Kleine Aussichten | Oh, wie großartig! Dafür wurde das Internet erfunden: Bei Window Swap (via Mama notes) können Sie wahllos auf der Welt aus dem Fenster schauen, und es ist toller, als es sich anhört.
Jeder kann mitmachen und sein Fenster schicken: als zehnminütiges HD-Video gemeinsam mit seinem Vornamen und dem Ort.
Truman Show | Heute hatte ich seltsame Begegnungen. Ich ging zur Poststelle im Dorf. Auf dem Weg dorthin standen Fahrradfahrer beieinander und unterhielten sich. Sie sahen mich, unterbrachen ihr Gespräch, winkten wild und grüßten freundlich, als käme eine alte Bekannte des Weges. Ich grüßte freundlich zurück.
Dann betrat ich die Poststelle, und die Poststelleninhaberin sagte: „Ach wie schön, dass Sie vorbeikommen!“, als habe sie lange auf meinen Besuch gewartet. Während ich mein Päckchen einpackte, sagte sie: „Gucken Sie mal, ich habe nun Silber geschafft“, als hätten wir erst letztens darüber gesprochen, und sie deutete auf eine Kompetenz-Urkunde der Deutschen Post, darauf ihr Name. Ich erfuhr, dass man, um diese Urkunde zu erhalten, 300 Fragen zum Postwesen beantworten muss, für Gold 600, das komme, sagte sie, noch diesen Monat, und sie fragte: „Diesmal wieder etwas verschicken?“, als verschicke ich häufiger etwas, hätte zuletzt aber etwas anderes in der Poststelle getan.
Auf dem Heimweg begegnete ich einem grauhaarigen Mann mit einem Kind. Er winkte mir von der anderen Straßenseite aus zu, grüßte ebenfalls enthusiastisch und fragte, wie es ginge. Auch ihn kannte ich nicht, aber ich winkte ebenfalls, grüßte freundlich, sagte „Gut“, fragte: „Und selbst?“, er antwortete, und dann gingen wir unserer Wege.
Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich im Viertel eine Doppelgängerin, oder es wird eine Fortsetzung der Truman Show gedreht, mit mir in der Hauptrolle.
Buchprojekt Käthe | Es geht munter voran. Von meiner Lektorin hatte ich für Juli und August die Aufgabe bekommen, Teil Zwei des Buches zu überarbeiten. Teil Zwei habe ich auf La Gomera geschrieben.
Auf Gomera war mein Gehirn leider Brei. Ich habe deshalb nur ein Gerüst zusammengedengelt. An dieses Gerüst kommt jetzt „mehr Sinnlichkeit dran“, wie wir es ausdrücken, denn im Januar war ich unsinnlich. Die Figuren brauchen mehr Nahbarkeit, die Handlung mehr dramaturgische Tiefe, und alles muss besser zusammenpassen.
Mit dem Handlungsgerüst und der Sinnlichkeit ist es so: Einerseits gibt es wenig tatsächlich Dokumentiertes über Käthe Paulus‘ Leben. Aus ihrem Nachlass existieren einige biographische Seiten, darin Auftrittsorte, Zahlen, Daten, Fakten, außerdem aus späteren Jahren drei Handvoll Seiten Korrespondenz, Rechnungen, Abschriften, auch ein Vertrag – aber wenig Hinweise darauf, wie sie als Mensch war. Die Dokumente lassen viele, sehr viele Leerstellen. Wer waren ihre Freunde? Wer ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Welche Werte vertrat sie? Wie sah sie sich selbst? Wie die Welt?
Ich könnte mir die gesamte Handlung, alle Figuren ausdenken und tue es natürlich auch. Ich schreibe einen Roman, alles ist Fiktion. Aber ich möchte auch möglichst nah dran sein an der historischen Käthe – und an der Art von Menschen, die sie auf ihrem Weg hätten begleitet wollen.
Gelesen | Die Bundeswehr vermisst 60.000 Schuss Munition. So ähnlich kennt das ein Langhaarhaushalt mit Haargummis.
Corona-Service | Der New Yorker hat ein Lexicon for a Pandemic zusammengetragen. | Unser Gesundheitsminister ist auf der Suche nach 7305 Intensivbetten, die er mit einer halben Milliarde Euro Steuergelder gefördert hat. Denn die sind offenbar nie entstanden. Ich schätze, das ist wie damals beim Taschengeld: Eigentlich wollte man etwas Sinnvolles kaufen, aber dann – schwupps, war’s auf einmal weg. | Langzeiterkrankt nach Covid-19: „Wir gelten als genesen und sind doch nicht gesund“. Dazu gibt es im englischsprachigen Raum die Seite Covid-19 Recovery Awareness. In einer Facebook-Gruppe versammeln sich deutschsprachige Covid-19-Genesene, die anhaltende Beschwerden haben. | Derweil am bulgarischen Goldstrand
Kommentare
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Window Swap! Das ist ja praktisch persönlich für mich gemacht, die vor vielen Jahren erkannt hat: Das wichtigste an einer Wohnung ist für mich der Blick nach draußen. Und damit kann ich aus so vielen Wohnungen gucken!
Großartig, ne? Bin auch ganz begeistert.
Ich habe den Artikel zu der verschwundenen Munition bewusst nicht gelesen … mir kommt echt das k***. Bitte, jede/jeder der jemanden kennt der bei der NVA seinen Dienst tuen musste, einmal befragen was los war wenn nur 1 Schuss Munition nach einem Übungsschießen nicht wieder auftauchte.
Ich bin an jeder Käthe Neuigkeit interessiert … ähm, nicht das ich neugierig bin … kein bisschen … *bekommt gerade eine Pinoccio Nase*
Mein Vadda erzählt immer gern das er mal ein Maschinengewehr im Sand verbuddelt hat, weil er kein Bock auf saubermachen hatte. Gab n Anschiss und das wars. Als Bootsmann wars schon nicht schlecht in der DDR.
Sie haben recht! (NVA)
Ich hoffe, dass sich das Gefühl von „Paralleluniversum“ noch ganz banal aufklärt! *summt Akte-X-Melodie*
Ich würde es auch gerne wissen.