Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Heute las ich einen Tweet.

Tweet: Wenn die Zeit alle Wunden heilt und sich dabei auch noch beeilt, dann ist alles gut.

 

Dazu aus der bekannten und unterschätzten Abteilung „Geschriebene, aber liegen gelassene Blogartikel“, Sommer 2011:

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Statusmeldung

Beruf: gut. Körper: fit. Karma: keins. Gefühle: für’n Arsch.

Da mache ich nun alles, um drüber hinwegzukommen. Treibe Sport. Renne durch den Park wie ’ne Blöde. Inzwischen eine Stunde lang. Nur die Fünf-Kilometer-Runde? Zu kurz. Besser sechs, sieben, acht. Ich bin keine Läuferin, war nie eine. Eine Stunde laufen, das ist mein Gipfel der Fitness.

Ich fahre Rad. Habe meine Durchschnittsgeschwindigkeit zur Arbeit von 18 auf 21 km/h gesteigert. Fahre beide Berge in hohen Gängen. Zeit: 23 Minuten. Vier Minuten schneller als im Frühjahr. Verrückt.

Wenn ich nicht Rad fahre oder laufe, renne ich durch die Halle. Spurt zur Pilone, rückwärts zurück, seitwärts, vor. Oder springe Seil. Die Trainerin sagte neulich: „Was ist mit deinen Waden passiert?“ Das Gleiche, was mit meinen Armen passiert ist. Oder mit meinem Ruhepuls. Beim Blutspenden dachten sie, ich sei tot.

Wozu das alles? Glückshormone. Ich warte auf Glückshormone. Sport soll ja gut sein. Für Herzkreislauf und diese ganzen Dinge. Und fürs Befinden. Gegen Schwermut. Stimmt aber nicht. Fühle mich innen genauso schlecht wie im Januar, sehe von außen nur besser aus.

Überhaupt, außen. Ich gehe viel raus. Unter Leute. Sagt man: soll man. Ist gut, lenkt ab, hebt die Stimmung.

Ich schreibe lustige Geschichten. Wer will sich schließlich Geseiere anhören. Außerdem: Wenn man traurig schreibt, wird man traurig. Aus fröhlich schreiben folgt fröhlich sein.

Nun ja.
Einen Versuch war’s wert.

Die Zurückweisung nach so viel Vertrauen. Das war wie ein Tsunami. Zack, die Welle, alles weg. Ich stehe da, blicke auf die Trümmer und den Schlamm und denke: Das kann doch nicht sein.

Dazu die Stille. Schweigen. Statt Antworten. Das ist die eigentliche Verletzung. Anrufen? Traue ich mich nicht. Weggedrückt werden oder den Widerwillen, diese Abneigung in der Stimme hören, die sich einzig und allein gegen mich richtet, gegen das, was ich bin, wer ich bin – allein die Vorstellung ist Schmerz. So. Sehr. Großer. Schmerz.

Ich versuche, wütend zu sein, weil ich gelesen habe: Wut ist gut, dann kommt alles raus. Erst Nicht-Begreifen. Dann Wut. Dann wird alles gut.

Haha.
Schnapsidee.
Denn: Geht nicht.

Im Kopf – ja. Da habe ich alles klar, dort kann ich das. Im Kopf produziere ich gute, vorbildliche Wut; künstliche, synthetisch nach Polyester riechende, sich dramatisch an sich selbst abarbeitende Denkwut mit dekorativem Dramatikschleifchen.

Die ich mir nicht glaube. Weil: Das Herz, die dumme Sau, schnallt das nicht. Kriegt nichts mit. NICHTS! Und nichts auf die Kette. Verpasst jeden vermaledeiten, jeden VERFICKTEN Einsatz.

Okay, sag‘ ich mir.
Was soll’s, sag‘ ich mir.

Jeder lernt in seinem Tempo.
Wer’s nicht kapiert, kriegt eben Nachhilfe.
Förderunterricht für Gefühle.

Ich sage dem Herzen, lasse ihm ausrichten: Ist shit-egal, du scheiß Herz. Mach, wie du meinst. Ich mache trotzdem weiter.

Weiter laufen.
Weiter unter Leute gehen.

Dann lernst du das schon. Dann geht das weg. Das merkst du gar nicht, du kleines Arschloch. Irgendwann werde ich morgens aufwachen, mich strecken und mir denken: Krass, ich hab‘ gestern beim Einschlafen gar nicht geheult. Und überhaupt: Ich fühle mich schon seit dem Mittag fast normal. Seit fetten 20 Stunden.

So werde ich aufwachen. Irgendwann.

Wie geht das? Wie kann das? Man kann Gefühle doch nicht dressieren.

Aber natürlich: Ich muss das akzeptieren.
Es ist mein Ding, damit klarzukommen.

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Reply: Sie heilt sie, aber beeilt sich nicht.

 

Aktiv turnen
Am Montagmorgen ist im Fitnessstudio „Wünsch dir was“: Alle Cardio-Geräte sind frei, alle Kraftgeräte sind frei. Nur im Entrée sitzt eine Gruppe von Rentnern, schwatzt und trinkt Kaffee. Fühlte mich in guter Gesellschaft.

Bloggerwertschätzung
Post von der Verlagsgruppe Random House bekommen. Habe mich auf deren Bloggerportal registriert. Eine durchdachte Sache. Das macht Spaß.

Frühlingshimmel

Blauer Märzhimmel mit Kondensstreifen

Gärtnerinnenblog
Reger Betrieb auf der Außenterrasse. Pia und ich haben bereits Tomaten eingesät. Unsere beiden Gartennerds polieren ihre Raspberry Pis.

Kleider
Zwei neue Kleider bestellt. Mein Leben pendelt zunehmend zwischen Kleid und Hoodie.

Krokusse
Ein <3 für den aufblühenden Garten.

Krokusse

Lesevergnügen
Auf dem Balkon gesessen und, in eine Decke eingerollt, ein ganzes Stück in Knausgards „Lieben“ gelesen. Bin hin- und hergerissen. Einerseits ist das Buch ungeheuer ehrlich. Andererseits unendlich selbstverliebt. Manchmal zäh. Dann wieder liest es sich geschmeidig weg.

Knausgard: Lieben (mit Balkonpanorama)

Ernst Osterkamp rezensiert „Lieben“ in der FAZ:

[…] sein Autor liebt es, den wilden Mann zu spielen, und ist doch – ich kann es leider nicht anders sagen – irgendwie total süß. 

Ich empfinde den Autor und Ich-Erzähler als alles mögliche, aber ganz sicher nicht als „total süß“. Als „wilden Mann“ im Übrigen auch nicht. Seltsam, diese unterschiedliche Wahrnehmung.

Minna
Mit jemandem gesprochen, der jemanden kennt, der bei Miele arbeitet. Ein Loblied auf meine Waschmaschine gehört. Vor Freude zwei Maschinen Wäsche gewaschen.

Passiv turnen
Den Handballhühnern beim Siegen zugesehen. Das Zuschauen war ähnlich, wie den Knausgard zu lesen: manchmal geschmeidig, bisweilen zäh. Aber man kann halt nicht immer fürs Auge spielen. Außerdem: Sieg ist Sieg. (Yeah!)

Recycling
Einen fetten Schwung gelesener Bücher in den Bodo-Laden gebracht – und drei neue mitgenommen.

Rouladen
Erstmals Rouladen – oder wie der Sauerländer sagt: Roll-Laden – und Rotkohl von Grund auf selbst gekocht. Insbesondere der Rotkohl – mit Nelken, Lorbeerblättern, Wacholderbeeren und Johannisbeergelee – ist gut gelungen. Werde ich wiederholen.

Spazieren
Spazieren gehen ist ein Konzept, mit dem ich nicht warm werde. Habe das jetzt trotzdem wieder gemacht. War okay.

Vergangenheitsbetrachtung
Aus Gründen die Fotoalben der 90er durchgeschaut. Festgestellt, dass ich wenig schlimme Klamotten trug, niemals eine Dauerwelle hatte und insgesamt sehr normal ausschaute. Bemerkt, dass mein damaliges Selbstbild maximal weit von der Realität entfernt war: Rückblickend war ich wohl doch ein ganz hübsches Mädel.

Waffel
Wochenendwaffel mit Vanille-Eis. Solides 8,5er-Niveau auf der zehnstufigen, nessyschen Waffelskala.

Waffel mit Puderzucker und einem Glas frischer Minze

Das schöne Café im Kreuzviertel hat ab sofort wieder frische, kalte Minze – weil es Frühling wird. Große Freude.

Wein
Der 2007er Tempranillo y más aus dem Barranco Oscuro ist angekommen. Wahrer Luxus. Werde ihn mir an meinem Geburtstag gönnen.

Seit eineinhalb Jahren habe ich nun meine neue Küche. Ich freue mich jeden Tag über sie.

Am Herd war eine Sache jedoch unpraktisch: Salz und Zucker waren zu weit weg. Manchmal, besonders wenn ich für mehrere Leute koche, brauche ich eine dicke Prise Salz: hingreifen, reinstreuen, wieder wegstellen. Oder Zucker. Manchmal auch Mehl.

Dafür habe ich jetzt Küchenschütten:

Küchenschütten

Man attestiert mir, dass die Bewegung lässig-professionell aussehe.

Was bisher geschah:

Die Erde benötigt eine Schaltsekunde. Das Zentralbüro für Erdrotation kümmert sich darum. Alle Länder der Erde machen mit, nur nicht Jong-Un, Diktator. Professorin O. Mega und ihr Assistent Euler bemühen sich um eine Lösung. Olga schaltet Doc Emmett Brown ein; doch nicht nur Gravitone, auch Hormone verbinden die beiden.

Cliffhanger:

Reifenquietschen dringt durch das geöffnete Fenster. Ein Scheppern. Dann ein Zischen. Ein Stöhnen. Und Stille.

Folge 3: Das Ende von Plan A ist der Beginn von Plan B

Olga stürzt aus der Tür. Euler rennt hinterdrein, die Arme wild auf der zweidimensionalen Bewegungsebene schwenkend.

Im Hof steht, die Motorhaube unter Mülltonnen, ein DeLorean. Aus dem Motorraum quillt Qualm. Zischend klappt die Fahrertür nach oben, und ein derangierter, grauhaariger Mann kippt aufs Pflaster.
„Emmett!“, ruft Olga und stürzt zu dem Alten.

Euler bremst ab und ordnet seine Arme. Mit flackerndem Blick schaut er auf die qualmende Motorhaube. Leise beginnt er, „Oxidation, Oxidation“ zu murmeln, während er geistesabwesend vor dem Auto auf und ab läuft.

„Der Feuerlöscher, Euler!“, befiehlt Olga und wedelt mit dem Arm in Richtung Labor. „Holen Sie den Feuerlöscher!“
„Oh … ah … Ammoniumdi … dihydrogenphosphat“, stammelt Euler, rauft sich die Haare und ergänzt vorsichtshalber nochmal: „Oxidation, Oxidation“. Wie immer in Stresssituationen bewegt er sich, anstatt einzugreifen, nur exakt parallel zum Unfallgeschehen, um physische und seelische Inzidenzen zu vermeiden.
„Euler!“, sagt Olga scharf und atmet tief durch. Inzwischen sitzt sie auf der Erde und tätschelt Emmett neues Leben ins Gesicht. „Euler! Sind Sie ein Mann oder eine Verhaltensstörung?! Was soll die Jaktation? Sie müssen löschen! Eine Antikatalyse muss her! Los!“

Euler versteht endlich, holt den Feuerlöscher und startet, „Inhibi! Inhibi! Inhibition!“ rufend, den Schaum. Der Qualm verebbt.

Gleichzeitig kommt Emmett zu sich. Er hustet, rollt mit den Augen, fixiert dann aber Olga mit festem Blick.
„Oh, Oxyto … Olga, meine Liebe.“
„Alles in Ordnung, Emmett? Was ist nur passiert?“
„Ich wollte …“ Vorsichtig richtet er sich auf. „Ich … Fluxkompensator. Zu Jong-Un.“
„Subjekt, Prädikat, Objekt, mein Lieber. Oder hast du deine Syntax in Sankt Moritz vergessen?“
Emmett lehnt sich mit dem Rücken gegen den DeLorean. „Ich wollte … den Fluxkompensator ausprobieren. Eine kleine Generalprobe. Wegen … Jong-Un. Damit er die Schaltsekunde … damit er sie überspringt und die Rotation … damit wir in der Zeit bleiben. Aber irgendwas …“ Er dreht sich um und blickt hinter sich in den Fahrerraum. „Himmelhergott. Da blinkt ja alles.“

Euler stellt den Löscher ab, beugt sich vor und schaut ins Cockpit des Wagens.
„Ölstand“, sagt er und beugt sich weiter hinein. „Und die kosmologische Konstante. Sie scheint .. nun ja … etwas metabolisch.“
„Blinkt die Lambda-Sonde?“
„Sie flackert.“
„Das ist kein gutes Zeichen.“
In dem Moment erlöschen die Lichter im Wagen. Ein vernehmliches Brummen ist zu hören. Dann ein Zischen. Ein kurzer Knack. Und Stille.

„Was war das?“, fragt Olga.
„Ich fürchte, meine Liebe, jetzt ist er endgültig im Eimer.“
„Wer?“
„Der Fluxkompensator. Und der DeLorean. Beides Schrott. Oder bin ich etwa im Juni 2015 in Nordkorea?“
„Du bist im März in der Richard-Strauss-Allee in Frankfurt am Main.“
„Eben. Wir sind geliefert, Olga.“ Er nimmt ihre Hand und schaut ihr tief in die Augen. „Aber wir haben immer noch uns.“
Euler zieht sich, peinlich berührt, hinter eine der Mülltonnen zurück.
„Was soll das heißen, Emmett?“, fragt Olga. Sie ist stocksauer. Warum müssen Kerle immer Alleingänge starten? „Guck bitte nochmal nach! Es gibt doch nichts, was man mit einer Rolle Panzertape nicht reparieren kann!“

Emmett lässt ihre Hand los und verschwindet im Wagen. Er hantiert, flucht und hantiert. Mehrmals hört Olga ein Piepen. Dann taucht Emmett wieder auf. „Mit Atomenergie würde es noch gehen.“
„Politisch unmöglich.“
„Tja. Dann brauchen wir wohl einen Plan B.“

Olga flucht.
Emmett nimmt erneut ihre Hand und küsst ihren Handrücken. „Hattest du“, er küsst ihre Fingerspitzen, „schon immer so streichelzarte Finger?“
„Nicht jetzt!“, faucht sie und zieht blitzschnell ihre Hand zurück. Hastig erhebt sie sich und streicht ihren Rock glatt. „Ich war davon ausgegangen, das unsere Idee wasserdicht ist.“
„In komplexen Systemen ist es unmöglich, Risiken völlig auszuschließen.“
„Lass das Geschwurbel, Emmett!“
„Das Leben wie auch die Liebe sind eben beides nichtlinear.“
„Sag mir lieber, wie wir Jong-Un nun die Sekunde unterjubeln.“

Euler tritt hinter der Mülltonne hervor. „Wie wäre es … also, nur als Idee … ich meine … Ihr Vater …“
Olgas Blick ist ein Laserschwert.
Emmett sagt: „Ich finde die Idee nicht schlecht.“
Olga wehrt ab: „Kommt nicht in Frage. Er ist ein alter Wirrkopf.“
„Hat er nicht diese Wer-was-wo-Maschine?“
„Die ist bestimmt kaputt.“
„Dann reparieren wir sie.“

Euler zückt seine ÖPNV-App. „Ich suche uns eine Busverbindung.“
„Kommt nicht in Frage!“, fährt Olga ihn an.
„Wir können“, sagt Euler, „um 13 Uhr 52 ab Stresemannallee fahren.“

Olga sieht hilfesuchend zu Emmett.
Doch der sagt: „Du musst eure Beziehung endlich aufarbeiten.“
Euler ergänzt: „Ich wollte ihn schon immer mal kennenlernen.“
„Olga“, sagt Emmett und küsst wieder ihre Hand. „Spring über deinen Schatten. Tu’s für die Weltzeit. Und für uns.“

Sie holt tief Luft. „Also gut.“
Emmett packt sie und drückt sie an sich. „Ein Ausflug aufs Land wird uns beiden gut tun.“
„Oh yeah!“ ruft Euler. „Auf zu Doktor Snuggles!“

#
Fortsetzung folgt.

Gelesen im Februar 2015:

Bücher im Februar 2015

Ceridwen Dovey. Der Koch, der Maler und der Barbier des Präsidenten
(Aus dem Englischen von Sabine Roth)
Ein nicht näher benanntes Land. Der Präsident wird gestürzt. Sein Koch, sein Maler und sein Barbier dienen ab sofort dem neuen Herrscher. Sie und ihre Frauen erzählen ihre Sicht der Dinge. Keiner von ihnen hat Namen, weshalb das Buch den Anspruch einer universellen Moral erhebt. Für mich war es kein Höhepunkt. Die Idee hat mich zwar anfangs gereizt, doch letzten Endes fehlte mir der Tiefgang, das Besondere.

Anne Holt. Schattenkind
(Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs)
Der kleine Sander ist tot. Er wurde acht Jahre alt. Polizeipsychologin Inger Johanne Vik kennt die Eltern. Sie geht auf Spurensuche. Schnell wird der Verdacht der Kindesmisshandlung laut. Doch die Spuren sind nicht eindeutig. Ein durchschnittliches Buch, ein vorhersehbarer Plot. Nichts Besonderes.

Charlotte Link. Die Stunde der Erben
Der dritte und letzte Band der Sturmzeit-Trilogie nach „Sturmzeit“ und „Wilde Lupinen“. Nicht ganz so stark wie der zweite Teil, aber dennoch durchweg prima. Die Handlung spielt im Deutschland der 1970er Jahre. Die Geschichte umfasst wieder das Leben mehrerer Mitglieder der Familie Lombard-Marty: Die Matriarchin Felicia ist alt, sie übergibt ihre Firma an ihre Enkelin Alexandra. Die jedoch hat ihre eigenen Probleme. Cousine Julia lebt in der DDR und versucht zu fliehen. Alexandras Bruder Chris lebt im Umfeld der Anti-Atom-Bewegung. Ein unterhaltsames Gesellschaftsportrait, keine hohe Literatur, aber dennoch ein Buch, das sich gut weglesen lässt.

Jo Nesbø. Leopard.
(Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob und Maike Dörries)
Harry Hole, Ermittler mit Alkohol- und Drogenproblem, entlaufener Familie und auch sonst maximal gebeuteltem Dasein, löst seinen achten Fall. Gesucht wird der Mörder dreier Frauen. Schnell wird die Gemeinsamkeit zwischen den dreien deutlich. Dann gibt es auch schon das nächste, bestialisch ermordete Opfer. Die ersten 300 Seiten sind prima, dann entwickelt die Geschichte deutliche Längen – 700 Seiten sind für einen Krimi einfach zu viel. Dazu die geschundene Ermittlerseele und unglaubwürdige Zufälle. Alles ein bisschen over the top.

Samuel Shem. House of God
(Aus dem Amerikanischen von Heidrun Adler)
Roy ist Assistenzarzt im ersten Jahr, ein sogenannter Intern. Gemeinsam mit fünf anderen tritt er sein Internship im House of God an. In der Ausbildung geht es nicht um Medizin. Vor allem die vielen alten, dementen Patienten sind eine Herausforderung; die Interns nennen sie „Gomers“: Go Out Of My Emergency Room. Die erste Regel lautet: „Gomers sterben nicht.“ Die zweite Regel: „Gomers gehen zu Boden.“ Weitere Regeln: „Sie können dich immer noch mehr quälen.“ Und: „Die einzig gute Aufnahme ist eine tote Aufnahme.“ Das Buch ist ein Klassiker aus den 70ern, ein ernüchternder Roman über den Klinikalltag. Unglaublich bissig, unglaublich bitter. Und sicherlich nicht unwahr.

Paolo di Stefano. Giallo d’Avola.
(Keine deutsche Übersetzung)
Nach einer wahren Begebenheit: Nachkriegszeit in Sizilien, die Welt der Kleinbauern. Salvatore Gallo wird verdächtigt, seinen Bruder getötet zu haben, gemeinsam mit seinem Sohn. Beide kommen ins Gefängnis. Dabei gibt es nicht einmal eine Leiche, der Bruder ist nur verschwunden. Irre Geschichte, vor allem wegen des überragenden Gesellschaftsportraits. Die Sprache spiegelt die brodelnde Gerüchteküche wider: archaisch, verschachtelt, undurchdringlich. Allerdings hat der Plot einige Längen und Redundanzen. Deshalb Abzüge in der B-Note.

Fabio Volo. Il tempo che vorrei
(Deutsch: Zeit für mich und Zeit für dich)
Vorab: Der italienische Titel „Die Zeit, die ich möchte“ passt deutlich besser zur Geschichte als die deutsche Übersetzung „Zeit für mich und Zeit für dich“, die pilchereske Assoziationen auslöst. Das gleiche gilt für den deutschen Klappentext. Lassen Sie sich davon also nicht abschrecken.

Lorenzo weiß nicht zu lieben: Seine Beziehung ist gerade in die Brüche gegangen. Er trauert seiner Ex-Freundin nach, möchte sie zurückhaben. Zweite Baustelle in seinem Leben ist die Beziehung zu seinem Vater, ein einfacher Mann, der die Zuneigung zu seinem Sohn nicht auszudrücken vermag. Dann erkrankt der Vater.

Fabio Volo erzählt leise und unglaublich großartig, mit feinem Sinn für Zwischentöne. Er lässt seine Figuren sprechen, drängt sich nicht auf. Ich bin absolut hingerissen von diesem Buch. Auch, weil man es wirklich bis zum letzten Satz lesen muss, um tatsächlich ans Ende der Geschichte zu gelangen. Ein seltenes Glück.

Ich streiche mir in Büchern selten Textstellen an. Bei diesem Buch schon. Zum Beispiel:

„Quando leggi un libro che ti piace, quelle pagine un po‘ ti cambiano; quando rileggi, sei tu che cambi loro.“ (p. 103)

„Wenn du ein Buch liest, das dir gefällt, verändern dich die Seiten ein bisschen; wenn du es ein weiteres Mal liest, bist du es, der sie verändert.“

So ist es, ja: Lese ich ein Buch noch einmal, lese ich es immer anders. Denn ich bin eine andere geworden in der Zwischenzeit. Zugegeben, nicht viele Bücher lese ich zweimal. Oft stöbere ich eher in den Büchern, die ich behalten und nicht weggegeben habe. Trotzdem.

Übers Kennenlernen:

„Una volta per corteggiare una donna dovevi prima convincerla a uscire, poi dovevi cercare di farti conoscere il più possibile, parlando per delle ore e mettendo un sacco di carne al fuoco. Oggi con il SMS puoi creare subito un rapporto e darle un’idea di te, di che tipo sei. La prima volta che ci esci a cena, se ti sei messaggiato un po‘ con lei, sai già più o meno con chi hai a che fare. La cena è divantata la finale, non è più una partita delle qualificazioni.“ (p. 181)

„Wenn du dich seinerzeit um eine Frau bemüht hast, musstest du sie erst überzeugen, mit dir auszugehen. Dann musstest du versuchen, dass ihr euch so gut wie möglich kennenlernt, du hast stundenlang geredet und eine Menge in die Waagschale geworfen. Heute, mit SMS, kannst du sofort eine Beziehung aufbauen und ihr eine Vorstellung davon vermitteln, was für ein Typ du bist. Das erste Mal, wenn du dann mit ihr essen gehst und nachdem du ein bisschen mit ihr geschrieben hast, weißt du mehr oder weniger, mit wem du es zu tun hast. Das Abendessen ist das Finale geworden, es ist kein Qualifikationsspiel mehr.“

(Bitte entschuldigen Sie die stümperhafte Übersetzung, ich bin Laie.)

Bis zu dieser Textstelle hatte ich noch nie darüber nachgedacht, aber ja. Das Schreiben von E-Mails und Nachrichten kann eine sehr intime Sache sein, auch wenn manche Botschaft nur aus zwei, drei oder vier Wörter besteht. Es reduziert und komprimiert die Kommunikation und den Menschen, der dahinter steckt; es ist ein Extrakt und deshalb bisweilen unglaublich intensiv. Und ja: Man kann sich über diese Nachrichten ineinander verlieben. Neu oder auch immer wieder.

Am Wochenende war ich ein wenig im Lande unterwegs, um Menschen aus dem Internet zu besuchen.

So fuhr ich von Dortmund nach Nierstein, von Nierstein über Mainz nach Stuttgart, von Stuttgart nach Holzgerlingen, von Holzgerlingen nach Stuttgart, von Stuttgart über Heidelberg nach Darmstadt und von Darmstadt wieder heim nach Dortmund.

Mainz HBF

Mainz Hauptbahnhof.

 

Ich mag ja Bahnfahren. Vor allem, weil man im Zug so sehr auf sich selbst zurückgeworfen ist; es gibt nicht viel, was man tun kann: lesen vielleicht oder Videos anschauen oder schlafen oder aus dem Fenster sehen. Oder – natürlich – sich mit anderen Menschen unterhalten, das kommt auch vor. Doch insgesamt gibt es wenig Ablenkung.

Ich bin erstmals linksrheinisch über Bonn und Koblenz gefahren. Warum habe ich auf Wegen in den Süden sonst immer die Schnellstrecke über Siegburg genommen? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ist die Fahrt durchs Rheintal großartig. Machen Sie das mal. Das geht auch einfach nur mal so, ohne Ziel, der Weg ist Ziel genug. Ich habe von Koblenz bis Mainz nur aus dem Fenster geschaut, habe den Rhein, die Ortschaften, die Burgen und Binnenschiffer angeguckt. Es ist toll.

Weitere Bemerknisse:

Meine Mitgärtnerin Pia hat nicht nur einen tollen Garten, sondern auch allerlei Gadgets dort versteckt: eine Fasssauna, eine Dusche, ein rosa Hüttchen und ach … alles ziemlich super. Außerdem besitzt sie ein Gartentelefon, das der beste Vater ihrer Kinder sogar angeschlossen hat. Man kann also vom Haus in den Garten telefonieren und zurück.

Gartentelefon

Frau Mutti hat ein Gartentelefon. Und es funktioniert! Flippste völlig aus!

 

Stuttgart begrüßt seine Besucher sehr löchrig. Stuttgart 21 ist allgegenwärtig, in verschiedenen Ausprägungen: als Bauloch, als Einkaufszentrum, als Plakatwand, als Aufkleber und als Diskussionsthema.

Stuttgart 21

Stuttgart 21.

 

Stuttgart: Europaviertel

Stuttgart: Europaviertel. Direkt neben dem Bahnhof und ziemlich neu. Die Farbe ist praktisch noch nicht trocken.

 

Zu Stuttgart 21 kann ich wenig sagen, ich bin nicht genug im Thema, um eine dezidierte Meinung zu haben. Nichtsdestotrotz gewinnt man als Besucher unweigerlich einen Eindruck von der Monströsität des Vorhabens. Jedenfalls wurde ich das Gefühl nicht los, als werde die halbe Stadt umgegraben und als werde dabei nicht nur Erde bewegt, sondern auch ein bisschen die Seele des Ortes umgepflügt. Aber ich mag mich täuschen.

Ich wurde stark und groß durch Spätzle mit Soß.

Schwabenmarketing.

 

Lou's Maultäschle

Maultäschleverkostung.

 

Stuttgart kann übrigens nicht nur Maultäschle, sondern auch Waffeln. Fall Sie mal dort sind und eine suchen: Eine rundum perfekte 10er-Waffel gibt es im Café Stella.

In die Ferne zu reisen, hilft immer auch, die Heimat neu zu betrachten. Was mir aufgefallen ist – durchs Umherlaufen, aber auch im Gespräch: Das Ruhrgebiet ist tatsächlich eine strukturschwache Region. Dort wohnend, fällt es mir nicht so sehr auf. Doch mit dem Blick aus Hessen und Württemberg, wird es deutlich.

Was zu dieser Wahrnehmung beiträgt, ist schwierig zu beschreiben: Es sind vielleicht die vielen gepflegten Spielplätze, die Neubaugebiete, die Einkaufspassagen, die wenigen Leerstände, das Ambiente in der nächtlichen S-Bahn. Als sei ich in einen Zug mit Priesterseminaristen gelangt: kein Gestank, keine umherrollenden Bierflaschen, keine Betrunkenen, keine Kraftausdrücke, keine Angst, zur falschen Zeit zu lange den falschen Typen anzugucken und aufs Maul zu kriegen.

Der Rückweg: über Darmstadt. Was fällt Ihnen zu Darmstadt ein? Außer dummen Wortwitzen. Mir nicht viel. Darmstadt ist so ein Nicht-Ort, eine Stadt, die es gibt, mit der ich aber nichts verbinde.

Dank einer Stadtführung durch Herrn Energist tue ich das nun und habe eine ganze Menge gelernt: über Jugendstil, über Design, über weiland anwesende Adelige und ihre Verheiratung mit russischen Menschen, weshalb Darmstadt eine Basilika hat, die auf einem Berg steht.

Darmstadt: Basilika

Darmstadt hat eine Basilika.

 

 

Darüber hinaus besitzt Darmstadt eine Kneipe, in der man 24 Stunden lang frühstücken kann (mein Ding!) und die gleichzeitig ein Automatenmuseum ist. Ich habe spontan beschlossen, dass ich auch so einen Automaten brauche, den ich mir dann in den Flur oder in die Küche hänge und aus dem ich mir für einen Euro Süßkram ziehen kann. Von dem Geld fahre ich dann in den Urlaub. Ich werde sehr lange weg sein.

Darmstadt: Automaten

Automaten in Darmstadt.

 

Herzlichen Dank an Frau Mutti, an Herrn Ast vom Skizzenblog, an Herrn Kinderdoc, Herrn MannQuadrat und Herrn Energist für die tolle Zeit!

Twitterlieblinge 02/2015:

https://twitter.com/lucky_mushroom/status/567353258889732096

https://twitter.com/AnnoyedWasp/status/567440537255706625

https://twitter.com/alles_b/status/568300643011706880

https://twitter.com/peterbreuer/status/569595751036268544

https://twitter.com/blauschlicht/status/570148052339728384

https://twitter.com/GebbiGibson/status/570270060792696832

 

Schon allein für den ersten Sprung bei 0:32 lohnt es sich, das Video anzusehen.

Natürlich auch wegen der anderen Dinge, die Sergej Polunin da tanzt. Man kann sich zwischendurch spaßeshalber vorstellen, man wolle es nachmachen. Ich habe dadurch schnell bemerkt, wie großartig das ist, was da stattfindet.

https://vimeo.com/118946875

Ich bin ja nicht erst an Ballett interessiert, seit das große Patenkind tanzt. Es begann Anfang der 1990er Jahre, beim Schüleraustausch mit Moskau. Damals wurden wir ins Bolschoi Theater ausgeführt – natürlich, das war obligatorisch. Es wurde Ballett gegeben, und entgegen meiner pubertierenden Vorurteile war es eine ziemlich beeindruckende Sache. Das Gebäude, die Atmosphäre und selbstverständlich: der Tanz.

Seither schaue ich mir das ganz gerne an. Nicht allzu oft freilich. Aber immer mal wieder. Zuletzt in Dortmund: Der Traum der roten Kammer. Und im April bald: Drei Streifen Tanz. Ich mag diese Kombination aus Musik und Aktion, aus akustischem und optischen Geschehen, aus Sport und Choreographie.

Außerdem hat Ballett mit meinem sonstigen Leben und meinem eigenen Können so gar nichts zu tun. Das ist auch immer ganz erfrischend.

Liebe Agentur-Teams,

danke, dass Sie Interesse am Kännchenblog haben. Das freut mich aufrichtig. Das finde ich schön.

Doch wir müssen mal kurz reden.

In Ihren E-Mails fragen Sie mich meist, ob ich $Produkt schon kenne. Sie finden, dass $Produkt gut zu mir und meinem Blog passt. Die Auswahl ist manchmal ausgesprochen verwunderlich, aber das mag an einer Diskrepanz zwischen meiner Selbst- und Fremdwahrnehmung liegen. Lassen wir diesen Umstand deshalb außen vor.

Sie finden also, dass $Produkt gut zu mir passt und haben sich Kooperationsmöglichkeiten überlegt. Die Kooperation sieht immer so aus, dass ich eine ausführliche Besprechung  von $Produkt vornehmen darf. Sie bieten mir dafür an, dass ich $Produkt ausprobiere. Oder ich schreibe ohne auszuprobieren über $Produkt, dann gibt es eine homöopathische Aufwandsentschädigung, für die ich mir ein Bälleken Eis kaufen kann.

Sie haben bestimmt bemerkt, dass es im Kännchenblog bislang noch keine gesponserten Beiträge gab. Lassen Sie mich deshalb einmal darstellen, wie ich die Sache sehe.

Grundsätzlich bin ich nicht abgeneigt, hier im Kännchenblog werbliche Inhalte zu präsentieren, wenn sie etwas mit mir oder dem Thema des Blogs zu tun haben oder mich neugierig machen. Im weitesten Sinne handelt es sich um die Themenbereiche Freizeit, Sport, Küche und Handwerk.

Bespreche ich ein Produkt, empfinde ich das als eine Dienstleistung, die ich sehr gerne für Sie erbringe. Ich rufe allerdings ein Honorar dafür auf. Über dieses Honorar sollten wir frei verhandeln. Ich bin offen und flexibel; wir kommen da bestimmt zusammen. Es liegt aber, das zur Einordnung, über dem Betrag für ein Bälleken Eis.

Dafür arbeite ich im Gegenzug zuverlässig, zügig und sorgfältig. Ich liefere die vereinbarte Anzahl Zeichen und Fotos in vereinbarter Qualität zum vereinbarten Zeitpunkt und zu den vereinbarten Nutzungsbedingungen. Sie können sich vollumfänglich auf mich verlassen: Sie kaufen eine professionelle Leistung ein. Sie profitieren von der Authentizität und Reichweite dieses Blogs und bekommen eine Präsentation Ihres Produkts, hinter der ich mit Herz und Leidenschaft stehe.

Ich freue mich, Produkte auch auszuprobieren. Haben Sie jedoch Verständnis, dass ich das mir angebotene Produkt in der Regel nicht aus eigenem Antrieb erworben hätte und es sich deshalb bei einem Produkttest ebenfalls um eine Dienstleistung mit einem vorab vereinbarten Leistungsumfang handelt, für die ich, wie oben beschrieben, ein Honorar und, falls es sich um ein event- oder ortsabhängiges Produkt handelt, Reisekosten abrechne.

Ich freue mich, wenn wir uns an den üblichen Gepflogenheiten in Geschäftsbeziehungen orientieren – zum Beispiel sieze ich meine GeschäftspartnerInnen, vor allem in der Erstanbahnung eines Kontakts. Es sei denn, wir kennen uns von irgendwoher, real oder virtuell. Meist ist das jedoch nicht der Fall.

Von diesen Voraussetzungen sollten Sie zunächst ausgehen – auch wenn wir im Einzelfall davon abweichen. Privates Interesse an Produkten habe ich mitunter durchaus, es ist jedoch nicht zielführend, es vorauszusetzen. Gehen Sie bitte auch davon aus, dass ich gesponserte Beiträge als solche kennzeichne.

Danke für Ihre offenen Ohren.
Auf eine gute Zusammenarbeit.



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