Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Twitterlieblinge 03/2016:

https://twitter.com/sincerelyjurs/status/706811661206884352

https://twitter.com/drayzze/status/709406948106637312

https://twitter.com/Huebscherei/status/710204885925535744

https://twitter.com/anneschuessler/status/711523670338965505

https://twitter.com/daversa_g/status/711992709553106944

https://twitter.com/NurEinePhrase/status/712006560537444354

https://twitter.com/OomenBerlin/status/712676009104039942

https://twitter.com/Hurra86/status/712948309195952128

Eine Reise steht an. Ich werde vor meinem Haus

  • in einen Bus steigen,
  • mit dem Bus zur U-Bahn fahren,
  • mit der U-Bahn zum Bahnhof fahren,
  • am Bahnhof in einen Zug steigen und
  • mit dem Zug nach Frankfurt reisen.

In Frankfurt

  • steige ich in ein Flugzeug und
  • fliege nach Tallinn in Estland.

In Tallinn steige ich

  • in einen Fernbus und
  • fahre nach Tartu.

Das ist auch in Estland.

In Tartu werde ich nichts anderes tun als das, was ich sonst in Dortmund-Aplerbeck tue, nämlich in einer Sporthalle sitzen.

Es wird nach Pubertandenschweiß riechen und beim Hallenverkauf wird es vielleicht keine Bockwurst, sondern Piroggen geben, was allgemein zu begrüßen ist. Aber sonst wird alles wie in Dortmund-Aplerbeck sein. Oder nein: Ein bisschen anders wird es doch sein, denn ich werde in Tartu kein Handball schauen, sondern Basketball, genau genommen Spiele der U11-Mannschaften der Baltic Boys Basketball League. Zum Beispiel Dynamo Moskau gegen BC Tarvas/Rakvere SK 2003.

Der größte Kleine meiner russischen Freunde – Sie erinnern sich: mein deutsch-russischer Schüleraustausch von 1992, ihr Mann und die drei Kinder (wir leben den Austausch noch immer, seit 24 Jahren); der älteste Sohn also spielt ambitioniert Basketball, und ich werde dabei sein, um ihn anzufeuern. Die Baltic Boys Basketball League ist ein „first small step for our next big basketball stars“, ein internationales Turnier für Jugendmannschaften aus Estland, Lettland, Litauen, Russland, Weißrussland, Finnland und Kasachstan.

Ich werde also mit ambitionierten Eltern aus diesen Ländern auf der Tribüne sitzen, und wir alle wissen, was „ambitionierte Eltern“ heißt, wenn es um den Sport der Kinder geht. Ich rechne mit wüsten Rufen und Flüchen. Ich werde diese Rufe und Flüche nicht verstehen, aber das macht nichts: Esten, Kasachen und Weißrussen werden ihren Kindern, dem Schiedsrichter und dem Gegner nichts anderes zubrüllen als deutsche Eltern. Oder vielleicht doch, vielleicht wird alles vollkommen friedlich und gesittet zugehen, vielleicht werden die Nationen sich in den Armen liegen und Lieder schunkeln. Ich werde an dieser Stelle berichten.

Nachdem ich mit meiner russischen Freundin (die dem Spiel – im Gegensatz zum Vater des Kindes – eher emotionslos gegenübersteht) wie Waldorf und Stettler zwei Tage in der Turnhalle gesessen habe (wir werden auf harten Tribünenbänken sitzen und reden, denn wir müssen eine Menge durchsprechen, eineinhalb Jahre nämlich, seit wir uns das letzte Mal trafen), werde ich wieder in den Bus steigen, von Tartu nach Tallinn fahren, mir Tallinn ansehen und dann heim reisen.

Diese Unternehmung ist ziemlich gaga, allein weil der einzige, für mich erreichbare Direktflug nach Tallinn nur von Frankfurt aus geht, und nach Tallinn muss ich ja gar nicht, sondern in eine Sporthalle nach Tartu, was von Dortmund aus gesehen wirklich maximale Pampa und total jeck ist – für nur zwei Tage. Deshalb habe ich, als sich die Reise ankündigte, direkt gesagt: Bin dabei. Eine Unternehmung, die dermaßen irrational ist, ist es wert, gemacht zu werden.

Begleiten auch Sie mich, wenn es alsbald losgeht: Ich nehme Twitter und Instagram mit.

Detailreiche Biographie für Kunst-Interessierte.

Wie ich darauf komme, mich mit Franz Marc zu beschäftigen? Ich war bereits öfters in Kochel, zuletzt im August 2014. In Kochel gibt es das Franz-Marc-Museum; Franz Marc selbst ist auf dem Kocheler Friedhof begraben. Ich habe beides jedoch nicht besichtigt – bei keinem meiner Aufenthalte. Deshalb nun die Biografie.

https://www.instagram.com/p/BB0tiqzxMv_/

Um wen es geht:

Franz Marc war ein deutscher Maler. Er lebte von 1880 bis 1916. Er starb während des Ersten Weltkriegs bei Verdun. Wer ihn und seine Kunst kennt, kennt vor allem seine Tiergemälde.

Die Biographie:

Franz Marc lebte ein Künstlerleben, frei und unstet, jenseits der gesellschaftlichen Regeln und mit teilweise drei Liebhaberinnen.

Die Biographie ist detailreich recherchiert. Roßbeck zeichnet das Leben Marcs in seiner ganzen Fülle nach – auf künstlerischer wie auf privater Ebene. Das ist sehr schön: Man erfährt viel über sein Denken und Handeln.

Die akribische Recherche ist aber auch anstrengend, wenn man das Buch als leichte Freizeitlektüre angeht. Teilweise sind die Passagen fast schon wissenschaftlich; wer das Buch nur zur Unterhaltung liest, schaltet dann schnell ab.

Ganz spannend ist – neben der Biographie – die Welt, in der Franz Marc lebt und die in Roßbecks Darstellungen durchscheint: Auffassungen, Erwartungen, Zwänge und Strömungen, die Haltung gegenüber Frauen, die politische Landschaft und die Künstlerszene rund um München. Da tauchen einige bekannte Persönlichkeiten auf.

Fazit:

Es ist eine Biografie für Interessierte, nicht für Zwischendurchleser. Ich habe mich dem Buch mit anderen Erwartungen gewidmet und hatte mir den Inhalt etwas schmissiger vorgestellt.

Die Detailtreue und Präzision Roßbecks ist kein Argument gegen das Buch – wie sollten sie auch -, aber ein Hinweis: Wer es zur Hand nimmt, sollte die Zeit und Muße haben, sich ganz auf das Thema einzulassen.

Dusche in der Turnhalle, mit Bieretiketten an der Wand

Sie sehen das Werk „Körpererziehung und Nutrition“, das derzeit in der Sporthalle Brackel II am Kreativstandort Dortmund ausgestellt ist.

Das Opus ist gekennzeichnet durch eine mehrschichtige Antithese. Es behandelt vordergründig den rein dinglich konnotierten Gegensatz zwischen der vergnüglichen Nährung des Leibes und der Trostlosigkeit des räumlichen Hygieneumfelds. Gleichzeitig schafft es durch seine Installation im Sanitären eine doppelte Referenz auf das Körperliche: auf der einen Seite die innere Satisfaktion durch Trank, auf der anderen Seite die äußerliche Befriedigung durch Reinigung – eine Fusion menschlichen Verlangens.

Der Künstler skizziert durch die vereinigende Darstellung des Inneren wie des Äußeren einen Einklang von Körper und Seele.

Dieser Konsens – und das macht die Schöpfung so einzigartig – spiegelt sich in der Lokation wider: die Turnhalle als Ort der Leibesübung; die physische Ertüchtigung wiederum als Mittel, Seele und Körper im Tun zu vereinen; die Dusche als Innerstes der Turnhalle und als letzter Schritt in der erfolgreichen Durchführung des Körperlichen; das Potenzial, durch Sport und Speise zu seinem menschlichen Inneren vorzudringen.

Die Installation ist noch bis zur nächsten Raumpflege zu besichtigen.
Der Eintritt ist frei.

Die Kalendergirl-isierung ist vollzogen. Ich bin wieder Handballerin.

Schon vor Wochen habe ich mein Trikot bekommen. Der Verein ist beeindruckend konsequent, wenn er erstmal jemanden am Haken hat.

Die Kalendergirls spielen  in der untersten Liga, der Kreisklasse. Dort fängt man als neu gegründete Mannschaft an. Das hat viele Vorteile. Wir können zum Beispiel nicht absteigen. Außerdem sind die Herausforderungen, was taktische Raffinessen und die Geschwindigkeit des Spiels angeht, machbar: Sowohl Spielerinnen als auch das Publikum können während des Matchs immer auch ein bisschen den eigenen Gedanken nachhängen, ohne das Geschehen gleich aus den Augen zu verlieren.

Die ersten Spiele liefen ganz gut. Ich habe mich nicht verletzt und musste auch keinen Tempogegenstoß laufen.

Um eine Idee von unseren Auftritten zu bekommen, stellen Sie sich bitte unsere dynamisch-kraftvollen Jungs aus der Nationalmannschaft vor.
In Zeitlupenwiederholung.
Davon nochmal die Hälfte.
Minus 50 Prozent.
Mit Brüsten.
Nach dem Frühstück von zwei Brötchen und einer Puddingschnecke.

Ich fühle mich sehr wohl.

Ich sorge mich allerdings um die Zukunft. Nachdem wir am Samstagabend 38:17 gewonnen haben, können wir – dank englischer Woche – schon am nächsten Sonntag vorzeitig aufsteigen. Das war natürlich nicht mein Plan. Mein Plan war, ein bisschen Gesellschaft mit angeschlossenem Spielbetrieb zu haben. Und jetzt. Dieser. Druck.

//*Einatmegeräusch

Zeit, sich aufs Wesentliche zu besinnen.
Mannschaftsfahrt.

Twitterlieblinge 02/2016:

https://twitter.com/nachtlos/status/695686552438050816

https://twitter.com/Muermel/status/696673237527326720

https://twitter.com/peterbreuer/status/696833416403271680

https://twitter.com/Einstueckkaese/status/698160978182172673

https://twitter.com/Lady_Panthera/status/703289385224114176

Ein unterhaltsames, leicht anarchisches Buch:

Rolf_Bauerdick_Pakete_an_Frau_Blech

Was ist die Geschichte?

Maik Kleine reist nach Berlin: Sein väterlicher Freund, der exzentrische Zirkusdirektor Alberto Bellmonti, wird zu Grabe getragen. Kaum ist er unter der Erde, tauchen verstörende Gerüchte auf: Bellmonti soll für die Stasi gearbeitet haben. Zusammen mit Szymbo, dem Kapellmeister, und Albina, der schwebenden Jungfrau, begibt Maik sich auf  Spurensuche in die DDR-Vergangenheit – die Bellmontis und seine eigene.

Woher kennt man den Autor?

Vom Sachbuch „Zigeuner – Begegnungen mit einem ungeliebten Volk“.

Was gefällt?

Bauerdick erzählt sehr unterhaltend. Es gibt wenig Längen im Buch, die Geschichte baut locker-flockig aufeinander auf, verwebt mit Zeitsprüngen Gegenwart und Vergangenheit. Denn bis zur Hälfte des Buches wechseln die Kapitel zwischen Jetzt und Damals, zwischen der aktuellen Spurensuche des Trios und der Kindheit Maik Kleines. Maiks Geschwister starben bei einem Brand, er musste mit 12 Jahren seine Mutter und die DDR verlassen – die Gründe sind mysteriös, die Verbindung zur Gegenwart ist es auch.

Fazit:

Eine bellestrische Kriminalgeschichte vor der Kulisse der deutschen Geschichte. Vier von fünf Sternen.

*

Das Buch wurde mir zur Rezension zur Verfügung gestellt. Ich rezensiere nur Bücher, die ich mir auch gekauft hätte.

Im Zentralbüro für Erdrotation ist Leerlauf. Professorin O. Mega und ihr Assistent Euler brauchen dringend ein neues Projekt. Eulers Aktivität bei Tinder bringt Olga auf eine Idee.

*

Kernfusion! Warum ist sie nicht eher darauf gekommen? Professorin Olga Mega ist elektrisiert.

„Mein Radionuklidchen“, hat Emmet sie in ihren gemeinsamen Zeiten immer genannt, wenn sie so geladen und instabil war . „So energisch bist Du das süßeste Isotöpchen in Gottes großem Reaktor.“ Euler hingegen murmelt fortwährend etwas von „Gewitterwolke“.

Seit sie sein Liebeswerben analysiert, geht er ihr konsequent aus dem Weg. Auch heute ist er zu Dienstbeginn direkt ins Labor verschwunden. Derzeit entwirft er einen zehnschrittigen Kreiselkompassbausatz: weniger als fünfzehn Teile, montierbar mit Holzdübeln und Inbusschlüssel – ein zivilwirtschaftlicher Auftrag eines Möbelhauses.

„Haben Sie diese Nebentätigkeit angemeldet, Euler?“
„Sie haben Sie sogar genehmigt.“
„Sie werden mir hier zur sehr zur Passante. Ich sehe Sie kaum noch.“
„Dass Sie das überhaupt tangiert.“
„Euler. Ich schätze Sie. Als Mensch und als Mitarbeiter.“
„Deshalb übergehen Sie mich also immer.“
„Seit wann sind Sie so ein Sensibelchen, Euler? Lief Ihr Date mit Marie Curie nicht gut?“
„Ich möchte nicht darüber sprechen.“

Olga lehnt sich an den Chromatographiekühlschrank und wedelt mit einem Blatt Papier. „Wollen wir noch einmal unseren Forschungsantrag durchgehen?“ Sie hat nun einige Nächte über ihre neue Projektidee geschlafen und zwei Mind Maps gemalt. Bis nächste Woche muss ihre Power-Point-Präsentation für die Europäische Kommission fertig werden, damit das Antragsverfahren anlaufen kann.

Euler steckt seinen Kardanrahmen zusammen, doch die Kämmung klemmt. Versonnen fummelt er am Holz.

Olga stemmt die freie Hand in die Taille. „Euler?! Actio, Reactio?“

Er reißt die beiden Rahmenstücke wieder auseinander, atmet tief ein und sagt ohne aufzublicken: „Ihr Antrag, Professorin. Nicht unser.“
„Euler. Jetzt mal unter uns zwei Geophysikern. Ich verstehe ja, dass jede Lotabweichung Ihr Koordinatensystem durcheinander bringt. Aber wir müssen neue Geschäftsfelder erschließen. Keine Subventionsmaschinerie füttert auf Dauer zwei Mitarbeiter durch, die sich nur alle drei bis sieben Jahre mal um eine Schaltsekunde kümmern. Nicht mal die EU. Wir müssen unseren Wirkungsgrad erhöhen.“
„Aber doch nicht mit einem Puff.“
Olga schnaubt. „Nun werden Sie nicht zum Moralisten. Wir erforschen lediglich den Wirkungsquerschnitt zweier zusammenstoßender Körper. Die Wahrscheinlichkeit ihrer Verschmelzung. Endotherme und exotherme Beziehungen. Das ist interdisziplinär und international von großem Interessen. Denken Sie nicht auf der Mikro-, sondern auf der Makroebene. Nicht nur einzelne Menschen. Auch Staaten! Wir forschen für den Weltfrieden, mein Lieber.“
„Mir fehlt da noch das Packende.“
„Coreship. Elitefusion. So sollten wir es nennen.“
Euler blickt auf. „Ich bin nicht Ihre Labormaus.“
„Nur noch zwei Dates, Euler. Für die Grundlagenforschung. Wenn wir einen Weg finden, Energiegewinnung nicht nur physikalisch in einem Kernfusionsreaktor stattfinden zu lassen, sondern auch zwischenmenschlich durch die Zusammenführung zweier aneinander interessierter … äh … Isotöpchen, reliabel messbar, reproduzierbar – wir alle wissen, dass Leidenschaft Energie freisetzt. Wenn wir es schaffen, diese Energie zu transferieren, werden wir in die Geschichte eingehen! Wir müssen menschliche Wärme nur in Joule speichern und auf der Makroebene wieder freisetzen. Stellen Sie sich einmal vor: keine Kriege mehr! Dank des Mega’schen Pax-Kondensators.“
„Euler’schen.“
„Nun werden Sie nicht kleinlich.“

Fortsetzung folgt

#

Alle Geschichten aus dem Zentralbüro für Erdrotation

Wo alles seinen Anfang nahm

Bütterken zum Frühstück. Eine gute und solide Sache. Wenn es allerdings auf Donnerstag und Freitag zugeht, habe ich meistens zwei Probleme: kein Brot mehr da. Nix mehr für drauf. Und irgendwie auch keine Lust mehr auf Bütterken.

Instagram-Models, Foodbloggger und Low-Carb-Paleo-Gesundheitsratgeber empfehlen für diese Situationen Dinge wie Joghurt. Mit Früchten. Oder Hüttenkäse mit Tomaten. Das ist sind total töfte Ideen – wenn es danach noch zwei Stullen gibt.

Durch Herrn Paul erfuhr ich von Overnight Oats: aufgehippsterte Haferflocken – zusammengemischtes Zeug im Glas, das über Nacht ruht.

Overnight Oats im Weckglas mit Heidelbeere und Sanddorn

Auf der Seite Overnight Oats gibt es viele Rezepte. Anfangs habe ich einige ausprobiert, inzwischen mische ich frei Schnauze.

  • 5 Esslöffel Haferflocken in ein Gefäß tun
  • Saft dazugießen, bis die Haferflocken matschig sind, aber nicht schwimmen
  • 5 Esslöffel Milchprodukt dazugeben, z.B. Joghurt, Skyr, Magerquark oder eine Mischung daraus
  • Früchte oder Fruchtartiges (z.B. Apfelmus) drauf
  • Glas verschließen und über Nacht in den Kühlschrank stellen.

Über Nacht ziehen die Haferflocken Flüssigkeit und werden schön saftig. Wem es ohne Zucker zu sauer ist, der kann ein viertel bis halbes Tütchen Vanillezucker über den Joghurt tun. Special guest: Leinsamen. Einfach auf den Joghurt streuen.

Als Saft habe ich bislang Maracuja, Orange und Traube ausprobiert, wobei mir Orange zu penetrant war. Die neueste Entdeckung ist Sanddornnektar, der überraschend super ist. Als Früchte mag ich besonders Heidelbeeren und Mango.

So ein Gläschen kommt auch am Wochenende gut – als Stütze zwischen spätem Frühstück und Abendessen – oder als kleines Mittagessen auf der Arbeit.

Und optisch – da fühle ich mich wie eine Foodbloggerin.

Das Erste, was ich mich bei diesem Buch fragte, ist: „Zigeuner? Darf man das überhaupt sagen?“

Rolf Bauerdick: Zigeuner

Rolf Bauerdick nähert sich dem Thema schrittweise. Er ist Journalist, hat unzählige Reportagereisen unternommen. Viele davon nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien, aber auch in andere Länder. Dort hat er Zigeuner besucht: Roma, Sinti, Tzigani, Kalderasch, Ursani, Xoroxane – es gibt unterschiedliche Gruppen und Abstammungen.

In zwölf Kapiteln beschreibt Bauerdick die Lebenswirklichkeit der Zigeuner – so, wie er sie sieht, muss man anfügen, denn seine Sicht ist eine Außensicht, auch wenn er eine zeitlang mit den Menschen gelebt hat. Er beschreibt die Lebenssituationen in den Dörfern Rumäniens und Bulgariens sowie in westeuropäischen Städten. Die Umstände sind meist nicht einfach: Viele Zigeunerfamilien leben in Armut. Bauerdick berichtet von Menschen, die auf Müllkippen in unglaublichem Elend hausen, von Tzigani, die stehlen, und von vergeblichen Versuchen, sie zu integrieren.

Bauerdick hat immer einen freundlichen Blick auf die Menschen, von denen er erzählt. Er benennt aber auch deutlich Verantwortlichkeiten – sowohl auf Seite von Regierungen und Politikern, die Chancen versäumen und Fehlentscheidungen treffen, als auch auf Seiten der Zigeuner, die sich nicht an die Gesellschaftsordnung halten und Straftaten begehen.

Im achten Kapitel geht er schließlich der Frage nach, ob „Zigeuner“ ein Begriff ist, den man benutzen darf. Er nennt Für und Wider und schreibt über die

[…] Gedankenlosigkeit, westeuropäische Sinti und südeuropäische Roma ständig in einem Atemzug zu nennen. (S. 180)

Es sei keinesfalls richtig, statt von Zigeunern, einfach von „Sinti und Roma“ zu sprechen. Das seien zwei verschiedene Volksgruppen – und Tzigani eine weitere.

[…] wenn in den Innenstädten Menschen mit devoten Demutsgesten um Almosen betteln, so hocken in den Fußgängerzonen nie Sinti und Roma, auch wenn die Medien das immer wieder vermelden. Die Bettler sind meist rumänische Tzigani. (S. 180)

Zahlreiche Zigeuner, von denen er berichtet, seien stolz, Zigeuner zu sein – und verfolgen die Debatte um politische Korrektheit mit Amusement. Bauerdick zitiert den Jazzmusiker Markus Reinhardt:

Ihr dürft uns  Zigeuner nennen. Die Vorsicht im Umgang mit dem Wort ist Blödsinn. Die neuen Begriffe haben Politiker erfunden. Wir Zigeuner haben uns krummgelacht, als man entschieden hat, dass man nicht mehr Zigeuner sagen darf. (S. 176)

Rolf Bauerdicks „Zigeuner“ ist Buch, das ich mit Interesse gelesen habe. Nach hinten raus geht ihm allerdings etwas die Puste aus, und es wird redundant. Insgesamt aber ein guter Einstieg, um sich dem Thema zu nähern.

Mich würde nun interessieren, wie ein Sinto oder eine Romni das Buch liest.

*

Das Buch wurde mir zur Rezension zur Verfügung gestellt. Ich rezensiere nur Bücher, die ich mir auch gekauft hätte.



In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen