Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Urlaub | Bis zum Abend benötige ich durchschnittlich sieben Worte: „Eine Latte Macchiato, bitte“ und „Eine Traubensaftschorle. Danke.“ Ersteres spreche ich beim Frühstück, zweiteres wenn ich auf meiner Wanderung zur Rast anhalte. Nur fürs Abendessen benötige ich mehr.

Fünf Tage bin ich hier. Motto: Wellness, Wandern, Wein, wenig Worte. Es ist wunderbar.

Man stellt mir täglich ein Menü zusammen, drei Gänge, so habe ich es gebucht. Jeden Abend sind Abstimmungen vonnöten, denn jeden Abend mag ich keine Pilze. Um die Anzahl der Worte zu begrenzen, fragte ich zu Beginn meines Aufenthaltes, ob man ein Briefing zu meinen Vorlieben und Abneigungen wolle – etwa, um inmitten der Pilzsaison die Pilzsache abzuhandeln, und auch, damit ich nicht nörgelig wirke. Man wollte nicht, „wir schauen einfach jeden Tag“. Das führt täglich zu fünfzig zusätzlichen Worten. Alles in allem sind es jedoch immer noch ausreichend wenig, um mich von meiner Übermenschung zu erholen, und das Essen ist, von Pilzen befreit, vorzüglich.


Underdressed | Die Menschen in meinem Hotel sind allesamt absurd chic angezogen, schon beim Frühstück. Heute Morgen raschelten vier Damen in schwarzen Paillettenkleidern durchs Buffet, als gingen sie vom Croissant direkt in die Oper.

Das restliche Publikum ist morgens wie abends ein Showroom der Appelrath & Cüpper Cashmere & Loungewear Highlights: geschmeidige Pullover, Seidenblusen, Popelinhosen, Culottes und schwingende Röcke, die Herren in Chinos mit Lederschuhen oder van-Bommel-Sneakern, der Pullover über die Schultern gelegt, altersbedingt auch zweireihige Sakkos.

Ich fühle mich hart underdressed und versuche, meinen mangelnden Stil mit guten Manieren wettzumachen, immer an William Hanson denkend.


Wein | Wein ist das beherrschende Thema des Ortes. Wo man geht und steht: Weinberge, Weingüter, Weinranken, Weinstüberl, Vinotheken, ein Weinbach. Und Weinbauern.

Schild in einer Windschutzscheibe, von innen mit einem Saugnapf: "Woibauer"

An einem der Abende wagte ich es, keinen Wein, sondern ein alkoholfreies Weizen zu bestellen, ich hatte Durst. Man sah mich an – nur der Wunsch nach Fanta wäre abschätziger bedacht worden.

Zum Dessert mochte ich dann doch einen Wein. Man bot mir an, blind drei Rieslinge der örtlichen Weingüter zu verkosten. Ich nahm einen Schluck vom ersten und sagte: „Von Buhl.“ Das war leicht herauszuschmecken, ich finde ihn muffig. Der Sommelier legte den Kopf schief, hob die Augenbrauen und nickte, deutete auf die anderen beiden. Ich probierte, tippte ans zweite Glas und sagte: „Der schmeckt am besten.“ Es war der teuerste, Ruppertsberger Reiterpfad Riesling trocken, ein – Zitat aus dem Verkaufsprospekt – „Solist auf hohem Niveau“ mit „eleganter Mundfülle“. Ich trank ein Viertele, aß lauwarme Portweinfeigen mit Pistazieneis und Sabayone dazu, war beschwipst und ging danach ins Bett.

Der Ort ist eine pittoreske Ansammlung von Sträßchen und Gässchen, Fachwerk und alten Bauernhäusern. Es gibt Brunnen und Schänken, Palmen und Südfrüchte. In Gärten und an Mauern wachsen abstrus große Feigenbäume.

An den Ort schließen Weinberge an, auf die Weinberge folgt Wald. Geht man in den Wald hinein, kann man mit angenehmer Steigung wandern. In Kreiseln und Zirkeln winden sich weiche Wege hinauf auf den Kirchberg, den Kehrberg, den Sommerberg und den Eckkopf, man trifft auf Kapellen, Bänke und Denkmäler – und Kastanien. Allerorten fallen sie aus der Höhe herab, ein Rascheln kündigt es an, dann schlagen sie dumpf auf dem Waldboden auf. Man sollte Helm tragen.

Ich lerne, dass Kastanien hier Keschde heißen und dass es weiter südlich einen Keschdeweg gibt. Man bereitet Keschdlichkeiten zu, Kastanienhonig oder Kastaniensaumagen.

Saumagen und Leberknödel, Schwartemagen und Griebenwurst – das sind die Gerichte hier. Wer kein Fleisch mag, hat es schwer, besonders in der Gaststätte, die am Pfälzer Weinsteig liegt. Rentner fahren mit großen Autos vor. Vor vollen Tellern sitzen sie auf dunklen Eichenstühlen, langen breitarmig zu, schauen, den Wald im Rücken, in die sich weit aufspannende Ebene, trinken zwei Viertele Rivaner und steigen danach zurück in ihre Autos.

Blick in die Pfälzische Ebene mit Weinbergen, im Hintergrund Städte.

Ich mache Rast, lege meinen Rucksack ab und bestelle eine Traubenschorle.


Szene | An einem Morgen sitze ich neben einem Paar, beide in den Siebzigern. Ich habe mir grad mein Frühstück gerichtet. Am Nebentisch sind die Kaffeetassen bereits ausgetrunken, der Service räumt bekrümelte Teller ab. „Ich möchte, dass du dich zusammenreißt“, sagt sie in weich fallender, sandfarbener Cashmere-Seide. Ich beginne mit Bircher-Müsli, es ist außerordentlich gut, sehr fruchtig. Käse und Feigenmarmelade werden folgen. „Um halb Eins gibt es Mittag. Nicht, dass du wieder übersättigt bist.“ Er, hellblauer Wollpullover, brummt Unverständliches, schiebt seinen Stuhl zurück, geht zum Buffet und kommt mit einem Teller zurück. Sie schnauft. „Nochmal Käse. Dass du dir davon so viel aufschaufeln musst. Der ist viel zu trocken hier.“ Er legt ein Stück aufs Brot und beißt hinein. Hinter seinem Rücken geht ein Mann vorbei. „Der große Mann da“, sagt sie, als er noch nicht außer Hörweite ist. „Hast du den gesehen? Der läuft komisch. Es gibt so viele große Männer, die komisch laufen. Du läufst auch komisch.“ Er kaut. Ich gehe ebenfalls zum Käse über, ein milder Manchego, und streiche Feigenmarmelade darauf. „Was die Renate im Status hat“, sagt sie und hält ihm das Handy hin. „Schau. Im feinen Abendkleid steht sie da. Eben noch hat sie auf dem Totenbett gelegen, schon will sie wieder die Schönste sein. Was denkt sie sich dabei?“ Er kaut und macht „Mmmh.“ Sie wischt auf dem Display und hält ihm das Handy erneut hin. „Martin. Wie der aussieht. Nur weil Stefanie nicht bügelt.“ Er wischt sich den Mund mit einer Serviette ab und sagt: „Ich bin fertig.“ – Sie: „In drei Stunden gibt es Maronenbraten.“ Er erhebt sich, sagt: „Das ist mir grad recht“, und geht, ohne auf sie zu warten.


Schlappenstunk | Gestern lag ich auf meinem Hotelbett. In unregelmäßigen Abständen wehte mir ein unangenehmer Geruch in die Nase, eine Mischung aus Schweiß und altem Parmesan mit einer Kopfnote „Seniorenheim“.

Ich schnupperte an mir: alles in Ordnung. Ich roch am Kopfkissen, an der Bettdecke, am Bett, am Bademantel. Bis ich feststellte: Es sind meine Badeschlappen. Unerfreulich! Zumal es relativ neue Schlappen sind; ich habe sie dieses Jahr, weil ich meine Bestandsschlappen vergessen hatte, für unangenehm viel Geld in einem unangenehm teuren Saunaparadies erworben. Es sind die bestpassendsten Schlappen, die ich je für meine Füße hatte.

Ich googelte das Problem, und während die Suchmaschine suchte, dachte ich: Das ist es, was von mir bleiben wird, wenn ich jetzt umgebracht werde und die Kripo ermittelt – der Browserverlauf „badeschlappen stinken was tun“.


Gelesen | Frau Novemberregen löst ein Problem mit Zahlen und eins mit einem Muffin.

Gelesen | Sarah Stricker: Fünf Kopeken. Die Erzählerin erzählt die Geschichte ihrer Mutter. Als Kind wird sie von ihren Eltern, die in einer westdeutschen Kleinstadt ein Modegeschäft führen, mit Strenge gehätschelt. Als junge Frau – der Vater expandiert sein Geschäft „in die neuen Länder“ – geht sie mit ihnen nach Berlin. Bis hierhin ist die Geschichte zwar langatmig, aber sprachlich pointiert – außerdem mochte ich die piefige Atmosphäre der westdeutschen 80er Jahre und die Erzählung von der technokratischen Erziehung der Tochter. In Berlin beginnt die Protagonistin eine Affäre mit ihrem Nachbarn. Die Geschichte bekommt einen logischen Bruch. Es bleibt rätselhaft, was sie an dem ungehobelten Mann findet, welches Bedürfnis die Liebschaft befriedigt. Die Nachwende-Geschichte wird leider nicht weiter verfolgt: Der Aufbau des Geschäfts im chaotischen Berlin der 1990er, das anmaßende Auftreten des Vaters, die Konflikte zwischen West- und Ost-Mentalität – alles fällt erzählerisch der Affäre zum Opfer. Ich legte das Buch weg.

Gelesen | Mora Herngren: Scheidung, aus dem Schwedischen von Katharina Martl. Nachdem ich zuletzt Schwiegermutter mit Begeisterung las, folgte nun das erste Buch der Autorin. Erneut eine große Freude. Die Handlung: Bea und Niklas sind seit dreißig Jahren ein Paar. Nach einem belanglosen Streit verlässt Niklas die gemeinsame Wohnung und kommt nicht zurück. Die vielen Mikroverletzungen der vergangenen Jahre münden in einer Trennung. Moa Herngren erzählt präzise vom langsamen Erodieren einer Beziehung, von unausgesprochenen Wünschen und Versäumnissen auf beiden Seiten.

Gelesen | Herr Buddenbohm bezieht ein neues Büro: Schön hier. Aber ein Palais wäre mir lieber.


Heute | Heute beschloss ich kurzerhand, nichts zu tun. Keine Wanderung, kein Wellness. Ich stellte lediglich die Fünf Kopeken in den hiesigen Bücherschrank. Wo Tender Bar das Regalbrett dekoriert, stand vorher Great again! von einem orangenen Präsidenten – das konnte ich nicht so lassen.

Bücherschrank, "Fünf Kopeken" sichtbar im Regal, darunter "Tender Bar".

Danach ging ich zur Drogerie, Desinfektion kaufen. Möglicherweise löst sich dadurch mein Schlappenproblem. Nach ausgiebigem Einseifen, Einweichen und mehrfachem Einsprühen habe ich jedoch wenig Hoffnung. Sie müffeln immer noch.


Leser’innenfragen | Nichts Neues auf der Themen-Vorschlagsliste.


Archivschweine | Durch das Bild könnte der Eindruck entstehen, das Schwein im Hintergrund – es handelt sich um das Tier „Müsli“ – sei suizidal und wolle sich in die Tiefe stürzen. Dem ist nicht so. Vielmehr zeigen sich im Stall Parallelen zum Menschenhaus. In beiden Gebäuden verdrücken sich die Teenager ins Obergeschoss und kommen nur herunter, wenn Nahrung gereicht wird.

Urlaub |  Ich gleite sachte in den Urlaub hinein. Eigentlich bin ich seit zwei Tagen out of office. Aber die Goldene Regel der Selbstständigkeit will es, dass immer kurz vor dem Urlaub zahlreiche Anfragen reinkommen. Das ist erfreulich, und ich will mich auch nicht beschweren – ich freue mich ab morgen allerdings auch sehr aufs Nichtstun. Dann wirklich!

Vergangene Woche war ich noch einmal bei Kunden unterwegs. Zuerst ein Workshop zu guter Kommunikation in spannungsreichen Situationen. Danach der Abschluss einer Teamentwicklung. Begonnen haben wir die Teamentwicklung – ohne Vorwurf an die Beteiligten, aus der Organisationskultur heraus – bei Silodenken, unklarer Verantwortung, doppelter Arbeit, Einzelkämpfertum und fehlenden Urlaubsvertretungen. Nach einem Jahr habe ich das Team dahin gebracht, dass es altersbedingte Personalwechsel gemeistert hat, dass es die Aufgaben neu sortiert hat und nun flexibler und effizienter zusammenarbeitet. Außerdem ist es nun in der Lage, für die eigenen Belange Verantwortung zu übernehmen und sich zukünftig auch ohne mich weiterzuentwickeln. Besseres unternehmerisches Handeln und gleichzeitig mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeiter’innen – es war mir eine große Freude, diese Entwicklung zu orchestrieren. Wir hatten insgesamt sechs Workshops, dazu begleitete ich die Mitarbeiter’innen ein wenig on the job.

Heimweg vom Bahnhof in der Abenddämmerung auf dem Weg zurück nach Hause:

Von Bäumen gesäumte Landstraße. Die Fotografien geht auf dem Randstreifen.

Zeitgeschehen | Jetzt, wo ich mein Sojaschnitzel nicht mehr Schnitzel nennen darf, gibt es bestimmt bald mehr Wohnungen, die Krankenkassenbeiträge sinken, die Kitas haben einen ausreichenden Personalschlüssel, die Verwaltung ist digitalisiert, wir haben ein Tempolimit, die Bahn fährt wieder pünktlich und wir sind klimaneutral. Das wird super.


Stammtisch | Der Freundeskreis „Drei Gänge“ traf sich wieder zum Stammtisch.

Gedeckter Tisch: Teller, Suppenteller, Servietten, Brot und kleine Schüsselchen, dazwischen Waserflaschen

Wir stellten fest, dass im kommenden Jahr drei Mitglieder runden: zweimal 50, einmal 60. Man kündigte Feierfreude an, jedoch noch ohne konkret terminierte Einladung.

Die Situation war altersgerecht getrübt von allerlei Wehwehchen: Die Eine grämt der Fernsporn, der Andere stieß sich beim nächtlichen Durchs-Schlafzimmer-Tappern den Zeh, dazu die übliche Leseschwäche und allgemeine Unpässlichkeit. Wir aßen weniger als sonst. Auch das lässt nach – neben der Sehkraft.

Der Eisenmann suchte Mitstreiter für seine Triathlon-Staffel 2026. Der Reiseleiter ließ sich überreden. Es wird also einen erneuten Ausflug nach Hamburg geben, allerdings über eine deutlich geringere Distanz als im vergangenen Jahr: Statt 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer laufen werden es einskommsfünf, vierzig und zehn, aufgteilt auf drei Personen. Was nicht heißt, dass es einzelnen Teilnehmenden leichter fällt. Die gute Nachricht: Ich war Ersatzfrau für den Schwimmer; der Schwimmer steigt allerdings, Stand jetzt, wie geplant ins Wasser. Nochmal joot jejange!


Serviceblog | In meinem letzten Beitrag, es ging um Landmaschinen, aber auch um Birnenkuchen, erwähnte ich zwei Kuchenteige. Kommentatorin Nadine fragt nach Rezepten. Hier sind sie:

Der Universalteig besteht aus 200 Gramm Butter, 350 Gramm Zucker, zwei Päckchen Vanillezucker, vier Eiern, 500 Gramm Mehl, einer Packung Backpulver und einem Becher Buttermilch. Man kann alles hineintun, was beliebt: Schokoraspeln oder Kakao oder Heidelbeeren – oder was auch immer. Nur nicht mehr Flüssigkeit. Ich nehme immer Schokoraspeln. Man kann daraus Kuchen oder Muffins machen. Oder ihn einfach vom Löffel lecken. 180 – 200 Grad, 20 – 45 Minuten, Muffins kurz, Kuchen länger.

Der Birnenkuchen geht so: 150 Gramm Butter, 150 Gramm Zucker, drei Eier, 300 Gramm Mehl, eine Packung Backpulver, fünf Esslöffel Haferflocken und drei großzügige Schwappe Milch mischen. Raspelschokolade und Kakao zugeben, bis man einen hübschen Schokoteig hat, außerdem etwas Zimt und, wer mag, Rum-Aroma. Die Hälfte des Teigs in eine Springform geben, Birnen aus der Konserve drauflegen, mit dem Rest Teig bedecken. 180 – 200 Grad, 45 – 60 Minuten.


Gegenwartskunst | Symbolbild „Teenager im Haus“.

Vier Paare schwarz-weiße Vans-Schuhe, ein Paar Adidas auf einem Teppich.

Gelesen | Martin Seelaib-Kaiser ist Professor für vergleichende Politikwissenschaft und kennt sich gut mit Sozialsystemen aus. Im Interview bei der Süddeutschen Zeitung sagt er, unser Rentensystem sei besser als sein Ruf. Dennoch hat er klare Verbesserungsvorschläge: stärkere und verpflichtende Betriebsrenten, Integration von Beamt’innen in die gesetzliche Rente, Vermögenssteuer, Abschaffung des Ehegattensplittings, eine höhere Erbschaftssteuer und die Möglichkeit, als älterer Mensch freiwillig länger zu arbeiten. Außerdem plädiert er für eine starke Vereinfachung des Sozialhilfesystems:

In Deutschland ist man sehr auf Einzelfallgerechtigkeit aus. Dadurch wird das System zum Teil überkomplex. Eine Vereinfachungsidee wäre, Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschläge über das Finanzamt abzurechnen. Denn dem Finanzamt ist ja bekannt, welchen Familienstand ich habe und wie viele Kinder. Es weiß auch, wie viel ich verdiene und ab welcher Lohngrenze mir eine Leistung vielleicht nicht mehr zusteht. Der Staat hätte so die Möglichkeit, Leistungen zu gewähren, ohne dass Menschen Anträge stellen müssten. Ich weiß, das ist fast eine utopische Vorstellung, vieles steht dem entgegen: das Steuergeheimnis, der Datenschutz, die Digitalisierung, bei der Deutschland hinterherhinkt.

Gelesen | Schaffe, schaffe, Job verliere [€]. Ein Besuch in Stuttgart, das seinen Wohlstand vor allem der Autoindustrie verdankt.

Lange war es ja so: Wer „beim Bosch“ arbeitete, hatte es geschafft. „Halt dei Gosch, i schaff beim Bosch“ lautet ein schwäbisches Sprichwort. Der Spruch stammt aus einer Zeit, in der der Arbeitsplatz bei Bosch als sicher und privilegiert galt. Eine Anstellung dort kam nicht nur einer Verbeamtung gleich, sie verlieh dem Mitarbeiter auch Autorität. Wer beim größten Autozulieferer der Welt arbeitete, war in der Regel stolz darauf. Für Vermieter in Stuttgart gab es eine Traumkonstellation: die Frau Lehrerin, der Mann Ingenieur bei Bosch, mehr Sicherheit ging eigentlich nicht. 

Ich bin zwiegespalten. Einerseits kann ich die individuelle Ebene gut nachvollziehen: Man hat sich etwas aufgebaut, möglicherweise ein Eigenheim errichtet, man ist sozial eingebunden, die Existenz ist gesichert – und plötzlich steht alles infrage. Gleichzeitig denke ich, dass wir lernen müssen, Umbrüchen resilienter zu begegnen: Wir müssen lernen, dass wir auch anderswo Arbeit finden, dass wir auch anderswo ankommen können, dass es uns gelingen wird, die Krise zu überstehen und gestärkt aus ihr hervorzugehen. Als jemand, dessen Leben zahlreiche (mehrheitlich selbst gewählte, aber auch ungeplante) Brüche hat, und als jemand, der sich in der Selbstständigkeit ganz auf die eigenen Fähigkeiten verlässt, fühle ich mich befremdet von dem Anspruch, alles möge auf ewig so kommod bleiben, wie es ist. Das Wesen des Lebens ist es, dass es uns Herausforderungen bringt und uns Entscheidungen abverlangt.

Wir werden in den nächsten Jahrzehnten zahlreiche Krisen bewältigen, bedingt durch technologische, geopolitische oder klimatische Entwicklungen. Neben der individuellen Anpassungsleistung müssen wir auch als Gesellschaft Umbrüche besser organisieren. Wir benötigen Strukturen und den Willen, die Folgen von Veränderungen abzufedern, ohne dass wir ihre Notwendigkeit negieren. Bei allem, was kommt: Wir können das Meiste nicht mehr ändern, sondern brauchen einen positiven Blick auf die Zukunft und kluge Maßnahmen für das Gemeinwohl. Was ich hingegen beobachte, ist vor allem Protektionismus: Bewahrung auf Teufel komm‘ raus – zum Wohle derer, die gut gestellt sind, und auf Kosten von Unternehmen und Privatpersonen, die bereits große Anpassungsleistungen erbringen, ohne Unterstützung – oder die dies aufgrund von Rahmenbedingungen nicht können.

Gelesen | In ihrem aktuellen Newsletter fasst Frau Büssker anhand aktueller Studien zusammen, dass den Menschen in Deutschland der Klimaschutz am Herzen liegt – trotz anderweitiger Krisen und trotz einer Bundespolitik, die in dieser Angelegenheit nicht sehr aktiv ist. Interessant fand ich eine Initiative im Saarland:

Schauen wir zum Abschluss genauer ins Saarland, denn von dort lässt sich lernen. Dort haben sich in den vergangenen Monaten 51 zufällig ausgeloste Bürger:innen mit der Frage auseinander gesetzt, wir ihr Bundesland den Herausforderungen der Erderwärmung begegnen soll.

Die Bürgerinnen und Bürger haben – wissenschaftlich begleitet – über Lösungsansätze gesprochen. Spannend sei gewesen, dass die Beteiligten auch die Folgen ihrer Vorschläge weiterdenken sollten.

Gemeinsam mussten die Teilnehmenden also Maßnahmen bis in Details durchdenken und konnten sich dabei die Folgen bis vor ihre Haustür bewusst machen. In öffentlichen Debatten kommen wir so weit selten.

Herausgekommen ist ein gemeinsames Gutachten – das hoffentlich nicht in der Schublade verschwindet.


Und sonst | Ich war in Rheda-Wiedenbrück.

Das Auto musste in eine Vertragswerkstatt. Als ich vor einigen Wochen auf der Autobahn fuhr, löste sich von einem Lkw, den ich gerade überholte, ein Metallteil und knallte in meine Frontscheibe. Sie riss sofort auf halber Länge. Ich erschrak mächtig.

Während das Auto im OP war, lief ich entlang der Ems zur Flora Westfalica, trank Kaffee im Städtchen, arbeitete und vertrödelte auf beste Weise die Zeit.

Im Vordergrund ein Tisch mit einer Latte Macchiato und Blumen in einem Glas, im Hintergrund eine Theke mit Lampen darüber und zwei Frauen. Die Atmosphäre ist anheimelnd.

Leser’innenfragen | Keine Fragen in der Themen-Vorschlagsliste.


Schweine | Am späten Nachmittag dreht man gerne eine Runde in herbstlichem Ambiente.

Wiese mit verblühenden Blumen, einem Meerschweinestall, geflochtenen Röhren und Häuschen, Dazwischen vier Meerschweine.

Broterwerb | Drei Tage Workshop, Monatswechsel, Feiertag und langes Wochenende – und heute der erste Tag, an dem ich wieder am Schreibtisch saß. Das war wild. Am Ende des Tages, also jetzt, habe ich zwölf To Dos in meiner Erledigt-Spalte: Dokumentation der Workshops, Rechnungslauf September, dringende Vertragsklärungen, Angebote schreiben, Buchhaltung, Umsatzsteuervoranmeldung, E-Mails beantworten, Seminarvorbereitung und jede Menge Kleinzeug.

Zwei der drei Workshoptage verbrachte ich in der vergangenen Woche in Niedersachsen. Hinweis auf den Ort und den Kunden:

Zwei intensive Tage mit einem der zentralen Bereiche des Unternehmens. Wir haben Organisatorisches glattgezogen, erhellt, geklärt und Veränderungen angestoßen.

Ich fuhr mit dem Auto nach Damme, denn Damme hat weder einen Bahnhof noch ist der Ort in einem angemessenen Takt an eine Busverbindung angebunden. Dafür gibt es viel Gegend. Am Abend des ersten Workshoptages spazierte ich zur Entspannung einen weiten Bogen durch Felder, erkundete frische und weniger frische Einfamilienhaussiedlungen und kam unterm Sternenhimmel zurück zum Hotel.

Ich war direkt von Duisburg nach Damme gefahren. Dort war ich für das Thema „Führen ohne Macht“. Es ging darum, die eigenen Projekte und Vorhaben in der Organisation voranzubringen. Wir hatten ein außerordentlich munteres Seminar, in dem wir über Gestaltungsmacht sprachen und darüber, was es braucht, damit Menschen einem folgen. Wir sprachen über Mechanismen in der Organisation, über Strukturen, denen man sich bedienen kann, über Gesprächsstrategien und die Grundlagen der Motivation.

Heute erreichte mich das Feedback einer Teilnehmerin. Screenshot aus der E-Mail der Personalentwicklerin, die es mir weiterleitete:

Screenshot aus einer E-Mail: "Gestern fand die Veranstaltung mit Vanessa Giese statt. Diese Frau ist unglaublich! ?? Vielen Dank!! Ich bin immer noch dabei, all die Aha-Momente zu verarbeiten!"

Hachz! <3


Zustand | Ich genieße, dass das Leben nach der Bürgermeisterkandidatur nun wieder ruhiger ist. Nur noch Beruf- und Privatleben, kein drittes Projekt – wie erholsam! Die frei gewordene Zeit fülle ich mit Büchern, Gartenarbeit und mit Puzzeln. Gestern habe ich den Herbstsport eingeleitet: Nachdem das Freibad nun geschlossen hat, rudere ich wieder durchs Obergeschoss. Dazu ein paar SitUps und Übungen mit dem Terraband, und fertig ist der Muskelkater. Parallel dazu haben der Reiseleiter und ich eine neue Serie angefangen: Department Q. Bislang vielversprechend.

Ab nächste Woche dann zwei Wochen Urlaub: Erst alleine im Wellnesshotel. Ziel: fünf Tage lang möglichst wenig reden, viel schlafen, viel lesen, wenig denken. Danach eine Woche mit dem Reiseleiter und den Kindern in Garmisch.


Gelesen | Mechthild Bormann: Grenzgänger. Das Buch hatte ich immer mal auf meiner Liste, habe es dann aber doch nicht gekauft oder aus der Bücherei geliehen – nun lag es im Bücherschrank. Mechthild Bormann erzählt die Geschichte von Henni – Henriette -, die im Nachkriegsdeutschland nahe der deutsch-belgischen Grenze aufwächst. Die Mutter stirbt früh, der Vater ist abwesend. Sie kümmert sich um die Geschwister und schmuggelt Kaffee, um die Familie über Wasser zu halten. Doch das Schicksal reißt die Kinder auseinander. Eine einfache Lektüre, perfekt für verregnete Herbstnachmittage.

Gehört | Wohnverwandtschaften von Isabell Bodgan. Die Geschichte über eine Erwachsenen-WG. Wie es bei Menschen Ü40 so ist, haben alle schon einen Rucksack an Biographie. Das kommt zusammen und muss sich zurechtruckeln – und dann verliert einer nach und nach das Gedächtnis. Eine flauschige Erzählung, gerne gehört. Jede Person hat eine eigene Stimme. Es lesen Heikko Deutschmann, Katharina Wackernagel, Lavinia Wilson, Serkan Kaya, Julian Horeyseck, Gabriele Blum, Oliver Kube, Marian Funk und der Autorin. Ich war zunächst skeptisch, denn ich mag keine Hörsppiele – die wechselnden Stimmen machen mir irre. Hier aber lesen die Sprecher:innen, sie spielen nicht. Das gefiel mir gut.


Und sonst | Zum Geburtstag der Zwillinge hatte ich einen Birnenkuchen gebacken. Birnenkuchen ist Teil meines schmalen Backportfolios, das zusätzlich aus Rotweinkuchen, Nusskuchen, Pflaumenkuchen und einem fluffigen Universalteig besteht, den man für alles nehmen kann – Muffins, Kastenkuchen, andere Formen, mit und ohne Schokostreusel. Da ich selbst nur Rührteige mag, Torten nicht, stelle ich auch nur Rührteige her und verweigere alle weitergehenden Backaktivitäten. Kompliziertes Backen, besonders die Anwendung von Cremes und Fondant, mehrstufige Herstellungsverfahren und klebrige Frickeleien sind für mein Empfinden deutlich zu nah am Basteln. Basteln fand ich schon im Kindergarten nervig und habe ich über meine Schulzeit hinweg lediglich demütig ertragen; ich erinnere mich an Collagen, die wir aus Zeitschriftenschnipseln erstellten, und an aunambitioniert geformte Pappmaché-Tiere.

Zurück zum Kuchen. Der Birnenkuchen war so außerordentlich gut gelungen, dass ich dieses Wochenende kurzerhand noch einen buk. Niemand beschwerte sich.

Schoko-Birnenkuchen auf einem Teller mit Goldrand

Leser’innenfragen | Die Themen-Vorschlagsliste wartet auf Themen.


Schweine | Die Halterner Weideschweine in ihrem herbstlichen Habitat.

Broterwerb | Coaching-Session mit einer Kundin am See.

Ab und zu möchten Kund’innen, die in der Nähe wohnen, mich gerne in Präsenz treffen. Dann biete ich an, eine Runde am See zu drehen. Es ist schön dort: Bäume, Wege, Wasser, Bänke. Unter der Woche ist ausreichend wenig los, um vertraulich zu sprechen. Wir gehen so schnell, wie die Gedanken sich bewegen – und so langsam, dass sich auch die Gefühle dazugesellen können.


Dreizahn | Es gab eine Geburtstagssituation: KindZwei und KindDrei sind 13 geworden. Oma und Opa waren da, es gab einen Haufen Geschenke und mehr Kuchen, als alle Gäste essen konnten. Wir gaben uns allerdings sehr viel Mühe.

Geburtstagtafel mit drei Kuchen, Kaffeeservice und Geschenken auf dem Tisch. Im Hintergrund steht die Terrassentür offen.

Der Geburtstag mit den Freundinnen folgt noch – inklusive Übernachtungsparty. Vergangenes Jahr hat die Geburtstagsgesellschaft die Nacht (fast) durchgemacht. Die Einzige, die nichts davon mitgekriegt hat, war ich. Schlafen ist einfach meins.


Willkommen zurück | Stichwahl in Nordrhein-Westfalen. Wir durften noch einmal den Landrat wählen (gendern nicht notwendig).

Kasten für Aushänge vor einer Grundschule. Darin das Poster: "Schön, dass ihr wieder da seid!"

Es gewann der amtierende CDU-Mann.


Begegnungen | Interkulturelles Fest in der Gemeinde. Durch den Wahlkampf habe ich Gefallen an den Gemeinden hier vor Ort gefunden, der katholischen wie der evangelischen. Beide machen tolle, zeitgemäße Arbeit, setzen sich für Demokratie und Miteinander ein, sind im Organisationkomitee des Christopher Street Day, die katholische Gemeinde gewährt Kirchenaysl und setzt mit Haltern hilft! eigene Themen. Beide Gemeindem beziehen klare Position in der Stadt. Das gefällt mir.

Am Sonntag fand ein interkulturelles Fest statt. Der Reiseleiter und ich fuhren nach dem Wählen dort vorbei. Mir fehlt das Kosmopolite und Internationale der Großstadt hier in Haltern. Ich freue mich deshalb über alle Angebote, die Menschen unterschiedlicher Hintergründe zusammenbringen.

Ich freute mich sehr, eine Bekannte aus Wahlkampfzeiten zu treffen; wir waren uns erstmalig bei einer Veranstaltung in der Stadtbücherei begegnet. Ich hatte sie angesprochen und ihr gesagt, dass ich es toll finde, mal eine Frau mit Kopftuch hier in Haltern zu sehen. So kamen wir ins Gespräch, sie erzählte mir ihre beeindruckende Biographie – Migration, viele Jahre in einer Unterkunft, Familiengründung, schließlich Studium, Einbürgerung – und dass sie nur noch einen Praktikumsplatz brauche, um danach ihre Bachelorarbeit zu schreiben. Leider sei sie zu spät dran, um das im Wintersemester noch hinzukriegen – die Kinder seien viel krank gewesen; sie werde wohl oder übel ein Semester dranhängen müssen. Ich schrieb zwei WhatsApp, es war tatsächlich ein Platz frei, ich gab ihr einen Kontakt, man fand sich sympathisch. Am Wochenende durfte ich nun erfahren, dass sie nicht nur sehr gut in ihrem Praktikumsplatz angekommen ist, sondern dass sie sehr viel lerne und es ein Glücksgriff gewesen sei. Das war wunderbar zu hören. Wir werden Kontakt halten.

In der Kirche lag der traditionelle Ernteteppich aus – gelegt aus gespendeten und abgelaufenen Lebensmitteln. Sehr beeindruckend! Der QR-Code funktioniert und führt zur Geschichte Abrahams aus Spotify.

Biblische Szenen, gelegt auf Mehl, Gries, Nudeln, Reise und allen möglichen anderen Dingen, ziemlich groß.

Gelesen | Moa Herngren: Schwiegermutter, auf dem Schwedischen von Katharina Martl. Das Buch habe ich in der Buchhandlung am Marktplatz gesehen, mich erinnert, dass ich noch einen Gutschein habe. Am nächsten Tag bin ich mit dem Gutschein wiedergekommen und habe das Buch gekauft. Zwei Tage später hatte ich es durch.

Buch "Schwiegermutter" auf Vanessas Schoß. Sie sitzt im Hängesessel auf der Terrasse. Man sieht Pflanzen ud den Garten.

Darum geht es: Åsa hatten ihren Sohn Andreas alleine groß gezogen. Der Vater hat sie früh verlassen. Als Andreas Josefin kennenlernt und selbst Vater wird, gerät die Mutter-Sohn-Beziehung ins Wanken. Die Beziehung zwischen Åsa und ihrer Schwiegertochter ist kühl; Åsas Versuche, eine Verbindung zu Josefin aufzubauen, schlagen fehl. Herngren schreibt nuancenreich und nimmt ihre Leser’innen mit in eine Beziehung voller Fehltritte und Missverständnisse. Gern gelesen.

Gelesen | Dror Mishani: Drei, aus dem Hebräischen von Markus Lemke. Eine Frau sucht Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott. Eine dritte Frau sucht etwas ganz anderes. Sie alle finden denselben Mann. Was auf dem Klappentext wie ein Beziehungsroman anmutet, ist ein Krimi mit einer überraschenden Wendung am Ende. Ebenfalls gern gelesen.


Whoop-Whoop! | Wenn ich richtig gegoogelt habe, bedeutet dieses Gebilde, dass meine Gartenmagnolie erfolgreich Sex hatte. Herzlichen Glückwunsch!

Pinkes, knubbeliges Gebilde inmitten von Blättern. Es sieht leicht phallisch aus.

(Ihr seht, was ich sehe, oder?)


Schweine | Rennschwein und Tarnschwein.

Broterwerb | Ausflug nach Heilbronn, dort Moderation eines zweitägigen, intensiven Workshops in einem IT-Unternehmen. Es ging um KI-Readiness, also die Organisation zu befähigen, den Plattformbetrieb für Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz zu stemmen und das bisherige Betriebsmodell entsprechend anzupassen. Ich habe den Blick der Organisationsentwicklung beigesteuert und gleichzeitig dafür gesorgt, dass die Beteiligten trotz der hohen Komplexität des Themas ihren Fokus behalten und sich nicht im Klein-Klein verlieren. Mit den Ergebnissen des Workshops gehen die Auftraggeber nun in einen Termin mit dem C-Level, um Weichen zu stellen und relevante Beschlüsse zur Unternehmensentwicklung zu ermöglichen.

Ich bin ziemlich angefixt von dem Thema – auch, weil ich immer mehr feststelle, dass eine Kompetenz, die ich für gar nicht so besonders hielt, offenbar doch besonders ist: nämlich IT-Prozesse und Technik zu verstehen und auf Augenhöhe mit den Systemingenieuren zu reden – und gleichzeitig Psychologie und Organisationsentwicklung zu können. Bei Beratungsaufträgen tauchen wir tief in DevOps, ITIL-Framework und Plattformbetrieb sowie den damit verbundenen Praktiken und Werkzeugen ab; ich kann alles nachvollziehen, sofort Ableitungen für die Entwicklung von Rollen und Kompetenzen treffen und über alle Ebenen des Unternehmens kommunizieren, vom Systemadministrator bis zur Geschäftsführung. Außerdem sehe ich ziemlich schnell die menschlichen Herausforderungen, die bei den Transformationsprozessen auftreten werden. Zum Jahreswechsel werde ich meine Website überarbeiten und das stärker herausstellen.

Nach dem Workshop habe ich in einem Laden zu Abend gegessen, der nur Flammkuchen macht. Lecker. Auf dem Tisch stand eine Flasche. Wenn man etwas von der Bedienung will, stellt man eine Flagge hinein. Gutes System! Das und weitere Eindrücke aus Heilbronn:

Heimfahrt als Beifahrerin. Nach einem Tag Regen in Baden-Württemberg noch ein kleiner Sonnenuntergang südlich von Köln:

Foto vom Beifahrersitz. Fahrt in der Baustelle auf der linken Spur. Voraus ein Sonnenuntergang.

Sommerausklang | Der voraussichtlich letzte warme Sommerabend 2025:

Strand an einem See, Sonnenuntergang, auf dem Strand eine Beachflag mit der Aufschrift "Sup27"

Wir waren zum Grillen am Dülmener See eingeladen. Ein Freund betreibt dort gemeinsam mit einem Kompagnon eine SUP-Vermietung. Man kann sich bei ihm SUPs mieten, Kurse buchen, Geburtstag feiern und an Touren teilnehmen. Das Angebot ist seit seiner Gründung vor drei Jahren super eingeschlagen, das Geschäft brummt, die Leute kommen aus der ganzen Region. Wir aßen Fisch, Fleisch und Salat, mit den Füßen im Sand und Sommer im Herzen.

Der Reiseleiter und ich kamen mit dem Fahrrad – in einem weiten, dreißig Kilometer langen Bogen. Auf der Fahrt wunderten wir uns über die Rapsfelder im Herbst. Später las ich nach, dass es sich nicht um Raps, sondern um Weißen Senf handelt.

Ein Foto mit viel Himmel und tief hängenden, hellen Wolken, im Vordergrund ein gelb gesprenkeltes Feld, im Hintergrund Bäume und Häuser

Gesehen | Eismayer, noch bis zum 18. Oktober in der arte-Mediathek, nach einer wahren Begebenheit. Vizeleutnant Eismayer, der härteste Ausbilder beim österreichischen Bundesheer, hütet ein sorgfältig vor der Öffentlichkeit verborgenes Geheimnis: Er ist schwul. Als er sich in einen Rekruten verliebt, gerät sein Leben ins Wanken. Eindrücklicher Film, gut gespielt. Auf dem Instagram-Profil des Films sieht man Interview mit dem wahren Eismayer und seinem Ehemann Mario.

Gesehen | Downton Abbey: Das große Finale in der Lichtburg in Essen, OmU. Vorher war ich in der Sauna. Meine geistige Kapazität war angenehm heruntergefahren, dazu ein Adelsfilm und Popcorn – hervorragend.

Klassischer Kinosaalmmit roten Sesseln, vor der Leinwand ein Vorhang

Gelesen | Stoffwechselforscher Herman Pontzer: „Wir haben kaum Einfluss darauf, wie viele Kalorien wir verbrennen“[€]


Und sonst | Der Garten wechselt in den Herbstmodus: Die Tomaten sind durch, die Gurken auch. Bei den Zucchini weckt eine Pflanze noch zarte Hoffnung, dass sie noch zwei letzte Früchte zustande bringen wird, sofern es einigermaßen warm bleibt. Ich habe alles aus der Erde geklaubt, was raus wollte – die Hochbeete sind leer. Nur Kräuter und Mangold stehen noch.

Rückabwicklung Bürgermeisterkandidatur: Kündigung Canva-Abo. Verkauf des iPhone XR, das ich als Kandidaurhandy benutzt habe. Abbau der Ringleuchte. Das Instagram-Konto ist bereits abmoderiert, die Website ist nur noch ein Archiv.

Küchen-Tagebuch: Ein Pflaumenkuchen wurde geboren – mit Quark-Öl-Teil und viel Fluffigkeit.

Pflaumenkuchen auf einem Blech mit Zucker bestreut


Leser’innenfragen | Keine Fragen oder Themenwünsche in der Vorschlagsliste.


Schweine | Die letzte Gurke aus dem Hochbeet, ein Gürkchen, bekamen die Schweine. Nach dem Foto gab es wilden Zank.

Zu meinem letzten Beitrag kommentierte André:

Du hattest hier über viele Ideen geschrieben die du umsetzen möchtest wenn du gewählt wirst und hast die konkreten Lösungen nur angedeutet. Wirst du die Lösungen im Nachhinein noch veröffentlichen? Vielleicht wird die eine oder andere ja doch noch aufgegriffen und umgesetzt.

Als „Lösungen“ würde ich meine Gedanken noch nicht bezeichnen. Damit ich einen Gedanken „Lösung“ nenne, braucher einen deutlich höheren Reifegrad. Ich bin allerdings überzeugt, dass bei vielen Ideen etwas Machbares rauskommen kann, wenn man will.

Es folgt Ideensammlung, die über ohnehin stattfindende Maßnahmen wie kommunale Wärmeplanung, Klimaschutzanpassung, Sanierung von Schulen, Radwegeausbau, energetische Ertüchtigung städtischer Liegenschaften … [Weiteres bitte gedanklich ergänzen] … hinausgeht.


Mobilität | Beginnen wir mir mit dem Thema Mobilität.

Die Einführung eines Carsharings ist jüngst gescheitert. Die Stadt hätte für den Start eine kleine Bürgschaft übernehmen müssen; die konservative Mehrheit im Stadtrat hat es abgelehnt, in dieses Risiko zu gehen und auf diese Weise ein Carsharing-Angebot zu ermöglichen, dass Menschen dazu bewegen könnte, zumindest auf Zweit- und Drittwagen zu verzichten. Meine Idee dazu: Die Verwaltung wird Hauptkunde des Carsharing-Anbieters. Sobald bestehende Leasingverträge beziehungsweise Abschreibungsfristen der vorhandenden Fahrzeugflotte einen Wechsel möglich machen, nutzen die Mitarbeitenden Carsharing-Pkws. Zu Kernarbeitszeiten stehen diese Fahrzeuge alleinig der Verwaltung zur Verfügung, außerhalb der Kernarbeitszeiten auch der Allgemeinheit. Das schafft schonmal ein grundlegendes Angebot. Der Anbieter hat eine wirtschaftliche Basis, sein Angebot auszubauen. Die Stadt hat als Hauptkunde eine Verhandlungsmacht. Möglicherweise reduziert es auch Kosten.

Carsharing ist relevant, weil wir fast 34.000 Fahrzeuge in Haltern angemeldet sind, davon 24.700 Pkw (Quelle). Das sind 0,87 Fahrzeuge pro Einwohner, vom Baby bis zum Greis. Firmenwagen, die andernorts angemeldet sind, aber von Menschen hier gefahren werden, kommen noch dazu – es steht zu vermuten, dass wir annähernd ein Verhältnis von 1:1 erreichen, pro Einwohner ein Auto. Wir haben also einen enorm hohen KfZ-Bestand, darunter zahlreiche Zweit- und Drittwagen.

Im November 2024 fand ein Bürgerrat zum Thema Mobilität statt. Der Wunsch, unisono: weniger Abhängigkeit vom Auto. Bislang haben wir in der Stadt kaum Fahrradstraßen. Die wenigen vorhandenen Fahrradstraßen sind schlecht markiert. In der juristischen Kommentierung der Straßenverkehrsordnung von Schurig/Karg, 18. Auflage, heißt es:

Die Anordnung einer Fahrradstraße kommt nur auf Straßen mit einer hohen oder zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte, einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder auf Straßen vor lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr in Betracht.

Weiter heißt es:

Eine hohe Fahrradverkehrsdichte, eine hohe Netzbedeutung für den Radverkehr setzen nicht voraus, dss der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist.

Und:

Eine zu erwartende hohe Fahrradverkehrsdichte kann sich dadurch begründen, dass diese mit der Anordnung einer Fahrradstraße bewirkt wird.

Infolgedessen hätte ich mir gerne einen Stadtplan hergenommen, gemeinsam mit Mitarbeitenden alle Straßen markiert, auf die die obige Verwaltungsvorschrift zutrifft und dann flugs beschlossen, mit welchen zehn Straßen wir starten, um den Radverkehr zu stärken und sicherer zu machen.

Schlüssel für die Entwicklung des ÖPNV im ländlichen Raum sind aus meiner Sicht On-Demand-Verkehre und autonome Buslinien. Alles andere lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen. Ich bin eine Freundin davon, das Ganze strategisch anzugehen, zum Beispiel mit einem Partner wie Mobile Zeiten, um wie beim Kasseler Projekt zunächst Bewegungsdaten zu analysieren und daraufhin ein testweises Angebot aufzubauen. Zu autonomen Verkehrsmitteln gibt es aktuell diverse Versuche, möglicherweise findet sich Ähnliches auch zu On-Demand-Verkehren.


Digitalisierung und Erreichbarkeit |  Bei vielen Verwaltungsvorgängen ist, gelinde gesagt, Potential, was Digitalisierung angeht. Mit meiner beruflichen Erfahrung wäre ich sicher gut geeignet gewesen wäre, Digitalisierung voranzutreiben.

Die neue Homepage der Stadt Haltern ist jüngst an den Start gegangen. Doch egal, wie gut man eine Websitze gestaltet: Als Besucher’in findet man nie direkt, was man sucht. Meine Idee ist, einen Chatbot zu implementieren, der Antworten gibt: „Ich möchte Sperrmüll bestellen.“ – „Sehr gerne. Wo wohnst du in Haltern?“ – „Bahnhofstraße 7.“ – „Der nächste Abholtermin ist am 25. September. Stell die Sachen bis 6 Uhr an die Straße. Wenn du dieses Formular für uns ausfüllst (Link) und absendest, kommen wir pünktlich vorbei. Hier noch unsere Hinweise, was wir mitnehmen (Checkliste).“ Oder: „Ich möchte heiraten. Was muss ich tun?“ – „Herzlichen Glückwunsch! Hier eine Liste …“ – und so weiter. Erste Ansätze dazu gibt es schon. Parallel muss man natürlich die ganzen dahinterliegenden Daten und Prozesse aufbereiten (Das wird ein Spaß!).

Mein Ziel wäre es auch gewesen, näher an den GovTech Campus zu rücken. Er fördert die Zusammenarbeit von Verwaltung, Wissenschaft und Technologie-Unternehmen für eine Digitalisierung der Verwaltung. Ich würde gerne von Projektdesigns und Proof of Concepts profitieren, um Dinge in der eigenen Verwaltung umzusetzen.

Parallel zur Digitalisierung möchte ich die analoge Erreichbarkeit stärken. Die Verwaltung soll zu den Bürgern kommen – mit einem mobilen Bürgerbüro. Gerade Ältere sind nicht in der Lage, online Termine im Bürgerservice zu buchen und ihre Verwaltungsangelegenheiten digital zu regeln. Mobiles Bürgerbüro heißt: Ein’e Verwaltungsmitarbeiter’in kommt mit einem ausgestatteten Wagen in die Dörfer. Zahlreiche Standardvorgänge, zum Beispiel das Beantragen eines neuen Ausweises, können so direkt vor der Haustür erledigt werden. Das passiert zum Beispiel schon in Leverkusen, Magdeburg oder in Uetze.


Vernetzung mit der Wissenschaft | Gerade in den Themen Mobilität und Verwaltungsdigitalisierung gibt es momentan viele Forschungsvorhaben. Meine Idee: Teil von Forschungskonsortien werden, um auf diese Weise Entwicklung voranzutreiben und Fördergelder sowie Know-how-Transfer für den kommunalen Infrastrukturausbau zu erhalten.

Forschungskonsortien bestehen aus mehreren Forschungseinrichtungen – Lehrstühlen an Universitäten, aber auch Einrichtungen wie der Fraunhofer Gesellschaft – und Industrieunternehmen. Oft braucht es einen Experimentierraum, um etwa einen Chatbot für die Verwaltung zu testen, die Anwendung weiterzuentwickeln und die regulatorischen Rahmenbedingungen zu beleuchten. Wenn man nämlich zur Digitalisierung der Verwaltung oder zur Entwicklung der Mobilität forscht, macht man das am lebenden Objekt, also in einer tatsächlichen Stadt. Ich bin in der Wissenschaftswelt vernetzt, würde diese Vernetzung aufbauen und mich aktiv als Teil von Konsortien anbieten. Das Potential ist groß und liegt aktuell vollkommen brach.


Familien- und Begegnungsorte | Ich möchte mehr Orte schaffen, in denen wir uns begegnen können – kostenlos. Um in unserer Innenstadt gemütlich zu sitzen und eine gute Zeit zu haben, muss ich derzeit konsumieren. Für Kinder gibt es zwar kleine Spielgeräte entlang der Fußgängerzone, aber so, dass sie möglichst wenig Raum einnehmen. Wenn ich gute Orte habe, in denen ich mich – egal ob jung oder alt – willkommen fühle, ohne mir dieses Willkommen zu erkaufen, fördert das soziale Beziehungen, fördert das Wohlbefinden des Einzelnen, stärkt unsere Demokratie und hält die Gesellschaft zusammen.

Haltern am See ist eine alternde Stadt: Das Medianalter lag 2019 bereits bei 49,8 Jahren (Quelle). Das heißt: Die Hälfte der Menschen sind älter als 50, die andere Hälfte jünger. Inzwischen dürfte sich die Zahl weiter nach oben verschoben haben. Der Alterungsindex in Haltern am See liegt über dem bundesdeutschen Durchschnitt, (Quelle), der Jugendquotient ist entsprechend fallend; die Stadt altert also intensiver als das Land ohnehin schon. Es gibt mehr hochaltrige Frauen als Männer, zumeist Witwen. Einsamkeit im Alter wird massiv zunehmen. Es wird zudem mehr Haushalte mit kleinen Renten geben. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass wir aufgrund der Überrepräsentation der Alten die Jungen aus dem Blick verlieren.

Unsere Stadt hat vor dem Rathaus, zweihundert Meter von der Fußgängerzone entfernt, einen kleinen Park:

Der Park besteht im Wesentlichen aus Gras mit Bäumen. Ich hätte aus diesem Park gerne einen Begegnungsort gemacht: ein großer Sandkasten, Stadtmöbel, Schaukelbänke, Tische, Liegen, Schaukeln für Kinder und Erwachsene, dazu Sportboxen, aus denen man Sport- und Spielgeräte kostenlos ausleihen kann. Die Wege hätte ich angemalt, so dass sie aussehen wie kleine Straßen, mit Miniatur-Ampel und Zebrasteifen, so dass Kinder mit ihren Laufrädern und Fahrrädern einen spielerischen Verkehrsübungsplatz haben. Ein Besuch mit einem Vierjährigen, und in Nullkommanix ist eine halbe Stunde um! Wäre das nicht schön? Dazu ein Coffeebike oder ein Street-Food-Wagen, und schon ist das Leben perfekt.

Beschatteter Sandkasten in der Essener Innenstadt, Spielgelegenheit in Heilbronn, Schaukel in Malmö zum Schwatzen und Chillen:

Das Gute wäre: Mobile Möbel kann es wegbewegen, wenn Nutzungskonflikte enstehen, zum Beispiel bei einem Stadtfest. Oder man integriert es in die Festgestaltung. Einen Sandkasten kann man überbauen.

Parallel zu einem Draußen-Angebot braucht es ein Angebot für Drinnen. Vor allem skandinavische Städte machen Bibliotheken zu sogenannten Dritten Orten, an denen man einfach sein kann: hier Beispiele. Bei uns in der Stadt fehlt ein solcher Ort – ein Ort für Senioren und ihren Brettspielnachmittag, ein Ort für das Frauennetzwerk, das sich regelmäßig zum Austausch trifft, für den queeren Treffpunkt, für Eltern, die zu Hause raus und einen regnerischen Nachmittag überbrücken wollen, für den Lesekreis, für die Männergruppe 60plus, für Jugendliche, die sich zum Lernen oder zum Chillen treffen – und so weiter. Zwar soll an unserem Bahnhof ein „Haus der Vereine“ entstehen – in ein paar Jahren -, doch bei all den aufgezählten Gruppen handelt es sich nicht um Vereine, sondern um lose Gruppen von Menschen und kleine Initiativen, die einfach einen Raum oder eine gemütliche Sitzgruppe brauchen und sonst nur die Möglichkeit haben, sich in privaten Räumlichkeiten zu treffen. Wenn ich mich allerdings privat treffe, bin ich unsichtbar. Treffe ich mich öffentlich, können Menschen hinzukommen.

Irgendwann kann man das Ganze um eine Gastronomie erweitern, die flexibel genutzt wird: Einmal die Woche Elterncafe, einmal Seniorencafé, internationaler Austausch, queerer Kochstammtisch, Omas kochen traditionelle Rezepte – ach, was wäre alles möglich! Finanzierung über Zusammenarbeit mit Kirche und zivilgesellschaftlichen Organisationen, Fördergelder, Sponsoring – hier muss man erstmal Gespräche führen. Nebenan in Dülmen gibt es etwas Ähnliches, das Haus EinsA. Möglicherweise könnte man in einem oder zwei Dörfern kleine Ablegern schaffen.


Kleine Rand-Idee | Idee für eine Initiative in der Gastronomie – für mehr sozialen Zusammenhalt: Zahle zwei Kaffee, nimm einen. Für den anderen wird ein Button ausgehängt und jemand kann ihn nutzen. Vielleicht eine alte Dame, die eine schmale Rente hat. Oder ein Jugendlicher mit wenig Taschengeld, aber gerade einer Fünf ind er Mathearbeit. Oder ein alleinerziehende Mutter, bei der es finanziell eng ist.


Bürgerbeteiligung | Ich schrieb es oben: Wir hatten einen Bürgerrat. Das war im Februar. Seither hat man nichts mehr davon gehört: Was mit den Ergebnissen passiert, ob sie weiterverfolgt werden, wie sie in Entscheidungsprozesse gelangen, ist unklar. Mir fehlen die Prozessgestaltung, die Kommunikation und der politische Wille – oder die Kompetenz -, Bürgerbeteiligung nachvollziehbar zu gestalten.

Ich organisiere Beteiligung in Unternehmen. Noch bevor man mit der Beteiligung beginnt, muss man den Prozess gestaltet haben, vom Ende her: Was soll am Schluss rauskommen, was ist mein Minimalziel? Zum Beispiel zwei Maßnahmen für den Radverkehr, zwei für den Fußverkehr. Entsprechend gestalte ich die Einleitung und stelle die Fragen – mit einer gleichzeitigen Offenheit, auch links und rechts davon zu schauen.

Hat man dann gemeinsam mit Bürger’innen getagt, muss man die Ergebnisse verwerten und in konkrete Maßnahmen umsetzen. Das ist klassisches Change Management: Wer ist zuständig, sichtet die Ergebnisse, klassifiziert sie und bringt sie in den Entscheidungsprozess? Wer entscheidet wann worüber? Welche Stakeholder werden an der Entscheidung beteiligt? Wann wird über welche Kanäle an wen über Entscheidungen und geplante Maßnahmen kommuniziert? Wie binden wir die Öffentlichkeit weiter ein? Gleichzeitig legt man fest: Wann endet denn der Beteiligungsprozess – und wie? Was ist der Ergebnisumfang, mit dem man zufrieden ist – und wann geht man zum nächsten Thema über?

Der Stadtrat tagt viermal jäglich und ist das Entscheidungsgremium in der Stadt. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung müssen also aufbereitet, unterfüttert und in den Entscheidungsrhythmus des Stadtrats getaktet werden. Damit kann man direkt anfangen.


Jugendbeteiligung | In der Stadt gibt es einen Seniorenbeirat. Er hat einen festen Sitz im Stadtrat mit Informations- und Rederecht. Aber es gibt keinen Jugendbeirat. Die Beteiligung junger Menschen findet ausschließlich projektbezogen statt, hängt also vom guten Willen der jeweiligen Entscheider ab. Ich würde das gerne stärker institutionalisieren.

Neue Strukturen wie ein Jugendparlament brauchen allerdings viele Ressourcen – Projektleitung, Räumlichkeiten, begleitende Schulungen, Auswahlverfahren – und laufen Gefahr zu versanden. Ich würde mich deshalb erstmal auf vorhandene Strukturen stützen. Wir haben starke Schülervertretungen an Gymnasium, Realschule, Hauptschule und am Berufskolleg. Sie werden derzeit kaum einbezogen. Gemeinsam mit den SVen würde ich überlegen, wie viel Zeit sie investieren möchten, woran sie mitarbeiten wollen und welches Format dazu passend wäre. Im Idealfall entsteht eine Beteiligung, die standardmäßig in relevante Stadtentwicklungsprojekte eingebunden wird und – langfristig – sogar über ein eigenes Budget verfügt.


Stärkung von Schulen | Schulen wandeln sich derzeit ganz massiv – und müssen es auch. Die PISA-Ergebnisse waren noch nie so schlecht wie jetzt. 30 Prozent der Jugendlichen verfehlen die Mindestanforderungen in Mathematik, ein Viertel kann nicht ausreichend lesen. Gleichzeitig verbringen Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit im Ganztag. Kindheit findet zum Großteil in der Schule statt – die Schulen müssen deshalb Aufgaben übernehmen, die früher im Elternhaus stattfanden (in Westdeutschland). Dazu braucht es multiprofessionelle Teams. Nur mit angestelltem Personal ist das nicht zu schaffen; das läuft ja jetzt schon am Limit.

Die Alterung der Stadt ist an vielen Stellen eine Herausforderung – für die Kinder ist sie auch ein Schatz. In den kommenden 15 Jahren geht irre viele Menschen in Rente, die große Fähigkeiten haben: als Zimmermann, Pädagogin, Lesepate, Lehrerin, Kaufmann, KfZ-Meister, Hauswirtschafterin, Ingenieurin, IT-ler, Berufsbegleiterin und so weiter. Wenn lediglich jeder zehnte Boomer sich ein zwei bis drei Stunden in der Woche für Schulen und für unsere Kinder engagiert, wäre das mehr Personal als alle Erzieher’innen und Grundschullehrer’innen zusammen (Quelle). Nur: Um das zu schaffen, muss man dem Ganzen einen Rahmen geben – quasi ein Personalmanagement fürs Ehrenamt, das Angebot und Nachfrage sinnvoll zusammenbringt, Formalia klärt, begleitet. Das muss die Stadt übernehmen – wer soll es sonst tun? Sowas würde ich verfolgen wollen.

Gleichzeitig braucht es digitale Bildung, sowohl für Schüler’innen als auch für Lehrer’innen. Pornografie, Gewaltdarstellung, Deep Fakes, Cybermobbing, Umgang mit KI – das sind Herausforderungen, die derzeit eher im Verborgenen schlummern, die uns in Hinblick auf unser Miteinander richtig das Genick brechen können. Das können Schulen aber nicht auch noch leisten. Meine Idee: eine Person im pädagogischen Personal der Stadt, die die Schulen betreut, Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Lehrpersonal organisiert und (später, in einem weiteren Ausbauschritt) bei Vorfällen berät.

Klein anfangen: Ich würde zunächst von einem fähigen Azubi/ein’e duale Student’in ein erstes Konzept ausarbeiten lassen und in Zusammenarbeit mit einer Schule testen. 19- oder 20-Jährige sind noch nah dran, wissen, wo es auf den Schulhöfen brennt, und können gemeinsam mit einem erfahrenen Sparringspartner einen Testballon an den Start zu bringen, der sich dann verstetigen kann und für den man Finanzierung findet.


Lotsendienste und interdisziplinäre Arbeit | Dazu nur ganz kurz, meine Finger sind schon wund: Bürokratie ist ein Dschungel. Wer sich darin nicht auskennt, geht verloren. Und: Sie frisst viel Energie, bei den Bürgerinnen und Bürger, aber auch bei den Bürokraten.

Besonders, wenn man neu ist und keine oder wenig Erfahrung mit ihr hat, ist sie zum Haareraufen – zum Beispiel wenn man als Kund’in neu ins Hilfesystem rutscht. Nehmen wir an, ein Paar hat sich getrennt, die Frau hat nur geringes Einkommen , sie findet keine bezahlbare Wohnung, der Mann zahlt nicht ausreichend Unterhalt, von den beiden Kindern hat eins Förderbedarf. Ich bin nicht vom Fach, aber wenn ich das richtig sehe, sind in diesem Fall mindestens vier Sozialgesetzbücher involviert, hinzu kommt die Frage des Unterhaltsvorschusses – wie soll man da durchblicken?

Ich hätte geschaut, an welchen Stellen eine rechtskreisübergreifende Beratung zu Beginn eines Kontaktes sinnvoll ist – sozusagen ein Anforderungsmanagement, das die vorgetragene Thematik qualifiziert, ins Verwaltungssystem bringt und bei Bedarf noch ein Stück begleitet. Das sorgt nicht nur für eine höhere Kundenzufriedenheit, weil man an die Hand genommen wird, sondern entlastet auch die nachgelagerten Fachbereiche, weil der Vorgang nicht durchs System flippert. Ich gehe davon aus, dass es so etwas in Teilen gibt, aber ich denke, dass wir das noch schärfen können.

Überdies frage ich mich, inwieweit interdiszplinär zusammengearbeitet wird, wenn es um einen ganzheitlichen Blick auf das Wohlergehen und die Bedürfnisse einzelner Bevölkerungsgruppen geht. Nehmen wir die Kinder: Bei ihnen sind fast alle Verwaltungsbereiche involviert – Familie und Jugend, Soziales, Schule und Sport, Bücherei, Standesamtswesen, Infrastruktur, Planen, Bauen bis hin zum Rettungsdienst. Welche neuen Perspektiven können hier aus einer Zusammenarbeit einzelner Expert’innen entstehen? Welche kleinen, aber wesentlichen Stellschrauben können wir drehen, um das Leben von Kindern in der Stadt zu verbessern? Wer braucht Unterstützung von wem, um einen noch besseren job zu machen? Das Gleiche gilt natürlich auch für andere Bevölkerungsgruppen.


Kommunikation und Transparenz | Zu Guter Letzt die Kommunikation: Ich würde intensiver aus der Verwaltung kommunizieren – mit einem Videoformat, in dem ich vorstelle, was diesen Monat passiert ist und nächsten Monat bei mir ansteht. Auch Erklärungen hätten darin Platz, etwa von Ratsentscheidungen. Vielleicht wäre auch ein Podcast sinnvoll. Ich würde einige Proof of Concepts machen, evaluieren und erfolgreiche, einfach zu produzierende Formate etablieren.

Parallel dazu braucht es Offline-Formate, zum Beispiel einmal oder zweimal im Jahr ein Town-Hall-Meeting oder Ähnliches – das ist noch unausgegoren. Kleinere Formate wie Bürgersprechstunden würde ich entstauben und fortführen.

Die Ideen sind allesamt nicht rückgekoppelt. Verwaltungsmitarbeiter’innen haben wahrscheinlich nochmal eine gänzlich andere Perspektive darauf. Manches würde vielleicht verworfen, anderes ergänzt, wieder anderes weiterentwickelt, außerdem käme Neues hinzu. Sowas lebt ja. Wichtig wäre mir, Strukturen aufzubauen, mit denen wir gute Ideen fördern und schlank und tatkräftig in die Umsetzung bringen – im Idealfall mit bestehenden Ressourcen.


Leser’innenfragen | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Sie schrieben neulich, dass Sie Gleitsichtkontaktlinsen nutzen. Das würde ich auch gern. Könnten Sie ein wenig berichten von der Anpassung und den Kosten?“

Die Kosten sind ausgesprochen unerfreulich. Ich muss jedesmal Riechsalz mit zum Optiker nehmen, wenn ich sie abole, um nicht das Bewusstsein zu verlieren. 180 Euro für sechs Monate. Ich halte es so, dass ich die Monatslinsen jeweils länger als einen Monat trage. Das geht problemlos.

Die Anpassung war kostenlos und erfolgte im Hinterzimmer des Optikers. Gleitsicht wäre noch nicht zwingend erforderlich gewesen. Allerdings wurde es schon ein bisschen knispelig beim Lesen – deshalb war ich auch hingegangen -, und warum soll ich mich dann quälen? Ich möchte kein Mensch sein, dem die Arme zu kurz werden. Der Optiker bestellte mir Probelinsen von der Sorte, die ich ohnehin seit Jahren trage. Air Optix plus HydraGlyde. Sie passten direkt hervorragend. Ich hatte keine Schwierigkeiten beim Sehen, keine Kopfschmerzen und erlebte auch keine Phänomene. Es war direkt alles so, wie es sollte.


Gelesen | Das Nuf ist neu verliebt und treibt jetzt Sport.

Gehört | Matze Hielscher im Gespräch mit dem Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer über Deutschlands Baustellen, Nebelkerzen-Politik und warum nichts vorangeht. Ein gutes, entlarvendes Interview, auch wenn ich nicht mit allen Einschätzungen übereinstimme. Der Link geht zu Spotify. Den Podcast Hotel Matze gibt es auch auf anderen Plattformen.

Gelesen | Mattanza vom Germana Fabiano, aus dem Italienischen von Barbara Neeb und Katharina Schmidt. Auf der Insel Katria westlich von Sizilien fängt man auf traditionelle Weise Thunfisch. Angeführt vom Raís jagen die Fischer einmal im Jahr den großen Schwarm und treiben ihn in die Enge, bis das große Schlachten, die Mattanza, stattfindet. Doch die Tradition wandelt sich: In Ermangelung männlichen Nachwuchs wird erstmalig eine Frau Raís. Dann kommen die ersten Touristen auf die Insel. Schließlich bleiben die Fische aus – und tote Flüchtlinge gehen ins Netz. Ein lesenswertes kleines Buch, nur 182 Seiten. Literarisches Vorbild ist die Insel Favignana.


Schweine | Nachtmahl mit mehrerlei Gemüse.

Drei Meerschweine an einer Futterschale

Wahlergebnis | Ich werde nicht Bürgermeisterin und stehe dem freien Markt wieder vollumfänglich zur Verfügung.

30,7 Prozent habe ich geholt. Ein knappes Drittel der Wähler’innen wollten eine andere Politik. Das hat nicht gereicht. Der CDU-Kandidat hat sein Amt verteidigt – mit 58 Prozent. Es folgen somit die Jahre 27 bis 32 einer CDU-geführten Verwaltung. Der rechtsextreme Kandidat bekam 11 Prozent.

Bild von Vanessa mit den Worten: "Danke!" Und: 30,66 Prozent"

Natürlich hatte ich mir mehr erhofft. Gleichzeitig bin ich zufrieden. Ich gräme mich nullkommanull. Von nichts auf 30 Prozent in neun Monaten – wir haben einen tollen, professionellen Wahlkampf gemacht. Die Kandidatur war für mich in jeder Hinsicht ein Gewinn: Ich habe viel gelernt, hatte einen breiten Einblick in kommunalpolitische Strukturen und habe viele tolle, kluge und herzenswarme Menschen kennengelernt. Es war ein ausnahmslos gutes Erlebnis. Ich gehe bereichert aus der Sache heraus.

Als Bürgerin – nicht als Kandidatin – bin ich allerdings frustriert. Fünf weitere Jahre ohne eine nachhaltige und zukunftsorientierte Wohnpolitik, ohne den wirklichen Willen zur Mobilitätswende, ohne eine innovative Wirtschaftsförderung und ohne neue, kreative Ideen (man möge mich gerne mit dem Gegenteil überraschen). Das letzte Wahlkampfvideo des Konkurrenten möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang nicht vorenthalten. Content-Warnung: Es södert.

Nun, da ich mich neun Monate lang in die Themen eingearbeitet habe und weiß, was geht (auch ohne dass fünf Millionen Euro vom Himmel fallen), wird es mir noch schwerer fallen, den bestehenden Protektionismus mitzuerleben. Ich werde meine Energie wieder in den Beruf umlenken. Oder in ein anderes, neues Projekt. Wer weiß!


Der Wahltag | Der Wahltag war der entspannteste Tag seit Monaten. Ich hatte nichts mehr zu tun außer selbst zu wählen und abends im Rathaus die Ergebnisse zu betrachten. Ich schlumperte also in den Tag hinein, frühstückte lange, räumte dann die Küche auf, machte Wäsche. Was man so Aufregendes tut, wenn man am Wochenende Zeit hat. Um 13 Uhr war ich mit der Zeitung im Wahllokal verabredet – sie wollten eine paar Zitate von mir für ihr Liveblog und das obligatorische Kandidatin-steckt-Wahlzettel-in-Urne-Foto. Ich traf Bekannte am Wahllokal; wählen gehen ist ja in erster Linie ein geselliges, nachbarschaftliches Ereignis.

Auf dem Weg schaute ich am Schloss Sythen vorbei. Das liegt direkt bei mir nebenan und auf dem Weg zur Grundschule (Wahllokal) und wird von einem engagierten Verein gepflegt. Es war „Tag des offenen Denkmals“, es gab Reibeplätzchen und Kaltgetränke. Auch hier: Nachbarn und Bekannte, ein Plausch, noch ein Plausch und noch ein Plausch.

Am Nachmittag kamen Kollegin Steffi und die Turnschwester aus Heidelberg. Wir speisten Leckeres vom Markt (der Käsewagen und der Dip-Wagen werden mich noch in die Armut treiben), wir gingen eine Runde durchs Dorf und tranken Cappuccino und Milchshake in der Eisdiele. Dann verlegten wir allesamt ins Rathaus. Im Ratssaal war ein Fernseher aufgebaut, auf einer Leinwand wurde durchgehend die Wahlergebnisse aktualisiert. Ich pendelte zwischen Ratssaal und den Fraktionsräumen der Parteien. Die Parteien hatten ein paar Snacks organisiert.

Gegen 20:30 Uhr stand das Ergebnis fest – auch das Ergebnis für den Rat. Die SPD hat verloren, die Grünen liegen hier immerhin gut über dem Landestrend. Die CDU wird die Mehrheit im Rat halten.


Feuchte Augen | Am Tag vor der Wahl hatte ich Tränchen in den Augen. Mein Team aus Grünen und SPD hat eine ganze Seite Anzeigen für mich geschaltet. Ich wusste von nichts und war tief gerührt.

Eine Zeitungsseite mit vielen kleinen Anzeigen, die allesamt beginnen mit "Hallo Vanessa" oder

Sie zwinkern jetzt auch, oder?


Broterwerb | Botschaft an potentielle Kund’innen: Ich habe im November und Dezember noch Kapazitäten. Für den Fall eines Wahlsiegs hatte ich mir die Monate freigehalten. Ich freue mich über Anfragen.


Leser’innenfrage | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Es war mal viel die Rede vom Kauf des Fahrrades und seiner Anpassung – jetzt gibt es ein elektrisches. Wie sind die Erfahrungen? Benutzen Sie das ‚velo musculaire‘ auch noch?“

Für den Wahlkampf habe ich mir ein E-Bike gekauft, ein Vorjahresmodell zu einem unschlagbaren Preis. Ich erwarb es in erster Linie, um den Anhänger mit allem Material – bis zu 25 Kilo – zu ziehen und beim Ankommen noch fesch auszusehen. Im Wahlkampf bin ich fast ausnahmlos mit dem E-Bike gefahren, insgesamt 1.000 Kilometer. Das kann ich so genau sagen, weil der Zähler beim Kauf bei Null stand.

Das E-Bike habe ich genauso eingestellt wie mein Trekkingrad – noch vor Ort. Der Fahrradverkäufer war entsetzt. „So geht das nicht! Wie hoch machen Sie denn den Sattel! Sie kommen ja gar nicht mit den Füßen auf den Boden!“ Ich entgegnete, dass das schon in Ordnung sei, es sei ja ein Fahrrad und kein Stehrad. Das Radl passt hervorragend zu mir und meinem Körper, es war wirklich ein Glücksgriff. Deshalb möchte ich es nicht gerne wieder hergeben. Auch der Anhänger hat sich als unglaublich praktisch erwiesen: für Einkäufe, für die Schwimmtasche, für Transporte aller Art. Die Kombi E-Bike und Anhänger ersetzt tatsächlich in vielen Anwendungsfällen das Auto und fährt sich dank Turbo-Antrieb leicht und fluffig.

Gleichzeitig ist nun schon mein Ziel, auf den Alltagsstrecken wieder Bio-Bike zu fahren. Ich muss ja auch nicht mehr übermäßig gut aussehen beim Ankommen. Wie werden sehen, wie es sich fügt.

Fahrradtouren werden auf jeden Fall – und wurden auch während der Wahlkampfzeit – mit dem Bio-Bike gemacht.


Abschwimmen | Am vergangenen Freitag der letzte Schwumm: 2.500 Meter durch frisches Wasser – in der letzten Freibadwoche wurde nicht mehr geheizt. Es windete, es regnete, dann schien wieder die Sonne, es war ein Fest der Sinne.

Auf dem Rückweg ein Regenbogen:

Fahrrad mit Anhänger, im Vorgerdrund weht hohes Gras im Wind. Im Hintergrund Häuser und ein Regenbogen vor dunkelbuntem Himmel

Und sonst | Die Artischocke im Garten blüht.

Im Vordergrund eine blühende Artischocke, im Hintergrund verschwommen der Garten mit dem Schweinegehege.

Gelesen | Wo Blau bisher für Schalke steht: Die Süddeutsche blickt anlässlich der Kommunalwahl nach Gelsenkirchen. Dort kommt es zur Stichwahl zwischen einer SPD-Kandidatin und einem Rechtsextremen.

Gehört | Im Politikteil-Podcast der ZEIT ist der Chef des Insituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, zu Gast. Er spricht über die notwendige Reform des Rentensystems. Sehr interessant. Ich kann der (rein ökonomisch geführten) Argumentation ausnahmslos folgen. Eine ergänzender Gesprächspartner – zum Beispiel ein’e Soziolog’in – wären interessant gewesen.


Schweine | Schwein vs. Sonneblume

Im Garten neigen sich die Sonneblumen zur Erde. Ein Schwein knabbert an einem großen Blütenteller. Der Himmel hat sich schon orange gefärbt. Abendstimmung.

Bürgermeisterkandidatur | Abends Veranstaltungen, morgens früh raus. Der Wahlkampf bringt mich dazu, verschärft ins Mittagsschlaf-Business einzusteigen.

Brötchenaktion am frühen Sonntagmorgen:

Pendleraktion heute am Bahnhof 6:30 Uhr:

Ich erwarte übrigens nicht, dass morgens um Sieben jemand mit mir redet. Es braucht sich niemand Sorgen zu machen, dass ich mich über Kommunalpolitik unterhalten möchte. Falls jemand das tun will, machen wir das. Ich fühle es allerdings sehr, wenn man nur ein Brötchen oder einen Müsliriegel haben möchte – und auch, wenn man eilig auf dem Weg zum Zug ist und wie an der Versorgungsstation beim Marathon nur rasch nach einer Tüte greift.


Leser’innenfrage | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Haustür-Wahlkampf: Wie gut erreicht man da die Menschen, also rein physisch? Gehen Sie zu unterschiedlichen Zeiten los? Ich bin z.B. von ca. 8.00 bis 19.45 Uhr außer Haus, in meinem Umfeld ist das eher die Regel als die Ausnahme.“

Am besten erreicht man die Leute Samstags. Sie pruscheln im Haus, räumen auf, machen Gartenarbeit oder chillen. Samstags zwischen 11 und 15 Uhr habe ich deutlich über 50 Prozent der Menschen angetroffen, ich würde fast sagen 75. Unter der Woche habe ich zwischen 16:30 und 19 Uhr an den Haustüren geklingelt. Je weiter fortgeschritten der Tag, desto mehr Leute waren daheim – zwischen 40 und 60 Prozent. Um 19 Uhr habe ich die Sache beendet. Dann bringen Menschen Kinder ins Bett. Außerdem finde ich es creepy, wenn um diese Zeit noch jemand an der Tür klingelt, den man nicht eingeladen hat oder der keinen Notfall hat.

Die Menschen waren ausnahmslos freundlich. Nur wenige haben gesagt: Nein, danke, kein Interesse. Manche haben sich total gefreut, dass ich persönlich vorbeikomme. Ich bin keinem einzigen aggressiven Menschen begegnet. Zwei Männer hatten sehr wenig an, es hatte aber nichts mit mir zu tun.

Meine Erkenntnisse beim Haustürwahlkampf:

  • Es gibt viel verdeckten Wohnraum, also Wohnungen, die leer stehen und wo es keine Bemühungen gibt zu vermieten.
  • Ein erheblicher Teil alter Menschen trifft über den Tag wenig andere Menschen. Wir haben eine erhebliche Einsamkeitsproblematik, die in den kommenden Jahren noch größer werden wird.
  • Armut sieht man nicht von außen. Armut wird einem erzählt.

Tipp | Ein interessantes und kostenfreies Webinar von meiner Kollegin Andrea Schmitt: Ein anderer Blick auf Organisationen. Termin: Montag, 15. September 2025 von 17 Uhr bis 18:30 Uhr. Darum geht es:

Wenn wir an Organisationen denken, stellen sich die meisten von uns ein Organigramm vor – bestehend aus Hierarchien mit Kästchen, die Führungskräfte und ihre zugeordneten Teammitglieder repräsentieren. Das ist eine Sichtweise auf Organisationen. Die andere ist die Frage nach dem Warum. Warum wurden die Kästchen und Hierarchien auf diese Weise gebildet? Welchem Zweck dienen sie?

Eine Antwort darauf könnte oder sollte sein: sie regeln, wer welche Entscheidungen treffen darf und wie diese dann im Unternehmen kommuniziert werden. Manchmal sind Organigramme allerdings historisch gewachsen und sie dienen gar nicht mehr dem besten Ablauf von Entscheidungsprozessen. Was dann?

Andrea feiert dieses Jahr zehnjähriges Firmenjubiläum und schenkt uns die Veranstaltung (Anmeldung). Ich habe mich angemeldet.


Ernte | Der Garten erschöpft so langsam. Aber noch geht was! Die Zucchini ist im Verborgenen zu monumentaler Größe gewachsen. Die Gurken lassen mit letzter Kraft ihre Früchte reifen. Die Tomatenpflanzen stemmen sich gegen beginnende Braunfäule.

Eine mordmäßig dicke Zucchini, ein kleiner Hokkaido-Kürbis, zwei Gurken, eine Schale mit kleinen Tomaten

Meine Tomate sendet Liebe hinaus in die Welt.

Eine siamesische Doppeltomate mit nur einem grünen Strunk

Broterwerb und Pause | Das Auftragsbuch für die kommenden vier Wochen ist voll. In dieser Reihenfolge: ein Beratungsworkshop in Stuttgart (IT-Branche), Moderation eines Strategieprozesses (IT), ein Seminar zum lateralen Führen bei einer NGO, ein Teamworkshop bei einem Landmaschinenhersteller, Moderation einer Komiteesitzung im kommunalen Sektor in Karlsruhe, ein Teamworkshop bei einem Medienunternehmen und ein Moderationsworkshop bei einer NGO. Und dann: Herbstferien! Bevor wir mit den Kindern wegfahren, verbringe ich fünf Tage in einem Wellnesshotel in der Pfalz. Nur ich, die Sauna, Bücher, Weinberge, jeden Morgen ausgiebiges Frühstücksbuffet und abends ein Drei-Gänge-Menü. Ziel: Mit so wenig Menschen reden wie möglich, viel schlafen, viel lesen.

Falls Sie sich das fragen: Die neue Amtsperiode für Bürgermeister’innen und Stadträt’innen beginnt am 1. November. Sollte ich gewählt werden, wechsel ich ab dem Zeitpunkt den Job. Falls nicht, geht es bei mir ganz normal in der Selbstständigkeit weiter.

Es ist mir übrigens gelungen, im Wahlkampf kostendeckend zu bleiben. Ich habe ja kein durchgehendes Festgehalt, sondern muss sehen, dass ich genug Aufträge habe und jeden Monat ausreichend viel Umsatz reinkommt. Das ist mir gelungen, und das ist super. Ich hatte damit gerechnet, dass ich ins Minus kommen würde und parallel nicht ausreichend Aufträge annehmen könnte. Ist zum Glück nicht so gekommen. Gewinne habe ich allerdings auch nicht gemacht in den vergangenen neun Monaten – monetär. Gelernt habe ich sehr viel! Betriebswirtschaftlich handelt es sich also um eine sehr praxisorientierte Weiterbildung. //*Gehirn-Emoji

(Falls Sie einen Zeitmanagement-Workshop bei mir buchen möchten – sehr gerne. Wir sprechen darin auch über all die Erwartungen, die Sie nach der Veranstaltung nicht mehr erfüllen wollen.)


Gehört | Kalt und Still von Viveca Sten, gelesen von Vera Teltz. Ein skandinavischer Krimi: Eine junge Frau wird tot im Skilift gefunden – wer war es? Die Kommissarin Hanna Ahlander ist mehr oder weniger unfreiwillig vor Ort, nachdem sie vom Job suspendiert wurde. Die Erzählung hat mich nicht vom Hocker gehauen. Die Charaktere bleiben blass, die Selbstzweifel der Kommissarin nerven – und hatte ich schonmal erwähnt, dass ich verstellte Stimmen unangenehm finde? Für eine schlichte Urlaubslektüre oder eine Mitnahme aus dem Bücherschrank ist die Geschichte aber hinreichend spannend.


Schweine | Das wilde Leben.

Geöffnete Stalltür. Ein kleines Schwein schlummert mit halb geschlossenen Augen, der Dicke sitzt neben dem Heu und guckt, das dritte Schwein sieht man im Profil. Es sitzt im Häuschen und chillt.

Alltag | Die vergangene Woche war ereignisreich: Christopher Street Day, ein Gemeindebrunch, ein Grönemeyer-Konzert, ein kniffliger Tag beim Kunden mit Kunden des Kunden, ein Wahlkampf-Event mit Prominenz, Coachingtermine, Haustürwahlkampf, Friseur, Heimatfest, Beratungstermine, eine Brötchenaktion und viel frühes Aufstehen. Das war anstrengend! Außerdem erreichen mich zahlreiche Unternehmensanfragen. Es ist die klassische Zeit: Man taumelt aus der Sommerhitze in den September, stellt fest, dass es bis Weihnachten nicht mehr weit ist, die gesteckten Ziele aber noch fern sind, und glücklicherweise ist noch Budget da. Ich helfe gerne!


Eure Zukunft! Eure Entscheidung? | Das Wahlkampf-Event war ein toller Abend in der Halterner Stadtmühlenbucht, stimmungsvoll am See und windumwirbelt, mit jungen Menschen und dem Vorsitzenden der NRW-Grünen, Tim Achtermeyer. Motto und Fragestellung des Abends: „Eure Zukunft! Eure Entscheidung?“ – Wir haben darüber gesprochen, wie Politik die Interessen junger Leute berücksichtigen und Jugendliche einbinden sollte.

Ich habe erzählt, was mir aufgefallen ist – nämlich, dass wir in Haltern einen Seniorenbeirat haben, aber keinen Jugendbeirat. Der Seniorenbeirat ist Mitglied im Stadtrat, hat dort Informations- und Rederecht. Politik und Verwaltung konsultieren ihn gern. Jugendliche und junge Menschen haben hingegen keine Vertretung. Das ist ein Ungleichgewicht.

Wie wir dieses Ungleichgewicht aufheben – dafür gibt es mehrere Lösungsoptionen, unterschiedliche methodische Ansätze mit größerem und weniger großem Aufwand. Im Anschluss an den Bühnenteil habe ich mich lange mit jungen Besucher’innen unterhalten. Wir hatten eine sehr pragmatische Idee. Ich verrate sie hier jetzt nicht. Ich setze sie dann um, wenn ich Bürgermeisterin bin. Kostet nichts, bindet wenig Ressourcen, baut auf vorhandene Strukturen auf und wird wirkungsvoll sein.

Insgesamt ein tolles Event (–> Video). Kluge junge Menschen. Gute Musik vom DJ. Eis vom Eiswagen. Noch ein paar Impressionen:

Moderatorin des Abends war übrigens Jule Brinkert, Studentin aus Haltern und ehemalige Schülervertretungssprecherin des hiesigen Joseph-König-Gymnasiums. Eine beeindruckende Frau! Klar, herzlich, rhetorisch gewandt, mit scharfem Verstand.

Die Fotos und Videosequenzen sind von Daniel Dreyer. Ein dicker Dank! Die Älteren unter den Leser’innen erinnern sich möglicherweise an Podcastfolgen mit ihm, #oldiebutgoldie:


Christopher Street Day | Unsere kleine Stadt hat ihren eigenen Christopher Street Day. Ein gemeinschaftliches Orga-Team aus Kirchen und zivilgesellschaftlichen Organisationen plant ihn. Es ist jedesmal eine bunte, schöne Veranstaltung. Auf dem Marktplatz steht eine große Bühne auf dem Marktplatz, drumherum Stände, und es gibt Musik, Gesang, Wortbeiträge, eine Drag Queen und persönliche Geschichten.

Die SPD und die Grünen hatten einen Stand, und ich war gemeinsam mit ihnen vertreten. Unter dem Motto „Drag your Vote“ konnten die Leute zu mir in die Wahlkabine kommen, über nicht ganz ernst gemeinte Maßnahmen abstimmen, die ich als Bürgermeisterin veranlasse, und sehr ernste gemeinte Wünsche hinterlassen.

Am meisten wurde ein queerer Treffpunkt in der Stadt gewünscht – in unterschiedlichen Varianten. Es kam auch die Idee eines „Queeren Samstagsbrunch“. Gemeinsam Essen finde ich ja immer gut! Aktuell haben wir kein dezidiert queeres Angebot bei uns in Haltern. Ich weiß von Jugendlichen, die die Nachbarstadt aufsuchen, um Beratung und Miteinander zu haben. Insofern kann ich den Wunsch gut nachvollziehen.

Bei allen Wünschen, die ich aufnehme – zu diesem Thema und zu anderen – bin ich übrigens nicht der Meinung, dass die Kommune zwingend der Anbieter sein und die Ressourcen stellen muss. Ich denke aber, dass die Gemeinde gemeinsam mit den Menschen, die in ihr wohnen, eine Idee für eine lebenswerte, zukunftsfähige und moderne Stadt entwickeln sollte. Für diese Idee muss sie dann Anreize und Rahmenbedingungen schaffen. Das muss ein kontinuierlicher Prozess sein, denn Bedürfnisse und Notwendigkeiten verändern sich über die Jahre. Wenn die Kommune es nicht tut, springen nämlich andere in die Lücke und machen es – und das möglicherweise so, wie man es nicht haben will.


Bemerknisse | Ich nehme übrigens wahr, dass fast alle Menschen, mit denen ich rede und die Wünsche äußern, großes Verständnis dafür haben, dass nicht für alles Geld da ist und nicht alles sofort oder auf genau die Weise passieren kann, wie sie es fordern. Stattdessen höre ich den Wunsch, im Gespräch zu sein und Transparanz zu haben darüber, wie Entscheidungen getroffen werden.

Es scheint mir außerdem, als bestehe Politik vor allem darin, Dilemmata zu lösen. Überall gibt es Zielkonflikte: Wir müssen mehr Wohnraum schaffen, wollen aber keine Flächen versiegeln. Wir wollen, dass Fahrradfahrer mehr Platz in der Stadt haben, allerdings weder auf Kosten der Autofahrer noch der Fußgänger. Wir müssen Geld in soziale Projekte, Schule und Jugendliche investieren, wollen aber gleichzeitig die finanzielle Stabilität der Stadt sichern und keine Schulden aufnehmen. Wir wollen Tourismus in der Stadt, der die lokale Wirtschaft stützt, aber gleichzeitig soll die Stadt ihren Einwohnern gehören. Wir wollen, dass Spielplätze, Grünflächen, Straßen und Bürgersteige gut gepflegt sind, dürfen aber nicht mehr Personal einstellen. Das ist ein fortwährender Aushandlungsprozess, der momentan allerdings weitgehend im Verborgenen stattfindet. Natürlich sind Ratssitzungen öffentlich – und klar: Jeder kann sich informieren und am politischen Ringen teilhaben. In der Praxis ist das jedoch für die meisten von uns, die wir einen Beruf haben, Care-Arbeit leisten, oft noch einem Ehrenamt nachgehen und ein Privatleben haben möchten, nicht praktikabel. Ich denke deshalb: Eine wichtige Aufgabe ist es, gut und lebensnah zu kommunizieren, die Komplexität der Entscheidungen darzustellen, ohne zu verwirren, und an den passenden Stellen Beteiligung zu schaffen.

Noch ein letzter Punkt: Ich schrieb, dass ich Begegnungen mit rechtsradikalen Wähler’innen habe.

Mein Fazit: Von Menschen außerhalb ihrer Echokammer sind Rechtsradikale nicht zu erreichen. Ich denke, wir müssen ihr System unterwandern, so wie sie unsere Demokratie unterwandern.

Ich habe eine Ergänzung dazu: Ich denke, dass wir die Stadt strukturell so gestalten müssen, dass rechtsradikale Gedanken weniger Chancen haben. Ich muss dazu etwas ausholen:

In der Eins-zu-Eins-Begegnung überzeugen wir Rechtsradikale nicht, eine andere Meinung anzunehmen, weil wir sie mit kognitiver Dissonanz konfrontieren. Kognitive Dissonanz ist der unangenehme Gefühlszustand, der eintritt, wenn wir etwas tun, das unserem Selbstkonzept widerspricht. Nehmen wir als Beispiel: Wir halten uns für umweltbewusst und verantwortungsvoll, fliegen aber nach Dubai und machen dort eine Kreuzfahrt. Dann suchen wir Gründe dafür, warum diese Kreuzfahrt in unserer Umweltbilanz überhaupt nicht ins Gewicht fällt, so dass wir weiterhin positiv über uns selbst denken können.

Immer dann, wenn wir unseren Gegenüber mit Argumenten stellen, lassen wir ihn als dumm, unmoralisch und irrational dastehen, während er die Selbstauffassung vertritt, er sei klug, rational und werteorientiert – wer denkt das schließlich nicht von sich. Deshalb funktioniert die Auseinandersetzung mit Argumenten nicht. Zahlen zur CO2-Bilanz von Dubai-Kreuzfahrten werden Menschen nicht davon abhalten, so zu urlauben, selbst wenn sie sich selbst für verantwortungsvoll halten. Genauso halten Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik Menschen nicht davon ab, Angst vor arabisch aussehenden Männern zu haben.

Ich werde in Gesprächen öfters gefragt, was ich gegen den Rechtsruck machen werde und wie ich verhindern möchte, dass die A*D in Haltern stärker wird. Ich bin der Meinung: Wir müssen als Stadt systemisch ein Umfeld schaffen, das uns fortwährend mit unseren Überzeungen konfrontiert, ohne dass wir direkt zugeben müssen, dass wir auf dem Holzweg sind. Wenn ich die Überzeugung habe, dass Ausländer Sozialschmarotzer und per se böswillig sind, müssen die städtischen Strukturen mir Begegnungen mit Ausländern ermöglichen, so dass ich sukzessive beginne zu differenzieren, ohne mich zu entblößen (oder – noch besser: wenn die Überzeugungen so gar nicht erst entstehen). Wenn ich der Meinung bin, Landwirte seien allesamt Subventionen verschlingende Umweltsäue, muss die Gemeinde Begegnungen mit der Landwirtschaft anstoßen, bei denen ich Gelegenheit habe, mich zu justieren. Eine der großen städtischen Aufgaben ist es deshalb, Begegnungen nicht nur zu ermöglichen, sondern strukturell zu erzwingen – durch Bänke, auf denen man einander gegenübersitzt, durch Grillplätze, die man miteinander teilt, durch großzügige Bibliotheken, die Menschen unterschiedlicher Interessen zusammenbringen, durch Begegnungsorte in Stadtteilen, Schulen und Kitas. Die Stadt muss Veranstaltungen unterstützen, die den Austausch forcieren, auf denen wir miteinander lachen, singen und kochen, wo wir zusammen essen, Sport treiben, Rätsel lösen und einander helfen. Es geht darum, kommunal einen Rahmen zu schaffen, der möglichst viele Zufallskontakte zwischen Menschen herstellt, die anders sind als man selbst. Sarah Stein Lubrano hat Ähnliches im Guardian aufgeschrieben.

Hier in der Stadt gibt es eine Geflüchtetenunterkunft in einer ehemaligen Schule. Die Nachbarschaft ist verärgert, weil es laut ist und sich nicht alle gut benehmen. Das hat natürlich auch strukturelle Gründe: Die Kinder sind abends lange auf der Straße, weil die Fenster der Unterkunft nicht verdunkelt werden können. Die Menschen gehen ins Freie, um zu telefonieren, weil sie im Gebäude keinen Raum haben, in dem sie alleine sind – und so weiter. Gleichzeitig sind die Bedürfnisse der Nachbarschaft natürlich nachvollziehbar. Es kam die Idee auf, einen hohen Zaun zu bauen, das sei gut gegen Lärm. Ich würde es anders angehen, nämlich genau gegenteilig: mit Zusammenkommen statt mit Auseinanderhalten. Die Geflüchteten und die Nachbarn kennen sich nicht; wenn sie sich übereinander ärgern, haben sie keine Beziehungsebene, auf der sie den Konflikt austragen können. Die muss man erstmal ermöglichen. Es braucht die Gelegenheit, sich über die unterschiedlichen Lebenswelten und Bedürfnisse auszutauschen: „Ich muss morgens um vier Uhr aufstehen. Wenn deine Kinder bis 22 Uhr rumschreien, kann ich nicht schlafen und werde krank.“ – „Wir haben nur einen kleinen Raum, in dem wir zu Fünft leben. Meine Kinder rauben mir auch den letzten Nerv. Ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll.“ Das löst noch nicht den Konflikt, aber es schafft Verständnis füreinander und man bemüht sich danach gegenseitig um Rücksichtnahme, weil man die Bedürfnisse des anderen kennt – aber auch die Limitierungen. Außerdem kennt man sich nun und kann weitere Vereinbarungen treffen. Das passiert aber nicht von selbst, sondern muss initiiert werden – zum Beispiel durch ein organisiertes gemeinsames Essen -, und es muss begleitet werden. Es braucht eine Einladung, gemeinsam das Dilemma auszuverhandeln. Und: Es braucht eine Eskalationsinstanz – jemanden, den man anrufen kann, wenn der Andere sich partout nicht an die Vereinbarungen hält.


Arbeitsfrühstück | Heute habe ich mich mit Lara getroffen, auf Instagram bekannt als @halternmama. Wir haben zusammen gefrühstückt und gebrainstormt, was junge Familien in unserer Stadt brauchen. Das war ein guter Austausch – wir lagen sehr nah beieinander bei unseren Einschätzungen (–> Video). Ich möchte direkt loslegen!

Das Spannende: Ich habe eine Idee, wie man die Bedürfnisse von Senior’innen, den Wunsch nach einem queeren Treff und die Wünsche junger Eltern mit einem Löungsansatz bedient. Der für die Kommune wahrscheinlich nicht teuer ist! Verrate ich hier jetzt nicht, muss ich erst noch prüfen, wenn ich Bürgermeisterin bin.

Ich habe in den vergangenen Monate viele Ausschussitzungen besucht und parallel zu meinen Ideen direkt die Stimmen im Ohr, die sagen: „Wolkenkuckucksheim!“ – „Brauchen wir nicht“ – „Geht nicht“ – „Naiv!“ – „Wer soll das bezahlen?“ Deshalb ein Hinweis: Ich bin keine Idiotin. Ich bin Unternehmerin und ich weiß, dass es regulatorische Anforderungen gibt und dass man Dinge bezahlen muss. Das sind Rahmenbedingungen, keine Hindernisse.


Anekdote | Ein Anekdötchen am Rande. Während einer der Veranstaltungen ließ ein Herr verlauten, ich sei eine durchaus vielversprechende Bewerberin fürs Rathaus, es fehle mir allerdings an Reife; ich solle erstmal noch ein Kind bekommen – in fünf Jahren hätte ich dann gute Chancen.

Ich musste sehr lachen! Mein Östrogenspiegel ist inzwischen so niedrig wie das Wasser im Edersee. Ich bin 47, präklimakterisch und trage Gleitsicht-Kontaktlinsen. Ich bin so reif, ich werde schon holzig. Bis heute kann ich mich über die Worte nicht empören, so belustigt bin ich.


Und sonst | Die Videos sind online, die ich mit meinem Videoteam gedreht habe. Zu sehen in meinem Wahlprogramm – ganz nach unten scrollen – und auf Social Media.

Ich bin in der aktuellen DONNA-Zeitschrift: Anpacken, loslegen! Klar einiges läuft schief. Aber diese Frauen meckern nicht. Sondern zeigen Eigentinitiative. Unter dieser Überschrift portraitiert die Autorin Katja Nele Bode vier Frauen, die Initiative zeigen – unter anderem mich.

Artikel über Vanessa in der Donna, Überschrift "Lokalpolitik als Chance ergreifen"

Die anderen Frauen sind die Kriegsreporterin Katrin Eigendorf, die Umweltaktivistin Victoria Blocksdorf und die Gesangspädagogin Tuija Komi. Bloody Hell, ich in einem Artikel mit Katrin Eigendorf!


Leser’innenfrage | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Wie hat euer Leben in Familien-WG dich verändert (oder nicht)?“

Das ist eine gute Frage. Ich habe länger darüber nachdenken müssen. Mein spontaner Gedanke war: gar nicht – und gleichzeitig war ich mir sicher, dass das nicht die ganze Wahrheit sein kann. Also bin ich in mich gegangen. Wieder herausgekommen bin ich mit mehreren Gedanken:

  • Ich habe entdeckt, dass es Teile von mir gibt, die extrem konservativ sind. Zum Beispiel, was das Lernen für die Schule angeht. Was Disziplin betrifft. Alles, was mit Pflichtbewusstsein und gutem Benehmen zu tun hat. Es wohnt ein innerer Preuße in mir.
  • Meine Werte sind mir klarer. Möglicherweise geht das vielen Menschen so, die mit Teenagern zusammenleben und sich fragen: Welche Grenzen sind mir wichtig? Welche Grenzen setze ich? Ich bin selbst ein relativ furchtloser Mensch. Entsprechend traue ich den Kindern viel zu, erwarte im Gegenzug aber auch, dass getroffene Vereinbarungen klar eingehalten werden. Ich finde Verbindlichkeit sehr wichtig. Das klappt einwandfrei.
  • Das Spannungsfeld zwischen Geduld und Antrieb, zwischen nachgeben und beharren ist allgegenwärtig. Es läuft vieles anders, als wenn ich alleine wäre. Der Alltag birgt Kompromisse, angefangen beim morgendlichen Aufstehen, bei der Tagesgestaltung, bei den Verpflichtungen, die man hat, und bei den Urlauben. Als Ausgleich nehme ich mir Auszeiten, in denen ich es genieße, allein zu sein und nur zu tun, worauf ich Lust habe.
  • Gleichzeitig mag ich viele Dinge, die auch die Kinder mögen – nur anders. Wenn sie ein Fußballspiel haben, sitze ich gerne am Platz. Ich mag Freibad, Wassereis, Checker Tobi, Rutschen, Popcorn und probiere gerne Sachen aus.

Was mich übrigens am meisten nervt – und das ist eigentlich auch das Einzige, was das Zusammenleben schwierig macht: dass ständig Sachen verschwinden und ich sie suchen muss. Das macht mich rasend! Warum kann man einen Gegenstand nicht dorthin zurücklegen, wo man ihn hergenommen hat? Ich werde irre!


Grönemeyer | Ein Foto vom Grönemeyer-Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle – oder, wie Herbert sagt, „im Madison Square Garden des Ruhrgebiets“:

Westfalenhalle, fotografiert vom Rang. In der Mitte unten eine runde Bühne, drumherum lauter Menschen.

Es war sehr schön. Bühne in der Mitte, eine große Kapelle, dazu ein Chor. Das war monumental. Leider konnte ich die Veranstaltung nicht ganz unbelastet genießen, denn ich musste am nächsten Tag früh aufstehen und hatte einen kniffligen Kundenworkshop vor mir, bei dem ich ausgeruht sein wollte. In der zweiten Zugabe verließen der Reiseleiter und ich die Veranstaltung, damit ich wenigstens sechs Stunden Schlaf bekam.


Gelesen | 600 verunglückte Kinder in Berlin: Verkehrssenatorin empfiehlt einen Helm und Nebenstraßen. Thoughts and Prayers!, sagt man andernorts.

Gelesen | Aus dem Heimatstädtchen: In Menden im Sauerland wurde die Wohnung einer 17-Jährigen zu unrecht durchsucht. Die junge Frau ist Vorsitzende der örtlichen Jusos. Sie wurde verdächtigt, Anti-Merz-Graffitis gesprüht zu haben – allerdings sind die Indizien, gelinde gesagt, äußerst dünn. Pikant: Die Direktorin des zuständigen Amtsgerichts ist Charlotte Merz, die Ehefrau des Bundeskanzlers. Der WDR dazu: Rechtswidrige Durchsuchung bei SPD-Politikerin. Die ZEIT mit einem Interview [€]: „Anfangs dachte ich noch: Will mich jemand verarschen?“

Gelesen | Der Klimafonds soll dazu dienen, Maßnahmen für den Klimaschutz zu bezahlen. Unsere Regierung möchte ihn nun für Strafzahlungen nutzen, die fällig sind, wenn sie die Klimaziele reißt. Grotesker geht es nicht.

Gelesen | Ehre, wem Ehre gebührt: Die WC-Ente erhält in der Schweiz eine eigene Briefmarke.


Schweine | Es herbstelt. Man futtert herabfallende Blätter, genießt die kühleren Temperaturen und nagt an herabhängenden Sonnenblumen.

Zwei alte Meerschweine in der Stalltür

Wahlkampf | Die neue Kupplung ist da. Das Fahrrad ist wieder komplett, der Anhänger fährt wieder mit.

Am Wochenende ist Christoph Street Day hier in Haltern. Er findet nun schon zum dritten Mal statt und ist immer sehr schön. Es ist ein buntes Beisammensein mit Redebeiträgen und einer Dragqueen, ein Poetry Slammer tritt auf, die Kirchen sind dabei, das Jugendorchester und allerlei andere Menschen. Es gibt Musik und Stände auf dem Marktplatz, und ich darf auch eine Rede halten. Parallel steht auch ein A*D-Stand in der Partei. Gegendemonstranten – gegen die A*D – haben sich angekündigt. Das könnte spannend werden. Die rechtsextremen Herrschaften sind in jüngster Vergangenheit negativ aufgefallen: Klick und Klick.

Diese Woche hatte ich einen interessanten Termin an den Katharinenhöfen, einem großen Wohnungsbauprojekt hier in Haltern – gemeinsam mit Sarah Philipp, der Landesvorsitzenden der SPD NRW, dem Landratskandidaten Karsten Schneider, Mitgliedern des SPD-Ortsverbandes und dem Bauunternehmer.

Die Katharinenhöfe sind ein vergleichsweise großes Bauprojekt hier in Haltern. Auf dem Gelände einer ehemaligen Tiefbaufirma entsteht ein Quartier mit 100 Mietwohnungen, 21 davon öffentlich gefördert. Weitere 20 sind Appartments für betreutes Demenzwohnen. Eine Kita ist schon in Betrieb. Es wird weiteres sozialverträgliches Gewerbe geben: Physiotherapie, Arztpraxen und vielleicht eine Eisdiele. Wir bekamen Einblick in die Konzeption und den Bau, aber auch in die Schwierigkeiten, die Bauunternehmen aktuell haben, wenn es um Investitionen geht und darum, sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Das war erhellend. Bericht bei Haltern Online.

Die nächste Veranstaltung folgt: Am kommenden Mittwoch, 3. September, kommt der Grünen-Vorsitzende Felix Banaczak nach Haltern. Motto der Veranstaltung: Eure Zukunft – Eure Entscheidung! Wir sprechen gemeinsam mit jungen Menschen über die Fragen: Wie können die Jungen mehr mitbestimmen? Welche Chancen gibt es für eine nachhaltige Zukunft? Und: Was heißt das konkret für Haltern?

Plakat: Eure Zukunft! Eure Entscheidung? Jung, engagiert - und (nicht) gehört? Mit einem Bild von Felix Banaczak

Kommt gerne dazu, wenn Ihr in der Umgebung wohnt!

Zeit: 18:00 – 21:00 Uhr
Ort: Stadtmühlenbucht, Haltern am See

Wer rechtzeitig da ist, bekommt kostenloses Eis vom Eiswagen. Darüber hinaus gibt es Getränke und Snacks, und einen DJ, der Musik macht.


Leser’innenfrage | Eine Frage aus der Content-Vorschlagsliste: „Wie hat euer Umfeld das Zusammenbauen eurer sozialen Familie aufgenommen?“

Ich erinnere das ehrlich gesagt nicht richtig, denn ich war zu sehr mit Zusammenbauen beschäftigt – und das Umfeld ist jetzt nicht hier, um das zu beantworten. Aus meiner Perspektive fühlte es sich wie spannungsvolle Neugier an, gepaart mit den besten Wünschen. Die Einen waren traurig, dass ich aus Dortmund wegzog. Die Anderen waren aufgeregt, weil sie seit vielen Jahren einer Beziehung leben, Kinder haben, und gemeinsam mit mir die wilde Zeit des Neubeginns durchlebten. Es war ganz viel Interesse da, wie wir unseren Alltag gestalten, wie ich mich fühle und wie die Kinder sich fühlen. Vielleicht waren hier und da auch Zweifel, ob das gut geht – warum auch nicht? Es war ja auch ein Wagnis.


Broterwerb | Ich war im Münsterland und habe ein Seminar zum Thema Zeitmanagement gegeben. Es war das munterste Seminar dieser Art, das ich je hatte. Es hat mir sehr große Freude bereitet! Teilgenommen haben Menschen aus der Pflege und der Medizintechnik. Von Beginn an war die Gruppe sehr interessiert am Austausch – mit mir und untereinander. Wir haben offen über Persönliches gesprochen: über Herausforderungen im Berufsalltag, über die Vereinbarkeit mit dem Privatleben, über Schuld und schlechtes Gewissen, über das Gefühl, nicht zu genügen, über den Wunsch, gefallen zu wollen, über Versuche der Abgrenzung, das tägliche kleine Scheitern und die Erfolge, die wir zu wenig feiern. Es war wirklich großartig.


Kaltakquise | Vor Kurzem erhielt ich Post von einem Unternehmen, das Vertriebslösungen speziell für weibliche Selbstständige anbietet. Im Umschlag: ein Anschreiben und eine Broschüre.

Du hast die Fähigkeiten, Menschen zu helfen […] dieses Magazin ist eine absolute Pflichtlektüre für dich, wenn du […] nach einem Weg suchst, wie du mehr Struktur in deinen Alltag bringst, dich aber gleichzeitig nicht in deiner weiblichen Intuition einengen lasssen willst.“

Ebenfalls im Umschlag: ein Yoga-Tee Frauenpower. Auf der Website: Fünf Männer in Slim-Fit-Anzügen und unklaren Kompetenzen, „Sales Experten“.

Ich sag’s mal so:

„Du hast das Zeug, mit purer Kraft, unbändiger Energie und echter Macher-Mentalität alle um dich herum zu beeindrucken. Dieses Magazin ist kein Nice-to-have, sondern deine Pflichtlektüre, wenn du den nächsten Gang einlegen willst: mehr Power, mehr Drive, mehr Durchschlagskraft im Alltag. Und das Beste – dabei bleibst du dir als instinktgetriebener, souveräner Mann treu, ohne dich in deiner ureigenen männlichen Intuition bremsen zu lassen.“ Goodie: eine Tüte Protein-Shake. Absender: Fünf Frauen in Leinenkleidern.

(Ich trinke ja nicht nur keinen Tee, ich habe auch schonmal meine Yoga-Erfahrungen niedergeschrieben.)


Bewegende Biographien | Portraits von Kindern aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter’innen: Trotzdemda.


Schweine | Abendliche Aufregung an der Futterschale.

Vier Meerschweine im Stall: Vorne zwei große Rosettenmeerschweine aktiv an der Futterschale, hinten zwei kleine glatte in Lauerstellung


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