Abendessen | Während ich die nachfolgenden Worte tippe, sitze ich in einem kambodschanischen Restaurant. Die Deko ist stimmungsvoll, um nicht zu sagen überbordend. Schräg hinter mir schimpft die Kellnerin in einer asiatischen Sprache; sie verfällt dabei immer wieder ins Deutsche, kehrt zurück ins Kambodschanische (das wird es wohl sein) und flucht wie ein Kesselflicker, um dann lächelnd an meinen Tisch zu treten.
Der Baum ist aus Vollplaste, die Ballustraden sind aus Pappmaché – oder leichtem Holz? Jedenfalls darf man sich nicht dagegen lehnen. Ich liebe alles an diesem Ambiente. Das Essen ist hervorragend.
Broterwerb | Gestern war ich einen Tag lang im Hauptbahnhof hier in Berlin, achte Etage. Dort gibt es Konferenzräume. Man schaut auf den Humboldthafen und den Fernsehturm, zu Füßen Geschichte: das ehemalige Zellengefängnis Moabit, die Invalidenstraße und der Hamburger Bahnhof, auf der anderen Seite die Charité. Sonnenaufgang vor der Veranstaltung:
Ein neues Bahnabenteuer | Die Bahnfahrt nach Berlin war störungsfrei – das muss man erwähnen, es ist zurzeit eher Ausnahme als Regel. Auch das Unterhaltungsprogramm war exzellent. Eine Damengruppe im Vierersitz, auf dem Tisch eine Illustrierte und eine erkleckliche Anzahl Corny-Riegel. Das Gesprächsthema: die Firma und die Kolleg:innen. Es ist leicht herauszuhören, bei welchem Unternehmen die Gruppe angestellt ist; es ist dort übel, sehr übel, wenn man den Damen Glauben schenkt. Die Arbeit, die Kunden, die Führung, die Kolleginnen und Kollegen – es bleibt kein gutes Haar an nichts und niemandem.
„Wenn ich mal so über meinen Job spreche“, raunt eine Sitznachbarin in ihr Telefon, „sagt mir hoffentlich jemand, dass ich kündigen soll.“ Bei genanntem Unternehmen möchte hier im Waggon jedenfalls niemand arbeiten – ob wegen der Erzählungen der Damen oder wegen der Damen selbst, bewertet jeder für sich anders.
Später, wir sind schon fast in Spandau, nach drei Stunden Durchkauen der betrieblichen Gegebenheiten, plötzlich ein harter Themenwechsel hin zu Schönheitsoperationen, zu Brüsten und Schlupflidern. Wer hat was machen lassen? Auch man selbst war schon tätig, allerdings nur mit Botox. Mitreisende beugen sich leicht in den Gang, um das Ergebnis zu begutachten. „Die Lippen haben nur 800 Euro gekostet“, sagt sie und meint die Lippen einer Kollegin, nicht die eigenen, „aber der Hals, das sieht man ja, der Hals wird teuer.“
Klüger werden | Am vergangenen Wochenende begann ich meine einjährige Weiterbildung zum Systemischen Coach. Ich begleite bereits Kundinnen und Kunden, viel beratend, aber oft auch mit Coachingfragen. Ich möchte das Ganze auf solide Beine stellen und insbesondere kniffligen Gemengelagen, Turbulenzen und einzelnen Persönlichkeiten besser begegnen, sie besser unterstützen.
Ich hatte etwas Sorge, was mich erwartet – nicht in Bezug auf die Ausbildung und die Dozent:innen; von der Qualität habe ich mich vorab überzeugt. Ich darf mir das Zitat meiner Sitznachbarin borgen, die am Ende des Wochenendes sagte: „Ich bin sehr beruhigt, dass wir hier keine Kumbaya-singenden Müsli-Esser sind.“ Ich hätte es anders formuliert, aber ja, genau das waren meine Bedenken: Singen, Klatschen und Tüchertanz statt grundständige Kompetenzen.
Aber ich bin begeistert von der Gruppe, die bunt und heterogen ist, aber dazu auch bodenständig, mit ganz viel Erfahrung und Warmherzigkeit. Sehr bereichend. Die Dozentin und der Dozent sind spitzenmäßig: Bei jeder Erläuterung und noch mehr bei jeder Nachfrage wird deutlich, dass sie viel praktische Erfahrung und außerdem tiefes akademisches Know-how haben; die Weiterbildung ist am Institut für Psychologie angesiedelt, das merkt man. Nach einem ausführlichen Kennenlernen stiegen wir direkt in medias res ein: Coachingphasen und Coaching-Haltung, wir erkundeten die Anliegen der Teilnehmenden und sprachen über Konstruktion von Wirklichkeit. Das Meiste war nicht neu, kenne ich aus meinem Studium oder aus der beruflichen Praxis, aber dennoch fand ich in allem gute Gedankenanstöße. Sehr wertvoll ist außerdem die Möglichkeit, jederzeit Rückmeldung zu bekommen zu dem, was ich tue; ich habe viel mitgenommen, werde nun ein paar Dinge klarer und strukturierter angehen.
Wir werden uns bis November 2024 zwölf Tage in Präsenz sehen, zusätzlich werde ich mich mehr als 100 Stunden online fortbilden, dazu 25 Stunden Intervision, also Beratung unter Berufskolleg:innen. Ich freue mich darauf.
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Kommentare
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Ich habe auch immer gedacht: Warum kündigen die Leute nicht? Aber das Beschweren und Lästern ist ein Ritual und Ventil das vielen schon ausreicht um dann einfach genau so weiterzumachen.