Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

#1
Liebe Blogleser,
die Aktion „Silikonfreies Shampoo“ läuft und lässt sich gut an. Außerdem hat mein Finger seine Anmutung von „Forelle blau“ zu einem lebhaften Stiefmütterchenlila geändert. Bewegungsradius zufriedenstellend.

#2
Liebe Verwandtschaft, liebe Menschen,
dass ich jetzt alleine wohne, heißt nicht, dass ich vereinsamt, sozial degeneriert und selbstmordgefährdet bin. Auch nicht an Weihnachten.  Eine Frau über 30 kann durchaus alleine wohnen, ohne einer pathologischen Leidenschaft für haarende Perserkatzen anheim zu fallen oder weinend eine Strichliste über die Anzahl ihrer Eizellen zu führen, die jeden Monat ungenutzt sterben.

#3
Liebes Küchenstudio,
ich bestätige hiermit Ihr Angebot, meine Küche erst am 17. Dezember aufzubauen. Das ging ja gar nicht mal so schnell mit dem Termin, herzlichen Dank für Ihre umtriebigen Bemühungen! Ich überlege jedoch, den Aufbau sogar auf den Januar zu verschieben, denn am Freitag erhalte ich bei Herrn Nessy Hühnchen in Honig-Zitronen-Sauce, am Samstag bei der Kollegin Pasta mit Gambas und am Sonntag Kuchen und Gebäck bei der Lieblingstante. Um zusätzliche Einladungen zu provozieren, wäre ein weiterer Verzug von Vorteil. Bitte prüfen Sie Ihre Möglichkeiten im Sinne der Kundenzufriedenheit.

#4
Liebes Christkind,
ich wünsche mir, dass Mutti und Vati, Vatis Schnalle, Unsaomma und die Tante es einmal schaffen, Weihnachten gemeinsam zu feiern, damit ich nicht von Tisch zu Tisch und von Stadt zu Stadt hetzen muss.  Ich bin nur ein kleines Mädchen und kann nichts dafür, dass sie sich nicht vertragen. Außerdem wünsche ich mir Hello-Kitty-Bettwäsche (155×220) und einen dünnen Bauch.

Herzlichst,
Ihre Frau Nessy

Kapselriss und Bändergedöns

Falls Sie eine Verletzung der Gliedmaßen erleiden, kommen Sie in die Praxis von Dr. Nessy. Sowohl in der Diagnostik als auch in der Versorgung stehe ich nach über 20 Jahren handballerischer Ausbildung kurz vor der örthopädischen Facharztprüfung.

Update, Sonntag:
Mein Mittelfinger hat seinen maximal möglichen Durchmesser erreicht. Der Heilungsvorgang kann beginnen. Die Mobilisation erfolgt ab sofort.

Freitagseinkauf. Ich stehe im Netto vor den Dosen und suche Pfirsiche. Hinter mir räumt ein Typ Regale ein. Eine Schnalle in Minirock und Schnürstiefeln stürmt den Gang. Die Zwei begrüßen sich mit Küsschen links, Küsschen rechts. Dann:

Sie: Isch muss dir was erzählen, ey. Der will tatsäschlisch einen Vattaschaftstest, ey.
Er: Christian, oder was? Hat er gesagt, oder was?
Sie: Der denkt, isch hätt‘ mit Hassan gef/ckt.
Er: Hast du doch auch.
Sie: Nur einmal, ey. Davon wird man doch nisch schwanger.

Sie stampft in kurzen Schritten den Gang auf und ab.
Die Pfirsiche sind total schwierig zu finden.

Sie: Dabei ist das scheißegal. Isch krisch eh von sein Hartzvier nix ab.
Er: Vielleicht, wenn Hassan der Vater ist, kriegst du von seine Geld was ab.
Sie: Meinst du, weil Hassan Job hat, muss er bleschen, oder was?
Er: Ja klar. Wenn du Kind hast und Job hast, musst du zahlen.
Sie: Alta, ey, gut, dass isch keine Job hab.
Er: Du hast das Kind. Du bist sowieso gef/ickt.
Sie: Dann geh isch zu Jugendamt und sag denen, Hassan is‘ der Vatta.

Sie küsst ihn links und rechts auf die Wange.

SIe: Danke, ey. Es gibt doch noch Gereschtischkeit auf die Welt.

Nightlife in Böblingen.
Was ein contradictio in adiecto ist, war mein Plan für Freitagabend.

Immer, wenn ich den Einmannblogger besuche, enden unsere Abende gesellig. Auch diesmal hatten wir vor, uns beherzt, mindestens bis zu einem soliden Schwindel, zu betrinken. Allerdings verfügt Böblingen, und das hätte ich von einem schwäbischen Städtle, in dem man Gässle und Wirtschäftla erwartet, nicht gedacht, über den strukturalistischen Charme von Wuppertal – jedoch ohne Schwebebahn (und die Schwebebahn macht ungefähr 90 Prozent des Wuppertaler Charmes aus). Es wurde trotzdem spät. Gegen 3 Uhr, vielleicht war es auch 4, rutschte ich auf mein Schlafsofa im Kinderzimmer des Einmannbuben.

Der Einmannbub ist ein Wicht von drei Jahren, der entgegen seiner ausgeprägten Schmächtigkeit eine Karriere als Bauarbeiter mit Zweitqualifikation Feuerwehrhauptmann anstrebt. Er bereitet sich durch eine grundständige Ausbildung an Duplo-Bausteinen und Plastikkränen auf seinen Berufswunsch vor – und arbeitet, daran gibt es seit diesem Wochenende keine Zweifel mehr, auch mental seine Lektionen durch.

Denn wie ich unter meinem Federbett in den Schlaf glitt, der Kopf schwer, die Augen müde, erschallte aus dem Bettchen am anderen Ende des Zimmers ein zartes, wenngleich unerschrockenes: „Vorwärts Männer, wir müssen graben!“ Ich richtete mich auf und blinzelte ins Dunkel. Dort: nichts. Kein Rascheln, keine Bewegung. Nur die leblosen Schemen einer Schlafstätte. Aber dann: Brummgeräusche! Und die Ermahnung: „Achtung, die Blumen!“

Doch es war zu spät. Auf der Traumbaustelle wurden bereits die Rabatte durchpflügt. Der Vorarbeiter erwies sich jedoch als Mann der Tat: “ So kann das nicht bleiben. Ich telefoniere sofort mit der Gärtnerei. Aber psssst … die Nessy schläft.“

Ganz großes Kino! Ich setzte mich auf. Im Kinderbett weiterhin kein Anzeichen von Aktivität: nur ein Häuflein Mensch in einem weißen Schlafsack. „Eingraben!“ befahl der Schlafsack sogleich, ohne äußerliche Regung. „Aber psssst, die Nessy schläft!“

Damit war das Hörspiel nicht zu Ende: Der Bauarbeiter sang noch „Ringel Ringel Reihe“ und zählte nach getaner Arbeit seine Finger durch – leise, denn „psssst, die Nessy schläft!“ Die Nessy schlief irgendwann wirklich – und war am nächsten Morgen, als die Tagesbaustelle eröffnete, ziemlich übermüdet. Der Mann aus dem Nachbarbett erinnerte sich hingegen an nichts.

Heute, früher Nachmittag. Es klingelt an der Tür.

Frau mit Klappmappe: Wir kommen wegen Strom und Gas.
Nessy: Mmmh.
FmK: Ihr Energieversorger hat jetzt die Leitungen freigeschaltet.
Nessy: Mmmh.
FmK: Wir kommen, um Ihre Zählerstände abzulesen, damit wir zügig auf Ökostrom umstellen können. (macht einen Schritt vor in meine Wohnung)
Nessy: (zieht Tür ran) Von welcher Firma kommen Sie nochmal?
FmK: Firma Lekker Energie.  Wir liefern Ihnen ab sofort Ökostrom statt Atomstrom. Wir müssen nur vorher einmal die Zähler ablesen.
Nessy: Sie wollen also, dass ich hier und jetzt, an der Haustür, dafür unterschreibe, meinen Stromanbieter zu wechseln?
FmK: Die Leitungen sind jetzt freigeschaltet, und die Umstellung erfolgt bald.
Nessy: Sie können mir ja ein Prospekt dalassen.
FmK: Wir haben keine Prospekte, sonst könnten wir ja unseren Strom nicht so günstig anbieten.
Nessy: Dann sagen Sie mir eine Internetadresse. Dann informiere ich mich dort.
FmK: Ich habe nur diese Formulare hier, das sehen Sie doch. Im Internet steht auch nichts anderes, als ich Ihnen hier erzähle. Wir lesen jetzt ab, dann geht es mit der Umstellung ganz schnell. (zückt Kuli, blättert in Formular)
Nessy: Nein.
FmK: Sie wollen also kein Geld sparen?
Nessy: So ist es.
FmK: Gut, dann halt nicht. (Im Weggehen:) Dann zahlen Sie halt weiter für Ihren Atomstrom. Muss ja jeder selbst wissen, … (verschwindet nuschelnd ein Stockwerk höher)

Genau. Muss ja jeder selbst wissen. Ich stelle hierzu fest:

  • Die Verkäuferin gaukelte vor, die Umstellung sei obligatorisch.
  • Die Verkäuferin wollte sich Zugang zu meiner Wohnung verschaffen.
  • Die Verkäuferin verweigerte mir Informationsmaterial.
  • Die Verkäuferin übte unangemessenen Druck aus.
  • Die Verkäuferin wurde unangemessen privat.

Ich dachte, die Zeiten der Drückerkolonnen seien inzwischen vorbei.



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