Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Eine Expedition nach Clausthal-Zellerfeld zu Juliane, die mein Fahrrad umbaut

30. 07. 2021  •  8 Kommentare

Die Stimmung |  Das Erstaunliche an Clausthal-Zellerfeld ist, dass es sich anfühlt wie Estland.

Die Holzhäuser. Frisch Gestrichenes neben Abblätterndem. Ein Hauch Morbidität. Geschäfte, in denen die Zeit still steht, mit Schriftzügen, wie ich sie zuletzt in meiner Kindheit sah. Gelbe Tannen versprühen die Erinnerung an Laubsägearbeiten. Ein Hauch pittoresker Betulichkeit durchweht die Straßen. Mittendrin ein Friedhof. Es würde nicht verwundern, käme ein Räuchermännchen des Weges, im Vorbeigehen den Hut lupfend. Zugleich: LTE mit fünf Balken, auch im Wald. Die Stadt ist gefüllt mit jungen Menschen aller Hautfarben. Und auf dem Berg eine Hochschule, die für eine nachhaltige Gesellschaft forscht.

Die älteren unter den Leserinnen und Lesern erinnern sich an meine Reisen ins Baltikum, in die Turnhalle nach Tartu/Estland und nach Riga, zur lettischen Bierbrauererei und ins Land der Puddingschnecken. Damals verspürte ich sie auch, diese Dissonanz zwischen Alt und Neu, zwischen museumsgleicher Szenerie, Fortschritt und Technologie.


Das Anliegen | Ich fuhr in den Harz, weil eine Blogleserin die Geschichte meines Fahrradkaufs verfolgt hat und mir daraufhin eine Fahrrad-Ergonomie-Beratung bei Juliane geschenkt hat (Danke!!). Juliane wohnt in Clausthal-Zellerfeld, hat dort die Fahrradschmiede 2.0 und fertigt Fahrräder auf Maß. Vielleicht kennt jemand das mitwachsene Kinderfahrrad Skippy – das hat Juliane erfunden. Außerdem fertigt sie Fahrräder für kleinwüchsige Menschen, verkauft Brompton-Klappräder und hat das Klapp-Liegefahrrad erfunden (mehr in diesem Beitrag). Überdies macht sie eben Ergonomie-Beratung (Julianes Buch dazu und die Sicht eines Physio-Therapeuten), um Menschen wie mir zu sagen, was sie an ihrem Fahrrad anders und besser machen können.

Ich fuhr also zur Fahrradschmiede 2.0, einer ehemaligen Tankstelle, in der Juliane nun ihr Ladengeschäft und ihre Werkstatt hat.

Fahrrad vor der Fahrradschmiede

Juliane schickte mich zuerst auf die Straße, ließ mich mit meinem Fahrrad auf und ab fahren, schaute mich dabei an und sagte: „Dass der Sattel viel zu niedrig ist, weißte, ne?“ Dann stellt sie den Sattel beherzte 15 Zentimeter höher. Dann fuhr ich nochmal. Und nochmal. Dann baute sie das Rad um.

Während sie baute, erklärte sie mir, wie Menschen auf Fahrrädern sitzen. Sie holte ein Modell des menschlichen Beckens und der Wirbelsäule, setzte beides auf einen Sattel, kippte es und bog es, bis das Becken fast lag, aber eben nur fast, und sagte: „So.“ Ich fragte: „Und wenn die Sattelspitze höher ist?“. Sie drückte die Spitze des Sattels gegen das Beckenmodells, machte ein schmerzverzerrtes Gesicht und antwortete: „Dann ist da die Klitoris.“ Sie erzählte, warum Sättel nicht nur nach vorne geneigt sein sollten, sondern auch nicht zu breit sein dürfen und Fahrräder heutzutage zu kurz sind – und dass viel mehr Menschen viel mehr Fahrrad fahren würden, wenn sie richtig darauf säßen.


Das umgebaute Rad | Wenn man mein Fahrrad nun betrachtet, nach seinem Umbau, sieht es sehr unbequem aus. Schmaler, spitzer Sattel, deutlich nach vorne geneigt, vorne ein Vorbau für mehr Länge und geschwungener Lenker für mehr Höhe.

Fahrrad vor Okersee, der Sattel ist hoch eingestellt. Auf dem Gepäckträger eine Fahrradtasche.

Aber es hat alles seine Richtigkeit: Durch den nach vorne geneigten Sattel kippt auch das Becken nach vorne. Der Rücken ist nicht mehr rund, sondern wird gerade, die Lendenwirbel werden entlastet. Man könnte nun denken, man rutsche beim Fahren vom Sattel. Das ist aber nur der Fall, wenn er zu breit ist. Dann stößt man sich bei jedem Tritt mit der Rückseite seines Oberschenkels von der Sitzfläche ab. Ist die Sitzfläche schmal, passiert das nicht.


Die Testfahrt | Juliane teilte eine Komoot-Tour mit mir: von Clausthal aus hinab zur Okertalsperre, einer alten Trasse folgend, einmal um den See herum und durch Wald wieder hinauf.

Panoramaaufnahme: Fahrrad auf dem Weg um den Okersee
Straße, vor Kopf ein graues, ehrwürdiges Holzgebäude, rechts eine weniger prunkvolle, aber gepflegte Häuserreihe in weiß-rot

Die Fahrt hinab war eine Freude, und doch konnte ich sie nur bedingt genießen. Ich musste ja alles auch wieder hinauf, schon sehr bald sogar – ein Gedanke, der quälend die Begeisterung trübte. Um den See herum war es allerdings wunderbar: 15 Kilometer gerade Strecke mit Ausblick auf Wasser und Boote.

Dann der Rückweg. Erst mehrere Kilometer bergan. Schließlich erreichte ich einen langen, steilen Anstieg. An dessen Fuß ein Schild: „Clausthal-Zellerfeld 4,5 Kilometer“. Ich stieg ab, körperlich und moralisch entkräftet.


Die Teiche | Die Moral kam rasch wieder zurück, als ich, kaum hatte ich die Steigung hinter mir gelassen und war wieder aufs Rad gestiegen, einen Badeteich erreichte. Juliane hatte mir vorab erzählt, dass es in der Umgebung von Clausthal 70 Teiche gäbe, allesamt künstliche Relikte aus der Bergbau-Zeit, hatte ich Handtuch und Badeanzug eingepackt und ließ mich zu Wasser. Großartig!

Nach der Tour spürte ich, dass ich nichts spürte: Die Anspannung im unteren Rücken, die ich nach längeren Fahrten sonst immer hatte, gab es nicht.


Die Okertalsperre |  Die Okertalsperre hat eine lange Geschichte (#bildungsblog). Sie reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, als Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel Wasser stauen ließ, damit man Baumstämme einfacher flußabwärts nach Wolfenbüttel, in die Residenzstadt des Herzogs, transportieren konnte. Das Dammbauwerk bestand aus Baumstämmen, die man mit Sand und Steinen füllte und mit Moos abdichtete. Es hieß „Großer Juliusstau“ und war seinerzeit die größte Talsperre in deutschen Landen. Das war 1570.

Die Okertalsperre ist aktuell nicht einmal zu 40 Prozent gefüllt.


Nachtfahrt | Am Abend fuhren Juliane und ich essen, nach Zellerfeld, in den zweiten Ort im Stadtnamen. Dazu ging’s erst in einer Schussfahrt hinab (Juliane: „Wenn du ein Auto vor dir hast, das nur 50 fährst, ist das immer doof!“), dann wieder hinauf und hinein ins Restaurant. Dort trafen wir einen ihrer Kunden; er hat einst mit dem Liegeklapprad den Ätna umrundet, und Juliane erzählte aus dem Harz. Alles zusammen Stoff für mindestens zwei Bücher, eins davon ein Psychokrimi; ich lasse die Geschichte noch in mir reifen.

Auf dem Rückweg gab es die Möglichkeit, den Berg nicht hinauf und wieder hinab, sondern entlang zu fahren, durch den Wald bei Dämmerung. Wir tasteten uns mit den Rädern vor, keuchend in der dennoch ordentlichen Steigung, über rumpelige Waldwege und begleitet von trudelnd flatternden Fledermäusen.


Julianes Kanban-Büro | Weil wir uns über unsere Arbeit, über Büro-Organisation und über die Aufkleber in Julianes Laden unterhalten hatten, fuhr ich am nächsten Tag noch einmal zu ihr, und sie zeigte mir, wie sie ihr Geschäft mit Kanban organisiert, einer Methode der Produktionssteuerung, die für einen guten Arbeitsfluss sorgt. Elemente aus Kanban nutze ich auch, wenn ich mit Kunden zusammenarbeite – und ich erkläre sie in Seminaren.

Plötzlich spürte ich sie wieder, die Dissonanz vom ersten Tag, in diesem 1848 erbauten Hinterhaus, das einst eine Tankstelle war und in dem nun eine Fahrradmechanikerin arbeitet, mit Methoden, wie sie Coaches mit großen Worten in Konzerne tragen. Da ist sie wieder, die Erkenntnis: Fortschritt findet im Kopf statt, nicht in den Fassaden.


Gelesen und gehört | 14.000 Wissenschaftler und Forscherinnen warnen vor einem weltweiten Klimatnotstand. In Sachen Klima kann ich auch empfehlen: den Gradmesser-Podcast des Tagesspiegel. | Herr Buddenbohm macht sich Gedanken über die kommende Woche, in der in Hamburg die Schule wieder beginnt. Er verweist dabei völlig zurecht auf einen seiner Texte aus dem Juni 2020 und den Irrglauben, es gäbe einen Plan.

Mit dem Fahrrad von Dortmund nach Haltern, Landfrauen-Content und Serviceblog

26. 07. 2021  •  3 Kommentare

Leibesertüchtigung | Am Samstag setzte ich mich aufs Fahrrad und fuhr von Dortmund nach Haltern.

Hintergrund dieser Bemühungen war zum einen, dass ich viel Freude mit meinem neuen Fahrrad habe. Zum anderen ist für Ende August ein Radurlaub in Dänemark geplant, und ich muss mich und meinen Körper ans Fahren längerer Strecken gewöhnen.

Gefühlt besteht die halbe Strecke von Dortmund nach Haltern daraus, aus Dortmund rauszukommen, was auch irgendwie symbolisch ist: Man beginnt, in Dortmund zu wohnen, und kommt da irgendwie nicht wieder weg.

Ab Lünen wurden die Steigungen weniger. Es kamen ein paar Kilometer am Kanal entlang, längere Abschnitte auf Fahrradwegen, dann kam erst Vinnum, dann Olfen, die letzten Kilometer führten durch Wald, und dann war ich da.

Landkarte mit der Strecke

Ich bin zufrieden: 1 Stunde 56 für knapp 40 Kilometer, ein 20er-Schnitt und nichts, was mir wehtat. Das stimmt mich optimistisch für den Radurlaub. Weitere Experimente folgen.


Leidig | Die Dortmunder Freibadsituation steht hingegen unter keinem guten Stern. Erst öffnete das Freibad nicht #wegenderaktuellenSituation. Dann öffnete es, aber verkürzte gleichzeitig die Schwimmzeiten von 20 auf 18 Uhr, was bedeutet: An Arbeitstagen ist für mich kein Schwimmtraining möglich. Dann kam das Hochwasser, und das Freibad soff ab: Schwimmbecken, Wiesen – das ganze Bad war überflutet. Die Freibad-Leute arbeiteten und ackerten, um schnell wieder zu öffnen. Als sie vor ein paar Tagen alles so weit hatten, dass wir wieder hätten schwimmen können, kamen über Nacht Vandalen, warfen Bänke und Kühlschränke ins Wasser und setzten Spinde in Brand. Jetzt muss erneut aufgeräumt werden.


Olympische Spiele | In seinem Blog „Sports & Politics“ berichtet der Journalist Jens Weinreich täglich über Hintergründe der Olympischen Spiele in Tokio. Weinreich beschäftigt sich seit Langem mit Doping, Korruption und den sportpolitischen Vorgängen im nationalen und internationalen Olympischen Komitee. Die Beiträge gehen auch als Newsletter raus (hier abonnieren).


Lernen | In diesem Jahr biete ich noch zwei offene Seminare an. Beide sind, sofern es die Pandemielage erlaubt, Präsenzseminare an sehr schönen Orten:

  • Kollegiale Führung (5. und 6. November, Hünfelden): Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Verantwortung bringen, Prozesse vereinfachen, Entscheidungen dorthin geben, wo sie sinnvoll sind, und gleichzeitig die Fäden in der Hand behalten – wir besprechen, wie Führung in der Wissensgesellschaft aussieht und was sich mit zunehmender Remote- und Hybrid-Arbeit zukünftig verändert.
  • Frauen in Führung (25. und 26. Oktober, Wuppertal): Frauen sind in Führungsrollen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Oft fehlt es an Rollenvorbildern, und die Atmosphäre im Unternehmen ist männlich geprägt. Im Seminar erörtern wir, wie man als Frau authentisch und wirksam führt, wir hinterfragen Rollenbilder und besprechen den Umgang mit schwierigen Situationen, Konflikten, Dominanzverhalten und dem eigenen Anspruch.

Ich freue mich über weitere Buchungen!

Das Seminar zu Agiler Redaktionsarbeit beendete ich am Freitag mit einer Retrospektive. Das ist ein Format, mithilfe dessen man sich im Team verbessert. In meinen Seminaren mache ich es oft so: Ich zeige die Methode, indem die Leute sie direkt ausprobieren und inhaltlich etwas erarbeiten. Wir blickten also auf unsere drei Seminartage zurück und besprachen, was ich so lassen sollte und was ich besser machen kann. Denn im September werde ich die Veranstaltung ein zweites Mal durchführen – und es wäre ja eine vertane Chance, aus dem ersten Durchgang nicht zu lernen. Das Feedback fiel durchweg positiv aus; alle waren mit den drei Tagen sehr zufrieden, was mich freute – schließlich war das Seminar eine Premiere. Zugleich gab es Wünsche für die zweite Auflage. Unter anderem wünschten die Teilnehmer:innen weniger englische Fachwörter (oder wiederholte Erklärungen), zwischendurch noch mehr Zeit zum Nachdenken und ein Fallbeispiel aus der Redaktion, das sich stärker durch das Seminar zieht. Super Anregungen, die wir gemeinsam klar als Maßnahmen formulierten und die ich gut umsetzen kann.

Auch die Auftraggeberin war dabei. Wir unterhielten uns im Anschluss über diese Methode, Feedback aufzunehmen und über die Kritikfähigkeit, die man dazu braucht. Ich finde ja, dass in einer gemeinsamen Verbesserung immer eine große Chance liegt – gerade, wenn die Zusammenarbeit neu startet. Denn wir strengen uns alle an, das Beste zu erreichen: Der Kunde brieft mich, so gut er konnte. Ich bereite alles vor, so gut ich kann. Wir sprechen uns nochmal ab. Wir justieren nach. Was dann nach der Veranstaltung dennoch an Wünschen auftaucht, konnten wir im Vorfeld nicht wissen. Insofern ist es doch total okay, das genau zu formulieren und Maßnahmen abzuleiten.

Ich erlebe es übrigens bei jedem neu konzipierten Angebot so, besonders bei Seminaren: Sie brauchen immer eine Evolution von drei bis vier Veranstaltungen, bis sie ausgereift sind.


Serviceblog | Man kann Flutwein kaufen, um den Wiederaufbau an der Ahr zu unterstützen.


Landfrauenorden, Teil I | Abteilung „Erste Male“: Ich hatte Einkoch-Premiere. Johannisbeergelee. Die Johannisbeeren im Garten waren reif, rund eineinhalb Kilo. Es waren Maßnahmen erforderlich. Ich schwankte zwischen der Herstellung von Gelee und Aufgesetztem – Hausfrauengold auf Doppelkornbasis hat eine gewisse Familientradition -, entschied mich aber für Gelee.

Das erste Mal Einkochen bedeutet auch: das erste Mal Gelierzucker kaufen. Die Aufgabe erschien mir in der Theorie nicht allzu schwierig – bis ich gewahr wurde, wie viele Regalmeter und Arten von Gelierzucker es gibt: Gelierzucker 2:1, Gelierzucker 3:1, Gelierzucker extra für Beeren, Gelierzucker extra für Erdbeeren, Super Gelierzucker, Gelierzucker mit Kochen, ohne Kochen, für extra fruchtige Konfitüre, mit Stevia, aus Rohrohrzucker, mit Apfelpektin, Markengelierzucker und No-Name-Gelierzucker. Und: Geliertraum, die Alternative zu Gelierzucker. Ein Gelier-Universum, verborgen in meinem Supermarkt! Das erhöhte die Komplexität meines Vorhabens erheblich. Welche Kriterien zieht man bei der Auswahl von Gelierzucker heran?

Ich nahm die Packungen und wog sie in der Hand. Haptik? Ich las die Rückseiten. Manche beschrieben den Vorgang des Einkochens minutiös. Andere verstand ich nicht. Ich entschied mich für ein Produkt extra für Beeren, das gut in der Hand lag und dessen Beschreibung mich als das adressiert, was ich bin: blutige Laiin mit keiner Ahnung von nix.

Der Rest war zunächst etwas klebrig und langwierig (Johannisbeeren von den Stängeln pulen), dann sehr einfach.

Das Ergebnis schmeckt unerwartet gut. Ich werde den Vorgang beizeiten wiederholen.


Landfrauenorden, Teil II | Dann waren auch noch Zucchini reif. Ich hobelte mir Zucchini-Salat mit Cashews, Honig und Parmesan.

Eine sehr gute Mischung! Das Rezept stammt von Ina. Ich finde es grad nicht, aber es geht ungefähr so: Zucchini längs hobeln und eine Vinaigrette machen. In der Vinaigrette sind Olivenöl, etwas Weißweinessig, Zwiebeln, Honig, Salz und Pfeffer. Dann gibt man gehobelten Parmesan und geröstete Cashewkerne dazu.


Angeguckt | Die Straßen des Römischen Reichs als U-Bahn-Netz | So hört sich eine Unwetter- oder Katastrophenwarnung an, die über Cell Broadcast versendet wird.

Gelesen | Bei den Olympischen Spielen in Tokio hat die Außenseiterin Anna Kiesenhofer ein Radrennen gewonnen, weil sie von Kilometer Null an vorneweg gefahren ist und ihre Gegnerinnen sie irgendwann einfach vergessen haben: Ein echtes Olympia-Wunder.

Seminarhündin

22. 07. 2021  •  1 Kommentar

Seminarhund | Eine Arbeitswoche inmitten meiner Sommerpause, angefüllt mit Einkommenssteuererklärung, Umsatzsteuererklärung und einem dreitätigen Seminar für Volontärinnen und -Volontäre eine großen Rundfunkanstalt. Titel: „Agile Redaktionsarbeit“. Es geht um Methoden, Projekte und größere Vorhaben zu managen und die Arbeit im Tagesgeschäft anders zu strukturieren.

Ich hatte ein bisschen Bammel vor dem Seminar, weil: neuer Kunde, nicht ausreichend Einblick in die Arbeitsweisen und damit die Schmerzpunkte meiner Teilnehmer:innen und damit die Befürchtung, nicht die Erwartungen zu treffen beziehungsweise die Inhalte an den Bedürfnissen vorbei entwickelt zu haben. Drei Tage sind ja auch ein großer Vorbereitungsaufwand – das lässt sich zwischendurch nicht einfach um-improvisieren.

Es läuft aber gut – was vor allem auch an den Teilnehmer:innen liegt. Eine tolle Truppe, sehr engagiert, dynamisch, neugierig, lustig und offen. Gute Leute, die da bei den Öffentlich-Rechtlichen ihre Ausbildung machen.

Hinter den Kulissen: die Bonushündin, die mir heute nicht von der Seite wich.

Hund hinter Esstischstuhl, auf dem Tisch Notizen, Tastatur, Monitor

Ich warte leider immer noch auf meine neuen Arbeitszimmermöbel. Die Lieferung verzögert sich bis deutlich in den August.


Hochwasser | Während des großen Starkregens war ich nicht daheim, sondern im Urlaub in Plön. Wenn ich nun mit dem Rad umherfahre, sehe ich die Spuren des Unwetters in der Nachbarschaft.

Ich wohne in unmittelbarer Nähe der Emscher – etwas bergan, das Wasser läuft von mir und aus meinem Garten den Hang hinab und in die Emscher hinein, nicht umgekehrt. Deshalb bin ich nicht unmittelbar gefährdet; andererseits ist Sicherheit ja auch trügerisch.

Das bei mir und in meinem kleinen Stadtteil nur ganz wenig passiert ist, liegt auch an der Renaturierung der Emscher. Bis 2011 wurde sie von der Quelle in Holzwickede bis Deusen freigelegt, bekam ein neues Bett und Rückhalteflächen.

Büsche und Bäume auf einer Wiese, im unteren Teil braun vom Schlamm

In diesem Überschwemmungsgebiet staute ein Wehr das Wasser und schützte meinen Stadtteil Alt-Schüren. Ich werde demütig, wenn ich das sehe.


Garten | Im Garten viel Betrieb bei Lavendel und Allium.


Gelesen | Ein Brite spielt mit dem Gedanken, vom Elektroauto auf einen Verbrenner umzusteigen. Die Kaltmamsell hat seine Überlegungen für uns übersetzt. Ausschnitt:

1. Ich habe gehört, dass Benzinautos nicht tanken, während man schläft? Wie oft muss man es denn anderswo tanken? Mehrmals im Jahr? Wird an einer Lösung für ein Tanken daheim gearbeitet?

2. Welche Teile benötigen Wartung (Kundendienst) und wie oft? Der Autohändler erwähnte eine „Gangschaltung“: Was ist das und gibt es eine Anzeige im Auto, die signalisert, wann ich einen Gang wechseln muss?

3. Kann ich mit demselben Pedal beschleunigen und bremsen wie jetzt mit meinem Elektroauto?

4. Wird Kraftstoff wiederhergestellt, wenn ich langsamer werde oder bergab fahre? Ich gehe davon aus und frage nur zur Sicherheit.

Journal Sonntag, 18. Juli

Gelesen | Die Journalistin Liane Bednarz betrachtet in einer Analyse den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Sie nennt sich selbst eine „liberal-konservative Publizistin“ – steht also nicht im Verdacht, von Hause aus eine Anti-Laschet-Stimmung zu verbreiten. Umso deutlicher ist ihr Urteil.

Neben dem Unernst und und der mangelhaften Konzentration, die Laschet zuletzt bei der Rede Steinmeiers im Hochwassergebiet bewiesen hat, habe er laut Bednarz weitere klare Schwächen:

Mit der Dünnhäutigkeit bei kritischen Fragen von Journalisten, der fehlenden Stringenz in zentralen politischen Fragen und dem Hang dazu, sich irgendwie ohne klare Festlegungen durchlavieren zu wollen, kommen drei weitere Persönlichkeitsschatten hinzu. Und mit der in puncto Selbstkritik defizitären Einschätzung der eigenen Lage, in die er sich ohne Not selbst hineinlaviert hat, derzeit sogar eine sechste.

Loslachen, Dünnhäutigkeit und inhaltliches Schlingern – Armin Laschet wird zum Problem für die CDU

Es folgt eine Sammlung von Wissenschaftsleugnung, zänkischem Verhalten, fehlenden Ideen und Wankelmütigkeit.

Zehn Bemerknisse zu einem Urlaub in Plön

19. 07. 2021  •  2 Kommentare

Eins | Es ist mehr als fünfundzwanzig Jahre her, dass ich eine mehrtägige Kanutour über Schwedens Seen machte. Zu Zweit fuhren wir in einem Kanadier, eine vorne, die andere hinten, vor und hinter uns die wasserdichten Tonnen mit Klamotten und unser Zelt. Damals war es noch ein Jahr bis zum Abitur.

Im Vergleich zu heute war damals alles fluffiger und geschmeidiger: das Ein- und Aussteigen und auch das Paddeln selbst. Oder trübt mich die Erinnerung? Tat mir damals auch alles weh, von der Hüfte aufwärts bis in die Haarspitzen, wie nach der Tour in Plön? Ich glaube nicht.

Bild vom Wasser aus mit Blick auf das Plöner Schloss. Davor zwei Boote.

Sei es drum! Es war der beste Tag des Urlaubs. Zehn von zehn Punkte für die Tour von der Jugendherberge in Plön um die Prinzeninsel herum, den Großen See entlang, durch die Schwentine in den Schwanensee, weiter in den Stadtsee bis in den Kleinen Plöner See und zurück zur Jugendherberge. Sieben Stunden auf dem Wasser mit vier Kindern, eins davon geliehen, mit Sonne, Wellen und Wind, mit engen Passagen, mit Steinen und Mutproben, mit Aussteigen und Boot ziehen und mit einem großen Eisbecher.


Zwei | Der zweitbeste Tag des Urlaubs war jener, als wir uns auf die Fahrräder setzten und nach Bosau fuhren, ans andere Ende des Sees. Eine Tour durch Felder und Wald, über Wurzeln und Wirtschaftswege, vorbei an Getreide, Stauden und Streuobstwiesen, immer am Rande des Sees entlang bis zur Badestelle.

Überhaupt: Badestellen. Sie sind die Ziele bei einem Urlaub in Plön. Der Satz: „Wir fahren zu einer Badestelle“, führte stets zu einem Mindestmaß an Motivation.

Es gibt Badestellen mit und ohne Steg, mit Badeinseln, ohne Badeinseln, meistens mit einer Eisbude, selten ohne Sand, manchmal mit Wasserwäldern, manchmal mit muschelbewachsenen Steinen und Schnecken.


Drei | A propos Wasserwälder: Fährt man an den Plöner See, kitzelt es überall. Man darf nicht fies sein vorm Schwimmen im Freigewässer. Es gibt Stichlinge, aber noch mehr gibt es Laichkraut – lange Wasserpflanzen, die sich um die Beine schlingen, sobald man sie von der Oberfläche hinabbaumeln lässt. Wenn man allerdings auf dem Wasser liegt, den Kopf nach unten, und durch die Schwimmbrille ins Grün starrt, fühlt man sich wie am Rande eines wogenden Dschungels.


Vier | Der drittbeste Tag des Urlaubs fand an der Ostsee statt. Von Plön aus sind es nur dreißig Minuten mit dem Auto bis nach Hohwacht. Dort mieteten wir uns einen Strandkorb – „Bis zum Sonnenaufgang!“, sagte der Bärtige, als er uns den Schlüssel überreichte, „dann müsst ihr ihn wieder hier einwerfen“, und deutete auf einen Kasten an seinem Bauwagen.

Wir blieben allerdings nicht einmal bis zum Sonnenuntergang. Das lag weniger an Hohwacht als an unserem Hunger.

Als wir auf der Mauer des kleinen Edeka saßen, der sich nahe des Strands an einen Spielplatz anschließt, und als wir dort, erschöpft vom Meer, auf dem frisch gezimmerten Holzsims vor einem frisch angelegten Beet hockten, Brötchen mampften und Smoothie tranken, kam eine Frau auf uns zugelaufen. „Das ist aber schön!“, rief sie. „So habe ich mir das gedacht! Dass die Leute sich bei uns Snacks kaufen, und sich dann auf diese Mauer setzen!“ Sie war ganz aus dem Häuschen. Selten haben wir mit vollen Backen einen Menschen so glücklich gemacht.


Fünf | Dass wir vor dem Supermarkt speisten, lag nicht nur am großen Hunger, sondern auch daran, dass das Essen in der Jugendherberge erstaunlich fürchterlich war. Das Frühstück war okay. Beim Frühstück kann man schließlich nicht viel falsch machen. Aber das Abendessen haben wir abbestellt. Denn der Speiseplan sah ausschließlich Fleisch vor – schwierig bei drei Vegetariern. Außerdem: Welches Kind isst, selbst wenn es Fleisch mag, gerne Fischfrikadellen? Oder Hühnerfrikassee in Schleimsoße? Oder Hackauflauf mit Auberginen und weiteren, nicht näher zu erkennenden Sorten Gemüse?


Sechs | Insgesamt bringt der Aufenthalt in einer Jugendherberge aber mannigfaltige Vorteile mit sich: Die Kinder haben direkt andere Kinder, mit denen sie spielen können – endlich! Nach den vielen Monaten im Lockdown. Es gibt einen Schrank mit Uno, den Siedlern von Catan, Mensch ärgere dich nicht und Wasnichtalles. Man ist außerdem auf das Wesentliche reduziert. Letzteres ist tatsächlich eine schöne Sache: Auf den Zimmern sind nur Betten und Schränke. Es ist Zeit zum Daliegen und Lesen, zum Auf-den-See-Schauen, zum Schwimmen und Schlafen.


Sieben | Die Entspannung erhöht sich, wenn man zwischendurch Esel streichelt.

Stall mit einem Esel

Zu diesem Zwecke gibt es in der näheren Umgebung einen Eselhof. Auf dem Eselhof sind nicht nur Esel. Dort sind auch ein Berg aus Heuballen, eine Hüpfburg, eine Goldmine, eine Wellenrutsche, Rettungsfahrzeuge und einen Mähdrescher, in dessen Führerhaus man sitzen und Mähdrescherführerin spielen darf (//*Tim-Taylor-Grunzen). Ich wäre gerne länger dort sitzen geblieben, hätte Knöpfe gedrückt und Schweinwerfer an- und ausgeschaltet – allein die ungeduldig wartenden Kinder ließen mich nicht.


Acht | Wenn man fertig ist mit Eselstreicheln, kann man sich nach seiner Rückkehr ermattet auf dem Balkon der Jugendherberge setzen, vor sich ein Buch, ein Glas Wein und eine Schüssel Pistazien. Der Balkon thront über der Wiese der Herberge wie eine Tribüne. Zu Füßen spielen die Kinder Fußball oder Fangen oder Zombieball oder Anderes, dessen Regeln sich dem Zuschauer auch nach langem Studium nicht erschließen.

Gleichermaßen wie die Kinder kann man, den Blick in den Himmel gerichtet, die Schwalben beobachten. Unermüdlich fliegen sie durch die Luft, mal flatternd, mal trudelnd, oft spitz wie ein Pfeil. Es scheint, als würden sie niemals müde – die Vögel und auch die Kinder.

Kurz nach Sonnenuntergang gehen die Schwalben dann aber doch ins Bett. Dann ist der Himmel leer, und es wird still. Das ist der Zeitpunkt, wenn man den Wein austrinkt, das Buch zuklappt, eine letzte Pistazie knackt, die Kinder einsammelt und auch sie in ihre Nester scheucht.


Neun | Plön hat ein Schloss. Das Schloss hat eine Schlossgärtnerei. Stauden, Blumen, Kräuter und Gemüse wuchern wild vor sich hin und wirken doch irgendwie geordnet.

Wilder Garten, im Vordergrund Artschocken vor blauem Himmel mit Schäfchenwolken

Im Garten finden an Sommerabenden Konzerte statt. In diesem Jahr treten auf: Das fidele Blasquartett mit dem Programm „Oper querbeet“, außerdem Die Weidezaunband. Lidwina Wurth und Combo haben das Motto: „Der Lack ist ab, der Glanz ist geblieben“, und ich könnte mir, wäre ich alleine dort, gut vorstellen, mich bei einer dieser Veranstaltungen zwischen Nelken und Artischocken niederzulassen und mich zu betrinken.


Zehn | Als Begründerin der Internationalen Waffelskala™ bin ich immer für die gute Sache unterwegs. Auch im Urlaub nehme ich meine Pflichten ernst. So testete ich gemeinsam mit vier Waffeltesthelfern sehr ernsthaft das örtliche Waffelhuus.

Fazit: zweimal acht von zehn Punkte, einmal neun und einmal sechs Punkte. Hohe Fluffigkeit bei äußerer Knusprigkeit, außerdem vorbildlich helle Bräunung. Lediglich beim Geschmack gingen die Meinungen auseinander: von „Mmmh, lecker! Mit Zimt!“ bis „Viel zu viel Zimt, und das Nutella ist direkt auf der Waffel!“


Im Urlaub gelesen | Drei Bücher:

Die Liebe im Ernstfall von Daniela Krien. Fünf Frauen. Fünf Einblicke in fünf Leben, die miteinander verbunden und doch sehr verschieden sind. Präzise Charakterstudien. Nichts für die gute Laune, hat mir dennoch sehr gefallen.

Der große Sommer von Ewald Arenz. Frieder steht ein unerfreulicher Sommer bevor: Nachprüfungen in Mathe und Latein vor Augen, wird er zu seinem Großvater strafversetzt. Aber alles kommt anders. Das liegt nicht zuletzt an dem Mädchen im flaschengrünen Badeanzug. Auch das Tagebuch der Großmutter spielt eine Rolle. Eine schöne Geschichte, leicht erzählt, und doch mit ausreichend Tiefgang. Gerne gelesen.

Sommer wie Winter von Judith W. Taschler. Ein Familiendrama aus einem Tiroler Bergdorf, erzählt aus der Sicht des Pflegesohns, der Töchter, des Sohns und der Mutter. Allesamt sitzen sie beim Therapeuten und erzählen ihm einzeln ihre Perspektive. 208 Seiten, allerdings mit wenigen Überraschungen. Dennoch okaye Urlaubslektüre.

Einfach sitzen

9. 07. 2021  •  3 Kommentare

Urlaub | Es wächst, das Urlaubsgefühl. Mit jedem Moment, in dem ich die Schwalben beobachte, wie sie im eleganten Kurvenflug durch die Luft jagen, verliere ich mich in der Zeit. Ich schaue auf den See, in der Ferne kreuzen Segelboote, SUP-Fahrer gleiten vorbei, Enten wippen auf den Wellen. Schon heute, dem zweiten Tag nach Ankunft, weiß ich nicht mehr, welcher Tag ist.

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Die Jugendherberge ist direkt am See. Man kann auf einem Balkon sitzen, die Kinder spielen zu Füßen auf der Wiese, die Rufe klingen herauf, Wassertropfen perlen das kühle Getränk hinab, und die Schwalben landen unter dem Dachüberstand.


Zickzack | Mein Weg in den Norden führte über die zweite Impfung in einem erstaunlichen Zickzackkurs zum Ziel. Vollsperrung auf der A1, Ausweichen über A2, Stau vor Hannover, Vollsperrung der A7, Ausweichen über A27, Stau auf der A1, Ausweichen über Land, Stau vor Hamburg. Es gab viel zu sehen bei meiner Tour über die Dörfer – unter anderem eine John-Deere-Landmaschinenausstellung. Wann kriegt man das schonmal geboten? – und überhaupt: In Posthausen bin ich vorher auch noch nie gewesen.


Plön | Es ist beschaulich hier. Die Wagnisse liegen im Kleinen. Man kann Kanu fahren und Otter beobachten, im See baden, mit dem Fahrrad cruisen und Aquarien für Wasserschnecken bauen. Es gibt einen Turm, auf den man steigen kann, um hinunter zu schauen.

Sicherlich kannten auch noch mehr entdecken. Wir sind gerade erst angekommen und kennen uns noch nicht aus.


Nicolaikirche | Die Kirche im Ort ist sehenswert. Nachdem ein Blitz in den Vorgängerbau einschlug, wurde sie im 19. Jahrhundert neu errichtet, neuromanischer Stil, ein Backsteinbau von schlichter Schönheit. Wenn Sie auf dem Marktplatz sind, gehen Sie hinein.

Das Schönste in Plön ist allerdings, einfach dazusitzen und auf den See zu schauen.

Letzte Arbeitstage im Turmzimmer, Sommerferiengefühle, viel Regen und flauschiger Tiercontent

6. 07. 2021  •  2 Kommentare

Broterwerb im Juni | Der Monat Juni endete mit einer Klausurtagung des Kunden. Zwei Tage Moderation für Geschäftsführung und Führungskräfte. Zwei Übernachtungen im Turmzimmer. Ich war verzückt.


Broterwerb im Herbst | Das Turmzimmer ist gleichzeitig Werbung für mein Seminar „Frauen in Führung“, das im Herbst in der gleichen Tagungsstätte stattfindet: Auf dem Heiligen Berg in Wuppertal. Hoch über der Stadt, ruhig und zugleich inspirierend, mit tollem Essen, luftigen Tagungsräumen und schönen Zimmern.

Das Datum haben meine Kollegin Andrea und ich noch einmal verschoben: Nachdem bis Ende Mai nichts planbar und Tagungsstätten teilweise nicht erreichbar waren, war binnen Tagen alles ausgebucht. Unseren usprünglich anvisierten Septembertermin können wir deshalb nicht halten – es sind einfach keine Tagungsstätten verfügbar (außer zu Preisen, die weder wir noch unsere Teilnehmerinnen bezahlen möchten).

Wir gehen nun auf den 25. und 26. Oktober. Die Tagungsstätte ist jetzt fest gebucht, Einzelzimmer sind auf Option reserviert. Wir freuen uns über weitere Anmeldungen! Die Seminarinhalte kurz und knapp:

  • Führungskompetenz, Haltung und persönliche Werte
  • Die Perfektionismus-Falle
  • Richtig und konsequent delegierenStress und Selbstbehauptung
  • Souveräner Umgang mit Machtspielen und Dominanzverhalten
  • Umgang mit schwierigen Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern, Kolleginnen und Kollegen
  • Die eigene Leistung in den Fokus rücken
  • Meetingformate, die zur Persönlichkeit passen

Darüber hinaus soll Zeit bleiben für Erfahrungsaustausch und persönliche Gespräche. Eingeladen sind alle Frauen mit Interesse an Führungsthemen.


Starkregen | Während ich mit dem Kunden am dem Berg saß, Jogis Jungs verlieren sah und danach ins Bett ging, regnete es in Dortmund wie verrückt. An den Steinmauern in meinem Garten kann ich sehen, wie hoch das Wasser stand, im Emscherbett liegen auch jetzt noch alle Büsche und Gräser platt, und im Dorf hat es den Radweg unterspült.

Ein paar Tage später, am Wochenende, regnete es erneut sehr stark. Wir waren mit dem Rad unterwegs; mit den ersten dicken Tropfen konnten wir uns in den Schultenhof retten. Sturzbäche gingen nieder, flossen den Hof hinunter und sammelten sich in der Rinne des Matschspielplatzes. Es sprudelte und gurgelte, und das Wasser floss ins nahe Waldstück ab.

Als der Regen nachließ und wir uns wieder auf den Heimweg machten, sahen wir wilde Wasserfälle.


Broterwerb kurz vor dem Urlaub | Ab Mitte der Woche mache ich Urlaub – mit einer Unterbrechung bis zum 9. August.

Man soll Übergänge ja fließend gestalten. In den vergangenen zwei Tagen bin ich deshalb ohne Wecker aufgestanden und hatte keine Termine mehr, habe aber noch etwas gearbeitet. Schwerpunkt: Vorbereitungen für ein dreitägiges Seminar, das ich Ende des Monats für die Volontärinnen und Volontäre beim WDR gebe. Es trägt den Titel „Agile Redaktionsarbeit“. Wir sprechen über Projekte und Projektmanagement, über Abläufe und Rollen, über Scrum und Kanban und über nutzerzentrierte Entwicklung journalistischer Produkte.

Das Seminar findet remote statt, über Microsoft Teams. Damit die drei Tage vor dem Bildschirm nicht zu lang werden, gestalte ich sie sehr interaktiv – mit kurzen, spielerischen Einheiten und freien Open-Space-Formaten, in denen Platz ist für die Themen, die die Teilnehmer:innen mitbringen.


Urlaub | Jetzt aber erstmal Urlaub. Vergangenen Sommer war ich noch Single. Dann ging ich bouldern. Jetzt habe ich fünf Fahrräder auf dem Dach und das Sommerferiengefühl von 1988.

Ich freue mich!


Flausch | Spitzmaus- und Eichhörnchencontent. Zuerst die Spitzmaus, eine ergreifende Szene aus dem Garten der Dorffreundin:

Die Maus konnte sich unter die Terrasse retten. In dem Zusammenhang gelernt (#serviceblog), dass Spitzmäuse gar keine Mäuse sind, sondern Insektenfresser.

Die Bezeichnung Spitz„maus“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Tiere mit den Mäusen nicht näher verwandt sind. Eine beschlossene Umbenennung durch die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde auf ihrer Hauptversammlung 1942 in die zoologisch sinnvollere, ältere Bezeichnung Spitzer ließ Adolf Hitler nach seiner Kenntnisnahme durch die Berliner Morgenpost vom 3. März 1942 unter Androhung von längeren Aufenthalten „in Baubataillonen an der russischen Front“ unverzüglich rückgängig machen.

Spitzmäuse bei Wikipedia

Zuhause versucht das Eichhörnchen derweil, an die Sonnenblumenkerne zu kommen.

Es ist dabei zweimal abgestürzt, aber es war unermüdlich. Dreißig Minuten Slapstick.


Gehört | Der Gender-Dating-Gap und die Liebe – ein Hörbuch Anne-Kathrin Gerstlauer:

Es ist kompliziert – aber muss es das wirklich sein? Die mehrfach ausgezeichnete Journalistin Anne-Kathrin Gerstlauer geht im Hörbuch Der Gender-Dating-Gap und die Liebe der Frage nach, warum es moderne Frauen so schwer haben, einen Partner auf Augenhöhe zu finden.

Bringt viele Dinge auf den Punkt: Erwartungen an Partnerschaft, männliche und weibliche Verhaltensweisen im Dating, die Mär von zu hohen Ansprüchen und Ideen von neuer Romantik. Ich kann vieles nachvollziehen oder habe es auch so erlebt. Was einzig stört, ist die subjektive Erzählweise, die man von bento und ze.tt kennt. Sie lässt den Inhalt bisweilen polemisch wirken und schmälert ein stückweit die Wissenschaftlichkeit, die durchaus vorhanden ist. Insgesamt habe ich das Buch aber gerne gehört. Wie immer bei diesem Thema würde mich der gleiche Inhalt aus männlicher Sicht interessieren.


Gelesen | Wir von der anderen Seite von Anika Decker. Anika Decker ist Drehbuchautorin und Regisseurin und lebt in Berlin. Sie schrieb unter anderem das Drehbuch zu Keinohrhasen. Nach einer Nierenbeckenentzündung hatte sie 2010 eine Sepsis, als deren Folge sie mehrere Tage im Koma lag.

In ihrem Roman erzählt sie mit autobiografischen Anteilen die Geschichte von Rahel, der das Gleiche widerfährt:

Als Rahel Wald aus einem heftigen Fiebertraum erwacht, versteht sie erst mal gar nichts. Wo ist sie, warum ist es so laut hier, was sind das für Schläuche überall. Nach und nach beginnt sie zu verstehen: Sie ist im Krankenhaus, sie lag im Koma. Doch richtig krank sein, hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt: feierlicher, ja, heiliger. Als Komödienautorin kennt sich Rahel durchaus mit schrägen Figuren und absurden Situationen aus, aber so eine Reise von der anderen Seite zurück ins Leben ist dann doch noch mal eine eigene Nummer.

Klappentext

Kurzweilig, aber dennoch mit Tiefgang. Gerne gelesen.


Gelesen | Christian de Vries sammelt Gründe gegen Armin Laschet, zur Wiedervorlage im September. | Michael Stich, die Älteren unter uns erinnern sich, war mal Tennisprofi. Im Interview gibt er sich erfreulich geerdet und sympathisch. | 34 Grad im Norden Norwegens, 32 Grad in Sibirien: Tauende Permafrostböden werden zur globalen Gefahr.

Fünf Bemerknisse zu einem Ausflug an die Nordsee

1. 07. 2021  •  8 Kommentare
Watt am Abend

Eins | Findige Menschen haben das Luftsofa erfunden. Es ist handtaschenklein. Wenn man es allerdings auseinanderfaltet und die Öffnung in den Wind hält, wird es groß und lang wie ein mittelprächtig genährtes Flusspferd. Eine Wolke aus Luft. Man kann sich in diese Wolke hineinlegen, sie hat eine Ritze mit einem Steg in der Mitte. Man sinkt ein bisschen ein, aber nicht zu viel – gerade so, dass man sich behütet fühlt, aber keine Rückenschmerzen kriegt. Dann kann man daliegen, die Füße leicht in der Höhe, man kann in den Himmel schauen, dem Geräuschteppich aus Meer, Möwen und umgebenden Familien zuhören, und leicht einnicken.

Mann in pinkem Shirt auf Luftsofa, aufs Meer schauend

Wenn man sich später nordseenass in das Luftsofa niederlässt, noch ein wenig ruht und dann aufsteht, muss man das Sofa vor dem Zusammenfalten trocknen. Dann steht man da, hält sein Luftsofa vor dem Bauch, Tropfen verdunsten in der Sonne, Wind bläst, und man kann sagen: „Guten Tag, mein Name ist Giese, und ich trage ein Luftsofa.“


Zwei | Man sagt, Sonnenuntergänge seien der Inbegriff der Romantik, und nach eigener Feldforschung kann ich sagen, dass Sonnenuntergang plus Luftsofa plus eine Flasche Rotwein plus zwei Hotel-Zahnputzgläser wahnsinnig romantisch ist.

Noch romantischer ist, was Anne-Kathrin Gerstlauer schreibt:

Romantik ist, wenn ich mir sicher bin. Wenn ich nicht morgens aufwache und Angst habe, es könnte vorbei sein. Weil er mich nicht versetzt. Weil er zuverlässig ist. Oder wie L. immer sagt: Wenn einer am Start ist.

Ich finde es romantisch, wenn er mich nach einem wichtigen Meeting anruft. Ich finde es romantisch,
wenn er sagt: Du machst dir immer noch Gedanken darüber, oder? obwohl ich nichts gesagt habe. Ich finde es romantisch, wenn er nochmal schreibt, obwohl ich noch nicht geantwortet habe. Ich finde es romantisch, wenn ich mich nicht entschuldigen muss für das, was ich fühle.

Der Gender-Dating-Gap und die Liebe

Drei | Irgendwann zwischen 1970 und 1990 fanden die Menschen funktionale Klötze so großartig, dass sie sie viele Stockwerke hoch und so breit werden ließen wie Fußballfelder und sie hinter Deiche bauten. Ins Erdgeschoss zogen Eisdielen, Fischbuden und Geschäfte ein, die Holzleuchttürme verkaufen. Davor stellten sie Klappschilder und Kaugummiautomaten auf.

Familien zerren heute Bollerwagen voller Spielzeug und Strandmuscheln daran vorbei nach Hause. Kinder werfen sich trotzig aufs Pflaster, weil sie kein Eis bekommen oder auch, weil sie doch ein Eis bekommen, das Eis aber nicht das richtige Eis ist, obwohl es das eben noch war. Ein Hund säuft träge aus einem Napf. Dazwischen „Dein Name auf einem Reiskorn“; eine Frau in Leinenkleid beugt sich tief über einen unsichtbaren Gegendstand, in ihrem Auge eine Lupe. Hoch über der Szene, auf funktionalen Balkonen und durch einen Sichtschutz voneinander abgeschirmt, damit man sich auch nackt sonnen kann, was man aber niemals tun würde, sitzen Hochbetagte und schauen versonnen auf den Strand.


Vier |  Ich habe ein neues Nahrungsmittel kennengelernt: Es heißt Queller und schmeckt sehr köstlich, würzig und leicht salzig. Man kann im Watt einen Stängel pflücken und probieren. Er wächst dort, wo er gerade noch vom Wasser überspült wird.

Grüne Stängel im Sand

Bei Chefkoch.de kennt man 31 Rezepte mit Queller, darunter „Tatar vom Thunfisch auf Queller“, „Grünes Curry mit Lachs, Lauch uns Queller“ und den „Movie Burger zum Film Forrest Gump“ 120 Gramm Queller.


Fünf |  An der Elbmündung, auf den Holzstegen der Alten Liebe, den Rücken gebeugt und die Ellbogen aufs Geländer gesützt, kann man stundenlang stehen und aufs Wasser schauen. Vor einem eröffnet sich die Weite der See, es kommen kleine und große Schiffe, Containerschiffe, Segelschiffe, Autoschiffe, Möwen, Katamarane und Gummiboote des Weges.

Wasser, Horizont, in der Ferne Schiffe

Das alles in aushaltbarer Geschwindigkeit. Man kann die Fahrt der Boote, Bötchen und Schiffe gut verfolgen, und doch denkt man zwischendurch, nachdem man den Blick hat schweifen lassen auf Umstehende und Umsitzende und er wieder an den Ort der letzten Sichtung zurückkehrt: „Ach guck. Weg isses.“ Manchmal habe ich auf dem Schiffsradar nachgesehen, wo die Reise hingeht. Dann habe ich „Murmansk“ gemurmelt, und darüber nachgedacht, was wohl nach Murmansk verschifft wird, ob es Schrauben oder Spielzeuge sind, Bleche oder Bauxit, Möbel, Dünger oder Berge von Müll. Aber dann kommt auch schon eine Segeljolle mit einem Herrn wie aus dem Skipperkatalog, rosa Hemd und Wollpullover, Leinenhose und Lederslipper, und das Gehirn greift nach anderen Gedanken, sie treiben dahin wie die Boote und sind irgendwann fort.

Mission Gelassenheit

24. 06. 2021  •  7 Kommentare

Seminartag | Heute war ich in Sachen Gelassenheit und Souveränität unterwegs. Ich habe mit Volontärinnen und Volontären aus Zeitschriftenverlagen über Stress, Selbstbehauptung und Umgang mit Konflikten gesprochen.

Zettel in einer Ablage: "Handout: Stressmanagement, Selbstbehauptung und Umgang mit Konflikten", dazu das aufgestellte Namensschild "Dr. Vanessa Giese"

Im ersten Teil ging es um Stressoren, Stressreaktionen und Stressverstärker. Es ging um Haltung, um Abgrenzung, um Situationen, die ich kontrollieren kann, auf die ich Einfluss haben – und was ich mit den Dingen mache, die nicht in meiner Hand liegen. Wir sprachen über Arbeitsanweisungen, Vorgesetzte, Ressourcenknappheit, Priorisierung, eigene Ansprüche und die Schwierigkeiten mit unbekannten Aufgaben.

Im zweiten Teil ging es um Zeit und um Selbstführung. Ich habe zehn Arten vorgestellt, Nein zu sagen. Außerdem gab es Lebensweisheiten zum Entscheiden, Rechtfertigen, zum Sachlich- und zum Emotionalsein.

Der dritte Teil drehte sich um Konflikte, welche es gibt und wie ich ihnen mutig begegne.

Der Veranstalter, die Weiterbildungsakademie Pro Content hatte vorab angeboten, eine Umfrage unter den Teilnehmenden zu machen, welche Fragestellungen besonders drücken. Ich habe Fragen formuliert und hilfreiche Antworten bekommen, mit denen ich das Seminar geplant habe. Außerdem habe ich ein Lean Café eingebaut, ein strukturiertes Meetingformat für unstrukturierte Themen. Damit haben wir individuelle Fragen besprochen, die für alle von Interesse waren.

Das ganze Seminar kam ohne Folien und Beamer aus, alles analog, im Gespräch. Das war sehr schön. Das Feedback war gut. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer plädierten dafür, das Seminar auch für den nächsten Jahrgang im Programm zu behalten. Das freut mich.

Ich überlege, es auch als eigene Veranstaltung in mein eigenes Seminarprogramm aufzunehmen, so dass Sie es bei mir direkt buchen können. Vielleicht remote und modular – an zwei Vormittagen, die man auch einzeln buchen kann.


Hachz! | In der Feedbackrunde sagte die Organisatorin, sie habe mich als Referentin für das Thema ausgewählt, weil ich „eine der strukturiertesten Referentinnen“ sei, die sie kenne. Immer komme alles pünktlich, ich würde klar kommunizieren und das mache die Zusammenarbeit absolut angenehm. Das ging runter wie Öl!

Ich freute mich wie Bolle. Fachlich gute Arbeit machen, ist das Eine. Gleichzeitig erlebe ich, dass das Andere genauso wichtig ist: Sagen, was man tut. Tun, was man sagt. Zügig antworten, flexibel auf Anforderungen reagieren, verbindlich sein. Ich finde auch, dass das selbstverständlich ist. Mit einem Dienstleister, der nicht zuverlässig ist, mag man schließlich nicht zusammenarbeiten.


Gelesen | Midnight Trains: Das Comeback der Luxus-Schlafwagen | Warme Arktis, mehr Hitzewellen, aber auch mehr Kälteeinbrüche: Wenn der Jetstream einrastet

Paketshop. Anschwimmen. Auswilderung. Parkettstatus.

11. 06. 2021  •  11 Kommentare

Im Paketshop | Der Paketshop eines gelb-roten Paketdienst. Im Schaufenster steht ein Berg an Nippes: Buddelschiffe, Wackeldackel, Hamster mit LED-Augen und eine beträchtliche Menge Aschenbecher von ausgesucht schlechtem Geschmack. Der ganze Laden ist vollgestopft mit Firlefanz – außerdem voller Zeitschriften, einem Lottostand und Tabakwaren. Alles ist verraucht. Man ist, so scheint es, sich selbst der beste Kunde.

Vor dem Laden hat sich eine kleine Schlange gebildet, draußen. Es dürfen immer nur zwei Menschen rein, es sei denn, sie gehören irgendwie zusammen. Dann gehen auch drei, und die Kriterien, wer zusammengehört, sind volatil. Zwei Menschen, die deutlich nicht zusammengehören, stehen vor mir. Ich habe also Zeit, die Auslagen intensiv zu betrachten.

Neben dem Hamster glotzt mich Eule an. Daneben steht eine Harley aus Holz. Darüber ein Schild, Vintage-Optik: „Frauen arbeiten niemals so hart wie Männer – denn sie schaffen alles beim ersten Mal.“ Durch die Dekoration hindurch ist zu sehen: Vor dem Paketschalter gestikulieren ein Mann und eine Frau neben einem Trumm von Paket. Es ist brusthoch und wird zusammengehalten von großen Mengen Klebeband. Am Lottostand steht derweil eine alte Frau und macht Kreuzchen. Nach einiger Diskussion – ausufernde Gesten, abwenden, zuwenden, neue Gesten – verlässt das Paar den Laden, leise schimpfend, aber das Paket bleibt da. Die Paketfrau schleift es in die Hinterstube. Man kann ihr Grummeln nicht hören, aber es erahnen.

Danach geht erst der eine Kunde den Laden, dann der zweite. Die alte Frau macht derweil weiter Kreuzchen. Als ich den Laden betrete, ist sie fertig und tritt an den Lotto-Abgabestand. Die Verkäuferin macht eine Geste zu mir, die sagt: Geduld, bitte, das dauert jetzt. Ihre Geduld ist nach dem Trumm schon erschöpft, das sieht man ihr an. Es ist erst 9 Uhr.

Die alte Frau hält mit zitternden Händen ihren Lottoschein hin. „Ist der für Samstag?“, fragt sie.
„Für Samstag“, sagt die Verkäuferin. „Aber sie kommen doch sicherlich erst Freitag wieder, oder? Soll der Schein dann auch am Mittwoch gültig sein?“
„Ja, dann auch Mittwoch“, erwidert die Frau.
„Also Samstag und Mittwoch.“
„Samstag.“
„Und Mittwoch.“
„Ich komme erst in einer Woche wieder.“
„Wie immer, Frau Stellmaier*.“
„Ist der Schein dann auch für morgen?“
„Für Samstag und Mittwoch.“
„Ach, stimmt. Morgen ist ja Samstag.“
„Genau, morgen ist Samstag. Und am Mittwoch haben sie dann auch Lotto. Und am Freitag kommen Sie wieder.“
„Ich komme immer freitags.“

Dann nennt die Verkäuferin den Preis, und mir wird kurz schwindelig. Frau Stellmaier spielt für 56 Euro Lotto. Langsam nestelt sie Scheine aus ihrem Portemonnaie.

„Freitags mache ich immer meinen Rundgang“, sagt sie.
„Freitags sind Sie immer hier“, antwortet die Verkäuferin.
„Warten Sie“, sagt Frau Stellmaier und geht zum Zeitschriftenregal. Sie steht sehr lange davor, nimmt Zeitschriften heraus und steckt sie wieder hinein. Dann kommt sie zurück und legt eine auf die Theke.

Die Verkäuferin sagt: „Die Frau im Leben ist daneben. Das ist die Preiswert kochen.“
„Ach so“, sagt Frau Stellmaier. Sie zieht noch einmal los, schiebt die Preiswert kochen zurück ins Regal und zieht die Frau im Leben heraus.

„Können Sie die rollen?“, fragt sie.
„Natürlich, Frau Stellmaier. Wie immer.“ Die Verkäuferin rollt die Zeitschrift und lässt das Gummiband schnacken. Ich mache ich bereit für meinen Einsatz, den gleich bin ich dran, und lupfe meine Retoure. Aber Frau Stellmaier hat noch ein Anliegen.

„Haben Sie so … so …“, sie formt mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis, „… für den Kühlschrank?“ Sie sieht mich an. „Junge Frau, Sie wissen doch, was ich meine!“
„Magneten“, sage ich.
„Magneten!“ sagt Frau Stellmaier zur Verkäuferin.

Die Verkäuferin deutet auf eine Fläche neben der Eingangstür. Frau Stellmaier geht hin, sehr langsam. Als sie ankommt, sagt sie mit tiefer Inbrunst: „Mein Gott, sind die hässlich. Wer kauft sowas?“ Ich fühle plötzlich große Sympathie.


Verspätung | Die Pfingstrose ist jetzt auch am Start.

Üppige Pfingstrose im Garten, Morgensonne

In Hamburg sitzt Herr Buddenbohm im Garten. Ich mag das ja auch sehr, einfach sitzen, die Blumen und die Vögel beobachten. Wenn erst die Hummeln den Lavendel füllen, auf den wippenden Zweigen landen und taumelnd von Blüte zu Blüte fliegen, gibt es endgültig keinen schöneren Ort mehr.


Auswilderung | Der Mann schlug vor, am Wochenende Außengastronomie aufzusuchen – genau so, wie man das damals machte, als keine Pandemie war. Wir waren allerdings noch nie in einem Restaurant. Abgesehen von einem unserer ersten Dates, damals, als wir uns noch nicht kannten. Ich bin etwas ratlos, was ich anziehen soll. Wahrscheinlich muss ich mir einen Zettel schreiben, damit ich nichts vergesse: Jacke, Geldbörse, Handtasche, BH … ich kenne mich nicht mehr aus. Die Sache wird immerhin dadurch erleichtert, dass ich nichts anzuziehen habe, also aktuell. All meine Kleidung ist in Kisten verpackt und der Kleiderschrank ist abgebaut, weil ja der Parkettmann da ist. Ich habe nur ein paar T-Shirts rausgelegt. Also wird es doch ganz einfach.


A propos Parkett | Ich schlafe, lebe und arbeite derzeit in der Küche. Wenn ich recht darüber nachdenke, brauche ich die anderen Räume eigentlich nicht, geht auch so. Nun gut, die Arbeitshaltung auf dem Küchenhocker wird von keiner Arbeitsstättenverordnung gedeckt, und das Küchensofa ist eher schmal. Aber eigentlich ist es ganz gemütlich. Wenn ich von meinem Sofa aufstehe, bin ich in zwei Schritten am Herd zum Kaffeemachen und in drei Schritten am Kühlschrank. Das ist nicht das Schlechteste.

Status #neuesArbeitszimmer: Der Boden ist gespachtelt, von den alten Fliesen ist nichts mehr zu sehen. Soeben legt der Parkettleger das Parkett.

Danach kommt das Schlafzimmer dran. Das Wohnzimmer ist abgeschliffen und bereits das erste Mal geölt. Ich freue mich wie Bolle auf alles.


Leibesübungen | In den vergangenen Tagen war ich zweimal Radfahren, jeweils längere Abendrunden. Und anschwimmen! Das Elsebad in Schwerte hat im Gegensatz zu den Dortmunder Bädern schon geöffnet. Herrje, die 1.500 Meter haben mir erstmal gereicht. Ich kam in keinen Rhythmus. Nach neun Monaten brauche ich erstmal wieder Wassergewöhnung.


Gelesen | Die Welt hat heute etwas zu bietenAbi während Corona: Warum ich so wütend binRekordhitze im Mittleren Osten: bis zu 51 Grad in Abadan.

Ein fast greifbarer Eindruck von Geschmeidigkeit

7. 06. 2021  •  8 Kommentare

Eine Kuhle in der Matratze | Letztens berichtete ich, dass ich eine Kuhle in der Matratze habe und dass der Wunsch nach einer neuen Matratze eine Prozesskette ausgelöst hat: Die neue Matratze bringt ein neues Bett mit sich. Das neue Bett führt zu neuem Parkett unter dem Bett. Die Anwesenheit des Parkettlegers führt auch in anderen Räumen zu Parkettarbeiten, denn wenn er schon einmal da ist … Und wenn die Räume schonmal leer ist, kann man sie auch gleich streichen. Für all das müssen natürlich die Möbel raus. Und als die Möbel am Donnerstag erstmal raus waren, kamen mir ganz neue Ideen.

Allzuvorderst bekommt meine Wohnung nun ein eigenes Arbeitszimmer. Mein Arbeitsbereich war bis jetzt in einer geräumigen Nische im Wohnzimmer, optisch abgetrennt, aber dennoch offen. #Dieaktuelle Situation, also das ausschließliche Arbeiten von daheim, und meine Vermutung, dass ein Teil meiner Präsenz-Arbeit auch in Zukunft remote stattfinden wird, motiviert mich dazu, mir ein besseres Arbeitsumfeld im Homeoffice zu schaffen. Das Arbeiten bekommt in meiner Wohnung also ein eigenes Zimmer, dessen Tür ich schließen kann, wenn ich Feierabend habe. Es bekommt außerdem professionelle Büromöbel aus dem Fachhandel, optimales Licht (EN12464-1 blendfrei und 500 Lux Beleuchtungsstärke auf dem Tisch) und ein Whiteboard an der Wand.

Aber vorher, schon klar, streiche ich die Wände.

Mit Entscheidungen ist es bei mir so: Schwerwiegende Entscheidungen reifen lange, aber wenn ich mich dann entschieden habe, ziehe ich sie durch. Bei banalen Entscheidungen ist mir vieles egal, inbesondere wenn es sich um sich wiederholende Ereignisse handelt: Wenn der Weg nicht gut war, nimmt man beim nächsten Mal einfach einen anderen (nur um festzustellen, dass er auch nicht besser ist, aber das ist ein anderes Thema). Dann gibt es noch die Entscheidungen, die banal daherkommen, aber das emotionale Gewicht des Unumkehrbaren, nicht wieder gut zu Machenden mit sich bringen. Dazu gehört Wandfarbe.

Einige meiner Wände sollen eine andere Farbe haben als Weiß. Ich hatte ein Gefühl dafür, welche Farben das sein könnten – bis zu dem Zeitpunkt, als ich im Baumarkt vor zehn Regalmetern mit Töpfen und Tiegelchen stand. Wie ein hospitalisierter Braunbär tigerte ich zwischen poudre und pearl, bamboo und lagune, cashmere und riviera hin und her, wild schwankend zwischen einem tatkräftigen Entschluss und reiflicher Abwägung. Poudre! Nein, das sieht, einmal aufgetragen, aus wie geplatzte Brühwurst. Hortensie! Eine Farbe wie Omas Büstenhalter. Denim! Ist das nicht zu dunkel? Cream – ein Farbton wie eine angegegilbte Rauchergardine. Es fühlte sich an, als hätte ich zehn Seile zur Auswahl, an denen ich ziehen sollte – und an jedem zweiten Seil hing ein Hundewelpe, den ich mit einem falschen Entschluss erdrosselte.

Nicht nur die Laune meines Gefährten, auch meine eigene wurde zusehends brüchig. Bevor die Szene jedoch in die spaßbefreite Dramatik eines ARD-Problemfilms umschlagen konnte, entdeckten wir ein Regal voller Poesie. Der Baumarktbesuch vollführte eine rasante Wende ins Lorioteske.

Seite an Seite standen Melancholisches Mittelgrau, Würdevolles Hellgrau und Stilles Graublau – mit ihren Künstlernamen Nebel im November, Poesie der Stille und Ruhe des Nordens. Auf der Rückseite der Töpfe eine wortreiche Beschreibung der Farbpersönlichkeiten: So bringt das Melancholische Mittelgrau trotz seiner „klassischen, eher nüchternen Art weiche Behaglichkeit“. Die „ausgewogene Nuance“ gibt sich „still und stark zugleich“. Das Würdevolle Hellgrau hingegen ist eine Farbe der „subtilen Eleganz, die nicht um Aufmerksamkeit buhlt – aber die ganz bestimmt gesehen wird“. Man kann sie sich vorstellen, die Texterin, wie sie, nach dem sechsten Korrekturdurchgang durch den Kunden und frustriert von seinen überhöhten Erwartungen an die Rückseite eines Farbtopfes, einen kräftigen Schluck Rotwein kippt und murmelt: „Könnt ihr haben. Könnt ihr alles haben!“

Ich entschied mich für die Ruhe des Nordens, ein Stilles Graublau: „auf den ersten Blick zurückhaltend mit einem Hauch Melancholie, auf den zweiten sehr vielschichtig und elegant.“

Außerden wählte ich Zartes Sandbeige, das „mit einem fast greifbaren Eindruck von Geschmeidigkeit fasziniert“. Fast greifbare Geschmeidigkeit – quasi wie ich!


Eine Anfrage | Wie zur Bestätigung meiner Renovierungstätigkeiten bekam ich dieser Tage eine Anfrage aus Sachsen, ob ich remote Webinar-Workshops und Begleitung anbieten könnte. Ich freue mich sehr über die Anfrage und hoffe, dass wir zusammenkommen.


Die Wochenenden in Bildern | Ein Rückblick auf die vergangenen beiden Wochenende: Fahrrad fahren, schlafender Bonushund, mit Freunden auf der Terrasse grillen, blühender Mohn, gut gelaunte Schweine, wieder Fahrrad fahren.


Käte | Die Druckfahnen sind da! Das erste Mal halte ich mein Buch in den Händen, wenn auch nur als Zettelsammlung.

Die Arbeit ist übersichtlich: Hier und da muss ich eine Zeile kürzen, damit der Text gut über die Seiten läuft.


Gelesen | Ein gelungenes Abwägen des Für und Wider: Kinderfotos und Kindervideos im Netz | Ein informatives Interview mit Virologe Christian Drosten: Herr Drosten, woher kam dieses Virus?

Gesehen | Eine sehenswerte Dreiviertelstunde über das Ruhrgebiet: Ruhrpott – Revier im Umbruch



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