hat Paula Schlier einen Podcast gewidmet: Paula sucht Paula.

Gelesen | Bahn-Angestellte erzählen ihre Motive zu streiken


Schweine | Der Freundeskreis Rohkost bei der Abendspeisung:

Serviceblog | Vielleicht kennen Sie das: Sie nutzen Foodblogs oder Chefkoch, und das eigentliche Rezept ist zwischen Werbung und Textprosa versteckt. Lifehack, übermittelt von Herrn Giardino: Wenn man „cooked.wiki/“ vor die URL des Rezepts stellt und einen Moment wartet, bekommt man das nackte Rezept, also die Zutaten und die Zubereitung ohne Klimbim. Sehr prima.


Broterwerb | Auswärtsspiel in Karlsruhe und Ettlingen: Beratung und Moderation in zwei Unternehmen, Begleiten von Veränderungen.

Brücke über die Alb, rechts und links Altstadthäuser. Im Vordergrund eine bischöfliche Steinfigur.

In dem Zusammenhang wieder ein Bahnabenteuer. Schon vor Abreise in Haltern war die Zugbindung aufgehoben, „Technische Störung an einem Bahnübergang“. Das ist eine der selteneren Begründungen, aber warum nicht? Es ist doch schön, Abwechslung zu haben. Ich fuhr dann allerdings doch auf der gebuchten Verbindung: Dank eines bärenstarken Gepäcklaufs erreichte ich den laut Bahn-App unerreichbaren Anschluss in Essen doch. Notiz an mich selbst: Meine Kondition ist nicht so schlecht wie gedacht, könnte aber dennoch besser sein.

Morgen Rückfahrt mit Nervenkitzel. #Schnee-Emoji #Eis-Emoji

Das Wetter hier war seltsam. Heute Morgen ein bisschen Glatteis, aber nur hier und da auf Gehwegen, weit entfernt von dem, was möglich gewesen wäre. Dann Regen. Als ich am Abend ausrückte und zum Essen ging, windete es und es fielen Eisstücke von den Bäumen. Als ich zwei Stunden später aus dem Restaurant kam, war es plötzlich fünf Grad wärmer und ich brauchte weder Mütze noch Handschuhe.


Werbeblock | Gemeinsam mit meiner Kollegin Andrea Schmitt lade ich zu einem Tag ein, der mehr Gelassenheit in den Alltag bringt: Leichter leben – Strategien für mehr Fokus und Entlastung. Das Ziel: nicht zwischen den vielen Aufgaben und den unterschiedlichen Menschen, die an uns ziehen, zerrieben werden. Das Angebot richtet sich an alle, die sich einen Tag für sich gönnen und sich nachhaltig für ihren anspruchsvolle Alltag wappnen möchten.

An dieser Stelle auch nochmal ein Hinweis auf mein Angebot speziell für Mütter. Wir haben inzwischen zwölf Anmeldungen aus ganz Deutschland und freuen uns wie Bolle auf die Teilnehmerinnen. Wer sich anschließen möchte, ist weiterhin herzlich willkommen! Wer an diesem Tag nicht kann, ist bei „Leichter leben“ auch gut aufgehoben.


Leibesübung, passiv | Handball-EM im Hotelzimmer:

Foto vom Hotelbett aus: Im Vordergrund ein alkoholfreies Weizenbier in einer Hand, im Hintergrund ein Fernseher an der Wand mit Handball

Eingabe bei der Verwertungsgesellschaft | Ich habe meine Blogtexte bei der VG Wort gemeldet. Stichtag ist ja immer der 31. Januar. Das wäre dann auch erledigt.


Demokratie | Ich habe außerdem eine E-Mail an meinen zuständigen Bundestagsabgeordneten (SPD) geschrieben, dass ich auf ihn als meinen demokratischen Vertreter im Bundestag zähle, damit wir auch in Zukunft in einem menschenfreundlichen, demokratischen Deutschland leben dürfen. Überdies schrieb ich, dass ich ein AfD-Verbotsverfahren für durchaus angebracht halte und mir seine Unterstützung und Initative im Kampf gegen Rechts wünsche.

Dazu ein erhellendes Interview mit dem Politologen Claus Leggewie. Er empfiehlt, ein Verbotsverfahren einzuleiten. Allerdings würde solch ein Verfahren Jahre in Anspruch nehmen und deshalb zunächst keine Auswirkungen haben. Vielmehr sei eine Massenmobilisierung gegen die AfD und eine Nichtbeschäftigung mit ihr und ihren Themen angeraten. Essenz des Interviews:

Ein reinrassiges Deutschland wird die Dürre und die Überflutungen nicht aufheben. […] Wir haben Wichtigeres zu tun als uns permanent auf die Themen der AfD einzulassen und uns von dieser Partei treiben zu lassen.

Die aktuelle Rolle der etablierten Parteien – mit Ausnahme der Grünen – sieht Leggewie kritisch: Sie, so sagt er, griffen die Themen, die die AfD setzt, immer wieder auf. Er empfiehlt eine eigene, zukunftsgerichtete Themensetzung und einen Schulterschluss gegen Rechts. Ich habe Zweifel, dass Letzeres gelingt. Die aktuelle CDU sehe ich nah an der AfD, die FDP ebenfalls – beide in den Startlöchern für eine Koalition. Die SPD steht da und wundert sich.


Gelesen | Frau Kaltmamsell hat ins Ausland geschaut und beim britischen Guardian einen übergreifenden Blick auf die europäischen Bauernproteste erharscht.

Gelesen | Herr Buddenbohm findet schöne Worte für trübe Tage. Die Vokabel „schneegepolstert“ werde ich in meinen Wortschatz aufnehmen.


Schweine | Wegen Reisetätigkeit nur ein Archivschwein, in der Sache aber aktuell: Der Dicke liegt gerne.

Meerschwein liegt faul im Stroh und reckt den Kopf vor


In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen