Sandra möchte wandern, im Berchtesgadener Land. Sie ist noch nicht oft gewandert, weshalb sie Wanderausrüstung benötigt.
Liebe Frau Nessy,
bitte beugen Sie der Armut durch Funktionskleidung vor und klären Sie mich und andere Laienwanderer auf! Das wäre tatsächlich hilfreich, Outdoor-Ausrüster setzen anscheinend ein halbes Leben Wandererfahrung voraus.
Sie möchte also von mir wissen: Was soll ich anziehen? Muss ich all das Funktionszeugs kaufen, das im Laden hängt?
Herr Buddenbohm ignoriert die Thematik, aber das hier ist ja ein Serviceblog. Deshalb habe ich einen kleinen Ratgeber zusammengestellt.
Als freudige und erfahrene Urlaubs-Wanderin antworte ich auf alle Ausrüstungsfragen mit einem entschiedenen „Komm drauf an!“
Meine Tipps von unten nach oben:
Schuhe
Wenn man nur auf geschotterten Spazierwegen läuft, kann man getrost flache Treckingschuhe oder zum Einstieg bequeme Freizeitschuhe tragen.
Aber es geht ja ums Wandern. Ich selbst kraxel auch und mag deshalb Schuhe mit hohem Schaft. Sie müssen aus meiner Sicht drei Eigenschaften haben:
- Sie sollten hervorragend passen, auch beim Bergablaufen, wenn man im Schuh nach vorne rutscht. Also lieber etwas länger als kürzer kaufen.
- Sie sollten wasserdicht sein. Wer nicht nur auf leichten Wanderwegen läuft, sondern auch mal im Gelände, muss irgendwann durch kleinere Bäche. Außerdem regnet’s auch mal heftiger.
- Sie sollten gut durchlüftet sein.
Ich trage lederne Wanderstiefel von Hanvag. Ich fette sie von Zeit zu Zeit ein, stand mit ihnen schon bis zum Knöchel im Wasser und habe nie heiße Füße.
Meine Ausrüstung an den Füßen: lederne Wanderschuhe von Hanvag, gekauft 2004 im Globetrotter in Hamburg, dicke Wandersocken.
An guten Schuhen sollte man nicht sparen. Auf die Zeit gerechnet – ich habe meine Schuhe jetzt seit elf Jahren und sie sind immer noch gut -, sind teure Schuhe außerdem gar nicht teuer.
Wenn die Füße weh tun, ist die ganze Wanderei sowieso für die Tonne.
Socken
Beware of Socke des Grauens. Wenn irgendwas unter der Fußsohle hin- und herrutscht, erleben Sie Ihre persönliche Vorhölle. Deshalb trage ich nur dicke, passgenaue Wandersocken.
Die können preiswert sein; Discounter oder Kaffeeröster haben gute Sachen. Sockenklimagedöns finde ich persönlich überschätzt. Ebenso alles, was die Blutzirkulation anregt, irgendwas zusammenpresst oder was weiß ich. Es sei denn, Sie haben tatsächlich medizinische Probleme, aber dann sind Sie ohnehin bei einem Venen-Doktor unter Vertrag und kennen sich aus.
Hose
Das Wichtigste: Sie dürfen sich keinen Wolf laufen. Denn dann – siehe Socken-Vorhölle.
Jeans finde ich persönlich unpraktisch, weil zu dick und zu eng zum Wandern. Wenn man schwitzt, kleben sie am Bein, und die Nähte scheuern. Ich laufe deshalb in weiten Stoff- bzw. Treckinghosen. Die wackere Wandersfrau muss schließlich auch mal einen beherzten Schritt tun oder über ein Bächlein springen.
Ab 10 Grad Außentemperatur laufe ich in kurzer Buxe. Ich mag es nicht, wenn mir etwas um die Waden schlackert. Wer uneins mit sich ist, leicht friert und leicht schwitzt, sich vor Insekten und Dornen fürchtet, kann in lang gehen oder sich Hosen kaufen, deren Beine man ab- und wieder dranmontieren kann. Das ist aber mehr etwas, was man vor der Wanderung tut. Während einer Wanderung habe ich meine Hose noch nie umgebaut.
Große Taschen auf den Oberschenkeln finde ich praktisch, damit ich unterwegs mal ein Taschentuch, die Kamera, das Handy und den Wanderführer unterbringen kann. Die haben also tatsächlich einen Sinn.
Unnerbux
Sie können gerne Funktionsunterwäsche kaufen, wenn Sie Ihr Geld verzweifelt unter die Leute bringen möchten. Ansonsten können Sie es lassen.
T-Shirt
Hier hält der Handel einen bunten Strauß von Produkten bereit, die weitestgehend unnütz sind. Zumindest für Hobbywanderer im Berchtesgadener Land.
Ich selbst trage stinknormale Baumwolle – und damit das, was ich im Schrank habe. Allerdings ziehe ich immer ein Leibchen drunter. Die unterste Schicht nimmt den Schweiß auf, die oberste bleibt trockener. Man kann beides unabhängig voneinander wechseln, und das Leibchen bleibt immer schön in der Hose, wenn man die Arme nach oben reckt – zum Beispiel, wenn man an einem Ast über dem Abgrund hängt.
Auf dem Pico Bejenado (1854 m), La Palma. 800 Höhenmeter im Auf- und Abstieg, 4 Stunden Gehzeit. Gestartet in Leibchen und T-Shirt, auf dem Gipfel mit Leibchen, T-Shirt, Langarm und Windbreaker-Weste.
Obendrüber: Jacke, Weste etc.
Mir wird relativ schnell warm, wenn ich erstmal loslaufe. Oft wird es mit zunehmender Höhe aber kühler (man sagt: pro 100 Höhenmeter 1 Grad), windiger, oder das Wetter schlägt mal um.
Deshalb habe ich immer eine winddichte Weste dabei. Wind ist fies, vor allem, wenn man verschwitzt ist. Außerdem habe ich immer ein langärmeliges Shirt oder eine Shirt-Jacke im Rucksack – also so ein Langarm-Dingsi mit Reißverschluss vorne. Hilft gegen Kühle und gegen Sonne.
Wenn man dann alles übereinander zieht – Leibchen, T-Shirt, Langarm-Shirt und zum Schluss die Weste – ist einem auch bei der Rast auf dem windigen Gipfel schön warm.
Wanderung auf den Montaña Blanca (2748 m), Teneriffa. 1000 Höhenmeter im Auf- und Abstieg, Länge nur 9 km (18 hin und zurück), Gehzeit aber: 6 Stunden. Steile Hänge, extremer Wind und kühle Temperaturen aufgrund der Höhe, deshalb ausnahmsweise oben und unten in lang.
In Jacken staut sich die Hitze, sie kleben an den Armen, und man hat schnell seine kleine, feine Privatsauna. Deshalb nehme ich eine Jacke nur mit, falls es doll regnen soll.
Halstuch
Nö.
Sonnenbrille
Ja. Unbedingt.
Kopfbedeckung
Auf den Kanaren und an heißen Sommertagen im Berchtesgadener Land trage ich Bandana. Hält den Schweiß aus den Augen, leitet die Wärme gut ab und macht, dass ich mir nicht den Scheitel verbrenne.
Rucksack
Wenn Sie Tagestouren machen, brauchen Sie ein Daypack.
Ich finde es praktisch, wenn der Rucksack möglichst viele Fächer hat. Dann muss man nicht bei jedem Griff herumkramen. Außentaschen sind gut für Taschentücher, Sonnenbrille, Sonnencreme, Kamera, Haarspange und all das Schickeldi. Innentaschen sind gut für Wertsachen. Sehr zu empfehlen: elastische Fächer an den Seiten, in denen Sie Getränkeflaschen unterbringen können. Dann müssen Sie nicht immer im Rucksack herumkramen, wenn Sie einen Schluck nehmen möchten.
Ich persönlich mag Belüftungssysteme, bei denen der Rücksack nicht direkt auf dem Rücken klebt.
Achten Sie darauf, dass der Rucksack die richtige Länge hat und gut auf den Hüften aufsitzt. Mit denen tragen Sie den Rucksack nämlich auch. Wenn Sie beleibt sind, sollte der Hüftgurt lang genug sein – vorher testen.
Trinksystem
Wenn Sie nicht gerade 30 Kilometer in unter 4 Stunden laufen und dafür einen Preis gewinnen wollen, brauchen Sie sowas nicht.
Wanderstock
Ja. Aber nur einer.
Auf flacher Strecke unnütz, in den Bergen tatsächlich ein nettes Gimmick. Man kann sich an ihm den Hang hochziehen und beim Bergrunterlaufen abstützen. Außerdem hilft er an manchen Stellen, das Gleichgewicht zu halten und sichert ab.
Mit nur einem Stock hat man die andere Hand frei, um sich am Fels festzuhalten. Der Stock sollte eine Schlaufe haben, falls man die zweite Hand ebenfalls zum Festhalten braucht.
Wanderstöcke haben unten eine Spitze. Walking-Stöcke mit Gummi-Nuppsis sind beim Wandern nutzlos.
Die schönste Tour des bayerischen Oberlandes: Über den Herzogstand zum Heimgarten und hinunter. Mit der Seilbahn hinauf, 400 Höhenmeter im Aufstieg, 1140 Höhenmeter im Abstieg, 6 Stunden Gehzeit. Eine tolle Aussicht auf Kochelsee und Walchensee – wenn’s nicht grad neblig ist.
Fazit:
Sie brauchen gute Schuhe und Wandersocken, nach oben hin wird es immer egaler.
Das ziehe ich zu einer Sommer-Wanderung im Berchtesgadener Land an:
- Wanderschuhe und Wandersocken
- kurze Buxe
- Leibchen & beliebiges Baumwoll-T-Shirt
- bei Sonne: Bandana
Das packe ich in meinen Rucksack:
- Wasser. 4 Stunden – 2 Liter pro Person. Mehr als 5 Stunden oder mehr als 25 Grad – 3 Liter. Übrigens auch, wenn ich zwischendurch auf der Hütte einkehre und mir eine Maß Helles in meinen Körper stelle. Ich verlasse mich nicht auf externe Quellen.
- dünnes Langarm-Shirt
- winddichte Weste
- Regenjacke – nur wenn tatsächlich Gefahr besteht, dass es einen längeren, fetten Schauer gibt
- Sonnenbrille
- Gedöns: Sonnencreme, Pflaster, Ersatz-Kontaktlinse und Brille, Notfall-Ibu – was ich halt so fürs Befinden brauche.
- eine Plastiktüte, in der ich meinen Müll wieder mit runter vom Berg nehme
- Proviant: Brot, Banane und Kekse.
Ich nehme immer ein aufgeladenes Handy und einen Ersatz-Akku mit. Es ist mir noch nicht passiert, dass ich Hilfe brauchte, aber ich war schon oft in Gelände unterwegs, wo es hätte sein können – auch ohne besondere Risikobereitschaft. Man vertritt sich schneller, als man denkt.
Halbtageswanderung auf den Altavista (1377 m), Gran Canaria. 450 Höhenmeter im Auf- und Abstieg, 3 Stunden 15 Gehzeit. Kleidung: oben kurz, unten kurz.
Die besten Wanderführer:
Sind von Rother.
Pro-Tipps:
Die Zeit-Angaben im Wanderführer sind reine Gehzeiten – ohne Pause. Normale Wandersleut machen aber zwischendurch Brotzeit, Fotos und bewundern die Aussicht; die Zeit müssen Sie draufrechnen. Ich selbst laufe ziemlich exakt in Rother-Wanderführer-Geschwindigkeit – das müssen Sie aber für sich ausprobieren. Es ist keine Schande, langsam zu sein und die Gegend zu genießen.
Viele sagen: Runter ist anstrengender als rauf. Finde ich in leichtem Gelände nicht, dort gehe ich gerne bergab. Sobald man jedoch unregelmäßigen Tritt hat, der Untergrund rutschig ist oder man kraxeln muss, stimmt das ganz sicher.
Risikosport Wandern: durch die Schlucht des Poqueira, Andalusien, 900 Höhenmeter im Auf- und Abstieg, 6 Stunden Gehzeit – und ein veralteter No-Name-Wanderführer, der durch Dornbüsche lotste. Leichte Verzweiflung zwischendurch.
Um die Anstrengung zu kalkulieren, ist nicht die Länge einer Strecke entscheidend, sondern die Kombination aus Höhenmetern und Weglänge. Je weniger Strecke pro Höhenmeter, desto uff. Meine Erfahrung, ganz persönlich:
- 100 Höhenmeter auf 1 Stunde Gehzeit: locker
- 100 Höhenmeter auf 45 Minuten Gehzeit: anstrengend, aber gut
- 100 Höhenmeter auf ½ Stunde Gehzeit: erfordert Kondition und Willen
Wenn Sie am Ende der Wanderung das Gefühl haben, dass Sie noch eine Stunde weitergehen könnten, war es die richtige Belastung.
Um ein Gefühl für die richtige Tour zu bekommen, sollten Sie bei der ersten Wanderung nicht mehr als 400 Höhenmeter und nicht länger als 4 Stunden laufen und das Befinden am nächsten Tag abwarten.