Heute las ich einen Tweet.
Dazu aus der bekannten und unterschätzten Abteilung „Geschriebene, aber liegen gelassene Blogartikel“, Sommer 2011:
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Statusmeldung
Beruf: gut. Körper: fit. Karma: keins. Gefühle: für’n Arsch.
Da mache ich nun alles, um drüber hinwegzukommen. Treibe Sport. Renne durch den Park wie ’ne Blöde. Inzwischen eine Stunde lang. Nur die Fünf-Kilometer-Runde? Zu kurz. Besser sechs, sieben, acht. Ich bin keine Läuferin, war nie eine. Eine Stunde laufen, das ist mein Gipfel der Fitness.
Ich fahre Rad. Habe meine Durchschnittsgeschwindigkeit zur Arbeit von 18 auf 21 km/h gesteigert. Fahre beide Berge in hohen Gängen. Zeit: 23 Minuten. Vier Minuten schneller als im Frühjahr. Verrückt.
Wenn ich nicht Rad fahre oder laufe, renne ich durch die Halle. Spurt zur Pilone, rückwärts zurück, seitwärts, vor. Oder springe Seil. Die Trainerin sagte neulich: „Was ist mit deinen Waden passiert?“ Das Gleiche, was mit meinen Armen passiert ist. Oder mit meinem Ruhepuls. Beim Blutspenden dachten sie, ich sei tot.
Wozu das alles? Glückshormone. Ich warte auf Glückshormone. Sport soll ja gut sein. Für Herzkreislauf und diese ganzen Dinge. Und fürs Befinden. Gegen Schwermut. Stimmt aber nicht. Fühle mich innen genauso schlecht wie im Januar, sehe von außen nur besser aus.
Überhaupt, außen. Ich gehe viel raus. Unter Leute. Sagt man: soll man. Ist gut, lenkt ab, hebt die Stimmung.
Ich schreibe lustige Geschichten. Wer will sich schließlich Geseiere anhören. Außerdem: Wenn man traurig schreibt, wird man traurig. Aus fröhlich schreiben folgt fröhlich sein.
Nun ja.
Einen Versuch war’s wert.
Die Zurückweisung nach so viel Vertrauen. Das war wie ein Tsunami. Zack, die Welle, alles weg. Ich stehe da, blicke auf die Trümmer und den Schlamm und denke: Das kann doch nicht sein.
Dazu die Stille. Schweigen. Statt Antworten. Das ist die eigentliche Verletzung. Anrufen? Traue ich mich nicht. Weggedrückt werden oder den Widerwillen, diese Abneigung in der Stimme hören, die sich einzig und allein gegen mich richtet, gegen das, was ich bin, wer ich bin – allein die Vorstellung ist Schmerz. So. Sehr. Großer. Schmerz.
Ich versuche, wütend zu sein, weil ich gelesen habe: Wut ist gut, dann kommt alles raus. Erst Nicht-Begreifen. Dann Wut. Dann wird alles gut.
Haha.
Schnapsidee.
Denn: Geht nicht.
Im Kopf – ja. Da habe ich alles klar, dort kann ich das. Im Kopf produziere ich gute, vorbildliche Wut; künstliche, synthetisch nach Polyester riechende, sich dramatisch an sich selbst abarbeitende Denkwut mit dekorativem Dramatikschleifchen.
Die ich mir nicht glaube. Weil: Das Herz, die dumme Sau, schnallt das nicht. Kriegt nichts mit. NICHTS! Und nichts auf die Kette. Verpasst jeden vermaledeiten, jeden VERFICKTEN Einsatz.
Okay, sag‘ ich mir.
Was soll’s, sag‘ ich mir.
Jeder lernt in seinem Tempo.
Wer’s nicht kapiert, kriegt eben Nachhilfe.
Förderunterricht für Gefühle.
Ich sage dem Herzen, lasse ihm ausrichten: Ist shit-egal, du scheiß Herz. Mach, wie du meinst. Ich mache trotzdem weiter.
Weiter laufen.
Weiter unter Leute gehen.
Dann lernst du das schon. Dann geht das weg. Das merkst du gar nicht, du kleines Arschloch. Irgendwann werde ich morgens aufwachen, mich strecken und mir denken: Krass, ich hab‘ gestern beim Einschlafen gar nicht geheult. Und überhaupt: Ich fühle mich schon seit dem Mittag fast normal. Seit fetten 20 Stunden.
So werde ich aufwachen. Irgendwann.
Wie geht das? Wie kann das? Man kann Gefühle doch nicht dressieren.
Aber natürlich: Ich muss das akzeptieren.
Es ist mein Ding, damit klarzukommen.
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