Yeah, das Kännchenblog feiert heute 10-Jähriges!
//*setzt Partyhütchen auf
//*pustet Luftschlange
//*wirft Konfetti
Am 4. Januar 2006 habe ich mit dem Bloggen begonnen, damals noch bei twoday.net. Die ersten Beiträge sind nicht mehr online: Zwei Blogumzüge haben sie ins Nirvana geschossen – oder mit anderen Daten versehen.
Trotzdem – hier ein Best of:
2007
1.000
Wir waren nicht richtig zusammen. Überhaupt war in unserem Leben im Juli 1997 nichts „so richtig“. Wir waren keine Schüler mehr, aber noch keine Studenten (…) Wir hatten Tribünenkarten, und als er loszog, um etwas zu trinken zu besorgen, kam er mit zwei Innenraumkarten zurück. Er hatte sie gefunden, schmutzig und zertreten auf dem Beton vor dem Stadion. Übermütig drückte er mir meine Karte in die Hand, drehte sich um, rief „Komm!“ und verschwand durch den Zaun auf die Holzbohlen des Spielfelds …
Alles Gute
Wir haben alles dabei. Er hat es eingepackt. Ich habe nur ein paar Pinsel in eine Plastiktüte gesteckt, meine Malerklamotten und die Schlüssel. Schweigend sind wir hergefahren. Er hat mich abgeholt, ich bin ins Auto gestiegen. Scheu, mit zusammengekniffenen Lippen und nachtverquollenen Augen haben wir uns in dunstigem Licht einen guten Morgen gewünscht. Doch es war nur eine Floskel …
Die Ketchup-Kinder und der Mann mit der Geige
Bei mir gegenüber wohnt die Ketchup-Familie. Sie heißt Ketchup-Familie, weil die Kinder eine ganze Menge Ketchup-Flecken auf ihrem Gesicht und ihrer Kleidung spazieren tragen und weil sie den Eindruck machen, als gäbe es bei ihnen nur Dinge zu essen, zu denen Ketchup passt. Wobei Ketchup natürlich zu allem passt, wenn man Kind ist, aber davon mal abgesehen …
Hummel, Lurchi und die Hühnerparty
Trotz meiner fortschreitenden Greisenhaftigkeit laden mich die neuen, kleinen Mannschafts-Hühner zu ihren Partys ein.Als ich am Samstag gegen 21 Uhr die verqualmte Altbauwohnung betrete, ist die Bude bereits voll. Ein bärtiger Typ mit geballter Sozialistenfaust auf seinem Shirt empfängt mich und schlägt mir direkt freundschaftlich auf die Schulter. „Ich bin Hummel“, sagt er. „Und wer bist du?“ …
2008
Der Kuss
Es war dieses Silvester Mitte der 90er, als es minus 20 Grad hatte. Nur die Hauptstraßen unserer kleinen Stadt waren vom Schnee und vom Eis befreit. (…) In einem dieser Momente blickte ich ihn zum ersten Mal an, wie er ebenfalls dasaß und zu frieren begann. Er war zu dieser Zeit mit Miriam zusammen, einer 17-Jährigen, die bereits vor Mitternacht von ihrem Vater abgeholt werden würde …
The Nessy Burbank Show
Begebenheiten in meinem Leben lassen mich vermuten, dass es auf dem Dachboden meines Hauses eine Regie gibt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mein Leben spannender zu gestalten (…) Immer, wenn ich meine Wohnung verlasse, treffe ich den Oberinspektor. Kehre ich in meine Wohnung zurück, treffe ich den Oberinspektor. Treffe ich ihn nicht, treffe ich den Mann mit dem kleinen, weißen Hund …
2009
Ohne sie
Sie war tot, ausgesprochen tot. Blass, wächsern und sehr regungslos. Ihre Hände gefaltet, oder nein – mehr ineinander verknotet. Das haben sie nicht gut hingekriegt …
Teenie-Tagebuch, 23. Mai 1995
Heute ist Dienstag. Seitdem ich das letzte Mal geschrieben habe, ist Einiges passiert. Am Samstag hatten wir das Spiel in I. Wir haben 16:6 gewonnen. Danach Fete in Carolins Ich-bin-süß-und-gepudert-Club … (alle Teenie-Tagebuch-Einträge zusammengefasst im Beitrag Mein 1998)
2010
Der schönsten Großmutter
Immer, wenn ich bei ihr schlief, lag ich in ihrem großen Bett unter einer schweren Daunendecke und zählte die Blüten, die auf der Tapete wuchsen. Das Frottee war rau, die Matratze weich. Ihr Kissen duftete nach Waschmittel, nach ihrem Parfum und nach ihr selbst – ein Geruch, der weich wie Watte war und sanft in der Nase kitzelte …
Begegnung im Bus
Bus 720 von der Arbeit nach Hause. Die Plätze sind gut besetzt, die Luft ist verbraucht. Ich setze mich neben eine kleine Frau mit dunklen Augen und einem Kopftuch, wie die Mütter der 50er es bei der Hausarbeit trugen …
Ode an die Wärmflasche
Schlotternd sitz‘ ich vor der Diss,
die Hände kalt, der Nacken steif,
ein Gedanke sich dem Hirn entriss:
Es ist soweit, die Zeit ist reif.
…
Das anstrengende Leben der Doktorandin N.
7:51
Der Wecker klingelt – frisch ans Werk! Nur weil man zu Hause arbeitet, sollte es nicht an Disziplin mangeln! Einmal Schlummertaste geht aber.
8:00
Nachrichten. Wichtig, um direkt auf Zack zu sein. Danach werde ich sofort aufstehen.
9:02
…
2011
Die Entenfrau
Gegenüber meiner Wohnung befinden sich Zechenhäuser: Kleine, bunt angemalte Häuschen mit schmalem Grundriss, zwei Fenster unten, zwei Fenster oben und ein ausgebauter Spitzboden. Zur Straße hin sind sie winzig, dahinter aber liegt eine beachtliche Scholle, auf der meine Nachbarn, verrentete Bergleute und krummrückige Stahlarbeiter, Tomaten züchten oder breitbeinig in quietschenden Hollywoodschaukeln und auf bunt gepolsterten Alustühlen sitzen, während Andrea Berg aus einem Kassettendeck schwülstige Lieder singt …
Ausflug ins Möbelhaus
Wir ahnten schon, dass es eng werden würde. „Drücken Sie noch ein bisschen“, raunt meine Mutter dem jungen Mann zu, einem verschwitzten Spätpubertierenden in einem roten Möbelhaushemd. Auf seinem Namensschild steht „Ich lerne noch“. Er blickt mich flehend an. „Oder besser quer?“, fragt Mutter und gestikuliert mit den Armen, als trage sie ein Paket aus …
Familiensinn
Man kennt diese Geschichten. Im Kreise der 30-jährigen Frauen sind sie wie urbane Legenden. Die Erzählungen von Bewerbungsgesprächen, in denen frau nach ihren familiären Plänen gefragt wird. Ich habe sie bislang immer abgetan: …
Das erste Mal: Thaimassage
Eine kleine Frau tritt mir entgegen. Sie ist halb so groß wie ich. Sie ist auch nur ein Drittel so schwer, eine Elfe. „Frau Nessy, ja?“ fragt die Elfe meinen Bauchnabel. „Komm u mit. Ha u scho macht die Thaimassaasch?“ Es ist ein bisschen schwierig, sie zu verstehen. Ich sage: „Das erste Mal.“ Sie nickt bedeutungsvoll: „Da wird ei besonder Lebnis.“ …
Hosenkauf
Ich streife die erste Hose über und merke schon an meiner ausgeprägten Wanderwade, dass wir nicht zusammenkommen werden. Von der anderen Seite des Vorhangs ruft es: „Und? Wie schaut’s aus? Passt sie?“ Ich halte den Bund fest, hüpfe mich im Kreis in die Hose hinein und rufe mit gespielter Souveränität durch den Vorhang zurück: „Äääh … joooo … aber im Schritt ist sie etwas knapp.“ Also die nächste …
2012
Liebes Familienministerium,
du fragst dich, warum meine Generation so wenige Kinder bekommt und hast deshalb eine Studie in Auftrag gegeben. Das ist insofern bedauerlich, als dass diese Studie bestimmt sehr teuer war und du auch durch Nachdenken zu einem Ergebnis hättest kommen können. Aber Schwamm drüber. Schauen wir lieber in die Zukunft. Damit du demnächst das Geld sparen und es für gute Kinderbetreuung einsetzen kannst, hier mal ein paar Eckpunkte, die uns Mitt- und Enddreißiger im Zusammenhang mit dieser Kindersache bewegen …
Hochkantistan
Es folgt: eine Bildergeschichte. Die Bilder sind in der Mehrzahl hochkant, was daran liegt, dass sie in Hochkantistan entstanden sind, einer Insel im Atlantik, auf der man praktisch keine Querformate aufnehmen kann, weil sonst oben und unten immer etwas von der Welt fehlt, weil es dort so steil ist …
Von Hühnern und Hünen
Wir sitzen in der Kirchenbank, als die Rudermannschaft die Kapelle betritt. Katrins Mund steht offen, Jessica fallen fast die Augäpfel aus den Höhlen, Pia und Sonja schauen sich an und grinsen. Wir haben nicht zu viel erwartet, nein, wir haben zu wenig erwartet, unsere Vorstellungen reichten für dieses Bild nicht aus …
Wassergymnastik
Es ist ein heißer Tag, ich liege am Pool und bin dem Dekubitus bislang entgangen, indem ich mich halbstündlich umgelagert habe. Plötzlich steht Stijn, der niederländische Animateur, vor mir und fragt: „Water Fitness?“ Ich denke: „Puuh, nee, lass mal.“ Er sagt: „Water Fitness!“, diesmal mit Ausrufezeichen, und ich denke: „Naja, warum nicht, bevor du dich mit Zinksalbe einreiben musst.“ Wir gehen zum Pool. Er holt den Ghettoblaster raus, schmeißt Dr. Alban rein, und wir lassen uns zu Wasser.
Kunst am Körper
Die Natur ist die schönste Malerin. Sie sehen ihr Werk: „Ruptur, blau gepunktet“. Es ist gekennzeichnet durch filigrane, veränderliche Farb- und Weichteilstrukturen – eine metabolische Aggregation von Gesundung und Verfall …
2013
Der Coverboy
Auf einmal ist er da. Sitzt vor einem kleinen Fernseher im Hausmeister-Kabuff der Sporthalle. Ab und an kommt er während des Trainings heraus, geht, die Arme hinterm Rücken verschränkt, an der Seitenlinie auf und ab oder setzt sich auf eine Kiste, die Beine breit, die Arme aufgestützt. Von seinem Hals baumelt eine Silberkette …
Zehn tolle Tipps für Laienbahnfahrer
So klappt’s auch mit dem Bahnfahren:
- Es erscheint Ihnen auf den ersten Blick erstaunlich, aber es gibt tatsächlich eine Menge Leute, die Bahn fahren. Und das, obwohl dieses Land so kommode Automobile baut. Die Tatsache, dass es Mitreisende gibt, bringt einige Unannehmlichkeiten mit sich …
Der Taxifahrer
Er stellt den Taxameter ein und fährt los. „Hastu kranken Freund?“, fragt er, dann legt er los: „‚Schab auch immer nachts Husten. Der hört gar nisch‘ auf. Hab isch schon seit Wochen. Aber liegt vielleischt daran, dass isch immer bis sechs abends arbeite. Dann ess‘ isch und gehe ins Bett, aber boah! Wenn isch huste, kommt das wieder hoch. Bis hier!“ Er deutet mit der Handkante an seinen Hals. „‚Schab mir schon gedacht, vielleischt soll isch abends weniger essen. Weißtu, meine Frau kocht voll gut.“ …
2014
Max Mustermann wundert sich
Max‘ Firma verändert sich ständig. Abteilungen fusionieren oder werden neu geschaffen. Personal kommt und geht. Alle zwei Monate steht eine neue Personalie im Intranet, darunter die Bitte der Geschäftsführerin, „die neue Kollegin bei ihren Aufgaben zu unterstützen“. Max kommt es komisch vor, dass das alles Frauen sind; die Abteilungsleiterinnen, die Leiterinnen der Dependancen, alle Leute, die nachkommen und etwas zu sagen haben …
Renovazia auf Ostwestfälisch
Wir sind da, um zu renovieren: Wände streichen, Türzargen ausbessern, ein bisschen Moltofill hier und da. Wir, das sind meine Freundin und ich. Außerdem ihr Vater, Geflügel-Landwirt aus Ostwestfalen, und Mateusz, sein Knecht. Die beiden sind mit einem Transporter von irgendwo in der Nähe von Höxter gekommen. Den genauen Ort kennt kein Mensch. Auf der Heckklappe des Wagens klebt ein Hähnchen, das „Puten Tag!“ sagt. Ich gehe hoch in die Wohnung …
Braunkohletagebau Inden & Pier
Es sind nur noch sechs oder sieben Häuschen übrig, ein paar Gebäude, zwei Straßen. Als ich in Pier ankomme und dort herumgehe, steht vor einem der Häuser ein Mann und schaut hinauf. Er trägt Rennradkleidung, hat einen Helm auf. Er ist ein bisschen älter als ich, vielleicht Anfang 40. Ich frage ihn, ob er hier aus dem Ort komme. „Meine Eltern hatten die Kneipe hier.“ …
Heitere Musikanten
Mein Büro liegt in einer Fußgängerzone neben einer Shopping Mall. Viele Leute laufen dort entlang – Leute mit Tüten, entspannte Leute, Leute, die gerne Geld ausgeben – weshalb heitere Straßenmusikanten an dieser Stelle überdurchschnittlich gut verdienen. Gegen Mittag beginnt immer die erste Schicht, meist macht die rumänische Folkloregruppe den Anfang: drei arhythmische Kinder, die ein Tamburin schlagen und sekündlich „Hey!“ rufen …
2015
Die Suche nach der Hefe
Ein ebensolches Chamäleon wie Alufolie ist Backhefe. Bei Backhefe kommt erschwerend hinzu, dass Supermärkte heutzutage Kühlabteilungen antarktischen Ausmaßes haben. Man will nur 42 Gramm Hefe kaufen und denkt, man betritt Königin-Maud-Land. Irgendwo zwischen Südgeorgien und Mount Sidley, hinter fünf Adelie-Pinguinen, befindet sich also ein zwei Quadratzentimeter kleiner Würfel, den es Shackleton-gleich zu finden gilt. Wie geht man da vor? …
Krieger, grüß mir die Sonne!
Unsere Yogagruppe ist eine Gruppe ehemaliger Arbeitskollegen, hinzu kommen ein paar Freunde von Freunden, über Umwege Hinzugekommene. Wir sind allesamt maximal unesoterisch, eigentlich gibt es uns nur, weil die Redakteurin eine Ausbildung zur Yogalehrerin macht und sie Übungsobjekte braucht, weshalb der Vertrieb, die Gestaltung, die Programmierung und ich nun solidarisch Sonnengrüße produzieren …
Wie ich versehentlich wieder in ein Handballtraining geriet und anschließend einen Bufdi brauchte
Letztens wollte ich spazieren gehen, abends nach der Arbeit. Ein paar Kilometerchen, einmal um den See vielleicht. Ich frage die Nachbarin, Kreisläuferin a.D., ob das eine Perspektive für sie sei. Wie blöd, meint sie, sie gehe heute zum Training von so einer Handballrentnerinnentruppe. Ein- bis Dreifachmütter, jünger und älter, eher älter, Versehrte und Halb-Invalide seien das, eine Kreisklasse-Spaßmannschaft. „30 Minuten joggen und dann ein bisschen Ballwerfen. Komm doch mit!“ …
Im Zentralbüro für Erdrotation
Es ist stets die achte Stunde des siderischen Tages, wenn Professorin Olga Mega ins Büro kommt, sich erstmal einen Kaffee macht und ihre extragalaktischen Radioquellen einschaltet. Sie mag diese Zeit am Morgen, wenn noch keiner anruft, sie in der P.M. blättert und langsam in den Tag kommt. Bald trudelt Euler an. Er wirkt gehetzt und entschuldigt sich: Die gravitativen Kräfte seines Bettes seien heute wieder zu stark gewesen; überdies gehe sein Vektor nach … (F0lge 2: Anziehungskraft, Folge: Das Ende von Plan A ist der Beginn von Plan B)
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Soweit ich nachvollziehen kann, ist dies der 1626. Blogbeitrag.
Seit 2010 – seit dem Wegzug von Twoday – wurden diese Beiträge 25.338-mal kommentiert. Zugriffe in diesen vergangenen sechs WordPress-Jahren: 3.067.608.
Danke dafür!