— Dagger (chaos.social/@dagger) (@___Dagger___) August 7, 2014
Die Vorträge der Herren waren sehr heiter. Schauen Sie sich die Werke gerne näher an. Meine besondere Empfehlung ist Frédéric Valin, der amüsante Geschichten übers Teenagersein auf dem Dorf kennt.
Mit von der Partie war auch Roman Shamov. Für die Dortmunder: Das ist der Beifahrer von Jürgen Klopp.
Herr Roman hat eine Geschichte mit Clown vorgelesen – nein: vorgespielt, so ein Schauspieler macht das nochmal ganz anders als wir zaghaften Autoren; und er hat ein Liedchen gesungen, das er mit Lucie van Org als Duo Meystersinger gemacht hat. Sehr hübsch ist das:
Nach der Arbeit dann das Vergnügen: So ein Berliner Nachtleben hält schließlich auch an einem Donnerstag Kurzweil bereit. Ist ja nicht Dortmund.
Ich habe unter anderem Italienisch studiert und die italienische Sprache erst zu Beginn des Studiums erlernt. Es gab einen Intensivkurs, in den jeder ging, der es nötig hatte, und in dem die Grundfertigkeiten durchgeackert wurden. Wir wurden mit Unmengen von Vokabeln und Grammatik beschüttet. Parallel habe ich in den anderen Kursen die „Einführung in die Literaturwissenschaft“ und die „Einführung in die Sprachwissenschaft“ absolviert, dazu natürlich die Seminare der verbleibenden Fächer – und nebenbei in zwei Jobs gearbeitet. Ich war also nicht unbedingt unterbeschäftigt. Trotzdem ging das Sprachenlernen locker von der Hand: Nach einem Semester bin ich nach Italien in den Urlaub gefahren, kam dort gut zurecht, habe um Zimmerpreise gefeilscht, habe mir „Die Säulen der Erde“ gekauft, gelesen, und bis auf bautechnische Spezifika von Kathedralen auch verstanden.
Seit September lerne ich nun Russisch und es gestaltet sich deutlich mühseliger. Das liegt zum einen daran, dass ich keine Vorkenntnisse in slawischen Sprachen habe. Zum anderen aber auch daran, dass neben einem normalen Job, der Fahrt zur Arbeit, Tomatengießen, Sport und den Freunden, die ich auch treffen möchte, nicht viel Zeit übrig bleibt, um mich dem Russischen zu widmen. Bisweilen würde die Zeit, ihr reines Vorhandensein, sogar ausreichen – eine regelmäßige halbe Stunde genügt ja -, doch nach zehn Stunden im Büro, nach Telefonaten, Mails, Sitzungen, Plänen, Konzeptionen und Diskussionen bin ich oft viel zu müde zum Sprachenlernen, dann funktioniert nur noch Gartenarbeit; es geht einfach nichts rein in den Schädel.
Das ist frustrierend, vor allem weil ich ein höheres Tempo gewohnt bin. Eine Hilfe ist immerhin, dass mir meine russische Freundin mittlerweile in ihrer Muttersprache schreibt. Denn das, was in Lehrbüchern steht, geht irgendwie an meinem Vokabelbedarf vorbei: Dass ich mich und meine Firma demnächst bei einem Geschäftsessen vorstellen muss, wird nicht passieren. Ich antworte ihr in einem Russisch-Englisch-Kauderwelsch – mehr Englisch als Russisch, aber immerhin, mühsam ernährt sich бе́лка, Bjilka, das Eichhörnchen: Wir unterhalten uns immerhin über Dinge, über die man sich halt so unterhält. So taste ich mich Wort und Wort, Wendung für Wendung, voran.
Wenn ich es mir also bei Licht betrachte, ist diese Russischsache vor allem für eines gut: um meinen Langmut und mein Durchhaltevermögen zu trainieren.
Mein Büro liegt in der Fußgängerzone neben der Dortmunder Thier Galerie, einer Shopping Mall. Viele Leute laufen dort entlang – Leute mit Tüten, entspannte Leute, Leute, die gerne Geld ausgeben – weshalb heitere Straßenmusikanten an dieser Stelle überdurchschnittlich gut verdienen.
Gegen Mittag beginnt immer die erste Schicht, meist macht die rumänische Folkloregruppe den Anfang: drei arhythmische Kinder, die ein Tamburin schlagen und sekündlich „Hey!“ rufen, während sie vom klagenden Gesang üppig gewandeter Erwachsener begleitet werden; ihr Vortrag erinnert unverkennbar an einen stimmbrüchigen Knabenchor, der in Reißzwecken getreten ist.
Die Folkloregruppe geht in aller Regel nahtlos in eine anatolische Oboen-Kombo über; manchmal bemerke ich den Wechsel kaum, so ähnlich sind die Gruppen sich – obwohl: Die Oboen sind deutlich vorwurfsvoller, sie erzählen in weinerlichem Singsang vom entbehrungsreichen Leben vereinsamter Ziegenhirten, von Mühsal und Mittellosigkeit und dem Unbill der Natur. Schon nach zehn Minuten bereiten sie den gleichen, den Schädel umklammernden Kopfschmerz wie der schneidige, kappadokische Wind, der durch das Tuffgestein von Göreme pfeift. Kann aber auch sein, dass ich nach dem Knabenchor schon etwas empfindlich bin. Mein Kollege reagiert auf die Oboen ausgesprochen sensibel, wirft krachend das Fenster zu und verharrt wahlweise embryonal auf seinem Drehstuhl oder verabschiedet sich, Verwünschungen schnaubend, in die vorgezogene Mittagspause.
Nach den Gruppen tritt oft ein altersloser Farbiger mit Klampfe an – vielleicht kennen Sie ihn: Er pendelt durch das ganze Ruhrgebiet, spielt mal in Essen, mal in Dortmund; er scheint einen beamtenhaften Stundenplan zu verfolgen, der sich an Schulferien, Markttagen und Schlussverkäufen orientiert. Er hat genau vier Lieder im Repertoire, darunter „La Bamba“, die er in Endlosschleife und durch seinen Pidgin-haften Akzent derart verfremdet vorträgt, dass man schon nach dem ersten Refrain nicht mehr weiß, wie das Lied denn nochmal richtig geht. Dabei klingt er auf verblüffende Weise wie Kermit der Frosch, wenn er „It’s not easy being green“ singt.
Der vierte im Bunde ist der Schlangenbeschwörer – ein einzelner Mann mit seiner Sopranblockflöte, der mit dem Tatendrang eines im Morgengrauen geweckten Pubertanden Volksweisen vorträgt. Teilnahmslos bepustet er sein Instrument, rutscht zwischendrin aus, klammert sich an den nächsten Ton, pustet weiter und landet bei einem der folgenden Fehltritte unweigerlich in einem Medley aus „Ein Männlein steht im Walde“ und diffusem, selbst kompiniertem Liedgut, dessen Schöpfungshöhe kaum die Genialität vernehmlichen Ausatmens übersteigt.
An guten Tagen tritt danach – oder auch zwischendrin – als unangefochtener Höhepunkt die singende Säge auf, ein älterer Herr, der, auf einem Schemel sitzend, mit einem Violinbogen einen Fuchsschwanz beackert. Die Wirkung des Instruments entspricht ungefähr der des kappadokischen Windes – die Säge verfügt jedoch über einen deutlich höheren, auch visuellen Wirkungsgrad: Bereits während der ersten Streiche über das Sägeblatt erscheinen vor den Augen der Zuhörer mehrfarbige, Windows-98-artige Bildschirmschonereffekte.
Die Vorträge dauern jeweils dreißig Minuten; sie dürfen gar nicht länger dauern, andernfalls schreitet das Ordnungsamt ein. Es sind allerdings dreißig unterschiedlich lange Minuten; die halbe Stunde, in der die singende Säge spielt, dauert insgesamt rund so lang wie ein WM-Halbfinale – mit Verlängerung und Elfmeterschießen.
Passanten, die die Musikanten zum ersten Mal und jeweils nur für den Augenblick des Vorbeigehens hören, reagieren zu meinem Verdruss ausgesprochen freudig auf die Darbietungen. Die Münzen sitzen locker, das Geschäft ist auskömmlich. Diese Freigiebigkeit setzt bei den Musikanten einen Kreislauf in Gang: Sie spielen, durch die Zuwendungen in ihrem Tun bestätigt, nicht nur mit gesteigerter Inbrunst, sondern kehren über den Tag hinweg gerne noch einmal zur sprudelnden Geldquelle zurück.
Vierhundert Meter die Straße runter treten übrigens ausschließlich Pantomimen auf.
Ich habe eine neue Kamera: eine Panasonic Lumix LX-7. Deshalb nun: das Wochenende in Bildern. Mit dabei: Gartencontent. Den gab’s schließlich seit mindestens einer Woche nicht mehr.
Thorstomaten unter Markise
Dazu: Rotweinkuchen (nur echt mit Sommerdeko)
Neu im Garten: Sonnenblume im Wildblumenfeld
Daneben: das erste überlebende Kürbisbaby
Zucchini, erlegt
Lavendel mit Biene
Neben dem Lavendel: die Grilltafel. Mit Zeugs aus dem Garten.
Herr Hibbe macht zu: Henning Sußebach schreibt darüber, wie ein Neustadt am Rübenberge ein Kaufhaus schließt und warum ein Onlinehändler aus Zürich Erfolg hat.
Frau Gminggmangg hat Kinder, Mann und Hund in den Gefährten gepackt und ist wieder auf der Reise. Drei Monate lang wird sie unterwegs sein. Bislang ging es von der Schweiz über Italien und Kroatien nach Bosnien-Herzegowina. Der beeindruckendste Bericht für mich bislang, wie Gaga vom Balkankrieg erzählt.
Gesa hatte mehrere Wochen lang Mustafa zu Gast, einen afghanischen Jungen, der in Deutschland im Herzen operiert wurde. Was sie mit Mustafa erlebt hat, können Sie bei ihr nachlesen. Bei „Was machen die da?“ gibt es eine Zusammenfassung.
Zwei Seiten eines Selfies im Konzentrationslager Auschwitz.
Dieser Tage sagte mir mein Vater, er habe Äpfel im Zugriff, einen ganzen Haufen Äpfel, er werde damit zugeschüttet – und fragte, ob ich welche haben wolle.
Ich erinnerte mich an ein Rezept, dass ich vor langer Zeit einmal rausgeschrieben hatte: Apfelwähe. Ich sagte: Natürlich möchte ich!, und er brachte mir viele kleine Äpfel vorbei.
Das Aufwändigste an einer Apfelwähe ist das Schälen und Schneiden der Äpfel, besonders wenn sie so klein sind. Der Teig ist einfach.
Wähenteig-Grundrezept:
300 g Mehl (plus Mehl zum Bearbeiten) 1 gestrichener Teelöffel Salz 1 Päckchen Backpulver 150 g Butter
Ich habe 200 g normales Mehl und 100 g Dinkelmehl genommen, weil ich es gerne mag, wenn der Teig ein Hauch vollkornig ist, ohne gesund und spaßbefreit zu wirken.
Die Menge reicht für zwei Bleche oder, etwas dicker, für zwei Spring- oder Pizzaformen.
Rollen Sie den Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche zu einem Rechteck aus. Falten Sie die beiden Schmalseiten danach zur Mitte. Danach klappen Sie den Teig ein weiteres Mal zusammen, so dass vier Lagen entstehen. Rollen Sie den Teig danach noch einmal aus und wiederholen Sie das Ganze. Der Bäcker sagt dazu „eine Tour geben“. Geben Sie dem Teig noch zwei weitere Touren.
Bewahren Sie den Teig danach mindestens 30 Minuten im Kühlschrank auf. Wenn Sie ihn nicht direkt verarbeiten möchten, können Sie ihn auch gut einfrieren.
Rollen Sie ihn danach noch einmal aus. Legen Sie ihn auf ein Blech oder in eine Form. Stechen Sie ihn hier und da mit der Gabel ein und belegen Sie ihn mit Äpfeln. Bestreuen Sie die Äpfel mit einem Esslöffel Zucker. Die Wähe kommt jetzt für 10 Minuten in den Ofen, unterste Schiene, 225 Grad (bei Umluft etwas weniger).
Während die Wähe das erste Mal backt, können Sie sich um den Guss kümmern.
Zutaten für den Wähen-Guss:
3 Eier 250 g saure Sahne 3 Esslöffel Zucker ½ Teelöffel Zimt 50 g Rosinen (habe ich weggelassen)
Verrühren Sie alles mit einem Schneebesen und geben Sie es nach 10 Minuten über die Äpfel. Backen Sie die Wähe danach weitere 20 Minuten auf der untersten Schiene.
Auf dem Blech wird die Währe arg dünn. Das nächste Mal werde ich wohl eine Springform nehmen. Allerdings hat die dünne Variante den Vorteil, dass man einfach mal ein Stück naschen kann und nicht gleich so ein voluminöses Ding auf dem Teller hat.
Weil ich aktuell fast jeden Tag irgendetwas aus dem Garten esse, muss ich öfter mal an Inocencio denken. Sie erinnern sich: meinen andalusischen Bruder im Geiste – „todo ecológico”, alles ökologisch. Ich fühle mich schon ganz reich an Vitaminen.
In diesem Jahr habe ich erstmals drei Thorstens angepflanzt: den klassischen Balkonzauber, Black Cherry und Oxheart – auf Empfehlung und mit freundlicher Samenspende von Torfrau i.R. und Obertomatenmutti A.
Thorsten ließ sich in diesem Jahr Zeit mit seiner Entwicklung: Früh gepflanzt, war er zögerlich und schüchtern, eine eher introvertierte Tomate. Die neuen Sorten gaben sich mimosenhaft dünnhäutig, einige Setzlinge verabschiedeten sich frühzeitig aus dem Diesseits. Hinzu kamen stürmische Rückschläge. Was übrig geblieben ist, gedeiht allerdings kräftig und lebensfroh. Mein erster Oxheart-Thorsten:
Neu-Leser fragen sich vielleicht, warum ich meine Tomaten „Thorsten“ nennen, ob ich ihnen auch Musik vorspiele oder anders: ob ich sie nicht alle aufm Zaun habe. Letzteres kann ich nicht zweifelsfrei dementieren, der Grund aber, warum Thorsten Thorsten heißt, ist: Als Torfrau A mir meine erste, meine allererste Tomatenpflanze schenkte, als sie heranwuchs und ich zum erstmals ihre kleinen, haarigen Arme sah, fühlte ich mich prompt an einen Schulkameraden erinnert, der schon in jungen Jahren einen beträchtlichen Armhaarwuchs aufwies. Er hieß – Sie ahnen es.
Kurioserweise heißen seither alle Tomatenpflanzen in meinem Bekanntenkreis, bei der Torfrau, der Doktorandin und sogar im fernen Sauerland Thorsten.
Die Terrassenthorstis, ihres Zeichens Nachzügler in der Zucht, haben nun auch das Erwachsenenalter erreicht:
Das feuchtwarme Wetter ist Doping für Thorsten. Ich habe die Pflanzen schon zweimal ausgegegeizt – zwei Armvoll Buschwerk habe ich aus den Pflanzen herausgeholt. Sie wuchern trotzdem wie blöde. Die ersten Früchte werden nun auch bald rot:
Ich schätze, dass genau in der Zeit, in der ich im Urlaub sein werde, die große Ernte anfällt. Die Nachbarn wird’s freuen. Denn es ist ja klar: Was unter den eigenen, gießenden Händen reif wird, darf man behalten.
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