Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Och | Im Garten lag ein Amsel-Ei. Das wird dann wohl kein Küken.

Kleines, grünes Ei - zerbrochen

Kleine Gartenfreuden: die Blüten, die nun eine nach der anderen kommen, während die ersten schon wieder gehen.


Aha | Man merkt, dass die Zeit der Feiertage und Brückentage beginnt.

Dadurch verdichtet sich gerade die Arbeit, denn in diesen Kurzwochen müssen ja trotzdem alle Dinge erledigt werden; Zeiten mit vielen Kurzurlauben bringen immer eine große Geschäftigkeit mit sich. Außerdem schwinden die Möglichkeiten, mit mehreren Menschen einen Termin zu machen, so dass man den Termin noch irgendwo reinquetscht, wo eigentlich kein Termin mehr reingepasst hätte.


Mnjomm | Gestern gab es einen Schmusi mit einer erfrischenden Note italienischer Kiwi unter Farbgebung von Spinat und Salat, die sich zwar optisch in den Vordergrund spielten, aber geschmacklich zurückhielten.

Glas mit grünem, dickflüssigen Gesöff

Heute ein Schmusi im Ton „Schlüpferrosa“ – oder wie angesagte Modehäuser sagen: Trendfarbe Nude. Eine animierende Karotte ergänzte die Basis von Banane und Honigmelone, während Erdbeeren und Mandeln einen angenehm eleganten Ausklang generierten.


Uff | Gestern war ich das erste Mal seit drei Jahren wieder joggen. Ich möchte nicht darüber sprechen.

Aber was will man machen. Die Auswahl an sportlicher Betätigung ist ja ausgesprochen bescheiden dieser Tage. Und so schlimm war’s auch nicht. Genau genommen war es sogar gut. Hinterher.

Immerhin keine Schäden oder Beschwerden heute. Man wird ja bescheiden im Alter.


Gelesen | Ein Mann seiner Klasse. Christian Baron erzählt die Geschichte seiner Kindheit in armen Verhältnissen. Klappentext:

Kaiserslautern in den neunziger Jahren: Christian Baron erzählt die Geschichte seiner Kindheit, seines prügelnden Vaters und seiner depressiven Mutter. Er beschreibt, was es bedeutet, in diesem reichen Land in Armut aufzuwachsen. Wie es sich anfühlt, als kleiner Junge männliche Gewalt zu erfahren. Was es heißt, als Jugendlicher zum Klassenflüchtling zu werden. Was von all den Erinnerungen bleibt. Und wie es ihm gelang, seinen eigenen Weg zu finden. 

Ullstein Buchverlage

Christian Baron erzählt direkt und ohne Umschweife. Er erzählt, was Armut und Bildungsferne für ein Kind bedeuten, wie Schichtzugehörigkeit wirkt und dass es nur einen einzigen Menschen braucht, der an ein Kind glaubt, damit es scheinbar Unerreichbares erreicht.

Ein Buch, das einerseits groß und bereichernd ist, andererseits nicht „toll“ genannt werden kann – dafür ist der Inhalt zu bitter. Klare Empfehlung.

Sterne | Ich war einkaufen. Derzeit vertilge ich Unmengen an Obst, weil ich auf den Schmusi gekommen bin. Ich werfe dazu beliebige Früchte und eine Möhre in das hohe Rührdings, das ich sonst nur zum Sahneschlagen nehme, schmeiße ein paar Mandeln dazu, einen Teelöffel Leinöl, halte den Pürierstab rein, fertig.

Lassen Sie sich von der Optik nicht täuschen: Das ist sehr lecker.

Grüner Smoothie, dahinter das Buch "Ein Mann seiner Klasse".

Die 24/7-Homeoffice-Ernährung fordert wirklich meine Fantasie heraus.

Ich war also einkaufen und kaufte einen halben Wagen voll Äpfeln, Möhren, Kiwis, Melone und Bananen. Alle Menschen im Supermarkt waren freundlich, wir nahmen aufeinander Rücksicht, wir trugen Maske, gingen uns aus dem Weg und plauschten sogar. Zehn von zehn Sterne für dieses Erlebnis, gerne wieder.

Über das Buch im Bild schreibe ich, wenn ich es ausgelesen habe. Das ist sehr bald.


Gegen den Verfall | Vor dem Einkaufen war ich beim Physio.

„Was mach’n wa heute?“, fragte er.
„Du wolltest mit mir turnen“, sagte ich.

Er zeigte mir zwanzig Minuten lang fiese Übungen, bei denen man sich kaum bewegt, aber danach trotzdem Muskelkater hat. Die turne ich jetzt immer während der morgendlichen Telko. Da habe ich nur 1/6 Redeanteil. Während ich den anderen 5/6 zuhöre, kann ich mich sehr gut anspannen und beugen, dann habe ich direkt das erste Pensum absolviert.


Hallelujah! | Es hat geregnet. Hoffentlich morgen wieder. Und übermorgen. Die Salatköpfe, Radieschen, Möhren, Zucchini, Kürbisse, Lauchzwiebeln und Blumen im Garten waren verzückt.

Garten: Terrasse, Rasen, Bäume, Gewächshaus - nass vom Regen.

Ich konnte sie vor Freude leise quietschen hören.


Abendsonne | Gestern war ich zum Abendspaziergang auf dem Feld. Wie man sieht, ist es ganz schön schlimm, verrußt und fürchterlich hier im Ruhrgebiet.

Panoramaaufnahme eines Feldes, darin ein Weg, Abendsonne.

Auf dem weiteren Weg lagen bemalte Steine. Darüber habe ich mich gefreut.

Bund bemalte Steine, auf dem vorderen steht "Alles wird gut".

Jeder Tag ein Abenteuer | Ansonsten bleibt festzuhalten, dass es auch in der sechsten Woche Remote-Arbeit weiterhin Herausforderungen gibt, das passende digitale Tool für die jeweilige Gruppe zu finden: Nicht alle Teilnehmenden kommen überall rein, große Technikeinweisungen sind je nach Länge des Beisammenseins oversized, andererseits ist eine reine Telko zäh, und das gemeinsame Entwickeln könnte eine Visualisierung gut gebrauchen. Aber der Proxy.

Das fehlende Zurückgreifen auf Routinen ist anstrengend. Gleichzeitig ist es spannend. Ich lerne eine Menge, und vieles von dem, was ich mir jetzt aneigne, wird bleiben.


Helpathlon 2020 | Die Stadt Dortmund veranstaltet einen Helpathlon. Am kommenden Samstag, 2. Mai, können alle, die Lust haben, mitmachen und die Stadt entwickeln.

Infos aus der E-Mail, die mich erreichte:

Fragen wie „Was können wir schon jetzt anpacken, um die Welt nach der Krise ein Stückchen besser zu machen?“ und „Wie wollen wir in Zukunft unter neuen Rahmenbedingungen in unserem Quartier zusammenleben und -wirtschaften?” leiten uns dabei. Während des Helpathlons sammeln wir in einem vollständig virtuellen Prozess die unterschiedlichen Fragestellungen, schaffen ein gemeinsames Verständnis, entwickeln Ideen und gehen in den Austausch. Als Ergebnis entstehen zum Ende des Tages erste Prototypen.

Ich werde wahrscheinlich nicht dabei sein. Denn ich möchte nicht auch noch den Samstag in einem virtuellen Meeting verbringen. Die Idee finde ich aber großartig.


Corona-Service | Die Pandemie zieht den Nahverkehr auf dem Land in Mitleidenschaft. Busunternehmen droht die Pleite. | Die Zustände bei der Spargelernte machen wenig Lust auf Spargel. | Virologe Christian Drosten im Interview mit dem britischen Guardian, unter anderem über das Präsentionsparadoxon. | Beobachtung aus den USA: Einige Covid-Erkrankte, jung und fast ohne Symptome, erleiden nach überstandener Infektion einen Schlaganfall | Obduktionen von Menschen, die in Zusammenhang mit Covid-19 verstorben sind, zeigen, wieso ihnen Beatmung nicht geholfen hat.

Gelesen | Nachruf auf Norbert Blüm: Ein Mann mit eigenem Kopf

Genickt | Die Persönlichkeiten in einer Videokonferenz

Abenteuer | In meinem Kiez kenne ich inzwischen jeden Baum und jede Ente mit Vornamen. Es war Zeit, mal woanders durch die Gegend zu gehen. Also fuhr ich in die Heimat. Dort gibt es ausreichend Landschaft, um sich die Beine zu vertreten und dabei etwas Anderes zu sehen als das Übliche.

Rapsfeld in der Sonne

Ich ging die alte Runde, die wir sonntags immer mit der Familie gingen, damals in den 80ern und Anfang der 90er: vom Lahrfeld über Kempers Hof Richtung Barge, von dort zum Hexenteich, über den Kapellenberg und wieder zurück. Das sagt Ihnen jetzt nichts, Sie kennen das alles nicht, das macht aber nichts. Ich nehme Sie mit.

Kempers Hof ist ein Bauernhof zwischen dem Ortsteil, in dem ich aufwuchs, und Barge. Barge ist auch ein Ortsteil, ein besonderer, denn Barge hat einen Segelflugplatz.

Über Kempers Hof geht man drüber: beim Spazierengehen, beim Wandern, beim Joggen. Man geht an der einen Seite rein und an der anderen wieder raus, und wenn grad jemand aus dem Haus oder aus dem Stall kommt, grüßt man nett.

Fachwerkhaus unter Bäumen an Feldern

Als ich hier aufwuchs, fürchtete ich mich vor dem Gang über den Hof, denn dort lebten zwei Hunde, sehr wütende Hunde. Sie liefen frei herum. Sie bissen niemanden, aber sie waren eben sehr unfreundlich, sie bellten und liefen hinter jedem her, der ihr Revier betrat. Erst nach Durchqueren des Hofes, am immergleichen Zaunpfosten, ließen sie von den Besuchern ab und trotteten zurück an ihren Platz, mit stolz geschwellter Brust: Schau her! Ich habe die Eindringlinge vertrieben!

Gestern lag ein Großpudel auf dem Hof. Gelangweilt kaute er auf etwas. Kein Gebell, kein Gerenne. Hofhunde sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

blauer Himmel, grüne Wiesen, Rapsfeld

Hinter den Barger Hügeln liegt der Hexenteich. Um dorthin zu gelangen, läuft man durch einen dichten Wald, so war das jedenfalls damals. Heute ist der Wald licht. Stürme, Trockenheit, Käfer – was immer es war, das die Bäume zerlegt hat: Es war gründlich.

Baumstumpf von einem abgebrochenen Baum, dahinter tote Nadelbäume.

Alles sieht anders aus als in meiner Kindheit. Die Landschaft hat gelitten, hat sich verändert, die Wege sind nicht mehr dort, wo sie waren, vielleicht finde ich sie auch nur nicht. Es geht am Wald vorbei über die Wiese – und dann ist er wieder da, der Weg, markiert vom Sauerländischen Gebirgsverein.

Robuster Waldweg

Mitten im Wald liegt der Hexenteich. Er heißt so, weil dort im 16. und 17. Jahrhundert Frauen hingerichtet wurden. Sie wurden ertränkt oder verbrannt. 1631 überlebte eine Frau mit dem Namen Dorte Hilleke die Folter. Deshalb heißt die Mendener Bücherei „Dorte-Hilleke-Bücherei“.

Mein Großonkel Paul (*1906) ging bis ins hohe Alter mehrmals in der Woche zum Teich. Er spazierte viel, und er haute beim Spazierengehen viel auf die Erde. Er sagte immer, dort könne man gute Dinge aufsammeln, wenn man nur aufmerksam genug sei. Er fand oft Tennisbälle, die er uns Kindern mitbrachte. Außerdem fand er ständig Geld, mal Pfennige, mal eine oder zwei Mark, einmal sogar 20. Einmal rettete einen Menschen, der in den Hexenteich gefallen war, vor dem Ertrinken. Er erhielt dafür ein Verdienstkreuz.

Als ich klein war, liefen wir Schlittschuh auf dem Teich. Oder wir fuhren mit dem Schlitten den angrenzenden Berg hinab, durch dichten Tannenwald. In guten Wintern ging die Fahrt bis aufs zugefrorene Wasser, lang und steil und mit zahlreichen vereisten Stellen. Es gab eine Rampe hinab auf den Teich; wenn man richtig Schwung drauf hatte, hob man kurz ab.

Heute stehen Kunstwerke des Bildhauers Mile Prerad um den Teich. Er ist ein serbisch-bosnisch-deutscher Bildhauer, lebte lange in Menden, mittlerweile auf Rügen. Seine Skulpturen sind aus großen Baumstämmen und zeigen Krieg und Verfolgung.

Wenn man vom Teich aus weitergeht, kommt man in den Kapellenberg. Im Kapellenberg steht die Antoniuskapelle. Der Weg von der Vincenzkirche in der Mendener Altstadt bis zur Kapelle im Wald, der Weg über den Berg und wieder runter in die Stadt ist gesäumt von kleinen Häuschen mit Bildstöcken und Figuren. Sie zeichnen den Leidensweg Jesu nach.

Zu Ostern findet dort die Karfreitagsprozession statt. Die ganze Nacht hindurch ziehen stündlich Prozessionen von Gläubigen über den Berg. Freiwillige melden sich bei der Kirchengemeinde, um das schwere Kreuz zu tragen. Die Träger bleiben anonym; sie sind in Sackleinen gehüllt, eine Perücke verhüllt ihre Gesichter.

In diesem Jahr trugen nur Zwei das Kreuz über‘n Berch: der Pfarrer und der Bürgermeister. Die große Tradition, die Prozession mit Hunderten, nochmal Hunderten und je tiefer die Nacht wird, mit Vereinzelten, fiel aus – wegen Corona. Wer dennoch wollte, ging allein den Weg, zum Tag oder zur Nacht.

Nach zweieinhalb Stunden war ich gestern wieder am Auto – mit dem Gefühl, ein großes Abenteuer erlebt zu haben, nach fünf Tagen nur im Dortmunder Kiez.


Gartenarbeit | Heute war ich im Garten. Die letzten Kürbisse wollten in die Erde. Ich säte Mangold und Lauchzwiebeln ein, setzte ein paar Blumenzwiebeln, macht das neue Beet vor den Wasserbecken schön und topfte ein bisschen was um.

Gartenutensilien auf der Terrasse, im Hintergrund die Wäscheleine und das Gewächshaus

Es ist erstaunlich, wie lange das alles dauert. Ich werkelte den ganze Nachmittag. Immer, wenn ich dachte, alles sei erledigt, sag ich noch etwas, das ich tun könnte. Es gibt immer noch etwas, das ich aufharken oder gießen kann, das noch eingepflanzt oder umgesetzt werden möchte.

Beet

Nun ist alles in der Erde, was dort hin soll. Auch die Kartoffeln sind gesetzt.

Der erste Salat ist schon fast gar, die Radieschen sind gut aufgestellt, und auch die ersten Möhren zeigen sich.

Reihen vor Gemüse vor einem Staketenzaun

Am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag soll es regnen. Das wäre toll.


Gelesen | Die Herzen der Männer von Nickolas Butler. Klappentext:

In den Augen seines Vaters ist Nelson eine Enttäuschung. Wer will schon ein Kind, das weder Freunde noch Selbstbewusstsein besitzt? Je intensiver der verunsicherte Junge sich nach Zuwendung sehnt, desto stärker sondert sich der Vater ab, bis er irgendwann ganz aus dem Leben seines Sohnes verschwindet. Doch in einem Punkt hat er sich getäuscht. Nelson ist nicht allein. Jonathan, sein bester Freund aus dem Pfadfinderlager, ist das genaue Gegenteil von Nelson: bei allen beliebt, pragmatisch und mit einer unverwüstlichen Leichtigkeit ausgestattet. Was aber treibt jemanden wie Jonathan dazu, sich mit einem Außenseiter anzufreunden? Und stand Jonathan wirklich immer so rückhaltlos zu ihm? Das Leben im rauhen Wisconsin verlangt Nelson, Jonathan und dessen Familie Prüfungen ab, die Freundschaft und Loyalität auf eine harte Probe stellen. 

Klett-Cotta

Gerne gelesen. Die Geschichte macht zwei Zeitsprünge: Sie beginnt, als Nelson und Jonathan etwa neun Jahre alt sind. Dann springt sie in einer Zeit, in der beide Ende 40 sind. Im letzten Teil sind sie um die 80.

Nickolas Butler entwickelt die Charaktere gut und nachvollziehbar, über verschiedene Szenen, ohne selbst zu werten. Er erzählt, beschreibt und lässt mir als Leserin ausreichend Leerstellen, um eigene Gedanken zu entwickeln. Das mochte ich.

Management-Summary | Viel Arbeit bei wenig Freizeit, bei gleichzeitig wenig Bewegung, wenig Abwechslung, auftretenden Software-Problemen und Trockenheit im Gemüsebeet. Das ist die Zusammenfassung der vergangenen Tage. Details:


Broterwerb | In dieser Woche habe ich erstmals an einem Remote-Workshop teilgenommen: 20 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, interaktive Pinnwände, Breakout-Sessions, dazu Chat und Abstimmungen und anderes Zeugs. Der erste Tag war zum Zuhören und Verstehen da, am zweiten Tag habe ich moderiert.

Wir haben mit Microsoft Teams in Kombination mit Stormboard gearbeitet. Das war erquicklich, produktiv und erstaunlich geschmeidig. Über MS Teams haben wir videokonferiert, Dateien geteilt, gechattet und Breakout-Sessions eingerichtet (oder wie man 2019 noch sagte: Gruppenarbeit). Die Teilnehmenden gingen dann in einen anderen Raum, starteten dort ihre Unterhaltung und kamen danach mit Ergebnissen zurück in die große Runde.

Wir richteten verschiedene Stormboards ein, die wie digitale Pinnwände funktionierten: Alle konnten gleichzeitig Zettelchen ankleben und sich darüber unterhalten, Ideen ergänzen, auf Pins antworten und voten.

In der Sache sind wir gut vorangekommen, alle waren mit der Methodik zufrieden, und ich habe gelernt, als Moderatorin mit dem Setting umzugehen. In dem Setting ist noch Luft für Feinschliff – mehr Pausen, mehr Breakout-Sessions kamen unter anderem als Feedback. Hier fehlt die nonverbale Kommunikation und die sonst vorhandene Unruhe im Raum, um zu bemerken, wann es Zeit ist, flexibel auf die Bedürfnisse zu reagieren.

Fürs erste Mal bin ich mehr als zufrieden – sowohl mit dem Was als auch mit dem Wie.

Darüber hinaus gab’s jede Menge weitere Themen über mehrere Kunden hinweg. Heute war auch wieder Webinar-Tag. Zehn von zehn Webinare sind nun absolviert. Zehnmal das Gleiche erzählt, an zehn Terminen für zehn Gruppen – ich nenne es auch: „Homeoffice-Tour 2020“.

Die Woche in einem Wort: Puuuh.


Software-Gedöns | Plötzlich funktionierte Powerpoint nicht mehr, genauer gesagt das Abspeichern als PDF. Weder die Funktion „Speichern unter“, noch „Exportieren“, noch „Drucken“ reagierte. Ach ja, drucken konnte ich auch nicht mehr. Powerpoint stürzte ab.

Vielleicht lag es an der riesigen Datei, die mir ein Dienstleister geschickt und an der sich Powerpoint massiv verschluckt hatte. Vielleicht war es einfach Magie. Es ging jedenfalls nicht mehr, und ohne diese Funktion ist alles Murks, weil ich meine Folien als PDF an Kunden verschicke.

Nach rumprobieren, öffnen, schließen, deinstallieren, hin und her entschloss ich mich zum zum Abo von Microsoft 365.

Sie ahnen nicht, wie sehr meine Stimmung bei solchen Dingen sinkt.


Homeoffice | Ich bin am Ende der Woche immer ratzefertig. Obwohl ich die ganze Zeit zuhause bin und noch nicht einmal Kinder betreue.

Vielleicht liegt am vielen Hören. Das Auditive ist nicht mein Favorit. Bei Hörbüchern schlafe ich immer ein, und wenn mir jemand länger als zehn Minuten etwas erzählt, während ich dabei nichts malen oder aufschreiben kann, wird’s eng mit der Aufmerksamkeitsspanne. Ich bin mehr der visuelle Typ. Derzeit gibt es allerdings die meisten Informationen auditiv, über Telefon und Telefonkonferenzen. Ohne Mimik, Gestik, nonverbale Infos.

Vielleicht sind es auch die fehlendenden Reize, die fehlenden visuellen Eindrücke. Selbst wenn es anstrengend ist, unterwegs zu sein: Nichts Neues zu sehen, ist offenbar auch anstrengend.


Raus | Bilder vom Spazierengehen um den Teich.

Ich kenne inzwischen jeden Baum und jeden Grashalm in meinem Kiez, egal in welche Richtung – und jede Gans mit Vornamen.

Derweil ist es im Garten staubtrocken. Ich hoffe, dass es nächste Woche nennenswert regnet.


Die kleinen Dinge | Höhepunkte der Woche: einkaufen im Supermarkt und ein Ausflug ins Staudenparadies in die Nachbarstadt. Abenteuer!


Gelesen | Anmerkung zur Stochastik. Herr Buddenbohm will warten, darf aber nicht.

Schnee | Der ganze Garten ist voller Kirschblütenschnee.

Weiße Blüttenblätter auf Rasen und Beet

Die Zucchini sind im Beet. Die Kürbisse auch. Die Tomaten wachsen nun in ihren Hochbeeten im Gewächshaus. Ausnahmslos alle Samen sind dieses Jahr angegangen. Ab Juli werde ich mich komplett autark versorgen können. Fehlen nur noch eine Milchkuh und eine Handvoll Hühner.


Veteraninnentreffen | Heute Abend war Treffen der Handballveteraninnen auf Skype. Das war schön. Ich habe mir dazu ein geistiges Getränk bereitet: Suze Rouge mit Tonic, Eis und einer Orangenscheibe. Auf der Titanic hat das Orchester schließlich auch bis zuletzt gespielt.

Die alte Mannschaft ist wieder in die Verbandsliga aufgestiegen. Herrje, Verbandsliga – das waren Zeiten.

In diesem Leben nicht mehr.


Spazierbemerknisse | Spaziergang durch den Kiez. Welche Wege es alles gibt! Mit jedem Gang entdecke ich einen neuen Pfad.

Sonne über dem Feld

Gleichwohl war es nicht so leer, wie die Bilder suggerieren. Eine offene Frage bleibt ja, warum Menschen, die mir entgegenkommen, stets mittig auf dem Weg gehen und diesen Weg auch unbeirrt fortführen. Und Paare erst! Dabei wäre es so wundervoll, das Entgegegenkommen anderer Menschen zu nutzen, um das Hinterteil seines Partners einmal ausführlich zu bewundern. Danach kann man keck wieder an seine Seite treten und – welch romantische Geste – die Hand zurück in seine zu schieben, begleitet von einem liebenden Blick.

Stattdessen weiche ich auf Felder, Wiesen oder auf die Straße aus, um Abstand zu haben. An den Phoenixsee, die künstlich angelegte Naherholungsstätte ums Eck, gehe ich schon gar nicht mehr – nicht zwischen 9 und 20 Uhr. Lediglich morgens zwischen 7 und 8 Uhr wage ich mich hin, vor Arbeitsbeginn. Denn dort ist die Hölle los: Familien, Jogger und joggende Paare, Jugendliche und Gruppen in großer Zahl. Es geht dort eigentlich zu wie immer.

Ich habe das dumpfe Gefühl, dass die Lockerungen, die es noch gar nicht gibt, sondern die erst noch kommen, nach hinten losgehen werden.


Corona-Service | Deutschland bleibt zuhause. Die Dokumentation des MDR begleitet Familien im Lockdown, darunter die, die es hart trifft. | Kitaschließung – eine Männeridee | Informatiker Henning Tillmann schreibt auf Twitter aus technologischer Sicht über die Corona-Tracing-App. | Es häufen sich Hinweise, dass bei schweren Covid-Verläufen Schäden zurückbleiben: Blick in eine Lunge. Auch Erfahrungen aus der Innsbrucker Uni-Klinik legen das nahe. | Ein Fernfahrer und die Kinderbetreuung | Gute Reportage: Auf Rügen brechen alte Konflikte auf. | Introvertierte Menschen freuen sich in diesen Tagen, zuhause bleiben zu dürfen und niemanden treffen zu müssen: „Ich muss gar nichts.“ Der Text holt mich sehr ab. | In den USA gibt es nun auch auf dem Land vermehrt Corona-Infektionen. Alte Stadt-Land-Mythen stehen infrage. | Nach überstandener Infektion: Ich habs’s gehabt – zwischen Scham und Supermann-Gefühl. | Corona-Studie: Der Plan hinter dem Heinsberg-Protokoll. Eine Recherche zur PR-Agentur „Storymachine“, die Studie in Gangelt begleitet und, ja, man muss sagen: inszeniert. Dazu auch der NDR: Fragwürdige Arbeit von Storymachine | Passend dazu: Chemikerin und Youtuberin Mai Thi Nguyen-Kim macht den Virologen-Vergleich, vor allem in Hinblick auf ihre Medienarbeit.

Gefreut | Jemand hat seinem Meerschwein ein Kunstmuseum eingerichtet. Zauberhaft.

Geguckt | Die Getriebenen. Der Film rekonstruiert die 63 Tage im Sommer 2015, bevor Angela Merkel ihre Schlüsselentscheidung in der Flüchtlingskrise fällt.

Kundenservice zum Liebhaben | Gestern erreichte mich eine Mahnung, die zweite. Vor etlichen Wochen hatte ich bei einem Online-Bekleidungshaus sechs Artikel bestellt, einen hatte ich retourniert. Für die behaltenen Artikel habe ich das Geld überwiesen.

Das Bekleidungshaus ist nicht das best organisierte. Es neigt regelmäßig dazu, retournierte Artikel nicht zu verbuchen. Es verschickt dann sehr schnell und sehr engagiert Mahnungen, ohne bei sich unters Sofa zu schauen. Nervig.

Weil es bei der letzten Bestellung auch schon so war und ich so langsam den Kaffee auf habe von dem Mist, rief ich heute Morgen mit richtig doll Brass beim Kundenservice an und trug mein Anliegen vor.

Ich: „Guten Tag. Ich rufe an wegen einer zweiten Mahnung, die Sie mir zu einem Artikel schicken, den ich bereits vor mehr als vier Wochen retourniert habe.“

„Haben Sie die Bestellnummer zur Hand?“

[Nenne Bestellnummer]

[Änderung im Tonfall] „Ach, aus Dortmund kommste? Mensch, ich auch, ey. Meine Familie is‘ aus Soest. Und getz hock‘ ich hier in London im Call Center und komm‘ nich‘ mehr wech.“

Da ging mir das Herz auf. Sie sagte:

„Also, mit den Retouren, datt klappt hier ja schon ohne Corona nich‘, kennze ja, und getz auch noch mit Virus, also … ich schreib‘ dir dat gut. Ruf’se demnächst immer direkt an, wenn da wieder was von unserer Rechnungsabteilung kommt.“

Wir plauderten noch drei Minuten über Dortmund, London, Einreise, Ausreise, Boris Johnson, Angela Merkel und Aldi-Besuche in Corona-Zeiten. Ich schreibe extra nicht, welches Bekleidungshaus das war, denn Call-Center-Agents bekommen ja Ärger, wenn sie zu lange reden. Ich kann aber sagen: Das waren gut investierte drei Minuten. Denn vor dem Anruf hatte ich mir vorgenommen, nie wieder etwas bei diesem Saftladen zu kaufen. Nach dem Anruf hatte ich Lust, mir einen Ersatz für die Sommerhose zu bestellen, die letztens kaputt gegangen ist – einfach, weil es so nett war. Werde ich auch machen.


Maskenball | Danke an zwei liebe Menschen, die mich mit Masken versorgt haben. Auch von Vattern, der nun Trendsetter unter den 70-Jährigen in seinem Kiez ist.


Physik-Show für Familien | Die Physikanten sind eine Truppe von Wissenschaftlern, Wissenschaftlerinnen und Künstlern. Sie treten mit Wissenschaftsshows auf. Dafür haben sie schon zahlreiche Preise gewonnen.

Zwei Köpfe hinter den Physikanten sind Marcus und Judith Weber. Marcus Weber tritt auch in TV-Shows auf, zum Beispiel bei „Wer weiß denn sowas“. Mit Judith habe ich an der TU Dortmund zusammengearbeitet.

Die Physikanten sind auch von Corona betroffen: keine Buchungen, keine Auftritte, keine Shows, keine Einnahmen.

Dafür machen Sie nun ein Experimente-Quiz: Auf ihrem Facebook- und Instagram-Kanal gibt es jetzt immer montags und donnerstags um 14 Uhr einen physikalischen Film mit einer Rätselfrage – und einen Tag später die Antwort. Nachgucken kann man das auch auf Youtube-Kanal der Physikanten.


Fazit der Woche | Montag Ostern, Dienstag Rückenschmerzen des Todes, Mittwoch Rückenschmerzen nicht mehr des Todes, dennoch weitgehend arbeitsunfähig, Donnerstag und heute reichlich Arbeit.

Gestern und heute gab ich dreimal mein Webinar zum Homeoffice. Ich werde das Wesentliche mal in einem Newsletter zusammenschreiben. Keine Sorge: Es stehen keine Plattitüden über Jogginghosen und Dresscode drin. Vielmehr lerne ich auch von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Wie eigentlich immer, wenn ich Seminare oder Workshops gebe.

Überraschend in dieser Zeit und deshalb noch schöner, als es ohnehin immer ist: Ich bekam diese Woche Anfragen, traf mit einem Vorschlag einen Nerv und darf drei Angebote schreiben.

Nun ist Wochenende, und ich hätte noch für gut zwei Tage zu tun, bevor es am Montag weitergeht. Ich gehe jetzt also noch ein paar Stunden was arbeiten.


Gelesen | Bahnen ziehen von Leanne Shapton. Leanne Shapton war Leistungsschwimmerin und schreibt ihre Liebe zum Schwimmen auf – und mal dazu. Ein schönes, wertiges Buch in kleinen Episoden aus Gegenwart und Vergangenheit. Gut zu lesen. Dennoch hat mir das Gefühlige gefehlt – das, was Leannes Leidenschaft fürs Schwimmen ausmacht. Nur selten kommt es in Sätzen wie diesen durch:

Als ich zwölf war, bemerkte einer meiner Trainer, dass ich ein „Gefühl“ für das Wasser habe. Ich sonnte mich einen Moment in der Aufmerksamkeit, doch ich verstand auch genau, was er meinte. Ich habe es immer noch. Es ist ein Wissen über den Raum unter Wasser, ein Gespür, wo genau meiner Körper ist und was er bewirkt, das animalische Erfühlen eines anderen Elements – wie das zitternde Schaudern einer Katze, wenn man ihren Rücken berührt. Auf dem Trockenen rempele ich ständig gegen Dinge, schlage mir Zehen an, verfehle Stühle. In der Horizontalen fühle ich mich wohler, die Füße oben, den Kopf seitlich auf dem Ellbogen.

Leanne Shapton, Bahnen ziehen, S. 216

Geguckt | Bennos Project und das Satirevideo von der Bundespressekonferenz kennen Sie, oder? Es stammt vom Synchronsprecher Benno Lehmann. Der Vorgänger: Drosten und Wodarg – die ganze Wahrheit.

Physio & Physik | Die Krümmung hat sich etwas gerichtet, dank des engagierten Einsatzes eines Physiotherapeuten und einer großzügigen Portion Ibuprofen. Spaziergänge halfen zusätzlich.

Bei mir im Haus war letztens eine Wohnung frei. Ich regte an, dass fürs allgemeine Wohlbefinden bitte ein Physio einziehen möge. Stattdessen zieht nun eine Physikerin ein. Nah dran und doch weit vorbei.

Das Ibuprofen war die vorletzte verfügbare Packung in der örtlichen Apotheke: Lieferengpässe aus China. Da stimmt doch irgendwas im System nicht.


Inselchen | Nun ist es schon zweieinhalb Monate her, dass ich auf der Insel war. Zweieinhalb Monate! Wo ist nur die Zeit geblieben? Die Auszeit ist mir gefühlt viel näher. Ich habe mal aufgeschrieben, was ich aus dem Eremitenhäuschen mitgenommen habe. Ein Text aus meinem letzten Newsletter.


Dankeschön | Ich danke sehr herzlich den Kännchencafé-Besucherinnen C. und D., die mich mit jeweils einem Buch beglückten. Ich habe mich sehr gefreut!

Buch: "Der Mann, der auszog, um den  Frühling zu suchen", Buch "Marzahn Mon Amour, Geschichten einer Fußpflegerin"

M4MvsCOVID | Nachdem wir vor knapp eineinhalb Wochen online gegangen sind, haben wir uns heute mal wieder zusammentelefoniert, Feedback gesammelt und geschaut, wie wir weitermachen, ob wir weitermachen und womit.

Wir werden das Projekt anpassen: Die Situation auf den Intensivstationen ist – Gott sei Dank – entspannt. Es gibt ausreichend Intensivbetten. Es zeichnet sich allerdings nach Meinung der Mediziner immer mehr ab, dass es sich bei Covid-19 um ein komplexes Krankheitsbild handelt, bei dem (ich drücke das mal laienhaft aus) Standardbehandlungen, die auf den ersten Blick angemessen erscheinen, zum Beispiel bei Lungenversagen, auf Covid nicht eins zu eins übertragbar und wirksam ist. Irgendwas ist anders. In Deutschland und andernorts gibts es bereits Wissen dazu; es wird weiterhin auch sehr viel publiziert, mehr als ein einzelner Mediziner pro Tag und pro Woche lesen und für sich verarbeiten kann.

Statt weiteres intensivmedizinisches Wissen als Hilfe zur Selbsthilfe zu geben, konzentrieren sich die Mediziner nun darauf, das vorhandene Fachwissen der Unikliniken und Corona-Behandlungszentren sowie aus Publikationen zusammenzubringen und für eine breitere Fachöffentlichkeit handlich zugänglich zu machen.


Blümchen | Weil es grad so schön blüht: Bilder aus dem Garten. Garten geht ja immer.


Geguckt | Marriage Story (Trailer). Der Film begleitet die Trennung eines Paares – vom zunächst einvernehmlichen Auseinandergehen bis zur Entfremung und, nach Hinzuziehen von Anwälten, zur Eskalation. Toller Film. Gute Paarstudie. Tolles Drehbuch. Tolle Schauspieler. Fünf von fünf Sterne. Rezension bei Zeit Online.

Geguckt | Zwei Päpste (Trailer). Die Geschichte um Wahl und Rücktritt von Papst Benedikt XVI./Josef Ratzinger (Wir sind Papst!) und dem aktuellen Papst Franziskus/Jorge Mario Bergoglio. Sehr unterhaltsam. Gerne geschaut. Inwieweit alles so passiert ist und die Darstellung der beiden Persönlichkeiten der Wahrheit nahe kommt (Ratzinger kommt denkbar schlecht weg, Bergoglio über die Maßen gut), bleibt offen. Vier von fünf Sterne.

Corona-Service | „Auf Dauer sind solche Belastungen nicht auszuhalten“. Interview mit einer Psychologin zur Situation von Familien und speziell von Kindern in der Corona-Krise | Passend dazu ein Interview mit der Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, Jutta Almendinger: „Das Wohlergehen der Frauen wird nicht adressiert“ | Plastikhandschuhe beim Einkaufen sind QuatschHomeschooling in Berlin und Finnland – ein Vergleich | Die Sesamstraße im Homeoffice

Huch | Am Wochenende fiel mir auf: Das Virus liegt die ganze Zeit bei mir auf der Fensterbank.

Grüner, stacheliger Ball, der aussieht wie das Corona-Virus

Gekrümmter Tag | Heute Morgen erwachte ich und konnte mich nicht mehr bewegen. Rücken! Gekrümmt und kalt schwitzend schlich ich durch die Wohnung. Ich duschte, doch es war ein wackeliges Unterfangen. Den Slip bekam ich an den Körper, indem ich ihn baumelnd vor mich hielt und versuchte, mit dem Fuß hindurchzustechen, gleich eines Löwen, der durch einen brennenden Reifen springt. Ich hielt mich dabei am Schuhschrank fest, während ein Schwert meine Lendenwirbel durchteilte. Erst am Mittag gelang es mir mit hangelnden Bewegungen und unter unwürdigem Stöhnen, das für alle, die nur Ton, aber kein Bild hatten, sicherlich anderes vermuten ließ, meine Füße mit Socken zu bestücken.

Am späten Mittag nahm ich an einem Meeting teil, Telefonkonferenz. Hingegossen lag ich auf dem Cannapé, ähnlich einer römischen Kaiserin, allein die Weintrauben fehlten. Am Nachmittag hatte ich einige gute Momente, als ich die Spülmaschine ausräumte. Danach verließen sie mich wieder.


Im Schaukelstuhl | Es passiert nun etwas Seltsames: Das Bewusstsein für eine neue Realität stellt sich ein. Die vergangenen vier Wochen waren so etwas wie Urlaub, nicht von der Arbeit, denn Arbeit hatte ich reichlich. Aber doch vom Autofahren, von den Staus auf der Autobahn, von Ortswechseln, von Teamworkshops, von Reisen, von Hotelübernachtungen, von abendlichen Freizeittreffen und Restaurantbesuchen, vom Hübschanziehen, von engen Büstenhaltern, vom Zusammentreffen mich Menschen und von weißen Business-Blusen, mit denen ich immer sehr vorsichtig sein muss, sonst bekleckere ich mich. Ich bin daheim, trage Kleid oder Hoodie und sehe dem Garten beim Frühlingserwachen zu. Das hat alles etwas für sich, ich schlafe nun mehr, ich schlafe besser. Dem Immergleichen wohnt etwas Erholsames inne.

Ostern hingegen war eine Zäsur. Das Glockengeläut der leeren Kirchen, die fehlende Tradition von Familientreffen, die Ununterscheidbarkeit des Feiertags vom Alltag, abgesehen von der Arbeit, die ich bleiben ließ, allein weil ich es so wollte. Über die Ostertage erwachte in mir das Gefühl dafür, dass dies nun erst einmal so bleiben wird, dass das Immergleiche zunächst immergleich sein wird. Dass es in den nächsten Wochen immerfort so weitergehen wird, dass keine Reisen kommen werden, keine Workshops, keine Übernachtungen, keine Sommerpläne, keine neuen Eindrücke, nicht visuell, nicht mit der Nase im Wind, ohne den Geruch von Meer, ohne Berge und ohne die lärmenden, wuseligen Straßen großer Städte.

Wenn sich Trübsal angesichts äußerer Umstände einstellt, stelle ich mir immer vor, wie ich als 92-jährige Frau in einem Schaukelstuhl sitze, eine Wolldecke über den Beinen, im Hintergrund wärmt ein Ofenfeuer. Ich höre mich zu einem imaginären Gesprächspartner sagen: „Ach Gottchen, ja, diese zwei Corona-Jahre, damals, als wir auf den Impfstoff warteten, die habe ich fast vergessen. Was waren die gleichförmig. Dieser äußere Stillstand bei innerer Aufruhr. Das war eine seltsame Zeit.“ Mehr fällt mir dazu nicht ein, während ich mit knarzendem Stuhl vor mich hin wippe, denn seither sind 50 Jahre vergangen, und es ist viel passiert.

Ebenso gehe ich mit anderen Kümmernissen um. „Dieser Mann, wie hieß der noch? Der mich verlassen hat, als ich in den Vierzigern war. Oder war ich Ende 30? Ach je, was habe ich gelitten, und jetzt erinnere ich nicht einmal mehr seinen Namen. Irgendwas Christliches, glaube ich.“ Dann beuge ich mich vor, die Wolldecke rutscht mir leicht von den Knien, ich greife nach einem Glas mit Brombeerlikör und lasse mich wieder zurückfallen. Der Stuhl schaukelt leicht. Das Feuer knistert.


Bilder vom Wochenende reiche ich nach, wenn ich wieder sitzen kann. Dann gibt es auch Links und Gelesenes und Gegucktes.

Karfreitag | Ausgeschlafen. Rührei gefrühstückt. Auf die Terrasse gelegt. Gelesen. Eingenickt. Bad geputzt. Rückenyoga mit Mady gemacht. Auf den Balkon gelegt. Gelesen. Eingenickt. Aufs Sofa gelegt. Traumschiff geguckt. Fisch von Käpt’n Iglo gegessen. Wieder aufs Sofa gelegt. Ins Bett gegangen. Glücklich eingeschlafen.


Projektmanagement aus der Ferne | „Wir brauchen Deine Hilfe im Projektmanagement.“ Mit diesen Worten holte mich Daniel vor dreieinhalb Wochen ins Projekt „Mediziner für Mediziner gegen Covid“. Welche Ideen ich bei der Projektorganisation verfolgte, habe ich jetzt mal aufgeschrieben: Wie die Website entstand und welche Gedanken ich in der Projektorganisation verfolgte. Die Gedanken lassen sich natürlich auch auf andere Projekte übertragen.

Für das medizinische Publikum ist drüben bei „Mediziner für Mediziner gegen Covid“ ist ein neuer Artikel online: Intensivtransport bei Covid-9.


Treibenlassen | Der heutige Tag begann mit einem ausgedehnten Spaziergang durch die Hood, beginnend auf der südlichen Seeseite, dann durchs alte Arbeiterviertel den Remberg hoch, von dort weiter bis zu Stadtkrone Ost, vorbei am Backparadies für Frühstücksbrötchen und wieder nach Hause. Alles in allem fast zwei Stunden. Das war ordentlich.

See mit Sonne, davor Geäst mit beginnenden Blättern

Die B236 war fast geisterhaft leer, als ich sie überquerte. Die Bundesstraße ist normalerweise eine gut befahrene Nord-Süd-Verbindung von Schwerte und der A1, über Dortmund hoch zur A2.

Bundesstraße mit Mittelstreifen, links und rechts je zwei Spuren, nur ein Auto.

Vor dem Bäcker: eine lange Schlange. Alle warteten gesittet mit eineinhalb Metern Abstand. Ich setzte erstmals eine Gesichtsmaske auf und war damit eine von fünf Kundinnen – von geschätzten 40, die in dieser Zeit vor und nach mir einkauften. Das Sprechen beim Bestellen war mühselig: Die Bäckerei war voll, der Stoff fing einiges an Schall auf und erschwerte zudem die nonverbale Konversation. Ich war geneigt, näher an die Theke zu treten, um mich zu verständigen – was ja aber auch nicht Sinn der Sache ist.

Das weitere Tagesprogramm betand nur noch aus gepflegtem Balkonsitzen. Die Ostertage habe ich mir explizit frei genommen.


Puls | In diesen Tagen höre ich hier und dort vermehrt Stimmen, die sagen: „Wie lange soll das noch gehen? Sollen die Alten doch zu Hause bleiben!“ Risikogruppen würden halt sterben, so sei das eben. Erst gestern wurde ich wieder unfreiwillig Zeugin dieser lässigen Großzügigkeit, mit denen man anderen das Sterben gönnt.

Ich möchte dann gerne fuchtelnd auf Liste aller Faktoren deuten, die einen schlechten Covid-Verlauf begünstigen. Ich stelle mir diese Liste ähnlich der Eis-Tafel am Kiosk vor – nur mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, aktuellen oder überstandene Krebserkrankungen und Diabetes. Hinzu kommen (Sonderkarte): Alter ab 50 Jahre, Rauchen, Übergewicht. „Suchen Sie sich was aus!“, möchte ich rufen. „Bluthochdruck, Arterien-Verengungen, Herzrhythmusstörungen, Kurzatmigkeit, Asthma, Rheuma, Fettleber, Kippen, Bierbauch, schlechte Venen – wo sind Sie dabei?“

Außerdem – was soll das überhaupt heißen: Wer Vorerkrankungen hat, habe halt Pech – für solche Leute wolle man sich nicht einschränken? Sind gesellschaftliche Bemühungen nur von Wert, wenn wir damit junge, pumperlgesunde, apfelbäckige Menschen schützen? Ich krieg‘ Puls.


Corona-Service | Schon viel geteilt und verlinkt, dennoch hier noch einmal: Covid-19 – eine Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen | Ein besonderes Fremdschäm-Schmankerl: Antworten reisender Deutscher auf die Fragen niederländischer Grenzkontrolleure, wo die Fahrt denn hingehe und ob sie dringend nötig sei | Was Covid-19 von der Grippe unterscheidet, sind unter anderem die Folgeschäden schwerer Verläufe: Es scheint, als handele es sich bei Covid um eine systemische Erkrankung, die viele Organe in Mitleidenschaft zieht. | Geht mich nichts an, aber … | Bilder vom rumänischen Flughafen Cluj, von dem aus Erntehelfer nach Deutschland fliegen – Bericht der tagesschau | tagesschau aus dem HomeofficeWerbung für social distancing

Gelesen | Während ich am Karfreitag auf der Terrasse lag, habe ich Bov Bjergs „Serpentinen“ zu Ende gelesen. Das Buch ist hoch gelobt – genauso wie sein Vorgänger „Auerhaus“.

Buch "Serpentinen" auf dem Terrassentisch mit Milchkaffee und Saftschorle, dahinter der Garten mit blühendem Kirschbaum und Gewächshaus

Allerdings hatte ich mit Auerhaus meine Schwierigkeiten. So nun auch mit den Serpentinen. Ich fürchte: Bov Bjerg und ich kommen literarisch nicht zusammen. Klappentext:

Ein Vater unterwegs mit seinem Sohn. Ihre Reise führt zurück in das Hügelland, aus dem der Vater stammt, zu den Schauplätzen seiner Kindheit. Da ist das Geburtshaus, dort die elterliche Hochzeitskirche, hier der Friedhof, auf dem der Freund Frieder begraben liegt. Ständiger Reisebegleiter ist das Schicksal der männlichen Vorfahren, die sich allesamt das Leben nahmen: „Urgroßvater, Großvater, Vater. Ertränkt, erschossen, erhängt.“ Der Vater muss erkennen, dass sein Wegzug, seine Bildung und sein Aufstieg keine Erlösung gebracht haben. Vielleicht helfen die Rückkehr und das Erinnern. Doch warum bringt er seinen Jungen in Gefahr? Warum hat er keine Antwort auf dessen bange Frage: „Um was geht es?“ Er weiß nur: Wer zurückfährt, muss alle Kurven noch einmal nehmen. Wenn er der dunklen Tradition ein Ende setzen will.

Ullstein

Das Buch ist eine Reise in die Gedankenwelt des depressiven Vaters. Es beginnt fragmentarisch. Der Inhalt erschließt sich kaum. Der Sohn bleibt namenlos. Die fetzenhaften Gedanken des Vaters tragen die Beiden durch die Berge.

Wie schon in „Auerhaus“ ist der Protagonist der „Serpentinen“ stark ich-bezogen. Er ist selbstherrlich, wenig reflektiert und bleibt ohne Entwicklung. Natürlich: Das bringt die Krankheit der Depression mit sich. Gleichzeitig erhalte ich als Leserin dadurch keine Erkenntnisse.

Gelesen | Mysteriöses Meisensterben. Der Naturschutzbund startet eine Melde-Aktion.

Früher Vogel | Der Dienstag begann mit einem Gang um den See: 7:15 Uhr los und 8:30 Uhr wieder da. Das war gut – sieben Kilometer zu Fuß, das fehlt derzeit oft. Leider gab’s keinen Sonnenschein. Aber irgendwas ist ja immer.

See mit Dortmunder Panorama, bewölkt, im Vordergrund ein Baum

Das Reisebüro macht schon Stimmung für bessere Zeiten.

Aushang: "Wir sind immer noch da, nur gerade nicht hier, aber mobil präsent ... (Telefonnummer). Freut Euch schon jetzt auf tolle Reisen nach der Corona-Krise. Die brauchen wir dann alle dringend."

Heute war die 8:30-Uhr-Telko bereits um 8 Uhr, danach ging es direkt weiter mit Terminen – deshalb kein Morgenmarsch. Aber demnächst wieder, dann.


Einzelbüros | Aktuell gibt es wenig Spannendes, keine Reisen, keine Ortsveränderung, keine Sehenswürigkeiten, keine Stunts, keine Expeditionen und Erlebnisse, nicht einmal Restaurantbesuche.

Herr Buddenbohm bezeichnet seinen Gemütszustand als „vergnügt-fatalistisch“. Dem mag ich mich anschließen. Zwar plagt mich durchaus Besorgnis, was das Durchstehen einer möglichen Erkrankung angeht – sowohl für mich selbst als auch meine Lieben, und der Gedanke an andere, abstraktere Gruppen macht mich traurig -, darüber hinaus bin ich allerdings gottergeben. Die Situation ist, wie sie ist, und sie ist für mich persönlich nicht schlecht.

Alle, denen es anders geht, mögen mir dieses Gefühl nachsehen; aber ich erfreue mich daran, daheim zu sein. Sonst bin ich immer viel unterwegs; ich erfreue mich am Frühling zu Hause. In meinen Arbeitspausen stehe ich mit einer Tasse Kaffee im Garten und schaue versonnen in die Natur. Ich beobachte die Vögel, und wenn es sich fügt, harke, hege und pflanze ich. Das Spannendste findet deshalb in meinem Lebenssegment „Gemüsezucht“ statt. Die Kürbisse und Zucchini sind mittlerweile in Einzelbüros umgezogen.

Kürbis und Zucchini in kleinen Anzuchttöpfchen, die meisten schon mit drei Blättern.

Das Sozialleben gestaltet sich auch nicht übel. Zwar wenig körperlich, aber dennoch innig. Telefonate und WhatsApps halten zusammen, was zusammengehört. Wir speisen gemeinsam vor der Videokonferenz, der Dresscode ist gemütlich. Nach der Mahlzeit befinde ich mich in unmittelbarer Nähe des Bettes, ich brauche nur lang hinzuschlagen, schon liege ich drin. Es hat alles auch seine Vorteile.

Die Arbeit ist immer noch vorhanden, mehr als vorher. Ich habe ja auch mehr Zeit: jeden Tag zweieinhalb Stunden, die ich derzeit nicht auf der Autobahn verbringe – Raum, der sich füllt. Die Tage sind also zugleich voll und entspannt. Die Kommunikationswege stehen, der Rhythmus ist eingerichtet, man trifft sich morgens zur Telko, danach geht es an die Arbeit. Die Mittagspause ist allen stillschweigend heilig, der Nachmittag klingt mal um 16, mal um 18 Uhr aus, und ich bin direkt daheim.

Nur die Abbruzzen, die ich im Sommer besuchen wollte, fehlen mir schon jetzt, und ein Ausflug ans Meer wäre auch wunderbar. Aber irgendwas ist ja immer.


Corona-Service | Die Dortmunder Polizei spielt bei ihrer Fahrt durch die Straßen „You’ll never walk alone“. | Kleine Krankenhäuser in der Fläche: Erst sollen sie geschlossen werden, nun brauchen wir sie. Dennoch überlegen Träger, Personal in Kurzarbeit zu schicken. | Was ich jetzt oft lese: Etliche home-schoolenden Familien schwenken um auf „ein Fach pro Tag“ – und alle sind zufriedener. Vielleicht ein Modell, das man für den Schulalltag mal zu Ende denken könnte.

Gelesen | Adlon for One. Autor David Hugendick war im Hotel Adlon, und zwar ziemlich allein: Nur sechs andere Gäste waren mit ihm dort, Corona-Zeiten. Sein Text hat keine tiefgreifende Botschaft, der Besuch ist in diesen Zeiten genau genommen geradezu dekadent (aber sind Luxushotels das nicht immer?). Dennoch oder gerade deswegen ist es eine Freude, ihn zu lesen.

Ich habe einen Schreibtisch, an dem eigentlich magenkranke Patriarchen sitzen müssten, die unentwegt den Prokuristen anschreien, der obendrein die empfindsame Tochter geheiratet hat, die Blüten in Eichendorff-Bände presst. […]

Ich rufe den Zimmerservice mit einem Telefon, das aussieht, als seien damit früher einmal Nuklearwaffeneinsätze befohlen worden. Das Schnitzel? Ja, gewiss. Es werde gleich gebracht. Ich wollte noch sagen, dass ich es auch gern abholen könne, weil ich keine Umstände machen wolle, aber vermutlich würde das noch größere Umstände machen, außerdem heißt ja Luxus, andauernd irgendwelchen Menschen alberne Umstände zu machen und das für angemessen zu halten. Draußen wird es dunkel. 

Adlon for One

Gelesen | Für immer Hardrockhausen. Eine Besprechung des Moritz-von-Uslar-Buches „Nochmal Deutschboden“.

Gehört | Faking Hitler. Ein Podcast in zehn Folgen über die gefälschten Hitler-Tagebücher des stern, aufbereitet mit Original-Tonbandaufnahmen von Telefonaten zwischen stern-Reporter Gerd Heidemann und Fälscher Konrad Kujau. Die Geschichte wird erzählt wie ein Krimi. Ich bin aktuell bei Folge sieben. Wer auch Juan Morenos Relotius-Recherchen gelesen hat, erkennt Muster in der Haltung von Redaktionen und Verlagen, die solche Ereignisse begünstigen – darunter Machismo, Selbstgerechtigkeit und das Unterdrücken interer Kritik. „Faking Hitler“ ist ein Podcast des stern selbst, das Drehbuch stammt von Nilz Bokelberg. Die Älteren unter uns kennen ihn noch von VIVA. Empfehlung.

Gelesen | Ein Thread über die Siphonophore Apolemia uvaria, die Perlenkettenqualle, die laut Meerwasserlexikon „nicht für Heimaquarien geeignet“ ist. Ach was.



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