Nebensächlichkeiten | Mein letzter Blogbeitrag sorgte für erstaunlich viel Resonanz, obwohl sowohl der Informations- als auch der intellektuelle Wert ausgesprochen gering war. Die kleinen Dinge meines Lebens scheinen Sie im großen Stil zu interessieren.
Deshalb hier nun die Nebensächlichkeiten der vergangenen Tage:
- Das Schrottwichtelproblem löste sich. Der Reiseleiter stieg auf seinen Dachboden und fischte mit einem Handgriff ein Schmuckstück hervor: Spachteltechnik auf Leinwand – ein Bilderdreiklang. Das Ensemble wird sein zweites Leben in Heidelberg finden. Im Gegenzug erwichtelte ich eine Dose von ausgesuchter Hässlichkeit. Bei den Kindern könnte sie allerdings Anklang finden könnte. Ich werde das Objekt kommentarlos auf dem Küchentisch platzieren, gefüllt mit einer Verlockung.
- Ich war nicht draußen, nicht nennenswert, aber ich war im Fitnessstudio. Immerhin Bewegung also. Crosstrainer, es war mühsam. Kraftübungen – die gingen besser. Sie sorgen dafür, dass in meinem Körper alles beieinander bleibt, vor allem die Wirbel. Wenn ich dieser Tage ins Fitnessstudio gehe, sehe ich dort viele alte Männer; ich nehme an, dass dieser Umstand an meinen azyklischen Besuchszeiten liegt, die sich mit dem Training der Rentner decken. Mir fiel jedenfalls auf, dass diese alten Männer auffällig oft Leinenbeutel über die Trainingsfläche tragen – wobei unklar ist, was sich darin befindet. Vielleicht nehme ich demnächst auch einfach mal einen Leinenbeutel mit an die Geräte, gehe auf einen der Herrn zu und sage: „Schauen Sie mal, wir haben fast denselben Leinenbeutel. Was ist denn in Ihrem?!“
- Vor einigen Tagen kaufte ich einen Weihnachtsstern. Es geht ihm bereits sehr schlecht. Er verliert alle Blätter. Ich bin ein Todesgarant für Weihnachtssterne. (Bitte keine Gieß-, Licht-, Wäme- und Nicht-Gieß-Tipps. Ich habe mich ausführlich belesen, es ändert nichts.)
- Ich war in der Innenstadt und auf dem Weihnachtsmarkt. Es war alles gechillt: breite Gänge, Maskenpflicht, nur die Hälfte der Buden, das Ordnungsamt ging rum, alle Leute waren freundlich und entspannt. Ich legte eine Wahnsinns-Weihnachtsgeschenkeinkaufsperformance hin und kaufte 70 Prozent meiner Weihnachtsgeschenke innert zwei Stunden.
- In die Stadt fuhr ich mit der U-Bahn. Zum Ticketkauf benutzte ich die neue mobil.nrw-App. Am Startpunkt klickte ich auf „Check in“, am Endpunkt auf „Check out“, ich musste mich nicht um Zonen, Tarife, Waben oder sonstwas kümmern und bezahlte nur die Luftlinie zwischen Start und Ziel. Funktionierte einwandfrei. Ich bin aus dem Häuschen.
- Erzählte man die Pandemie aus der Perspektive meines Bügeleisens, wäre sie eine lange Phase der Unterforderung, des Nichtbeachtetwerdens und der Selbstzweifel. Vor mehr als eineinhalb Jahren kam sein Leben plötzlich zum Stillstand, ohne Ankündigung, ohne Erklärung und ohne das Bewusstsein, einen Fehler gemacht zu haben. Im Herbst erfolgte endlich die Wiedereingliederung: Blusen und Stoffhosen mussten wieder ausgehfein sein für den Präsenzbetrieb. Jetzt erneut Nichtstun, das Gefühl des Nichtgebrauchtwerden, bittere Enttäuschung.
- Heute früh fuhr ich Kleidung zur Sachspendenannahme der Caritas in Dortmund-Eving. Von mir aus sind das 15 Kilometer. Es war unglaublich viel Verkehr. Überall staute es sich. Ich brauchte fast 40 Minuten. Seit Beginn #der aktuellenSituation bin ich zu 90 Prozent meiner Zeit im Homeoffice – und wenn ich fahre, dann meide ich weitgehend die Stoßzeiten, weil ich die Freiheit dazu habe. Wenn ich dann doch mal zur Rush Hour unterwegs bin (wie heute Morgen), trifft es mich wie einen Schlag, und ich denke: Wie sollen wir das nur hinkriegen? Wie sollen wir diesen Verkehrsinfarkt jemals überwinden?
Arbeitszimmer | Mein Arbeitszimmer ist fertig.
Ich bin sehr glücklich und freue mich jeden Morgen aufs Arbeiten dort. Ich freue mich über alles: über die Tageslichtlampe und den Eckschreibtisch, über das Whiteboard und das Maßregal, über den Blick auf die Vogelfutterstation, über meinen neuen Monitor, über den Laptop-Stand und das neue Parkett.
Die Evolution:
Auch schön: Wenn ich keine Lust mehr habe, mache ich einfach die Tür zu, und die Arbeit ist weg.
Gelesen | Friedrich Merz: Der Sauerländer an sich [€]
Die Wälder sind düster und verwunschen, die Täler nass und tief, die Straßen im Winter unpassierbar. Sauerländer, sagt man, sind sentimentale Eichen; umgeben von Eremitenhöhlen und Kapuzinerklöstern leben die gutartigen Dickköppe in Hutzelhütten aus Fachwerk und Lehm. […] Das Sauerland ist die CDU als Natur – und das Habitat des berühmten Wirtschaftsexperten Joachim-Friedrich Martin Josef Merz aus Brilon, der nun zum dritten Mal Anlauf nimmt, um Vorsitzender der Christdemokratischen Partei Deutschlands zu werden.
Weiter:
Sauerländer kämpfen zuweilen gegen den grundlosen metropolitanen Verdacht, sie trügen die naturtrübe geistige Provinz im Herzen und müssten erst noch lernen, unfallfrei mit Messer und Gabel zu essen. Merz weiß das, und so setzt er sich als doppelter Friedrich in Szene, als Mann von Welt und als Mann vom Volk. Dieser kennt sowohl die Heimat als auch die Fremde, er kennt Arnsberg und Amerika, Blaubeeren und BlackRock, den Vermögensverwalter, bei dem Merz den Aufsichtsrat der deutschen Tochter anführte. Heute stiefelt der Weltbürger mit seiner Frau für eine bunte Homestory durch Altenhellefeld. Morgen rennt er mit den top dogs der Wirtschaftswissenschaft um die Wette.
Gelesen | Die alternde Frau
Kommentare
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Erklärungsversuch Leinenbeutel: Das haben die Herren in der Reha gelernt, in der man eine Tasche braucht, in der man sein Zeug (Trainingsplan, Reha-Buch zum Abzeichnenlassen, etc.) immer bei sich hat. Viele Reha-Kliniken teilen dafür Leinenbeutel aus. Nach der Reha machen sie brav weiter Sport, und das geht nur noch mit Leinenbeutel.
Christsterne: Same here!
Gefundene abgebrochene Ästchen, quasi als „Schnittblumen“ in der Vase, halten sich zu meiner Verblüffung bereits seit über zwei Wochen …
Alternde Frauen: Ich stimme zu.
Bei Luisa Francia – von Magie und so mag man denken, was man will – habe ich für mich zu diesem Thema viel Kluges und Erhellendes gefunden.