Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Vorletztes Kapitel, vorletzter Korrekturdurchgang:

"Warum kommt das erst hier? Sowas kann auch in der Einführung stehen."

"Warum kommt das erst hier? Sowas kann auch in der Einführung stehen!"

Sagen Sie Ihren Freunden nie, Sie werden „bald“ mit Ihrer Dissertation fertig sein. Auch dann nicht, wenn Sie alles fertig geschrieben haben. Denn in Anbetracht dessen, was nach dem Schreiben noch kommt, ist „bald“ in seiner landläufigen Bedeutung nicht ganz zutreffend.

6,8 MB Tabellenanhang und Dokumentation sind fertig. Nun arbeite ich nur noch Verbesserungen ein: Ich kürze, ergänze, schiebe Absätze von hinten nach vorne oder von vorne nach hinten und baue zusätzliche Grafiken ein – wo von den Korrekturlesern gefordert.

Ein paar Wochenenden lang werde ich noch beschäftigt sein. Dann gebe ich ab.
Ganz bald also.

Ein Stöckchen von Frau Gminggmangg:
Zehn mögliche Titel meiner Autobiographie.

  1. Genuss muss.
  2. Die perfekte Waffel. Stets auf der Jagd.
  3. Sie nannten sie Bridget.
  4. Upps.
  5. Bautz!
  6. Pass auf, dein Ärmel! … Zu spät. – Ein Opfer des Fleckenteufels packt aus.
  7. Schlaf als ganzheitliches Lebenskonzept.
  8. Mein Leben mit … Dings. Sag schon. Wortfindungsstörungen.
  9. Demnächst. – Vertagen als philosophische Idee
  10. Abergläubisch? Nicht, wenn ich meine Glückshaarspange trage.

„Er fürchtet sich ein bisschen vor mir, genau wie du.
Er hat Bammel. Und genau so soll es sein.
Wer sich fürchtet, verliebt sich.

Frederica in „Der Schneeflockenbaum“, S.52

Nein, möchte man antworten. Liebe, das ist doch dieses umfassende Gefühl von Nähe, von Zuneigung und Zärtlichkeit. Liebe, das ist das Gegenteil von Angst. Liebe bewahrt uns vor Angst. Wenn wir lieben, sind wir frei von Furcht. Wir lassen uns fallen und vertrauen.

Ja. Und Nein. Liebe ist Bewegung. Liebe ist ein sich ständiges Neu-Anschauen, ein Neu-Entdecken, ein Sich-Neu-Auseinandersetzen.

Je größer die Angst, die ich vorab hatte: die Angst, nicht gemocht zu werden, die Angst, nicht erkannt zu werden, die Angst, entlarvt zu werden; je größer die Angst, desto größer die Anspannung; je größer die Anspannung, desto größer die Entspannung, desto größer die Erleichterung, desto größer die Liebe, die erwuchs.

So ist es zugleich das Größte und das Schwierigste, das Geheimnis und der Klebstoff der Liebe, wenn wir angespannt bleiben; wenn wir nicht alles vom anderen wissen. Auch nicht wissen wollen. Damit wir unsere Ängste kitzeln. Damit wir Abgründe vermuten können. Damit wir uns neu verlieben können. Damit wir fortwährend lieben können.

Ich wollte immer eine Carrera-Bahn.

Eine Carrera-Bahn mit mindestens einem Loping, so wie sie mein Freund Olli hatte. Die Kollegin, die mir gegenüber sitzt, sagt: „Ein Parkhaus mit Aufzug für die Autos.“ Und der Kollege: „Ein BMX-Rad.“ Wir sprechen über unerfüllte Weihnachtswünsche.

Ein BMX-Rad wollte ich auch gerne haben. „So was kommt uns nicht ins Haus“, sagten meine Eltern. Ein Rad ohne Licht und Reflektoren, mit kleinen Rädern und zu niedrigem Sattel. „Darauf kann man ja gar nicht vernünftig fahren.“

Und Sie? Was haben Sie sich als Kind gewünscht, aber niemals bekommen?

Erst neulich sprachen wir darüber. Auf einer dieser privaten Partys, auf denen man irgendwann unweigerlich in der Küche oder auf dem Balkon oder auf einer Treppe sitzt, aber niemals auf einem Sofa oder an einem dekorierten Esstisch-Ensemble. Auf der die Jungs vor dem Haus neben einem schütteren Busch stehen, in einem Kreis, leicht hinabgebeugt, und konspirativ Gras rauchen. Auf der jeder einen Salat oder zwei Baguettes oder drei Tüten Chips mitbringt und auf der das Buffet schon nach drei Leuten irgendwie unappetitlich ausschaut, weil die Hälfte des Essens zwischen den Schüsseln liegt und die Papiertischdecke durchmatscht.

Wir sitzen also da, wir Anfang- und Mittdreißiger, und Kati sagt: Erwachsen – nein, das sei sie nicht. „Was ist überhaupt erwachsen?“ Sie finde es gut so, wie sie lebe, so frei und so. Ein bisschen arbeiten, mit den Freunden rumhängen, das sei echt ihr Ding. Sie zieht an der Zigarette, und ihre Lippen schmatzen dabei. Sie hat viel gejobbt und ein bisschen studiert und jetzt ihre Masterarbeit abgegeben. Sie ist 32, aber diese ganze Berufseinstiegssache, „das stresst mich total, das wird jetzt alles so ernst.“

Suse sieht das völlig anders. Suse ist seit Jahren Single, eigentlich schon immer, bis auf einmal kurz, sie ist Industriekauffrau mit drei Fortbildungen, sie hat ein Zertifikat als „Excel Power User 2009“ und kann den SAP-Abfragemanager bedienen, ihr macht man nichts vor, weshalb sie vor einem halben Jahr zur Assistenz der Geschäftsführung berufen wurde. Sie hat Liebschaften und One-Night-Stands, nach denen sie mich heulend anruft, und ihre Sehnsucht nach Liebe und Familie wird mit jedem Mann größer, der sie binnen weniger Stunden und Tage enttäuscht. „Der hing über mir und glotzte sich die ganze Zeit selbst auf den Trizeps, während er rammelte und rammelte“, sagt sie dann beispielsweise und schnäuzt einen großen Bach Rotz in ein Tempotaschentuch mit Verwöhnbalsam. „Das war genauso schlimm wie die Sache mit Matze, nur anders verletzend. Weißt du noch, dieser Volleyballer, der immer nur nachts bei mir klingelte, um mit mir auf dem Sofa zu hängen und fernzusehen und zu knutschen und dann wieder abzuhauen. Können die nicht einfach mal erwachsen werden?“

Sie guckt dabei auf die Jungs, die draußen im Kreis stehen und kiffen, die nicht nur an diesem Abend feiern und saufen, sondern die jeden Freitag und Samstag und Sonntag feiern und saufen und knutschen und ficken und dann fünf Tage hintereinander zur Arbeit gehen und am nächsten Wochenende wieder feiern und saufen, wie damals mit 16, dabei sind sie Mitte 30.

Ich selbst sitze da und sage nichts. Denn ich weiß es nicht. Ich verstehe es selbst nicht – wie es so viele Mittdreißiger nicht schaffen, irgendwo anzukommen, nicht einmal in sich selbst.

Kati sagt: „Wenn ich mich jetzt schon entscheiden müsste, das wäre wie sterben. Dabei weiß ich nicht mal, was es überhaupt zu entscheiden gibt. Da draußen gibt es so vieles, da kann ich jetzt nicht einfach schon erwachsen sein.“ Und Suse sagt: „Ich würde mir wünschen, dass sich einfach mal jemand für mich entscheidet, wenigstens für eine Zeit. Wenigstens das.“

Ruhrgebiet. (nessy) Männerschnupfen ist erstmals bei einer Frau nachgewiesen worden. Am heutigen Dienstag wurde die Erkrankung einer 33-Jährigen aus dem Ruhrgebiet bekannt.

Die Bloggerin ist am Morgen mit starken Kopf- und Halsschmerzen erwacht. „Meine Augen brennen wie Zunder“, berichtet sie seitdem jeder ihrer Kontaktpersonen. „Der ganze Kopf sitzt zu! Und dieser Drehschwindel!“

Männerschnupfen zeichnet sich dadurch aus, dass die typischen Erkältungssympotome in besonders starkem Ausmaß auftreten. Die Erkrankung geht darüber hinaus mit Befindlichkeitsstörungen und depressiven Verstimmungen einher. Nicht selten äußern die Patienten den Wunsch, sterben zu wollen. Männerschnupfen selbst ist jedoch nicht tödlich.

Wissenschaftler waren bislang von einer genetischen Veranlagung ausgegangen, die auf dem Y-Chromosom beheimatet ist. Die Erkrankung der 33-Jährigen Bloggerin zwingt die Forscher nun, ihre Erkenntnisse neu zu überdenken.

Für die Freunde,
die tapfer meine Diss gelesen haben. Ehrensache.

Vorher:

Gedeckter Tisch vorher

Nachher:

Küche nachher

Serviert wurde das Wunschmenü:
Frisches, liebevoll angerichtetes Bruschetta
Liebreizende Sauerkraut-Suppe ungarischer Art
Krass gute Schokocreme und eine Auswahl aus zweierlei Eis

Vielleicht liegt’s an der Strecke.

Vorher bin ich Bus gefahren, am Rand der Stadt entlang, da kam es nicht so oft vor. Jetzt fahre ich mit der U-Bahn mitten hinein. Der neue Job liegt in der Innenstadt. Ich nehme immer die Linie in Richtung Hauptbahnhof. Da geht was.

Als ich heute aussteige und zu den Rolltreppen gehe, steht Amy Winehouse in dick vor mir. Mit toupiertem schwarzen Haar, derangiertem Make up und einer riesigen, Baby-Elefanten verschluckenden C&A-Tüte. „Ööööh“, macht sie, als sie auf mich zuläuft. „Entschuldigen Sie, ja?“ Sie hat einen französischem Akzent, und ihre Stimme geht am Satzende merkwürdig nach oben. Als trete man auf eine Maus. „Wie komme isch nach Düsseldorf?“

„Dafür müssen Sie zum Hauptbahnhof“, sage ich.
„Ist ‚ier nischt der  ‚Auptbahn’of?“
„Nein. Hier ist die U-Bahn.“
„Wie komme isch zum ‚Auptbahn’of?“
„Sie steigen dort vorne in die Bahn, die gleich kommt. Eine Station.“
„Eine Station nach Düsseldorf?“
„Nein. Zum Hauptbahnhof. Dort steigen Sie aus und gehen hinauf in den Bahnhof.“

Eine Bahn fährt ein. Die könnte sie nehmen. Sie könnte jede nehmen, denn von hier aus fahren alle den Hauptbahnhof an. Stattdessen fallen ihre Schultern herab und sie blickt mich an wie ein trauriges Kalb.

„Weißt du, isch bin rausgeflogen bei meine Freund. Isch bin obdachlos. ‚Abe nur das ‚ier“, sie hält die C&A-Tüte hoch, „mit alle meine Kleidung. Ist nur eine Mantel und Stiefel drin und ein bisschen Lingerie. Die ‚at er mir geschenkt. Aber ‚at er nischt gekauft. ‚at der geklaut. Bei C&A.  Für misch.“
„Und er hat eine Tüte dazu gekriegt?“
„Er ‚at mir alles geklaut, was isch ‚aben wollte. Er war so eine romantische Typ. Unglaublisch romantische Typ. Aber jetzt ‚at er eine andere. Eine Schlampe. Jetzt klaut er für diese Bitch.“
„Da kommt wieder eine Bahn. Die könntest du nehmen.“
„Isch ‚abe ‚ier gewohnt, drei Monate. Bei meine Freund. ‚abe sonst keine Wohnung. Nur in Leverkusen, eine WG. Dort ist meine Wohnung mit Freunden. Und in Düsseldorf. Wo gehe isch nach Düsseldorf?“
„Du musst zum Hauptbahnhof. Mit der nächsten Bahn. Nächste Station.“
„Dort ist Düsseldorf?“
„Nein, dort ist der Hauptbahnhof. Dort fährt ein! Zug! nach! Düsseldorf!“
„Jetzt verste’e isch.“
Hoffen wir das. „Schön. Guck. Da. Eine Bahn. Die kannst du nehmen.“

Sie guckt mich an, guckt die Bahn an, guckt mich an und rennt los. Ihre C&A-Tasche schlägt ihr gegen die Beine.

Rebacca Gablé. Der dunkle Thron.

"Der dunkle Thron" auf dem Sony Reader
Zuerst zum Inhalt:
Robin of Waringham ist der jüngste Nachkomme des Waringham-Clans. Um ihn herum rankt sich die Geschichte Heinrich VIII. und seiner Tochter Mary Tudor („Bloody Mary“). Der Roman liefert Liebe, Intrige, Historie. Insgesamt leicht und gefällig, nie langweilig. Aber eben auch sehr – oder besser: zu – routiniert: Es hat mir ein bisschen an Liebe zum Detail und zu den Figuren gefehlt.

Zum Elektronik-Dingens:
Am Anfang war es etwas komisch, nur so ein dünnes Ding in der Hand zu haben. Ich hatte das Gefühl: Dort kann doch nicht die komplette Geschichte drin sein!

Was mich störte: Ich kann nicht einfach vor- und zurückblättern, die Geschichte durch die Finger rauschen lassen, schauen, wie weit es noch bis zum nächsten Kapitel oder bis zum zweiten Teil ist und die Entfernung in Fingerdicke messen. Bislang standen Lesezeit und die Lebenszeit der Figuren mit der Dicke des Buches in einem Verhältnis. Das fehlt.

Nichtsdestotrotz: Es ist zweckmäßig. 844 Seiten wiegen nur noch 220 Gramm. Für einen Viel-Unterwegs-Leser wie mich ist das super. Und ich muss mich nicht mehr fragen, was ich nach dem Lesen mit den Büchern mache. Gefällt mir. Sehr.



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