Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

1. Wenn ich wegfahre, stelle ich sehr oft fest: Überall ist es schöner als in Dortmund. Das drückte beim Blick auf die Berner Alpen ein bisschen auf die Stimmung. Ansonsten war die Stimmung aber großartig – ist ja logisch, bei dieser Aussicht:

Oberhalb des Gurtendorfs bei Bern mit Blick auf die schneebedeckten Alpen

2. Von dieser Einschätzung bezüglich Dortmund sind natürlich die Menschen im Ruhrgebiet ausgenommen. Sie sind einmalig und die eigentliche Schönheit des Zuhauses. Und der Dortmunder Fußballverein. Der ist auch super, logisch. Aber sonst ist das Berner Stadtpanorama etwas schöner als das Dortmunder. Ganz bisschen.

Bern: Stadtpanorama

3. Was die Stimmung bei einer Reise in die Schweiz eindeutig und immer hebt, ist, neben der Landschaft, dem Reisen an sich und der Reisebegleitung, das Berndeutsche. Welch schöner Dialekt. So freundlich und harmonisch, so melodiös.

4. Bahnfahren ist immer noch die beste Art zu reisen, vor allem, wenn man alleine reist. Die Reise an sich wird offenkundig, das Wegzurücklegen und damit das Ziel des Reisens als solches. Außerdem kann man, wenn man sieben Stunden dasitzt, jede Menge tolle Dinge tun, zum Beispiel aus dem Fenster sehen und zuschauen, wie die Wolken vom Rheintal aufsteigen.

Rheintal

5. „Für drei Tage in die Schweiz? Dann hast du ja nichts vom Urlaub!“ Wenn man den Hinweg und den Rückweg, also das Fahren an sich, ebenfalls als Urlaub empfindet, sind es doch wieder drei volle Tage und dann habe ich sehr viel davon. Außerdem muss ich regelmäßig andere Luft atmen, auch wenn es nur für kurz ist.

6. Es ist mit leichter Hand möglich, 75 Schweizer Franken und damit den Gegenwert einer achttägigen Rainbow-Tours-Busreise nach Lloret de Mar (inklusive 1 Freigetränk) in eine Handvoll Schokolade zu investieren. Nicht so leichte Hand, sondern der gesamte, zur Verfügung stehende Bedürfnisaufschub ist allerdings vonnöten, diese Schokolade nicht an Ort und Stelle zu vertilgen.

7. Der Bedürfnisaufschub macht es, einmal installiert, dann allerdings möglich, die Hälfte des Schokoladeneinkaufs nach Deutschland zu importieren und Freunden bereitzustellen, die sich sehr freuen, weshalb wiederum ich mich freue. (Die andere Hälfte der Schokolade ist notwendig, die körperliche und emotionale Energie zu dieser Leistung aufzubringen.)

8. Das Neckartal rund um Heidelberg ist ergreifend hübsch. Bislang war es eine Gegend, an der ich nur vorbeigefahren bin, da ich mich noch nicht in einem Alter befinde, in dem ich Weinwanderungen oder Flusskreuzfahrten unternehme.

Heidelberg: Philosophenweg, Aussicht

9. Wie gut, dass ich nun Freunde im Neckartal wohnen habe. So kann ich das Thema „Weinwanderungen“ vorzeitig in Angriff nehmen. Vielleicht auch nur Wein, ohne Wanderung. Naja gut. Ein bisschen Wanderung. Auf dem Philosophenweg, sinnierend.

10. Heidelberg kann Kuchen und Apfelstrudel und überhaupt alles, was glücklich macht. Insofern ist wandern tatsächlich nicht schlecht, zur Kompensation.

Die Rubrik „Was schön war“ ist ein bisschen eingeschlafen. Deshalb hier die Erweckung.

  • Den Liedermacher Nils Koppruch entdeckt. Und erfahren, dass er schon gestorben ist. Oh mann. Aber trotzdem schön, dass er so tolle Musik gemacht hat. Das Lied hier höre ich gerade sehr gern:

  • Die Eichhörnchen im Garten werden mehr, mutiger und zutraulicher. Sie sind jetzt zu Dritt und jeden Tag zu Gast auf der Terrasse, wo sie Nüsse und Sonnenblumenkerne essen. Verfressenes Pack.
  • Die Turneinheiten im Fitti werden intensiver, und bald ist das Wetter auch so, dass ich wieder draußen joggen gehen kann. Theoretisch kann ich natürlich bei jedem Wetter joggen, aber nach der Bronchitis des Todes und immer wieder aufflammendem Mimimi aus den Bronchien bin ich bei Temperaturen unter zehn Grad vorsichtig und trainiere lieber inhouse. Das Fitti hat außerdem einen neuen Cardiopark, Laufbänder und Fahrräder und Rolltreppen, die mir entgegenlaufen und die ich hochsteigen kann, dazu Crosstrainer, bei denen ich die Schrittlänge selbst variiere. Das ist toll.
  • Die Übernachtungen für die re:publica gebucht, Die Fabrik in Kreuzberg. Die Fabrik ist fünf Kilometer von der Station entfernt. Das kann man gut mal laufen. Außerdem sind zwei Parks in der Nähe, falls es mich überkommt und ich joggen möchte (unwahrscheinlich). Ich werde von Sonntag bis Donnerstag bleiben, ganz gechillt, um viele Menschen zu treffen. So sind erstmal die Planungen.

Die geplante Reise nach Sankt Petersburg wird nichts: Der Sohn meiner russischen Freundin wird nicht wie vorgesehen sein Basketballtrainingslager dort haben. Also treffen wir uns auch nicht dort. Stattdessen reist seine Mannschaft nach Kotlas – eine Unternehmung von Dynamo Moskau, um benachteiligte Regionen Russlands zu fördern. Kotlas, 60.000 Einwohner, gelegen in der Oblast Archangelsk, ist Zentrum der russischen Holz- und Papierindustrie, etwa 1.000 Kilometer nordöstlich von Moskau. Es gibt viel Gegend dort beziehungsweise ist, wie meine Freundin ironisch schreibt, „very remoted.“ Der Zug, schreibt sie weiter, der die Kinder 23 Stunden lang von Moskau nach Kotlas fährt, fahre weiter bis nach Vorkuta, Sibirien, direkt ins Gulag, „lovely territory“. Die Kinder „werden eine unvergessliche Woche dort verbringen“, Zwinkersmiley.

Ich bin bekanntermaßen für abseitige Aktionen zu haben. Schließlich bin ich auch mit estnischen Fernbussen bis an die estnisch-russische Grenze gereist, um in einer Turnhalle zu sitzen und dem Jungen beim Ballspielen zuzuschauen. Bei derartigen Reisen erlebt man am meisten und außerdem die unerwartetsten und schönsten Dinge. Gerade Reisen an völlig untouristische Orte sind super; die Menschen in Kotlas sind bestimmt sehr gastfreundlich. Aber von Deutschland nach Moskau und von dort einen Tag und eine Nacht lang mit dem Zug in die russische Top-Destination für Papierliebhaber – und einige Tage später alles wieder zurück: Das ist dann auch eine Zeitfrage. Wir werden uns ein anderes Ziel für unseren nächsten russisch-deutschen Austausch suchen.

Die Filmemacher Maximilien van Aertryck und Axel Danielson haben ein Experiment gemacht.

Über eine Online-Anzeige haben sie Menschen gesucht, die von einem Zehn-Meter-Turm in ein Schwimmbecken springen. Sie bekamen dafür 30 Dollar.  67 Leute meldeten sich. Das Ergebnis ist ein Kurzfilm.

Mehr als zwei Drittel der Menschen, die hinaufstiegen, sprangen. Der Rest drehte wieder um.

Die New York Times zeigt den kompletten Film, 16 Minuten. Es sind sehr witzige Szenen dabei. Lange Diskussionen. Spannende Szenen. Und Momente mit Herz.

Falls Sie so einen Zehn-Meter-Sprung nachmachen möchten: Der Serviceblog hat das für Sie getestet. Die Erkenntnisse:

  • Zehn Meter sind von oben höher als von unten, was logisch ist, denn von unten sieht man von der Wasseroberfläche hinauf, von oben aber bis auf den Grund des Beckens hinunter. Lassen Sie sich also nicht ins Bockshorn jagen. So hoch ist es gar nicht.
  • Man ist verdammt lange in der Luft. Nicht objektiv natürlich. Subjektiv. Suchen Sie sich schöne Momente aus Ihrem Leben aus, die Sie an sich vorbeiziehen lassen können.
  • Holen Sie vorher tief Luft. Sie tauchen länger und tiefer, als Sie denken. Jedenfalls dauerte es für mein Empfinden zwei nicht getane Atemzüge zu lange, bis ich wieder schnaufen durfte.
  • Halten Sie Ihre Badeklamotten fest. Ich sag nur.

Und nun viel Spaß beim Filmgucken.

Twitterlieblinge 01/2017:

https://twitter.com/mackielsky/status/816359232253607936

https://twitter.com/VolkerGoebbels/status/820635747740975104

https://twitter.com/HerrGausH/status/822377298552700928

https://twitter.com/Mutterseele99/status/822810047889735680

https://twitter.com/PunkMetalOma/status/823137311017799681

https://twitter.com/Huebscherei/status/823974957122260992

https://twitter.com/Kleckerwingeln/status/824958075043971072

Es ist eines dieser Einkaufszentren im Ruhrgebiet. Ladenketten, Bäckereien und untendrin ein Supermarkt, downtown in der Fußgängerzone; ein Ort für Teenager auf Sinnsuche zwischen Lippenpflege und Skinny Jeans.

Ich sitze an einem der Eingänge in einem Bäckerei-Café und überbrücke die Zeit zwischen zwei Terminen mit Milchschaum und Brainstorming, so wie man es von Menschen in Berlin annimmt, nur dass meine Aussicht nicht die efeuberankten Altbauten eines Szenekiez sind, sondern ein Schuhladen, der für Winterstiefelschlussverkauf ab 19,90 Euro wirbt und in dessen belüftetem Eingangsbereich eine winzige Verkäuferin in der Warmluft steht.

Mein Blick auf sie wird durch vier silberhaarige Damen unterbrochen, die, jede einen Kakao und ein Stück Butterstreusel vor sich, ihre gesundheitliche Situation besprechen. Es geht um Hüften, Eierstöcke und die Serviceleistungen von Krankenhäusern in kirchlichen Trägerschaften, wobei man sich einig ist, dass evangelisch besser als katholisch, katholisch aber immerhin besser als städtisch ist, zumindest was das Nachmittagsgebäck in Orthopädie und Gynäkologie angeht.

Plötzlich Aufruhr: Polizei und Feuerwehr betreten die Szenerie und laufen ins Einkaufszentrum. Blaulicht flimmert in den Scheiben. Großes Hallo. Die Damen erheben sich leicht aus den Sesseln, so wie es ihre Hüften eben zulassen, und wenden sich der Fensterfront zu. Die Schuhverkäuferin dreht nur leicht den Kopf. Es scheint etwas Besonderes vor sich zu gehen, aber so wirklich gibt es nichts zu sehen. Das Geschehen findet um die Ecke statt.

Etwa zwanzig Minuten später kommen Frauen in Kitteln ins Café, auf der Kleidung das Emblem einer Drogeriekette. Ein junger Mann, heißt es, habe mit Reizgas um sich gesprüht, nichts Schlimmes, aber in diesen Zeiten weiß man ja nie. Die Verkäuferinnen werden mit Gratis-Kaffee versorgt. Die Silberdamen sind beim außerplanmäßigen zweiten Kakao, der Butterstreusel ist aufgegessen, aber es ist alles so aufregend. Noch aufregender wird es, als zwei Feuerwehrleute und ein Notarzt das Café betreten, junge Männer, die sich in warmem Tonfall erkundigen, ob noch jemand Hilfe benötige.

Die Damen erheben sich erneut und synchron in ihren Sesseln, setzen sich leicht um und lassen sich wieder sinken; es ist etwas deutlich Lorioteskes in dieser Geste. Ihr Blick ist nun nicht mehr gemeinschaftlich aus dem Fenster, sondern auf die Einsatzkräfte gerichtet. Eine der Frauen ergreift eine Serviette und fächelt sich Luft zu.

„Alles in Ordnung bei Ihnen?“, fragt der Notarzt. Er hat braunes, lockiges Haar und erfüllt alle Voraussetzungen für eine Krankenhaus-Vorabendserie.

„Und wie, Herr Doktor“, antwortet sie. „Und wie.“

In diesem Sommer feiert meine Stufe ihr 20-jähriges Abitreffen.

20 Jahre sind erstaunlich viel Zeit, mehr als mein halbes Leben. Entgegen anderslautender „Als wäre es gestern gewesen!“-Ausrufe fühlt sich meine Abizeit allerdings tatsächlich wie 20 Jahre entfernt an – und nicht wie gestern. Auch nicht wie vorgestern. Eher wie damals, als Otto der Große König des Ostfrankenreichs war.

Denn emotional war meine Gymnasialzeit Mittelalter, eine Mischung aus Hexenverbrennung und Beulenpest; ein neunjähriger Feldzug gegen mich selbst, den ich, anstatt ihn in meinen 20ern aktiv posttraumatisch zu verarbeiten, zu einem pürree-artigen Erinnerungsmatsch eingestampft habe. Das Ergebnis ebenso aktiven Verdrängens wie passiven Vergessens ist ein Mash-up aus Gedichtanalyse, Tuffi-Kakao und nach Pubertandenumkleide riechendem Gruppendruck – diffuse Gefühlsreminiszens ohne konkrete Szenen. In Vorgriff auf das Treffen erzählte mir eine Freundin letztens zahlreiche Schulzeit-Episoden, Anekdoten von Feueralarmen, Turnstundendramen und Wermitwem. Nach mehreren Gedächtnisanstupsern begann ich, mich an einige Geschichten zu erinnern, allerdings auf eine nebulöse Art und Weise, kaum mehr als Blinzler in einem Film, den ich verschlafen habe.

20 Jahre Abi also, und im Sommer treffen wir uns wieder. Im Gegensatz zu all den Menschen, die sich vor Klassentreffen geradezu körperlich gruseln, freue ich mich. Eine Parallele zu einst: Das gegenwärtige Abitreffen scheint das Pendant zu den damaligen Bundesjugendspielen. Niemand findet sie gut – außer ich.

Bundesjugendspiele, das als Einschub, waren seinerzeit die einzige Gelegenheit für mich, mit meinen Körper erfolgreich zu sein. Bei den Jungs in meiner Stufe erhielt ich nämlich nicht einmal eine Teilnahmebescheinigung; ein Umstand, den ich heute mit ironischer Distanz belächele, der mich als 15-Jährige jedoch ausgiebig bedrückte, um nicht zu sagen, in tiefes seelisches Leid stürzte. Ich brauchte Jahre, ja, fast ein Jahrzehnt, um mich von der Schmach meines unerwiderten und zugegebenermaßen auch sehr subtil vorgetragenen Knutschverlangens zu erholen und mein Flirtverhalten grundlegend zu überarbeiten.

Unzureichend zu sein, in der Liebe wie in der Freundschaft und vor allem vor mir selbst, war mein alles überstrahlendes Schulzeitgefühl. Es wurde durch Klassenkameraden wie M bestärkt, der mich „Fetti“ nannte – dabei war ich niemals dünner als zu diesen Zeiten, in denen ich mich zu dick fühlte – und der mich zu diversen Gelegenheiten piesackte. Einmal riss er mir meinen Stuhl weg, als ich mich gerade hinsetzen wollte, zur Belustigung der Klasse. Schlimmer als die Tat selbst war dabei der Umstand, dass meine MitschülerInnen im Ergebnis nicht mehr nur metaphorisch, sondern tatsächlich auf mich hinabblickten.

Zusammengefasst waren die Jahre bis zum Abi eine Mischung aus amoröser Charly-Brownigkeit und mitmenschlichem Mordor.

Schon 2007, beim 10-jährigen Abitreffen, führte mein mangelndes Erinnerungsvermögen dazu, dass mir manche Anwesenden vollkommen unbekannt waren. Nicht nur, dass ich mich nicht an ihre Namen erinnern konnte. Ich war mir sicher, sie noch nie gesehen zu haben. Vor ein paar Tagen ging die Liste der Leute herum, die im Verteiler für 2017 noch fehlen: Kennt sie jemand? Hat wer Kontakt? Ich schwöre erneut Stein und Bein, einige der Namen noch nie gehört zu haben.

Es wird also eine tolle Veranstaltung: Ich werde viele neue Menschen unvoreingenommen kennenlernen.

Wir kennen ihn nun schon seit über einem Jahr. Er ist nicht sehr groß für einen Mann. Wenn er spricht, halten seine Hände einander fest. Sein Blick sucht nach Zuspruch – für das, was er sagt, und noch mehr dafür, dass wir ihn überhaupt erst sprechen lassen, dass er hier sein darf.

Zuletzt, es war Anfang Dezember an einem der Tage, an dem der gefrorene Raureif auch am Mittag noch Bäume und Gärten bedeckt; zuletzt rief er an und sagte, er wolle nicht stören, es sei ihm wirklich sehr unangenehm, aber ob jemand kommen könne. Es gebe da eine Sache in der Wohnung, eigentlich schon länger, aber jetzt gehe es nicht mehr. Es tue ihm leid, diese Umstände zu bereiten –  aber ob wir mal schauen könnten.

Ich fahre hin. Er wohnt gemeinsam mit seiner Mutter auf 55 Quadratmetern, er ein Zimmer, sie ein Zimmer sie, dazu eine kleine Küche. Die Wohnung ist zu klein für zwei Personen, noch dazu für einen jungen Mann Anfang 20, der seinen eigenen Weg gehen möchte. Aber die Umstände sind, wie sie sind.

Wir begrüßen uns. Die Mutter trägt heute kein Kopftuch; ich bin eine Frau, da braucht sie keins. Ich sehe sofort den Schimmel in den gegenüberliegenden Zimmern, jeweils die Außenwände, flächig in den Ecken. Das ist nicht schön, gar nicht schön.

„Gut, dass Sie angerufen haben“, sage ich zu ihm.

„Ich möchte nicht … keine Umstände“, sagt er, von einem Fuß auf den anderen tretend. Das Wort „Umstände“ kennt er, außerdem Wörter wie „Genehmigungsverfahren“, „Gesamtgeltungsdauer“ und „Ermessensentscheidung“. Ich selbst schaffe es kaum, mir „Danke“ und „Guten Tag“ auf Arabisch zu merken.

Wir besprechen die Lage. Er hat vorher Vokabeln gelernt: „Schimmel“ und „Tapete“, „Fensterscheibe“ und „Luftzug“; man merkt, dass er die Wörter zum ersten Mal ausspricht. Doch wir verstehen uns. Er spricht überhaupt gut Deutsch, jetzt, nach nur einem Jahr schon; und ich merke: Er lernt auch in diesem Gespräch. Sein Körper richtet sich mit jedem Nicken, dass ich ihm gebe, auf. Sein Blick wird wach und wacher. Wir klamüsern das aus, und ich telefoniere nochmal kurz mit einer Freundin. Sie macht Wasserschadenssanierung. Ich schicke ihr Fotos und schildere die Lage.

„Na sowas“, sagt sie. „Genau dein Problem war letztens erst Thema auf den Schimmelpilztagen!“

Ich denke: Schimmelpilztage. Was bitte ist das für ein Name für einen Kongress? Mein Name ist Lohse, ich besuche die Schimmelpilztage. Möchten Sie meine Pilzkollektion sehen? Ich habe hier 28 Schimmelpilze in jeder Qualität, da ist bestimmt auch einer für Sie dabei. 

„Die haben“, sagt meine Freundin, „da unten ja ’ne ganz andere Bausubstanz. Das ist alles nicht so gedämmt. Und dann das andere Klima. Ist jetzt ganz viel Thema unter den Kollegen. Viel Schimmel. Auch in den Heimen. Ich schick Dir mal so’n Infoblatt. Sind die Wände denn trocken, hast du gemessen?“

Die Wände sind trocken. Wir checken noch ein paar andere Kriterien ab, gehen Maßnahmen durch. Nachdem wir aufgelegt haben, bespreche ich alles mit ihm. „Ich helfe!“, sagt er entschlossen. „Natürlich! Ich helfe! Was machen?“ Ich erkläre es ihm.

Als ich gehen möchte, steht seine Mutter plötzlich mit einem Kaffeetablett im Wohnzimmer. Ich weiß: Ihr ging es sehr schlecht, als sie nach Deutschland kam. Ihr Mann ist gestorben, totgebombt im eigenen Haus. Ihre Gesundheit ist angeschlagen. Sie hat oft Schmerzen. Nur der Bruder und der Sohn sind ihr geblieben. Der Sohn, der seit einem Jahr lernt und lernt, Deutsch und den Alltag im fremden Land, weil er sich sein eigenes Leben aufbauen möchte, weil er fort möchte aus der Enge mit ihr, seiner Mutter, die ihn am liebsten niemals mehr loslassen möchte. Es ist nicht einfach.

Ich lehne die Kaffee-Einladung ab, doch ich sehe sofort die Enttäuschung in ihrem Gesicht. Also bleibe ich noch. Wir setzen uns ins Wohnzimmer.

„Sehr gut“, sage ich und deute auf den Kaffee. Ich sage es nicht aus Höflichkeit. Der Kaffee ist wirklich außerordentlich lecker: ein Geschmack, rund und voll, aber nicht bitter.

„Arabischer Kaffee“, übersetzt der Sohn die Erklärung seiner Mutter. „Ist besser als deutsche.“ Sogleich zuckt er zusammen, hebt die Hände. „Deutsche Kaffee auch gut!“, sagt er hastig. „Sehr gut, deutsche Kaffee!“

„Nein“, sage ich. „Filterkaffee schmeckt nicht. Da habt ihr Recht. Aber der hier“, ich hebe die Tasse an, „ist sehr lecker.“ Seine Hände sinken erleichtert herab. Ich lasse mir weiter den Unterschied zwischen Kaffees erklären, dann schweift das Gespräch ab zu anderen Dingen, zum Wetter, zur Lage in Damaskus; darüber, wie gerne er mehr Kontakt zu Deutschen hätte; über die Schwierigkeiten, Arbeit zu finden – oder eine Lehrstelle oder ein Praktikum als Installateur. Als ich gehe, nimmt die Mutter meine Hand und drückt sie mit ihren beiden, warmen Händen.

Seither ließ sie mir schon zweimal ausrichten, wie toll doch der Nachmittag gewesen sei. Wir haben jetzt beschlossen, dass wir mal gemeinsam kochen, deutsch-syrisch. Damit ich nicht nur den Kaffee kennenlerne.

Der Schimmel ist übrigens weg, und neu tapeziert ist auch. In Gemeinschaftsarbeit, mit kleiner Lerneinheit zu Lüftung und Dämmung. Bis jetzt ist alles prima.

Bisweilen werde ich gefragt: Wie geht’s eigentlich deiner Bandscheibe? Meist von Leuten, die einen Bandscheibenvorfall haben, unter akuten Schmerzen leiden und auf der Suche nach einem Strohhalm der Hoffnung sind.

Deshalb hier mal mein Fazit vier Jahre nach Bildungsbandscheibe – zum Mutmachen:

Ausgangssituation:

Bandscheibenvorfall an der Lendenwirbelsäule mit Bewegungsstörungen und Taubheit im Bein. Ich hatte sehr starke Schmerzen, wirklich, wirklich stark. Bei bestimmten Bewegungen, vor allem reflexhaftem Husten, stand ich, ich übertreibe nicht, kurz vor der Ohnmacht. Das war … beeindruckend.

Erstversorgung:

Hausarzt und MRT. Durch Vitamin B bin ich binnen 24 Stunden an einen MRT-Termin gekommen. Rückblickend hat das erheblich zur Heilung beigetragen.

Das MRT war eindeutig; auch für mich als Laiin war dort zu erkennen, was los ist. In Absprache mit dem Hausarzt verzichtete ich auf eine Überweisung zum Orthopäden, denn mal ehrlich: Beim Orthopäden sitze ich dann vier Stunden im Wartezimmer (oder stehe vielmehr, sitzen geht ja nicht), er guckt zwei Minuten auf die Bilder, sagt mir, dass ich einen Bandscheibenvorfall habe und verschreibt mir Physio.

Der Hausarzt und ich beschlossen, dass wir das auch können – wobei eher ich den Hausarzt in seiner Diagnose und Therapieempfehlung unterstützt habe als umgekehrt.

Das Thema „Operation“:

Direkt im ersten Gespräch kam der Hausarzt auf das Thema „Operation“ zu sprechen – in dem Sinne, dass er sagte, es gebe halt die konservative Methode und immer auch die Möglichkeit einer OP. Ich besprach mich mit ihm und belas mich im Internet zu dem Thema. Die Meinungen dort: Man kann operieren, es ist aber oft überflüssig. Im Grunde geht es bei einem Bandscheibenvorfall nämlich erstmal darum, dass der Körper Wasser abtransportiert und dass Entzündungen und Verkrampfungen zurückgehen müssen. Das lindert dann schon die Symptome. Dafür benötigt er körperliche und seelische Entlastung, Bewegung und später: Sport und Muskelaufbau.

Faszienmassage und Spazierengehen:

Schon zwei Tage nach Bandscheibe begann ich, spazieren zu gehen. Sitzen ging eh nicht, liegen so lala, also 600er Ibu eingeworfen und los. Ich bekam außerdem Faszienmassage bei der Physiotherapeutin. Falls Sie solch eine Behandlung noch nicht genießen durften, aber auf Nahtoderlebnisse stehen, kann ich sie wärmstens empfehlen: Wenn die Folterkraft das Bindegewebe vom Muskel schiebt, ist das wie lebendig häuten. Eine super Sache für Freunde von Grenzerfahrungen.

Faszienmassage hilft allerdings sehr gut (langfristig, währenddessen muss man sich das leise vorsummen), und ich habe gelernt, dass die Faszien bei mir tatsächlich ein Schwachpunkt sind, auch heute noch – bei Belastung im Garten oder wenn ich mich seelisch und körperlich verspanne.

Die Entscheidung „keine OP“:

Nach zwei Wochen hatte ich das Thema „Operation“ abgehakt. Ich war noch weit entfernt davon zu sagen: „Mir geht es gut“, aber ich spürte, dass das, was ich tat, das Richtige und alles nur eine Frage der Zeit war. Meine sportliche Erfahrung hat mir sicherlich dabei geholfen, dieses Selbstbewusstsein und das Vertrauen in meinen Körper zu haben. Wenn Sie das nicht haben, seien Sie versichert: Ihr Körper kann das auch. Trauen Sie ihm etwas zu.

Die Komplikation „Piriformissyndrom“:

Immer, wenn ich jemandem vom Piriformis erzähle, sagt er: „Piri- was?“ Und: „Das denkst du dir doch aus.“ Der Name ist tatsächlich seltsam, wenn man aber Probleme mit dem Piriformis-Muskel hat, sind diese sehr real und total un-komisch.

Durch mein Durch-die-Gegend-Gelatsche hat sich der Muskel im Po bei mir so verkrampft, dass er schlimmere Symptome als der Bandscheibenvorfall selbst hervorgerufen hat: Ich konnte nicht mehr liegen, stechender Schmerz zog über viele Wochen in Kniekehle und Wade. Am Ende half: dehnen, dehnen, dehnen und sich auf einen Tennisball legen. (Diese Tennisballsache trägt nicht grad zur Versachling des lustigen Muskelsyndroms bei.)

Medikamente:

Haben Sie keine Angst davor, Schmerztabletten zu nehmen. Dröhnen Sie sich zu. Je nach Konstitution dürfen Sie bis zu 2.400 mg Ibuprofen pro Tag nehmen. Ich habe das voll ausgenutzt. Anders geht es nicht, und nur so bildet sich kein Schmerzgedächtnis. Also hauen Sie rein.

Außerdem habe ich Keltican genommen (Marketingseite des Herstellers), dessen Wirkung allerdings nicht erwiesen ist.  Ich hatte das Gefühl, dass es ein bisschen was bringt. Das kann aber auch Einbildung gewesen sein.

Erste richtige Besserung:

Geringe Besserung nach zwei Wochen. Weitere Besserung nach vier Wochen. Wirkliche Besserung nach drei Monaten.

Tiefschlag Hexenschuss:

Nach einem halben Jahr sowie nach einem Jahr hatte ich jeweils einen Hexenschuss. Beim ersten Mal eher leicht, beim zweiten Mal so, dass ich mich kein Mü mehr bewegen konnte. Echt: Es ging nix, ich konnte mich nicht selbst herumdrehen, mich nicht selbst aufsetzen, nicht gehen. Pflegestufe 3.

Beim ersten Mal hat mir mein Arzt ein Medikament verschrieben, dessen letzte Tablette ich wie meinen Augapfel hüte. Es heißt Tolperison, ist ein nicht-sedierendes Muskelrelaxans und wird zum Beispiel bei Spastiken nach Schlaganfall eingesetzt. Das Zeug kann zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen führen; ich hatte nix, bei mir wirkte es Wunder: Nach nur einer Tablette und vier Stunden warten konnte ich mich wieder bewegen. Wahnsinn, was mit den richtigen Drogen alles möglich ist. Es war auch meine Rettung, denn ich war gerade in einer Berghütte in Spanien.

Nach dem Hexenschuss hatte ich fortwährend Muskelprobleme im Rücken – kleine Feuerstöße wie vor einem Krampf. Dafür nehme ich regelmäßig Magnesium, das hilft.

Sport:

Ja. Bewegung, Bewegung, Bewegung. Wenn ich micht nicht bewege, kriege ich Probleme. Dinge zu Fuß erledigen, joggen, gezielt den Rücken stärken. Und den Bauch! An dem geht nix vorbei. In jeder Fitti-Runde und auch zu Hause mache ich Übungen für die Bauchmuskeln.

Nach Hexenschluss #2 hatte ich mir geschworen: Erst, wenn ich ein Jahr lang keine Rückenprobleme habe, fange ich wieder mit dem Handball an. Zweieinhalb Jahre nach Bandscheibe war es soweit. Erst trainierte ich sehr vorsichtig, ich hatte eine riesige Blockade im Kopf. Die ist mittlerweile weg – auch wenn ich immer noch sehr sensibel auf meine Rückenmuskulatur lausche.

Yoga und Gymnastik:

Ich mache regelmäßig Übungen, mit denen ich auch in der Lage bin, Blockaden selbst zu lösen. Sollten Sie nicht nachmachen, deshalb hier keine Details. Zwischendurch habe ich mal Yoga gemacht. Das ist gut für den Rücken, ich habe das nach jeder EInheit positiv bemerkt. Aber insgesamt ist es nicht meine Sportart. Sollten Sie Yoga mögen, ist das ’ne tolle Sache.

Wenn Sie Fragen oder Ergänzungen haben: gern.

Zuletzt habe ich selten über Bücher gebloggt. Jetzt geballt die Empfehlungen aus den vergangenen zölf Monaten:

Diane Brasseur: Der Preis der Treue (Hörbuch)
übersetzt von Bettina Bach, gelesen von Ulrich Noethen
Er ist gut situierter Anwalt und verliebt in Alix, die deutlich jünger ist als er. Er liebt aber auch seine Ehefrau. Eines Morgens zieht er sich, dessen Namen wir im Buch nicht erfahren, in sein Arbeitszimmer zurück, um eine Entscheidung zu treffen – und lässt uns im inneren Monolog an seiner Beziehung zu Alix und zu seiner Frau teilhaben. Ich glaube: Dies ist ein Buch, das man entweder mag oder total doof findet. Ich fand’s gut. Mal habe ich Sympathien für den Ich-Erzähler empfunden, mal habe ich gedacht: So ein Arsch. Diese Ambivalenz gefällt mir.

Lisa Genova: Still Alice
übersetzt von Veronika Dünninger
Alice Howland ist Harvard-Professorin und hat frühzeitig einsetzendes Alzheimer. Zunächst fallen ihr Wörter nicht mehr ein, dann verlegt sie Dinge, dann weiß sie auf ihrer üblichen Joggingrunde plötzlich nicht mehr, wo sie ist. Autorin und Neurologin Lisa Genova beschreibt sehr bewegend den Krankheitsverlauf von Alice, ihre Gefühle, ihre Hilflosigkeit, aber auch das, was bleibt, wenn der Geist nachlässt. Ein beeindruckendes Buch. Der Film mit Julianne Moore, Alec Baldwin und Kristen Stewart ist ebenfalls gut. Das Buch hat aber mehr Tiefe.

Daniel Glattauer: Gut gegen Nordwind & Alle sieben Wellen (Hörbücher)
gelesen von Andrea Sawatzki und Christian Berkel
Eigentlich ein alter Hut, aber in 2016 wieder als Hörbuch gehört. Sofort hat es mich wieder gepackt – unglaublich. Emmi Rothner schreibt versehentlich eine E-Mail an Leo Leike, die beiden beginnen einen E-Mail-Dialog, der erst kratzbürstig, dann liebevoll, dann verliebt wird. Na gut: Emmi bleibt immer kratzbürstig, weshalb ich oft „Oaaar!“ und Boah, neee!“ rufe, wenn ich das Hörbuch höre. Trotzdem: die Bücher mit und für Liebe.

Dörte Hansen: Altes Land
Gemein mit ihrer Mutter flieht Vera ins Alte Land nahe Hamburg. Dort kommt sie auf dem Bauernhof von Ida Echkoff unter. Sie erfährt Ablehnung, es gelten andere Regeln als daheim – es wird ein hartes Leben. Fünfzig Jahre später kommt Veras Nichte mit ihrem Sohn auf den Hof. Das Buch wechselt zwischen heute und damals. Ich mag den sachlichen Erzählstil von Dörte Hansen, ihren Blick für die Figuren, die Entwicklung der Geschichte, ohne sich anzubiedern.

Wolfgang Herrndorf: Arbeit und Struktur
Die Tagebucheinträge des Schriftstellers Wolfgang Herrndorfs („Tschick“), nachdem bei ihm ein Glioblastom, ein Hirntumor, diagnistiziert wurde. Herrndorf schreibt mal bruchstückhaft, mal ausführlicher. Mal hatte ich den Eindruck, er schreibt nur für sich. Mal, dass er sich bewusst an seine posthumen LeserInnen wendet. Er analysiert seine Krankheit, seziert Überlebensraten, begegnet dem Tumor einerseits kühl, andererseits verzweifelt und damit sehr menschlich. Daneben: seine Arbeit, sein Alltag – die Besessenheiten, Dinge zu Ende zu bringen. Eine Konfrontation mit dem Sterben und noch mehr mit dem Leben.

Hjorth & Rosenfeldt: Die Sebstian-Bergman-Krimis
Inzwischen gibt es fünf Bände. In 2016 gelesen: „Das Mädchen, das verstummte“  (Band 4) und „Die Menschen, die es nicht verdienen“ (Band 5). Hauptfigur ist Kriminalpsychologe Sebastian Bergman, ein unnachahmlicher Egoist, für den ich aber inzwischen ein Sympathien hege. Naja, nur ein paar. Aber mehr als in Band 1. In der Kriminalhandlung geht es immer um irgendeine Art von Serienmörder, das ist nicht weiter erwähnenswert. Doch der Wechsel zwischen Krimi und den persönlichen Geschichten der Ermittler kreiert einen schönen Spannungsbogen. Gute Unterhaltungslektüre.

Daniel Speck: Bella Germania
Julia ist Modedesignerin und schafft nach längerer Durststrecke endlich den Durchbruch. Gleichzeitig tritt ein alter Mann in ihr Leben, Vincent. Er berhauptet, ihr Großvater zu sein. Sie geht der Sache auf den Grund und folgt der Geschichte ihrer Familie – und der Geschichte Vincents. Er reiste 1954 als Vertreter von BMW nach Italien. Dort lernt er Giulietta kennen. Eine deutsch-italienische Liebe beginnt. Doch schon früh ist das Glück getrübt. Die Geschichte ist locker runtererzählt, kurzweilig, hat auch etwas Tiefgang. Gute Unterhaltung.

Jan Weiler: Kühn hat zu tun (Hörbuch)
gelesen vom Autor
Ein Krimi mit einem Kommissar, der ein normales Leben hat: Martin Kühn wohnt im Reihenhaus in der Vorstadt, gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Er ist nicht desillusioniert, hat sich allerdings mit einem leichten Seufzen in seinem Leben eingerichtet: mit dem Gehalt, das chronisch zu nierdig ist, und der Tochter, die trotzdem gerne ein Pferd hätte. Dann wird in seiner Nachbarschaft ein toter Mann gefunden. Kühn nimmt die Ermittlungen auf: ohne Extravaganzen, beinahe hausbacken und deshalb so wohltuend. Ich mochte den Roman in seiner Abbildung der Normalität, und die Krimihandlung ist auch solide. Gerne mehr Krimis Martin Kühn, Jan Weiler.

Über Wibke Bruhns‘ Buch über ihren Vater habe ich ausführlich geschrieben. Auch dies eine Empfehlung.

Zu guter Letzt:

Correctiv – Recherchen für die Gesellschaft: Bookzines
Correctiv ist stiftungs- und spendenfinanzierter Journalismus: das erste gemeinnützige Recherchezentrum Deutschlands. Correctiv beschäftigt investigative Journalisten, Datenjournalisten und Programmierer und bereits zahlreiche Preise gewonnen, allein 2015 den Grimme Online Award, den Lead Award, den Deutschen Reporterpreis, den Ernst-Schneider-Preis, den Axel-Springer-Preis – und damit sind noch nicht alle Preise genannt. In ihrem Shop verkaufen die Correctiv-JournalistInnen unter anderem Bookzines mit ihren Recherchen. Als Fördermitglied bekomme ich die Bookzines kostenlos zugesendet. Das ist eine tolle Sache. Im aktuellen Buch „Ziele“ habe ich zum Beispiel die Undercover-Recherche im Pflegeheim und die Geschichte über geduldete und Drogen dealende, afrikanische Einwanderer mit viel Interesse gelesen.

Mit dem Zurückblicken habe ich es nicht so. Deshalb gibt es hier nichts über 2016. Dafür eine Vorschau auf 2017. Fragebogen in Anlehnung an Don Dahlmann.

Beste Entscheidung:
Freiberuflich arbeiten. Im Februar geht’s los.

Schlechteste Entscheidung:
Freiberuflich arbeiten. Ich werde fluchen. Ich werde zweifeln. Ich werde hadern. Und am Ende wird alles gut werden. Das ist der Plan.

Beste Anschaffung:
Das Auto, das ich mir kaufe. Es ist mein erstes Auto – was sich ein bisschen seltsam anfühlt, immerhin fahre ich seit mehr als 20 Jahren, und ich fahre nicht wenig, sowohl Auto als auch Bahn, aber ich habe noch niemals ein Fahrzeug gefahren, das auch auf meinen Namen angemeldet war. Ich werde es jeden Morgen streicheln und vielleicht auch in aller Öffentlichkeit mit einem Mikrofasertuch abfeudeln. Ich kann für nichts garantieren.

Dämlichste Anschaffung:
Vermutlich ein Kleidungsstück, das mir fast passt. Nur noch minus fünf Kilo.

Schönster Absturz:
Ich stürze nicht ab. Ich betrinke mich nur intensiv. Nur zur Sicherheit, damit keine Gerüchte entstehen: nicht als regelmäßige Einrichtung. Manchmal halt. Mit Genuss. Es wird auch 2017 vorkommen. Und es wird super werden.

Dämlichster Absturz:
Ich bin eine nur eine begrenzt hemmungslose, vielmehr kontrollierte, dabei aber ausgesprochen freudige Nicht-Abstürzerin.

Bestes Getränk:
Cocktails von Björn. Sie sind allesamt gerne eingeladen, die Cocktails von Björn zu toppen und mich auf etwas Besseres einzuladen. Wird aber schwierig.

Ekelerregendstes Getränk:
Seit ich mit mir überein gekommen bin, dass Tomatensaft und Filterkaffee in meinem Leben keine Rolle spielen, ist die Gefahr eines ekelerregenden Getränks geringer geworden. Vielleicht wird es etwas Asiatisches sein. Wenn ich es denn bis nach Indonesien schaffe. Steht aber auf meiner Liste für 2017.

Bestes Essen:
Viele Mahlzeiten, die ich esse, sind fantastisch. Das Projekt „Gut essen“ habe ich schon vor längerer Zeit begonnen und ziehe es durch. Ganz vorne sind natürlich Essen in Gesellschaft, dazu zählt der Stammtisch aus – haha! – Essen, der Handballerstammtisch aus Dortmund, der Stammtisch mit Herrn und Frau F. und überhaupt: Kochstammtische! Ich koche aber auch gerne alleine. Im Winter ist eine Neuauflage meiner einmal jährlichen Sauerbratenaktivitäten geplant, außerdem Rotkohl und Rouladen, im Sommer wieder Zucchinipuffer und ach .. Sie ahnen es alles gar nicht. Nicht zu vergessen die Sushi-Verabredungen.

Schlimmstes Essen:
Unterwegs. Irgendein Nothefeteilchen.

Beste Musik:
Konzert. Phil Collins im Juni in Köln.

Schlimmstes Gejaule:
Mein eigenes Brummsummen beim Singen mit Frau Höpker im Februar. Aber hey – es geht nicht ums Können, es geht ums Tun. Wie bei so vielen Dingen.

Eigene, schönste musikalische Wiederentdeckung:
Dr. Alban auf der 90er-Party. Muss, ne.

Beste Idee/Frage:
Noch ein Buch?

Dämlichste Idee/Frage:
Alpenüberquerung?

Beste Lektüre:
Meine Amazon-Wunschliste ist lang, außerdem gibt es noch eine Kindle-Wunschliste. Dazu viele gute Blogbeiträge, journalistische Reportagen – ich bin sicher, ich werde literarisch glücklich werden. Manche Geschichten darf man ja auch ansehen, als Film, das ist nicht ganz so fantasievoll wie lesen, dafür emotional kompakter. Beides wird mich ergreifen. Ich freue mich schon.

Langweiligste Lektüre:
Es gibt Menschen, die Bücher gnadenlos zu Ende lesen, ohne Rücksicht auf Verlust der Lebenszeit oder möglicher alternativer Erlebnisse, zum Beispiel Kuchen backen. Ich gehöre nicht dazu. Wenn mir ein Buch nicht gefällt, lege ich es weg.

Schönster Moment:
Bestimmt etwas mit Liebe und Knutschen.

Schlimmster Moment:
Es wird einen geben – natürlich. Vermutlich an einer Stelle der eigenen Biographie, wo ich ihn am wenigsten erwarte. Sonst wäre das Leben nicht das Leben. Vielleicht werden es auch mehrere. Ich bin mir selbst sehr dankbar, dass ich in den vergangenen Jahren eine gesunde Resilienz entwickelt habe. Wirklich – ich bin gut darin, Dinge wegzustecken. Ich kann aber auch darauf verzichten.

Zunehmen oder abnehmen:
Abnehmen. Nicht, weil ich mich schlimm finde. Mit Freude habe ich vor ein paar Tagen dazu Journelles Beitrag gelesen, „Vom Glück eine dicke Frau zu sein“. Ich möchte aber gerne meine Fitness steigern, fluffiger um den See laufen, öfter laufen, länger laufen, weiter laufen, viel Sport machen, stark sein. Das geht dann automatisch mit Gewichtsverlust einher.

Haare länger oder kürzer:
Die Problemfusseln haben 2016 ihre Idealfrisur getroffen.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger:
Die Entwicklung geht unweigerlich in Richtung gleitsichtiger. Wird aber nicht 2017 passieren, hoffe ich.

Mehr ausgeben oder weniger:
Ich gebe immer so viel aus, wie ich zur Verfügung habe – minus ein paar Kröten für Rücklagen. Es kommt also darauf an, wie die beruflichen Pläne anlaufen. Das meiste Geld werde ich ohnehin in Reisen investieren; die sind anpassungsfähig. Auf einer Skala zwischen Schlafsack und Ritz Carlton bin ich frei skalierbar, kann alles genießen und bin in jeder Situation glücklich. Einzige Bedingung: Geschlafen wird im Liegen.

Der hirnrissigste Plan:
Ich mache manchmal ungewöhnliche Pläne. Oft mache ich gute Pläne. Genauso oft mache ich aber auch gar keine Pläne, sondern habe nur ein ungefähres Ziel vor Augen und folge dann meinem Instinkt und den Möglichkeiten, die sich bieten. Das hat bislang gut funktioniert und macht mich allein schon dadurch zufrieden, weil ich nicht wirklich scheitern kann.

Die gefährlichste Unternehmung:
Ach, was ist denn schon wirklich gefährlich?

Die teuerste Anschaffung:
Das Auto.

Die meiste Zeit verbringen mit:
Mir. Am Schreibtisch. Im Garten. In Projekten bei Kunden. In Seminaren. Beim Laufen um den See. Im Fitnessstudio. Auf Reisen.

Die schönste Zeit verbringen mit:
Reisen. Es sind Ausflüge nach Bern und nach Sankt Petersburg geplant, vielleicht nach Jakarta. Ob Namibia etwas wird, dahinter steht ein großes Fragezeichen. Alles zusammen wäre auch ein bisschen viel. Innerhalb Deutschlands wird es zur re:publica nach Berlin gehen, sicherlich mehrmals nach Heidelberg und ins Osnabrücker Land, vielleicht in die Münchener Gegend und an noch viele weitere Orte.

Vorherrschendes Gefühl 2017:
Freudige Anspannung.

2017 zum ersten Mal tun:
Man sollte immer ausreichend Dinge zum ersten Mal tun. Das ist überhaupt das Tolle am Älterwerden: Man hat viele Dinge genügend oft getan, um erste Male mit Ruhe und Gelassenheit zu überstehen. Ich bin sicher, dass sich genügend erste Male auftun werden. Ich freue mich!

2017 nach langer Zeit wieder tun:
Unterrichten.

2017 wird mit einem Wort:
Genuss.



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