Heute, auf einem Marktplatz im Sauerland, habe ich meinen Lebensplan geändert.
Ein Ausflug trug mich ins Sauerland, in die Heimat, auf den Marktplatz, an einem Dienstag. An einem Dienstag stellen die Menschen hier nicht nur ihre Mülltonnen an die Straße, an einem Dienstag ist hier auch Wochenmarkt, direkt unter dem Kirchturm. Zehn, zwölf Wagen parken dann dort, mit Fisch, Käse und Gemüse, mit Pflanzenzwiebeln und Reibeplätzchen.
Unter dem Kirchturm befindet sich ein Café, ein Eiscafé mit Draußensitz. Gegen 11 Uhr kommt die Sonne herum, scheint durch die nahe Gasse auf die Tische und Stühle. Die Kundschaft sitzt dann nicht nur mit besten Blick auf den Marktplatz, sie sitzt an einem Tag wie diesem, einem wunderbaren Alterweibersommertag, auch hell und warm.
Ich gehe nur fünf Schritte über den Markt, schon ruft es mir aus dem Eiscafé zu. So ist das hier an einem Dienstag, da sind alle auf dem Markt, da trifft man jeden, der sich irgendwie erübrigen kann: Rentner, Spätschichtler, Mütter in Elternzeit, hungrige Angestellte auf dem Weg zum Reibeplätzchenwagen. Wer hier geboren ist, trifft hier dienstags nicht nur jemanden, er trifft meist sogar alle.
Er sitzt an einem der Tische in der Sonne, und ich setze mich zu ihm. Er ist nun Rentner, ein Freund der Familie. Wir plauschen ein wenig. Kaum habe ich meine Latte M bestellt, schlendert der Nächste vorbei, auch Rentner, auch bekannt, der Erste ruft, der Zweite tritt zu uns an den Tisch:
„Wo kommste weg?“ Der Erste.
„Vom Arzt. Wegen meinen Venen.“ Der Zweite.
„Die beste Krankheit taugt nix.“
„Wem sagste das.“
„Setz dich.“
„Aber nur fünf Minuten.“
Er rückt sich einen Stuhl in die Sonne und setzt sich zu uns. Sogleich kommt meine Latte von rechts – und mit ihr der dritte Rentner von links.
„Moin Jupp! Setz dich bei!“
„Keine Zeit!“
„Erzähl keinen Quatsch!“
„Na gut, überredet!“
Nun sind wir schon zu Viert. Bald stoßen Rentner Vier und Fünf hinzu, kurz danach auch Sechs und Sieben, binnen 30 Minuten sitzen wir zu Neunt am Tisch. Nur Nummer Zehn lehnt den Kaffee ab:
„Hab’n nervösen Magen! Vertrage nur Getränke mit Schaum.“ Er meint nicht den Milchschaum und strebt in Richtung Fischbude davon.
Die Runde ist nun gesellig. Es geht um Krankheiten und Urlaube. Der Eine muss in die Röhre, der Andere war an der See, auf Tour mit dem Elektrofahrrad. Der Dritte fuhr am Wochenende mit dem Kegelclub nach Willingen – für Weib, Bier und Tanz.
„Da sagte der Türsteher zu mir, sein Etablismeng, das wär nix für mich, aber da vorne, da gäb’s auch was für die gehobene Kundschaft.“
„Gehoben im Stil?“
„Nee, gehoben im Alter.“
So sitzen sie da, trinken Cappuccino mit Sahne und noch einen Capuccino mit Sahne, so geht die Zeit dahin. Die Sonne wärmt uns den Rücken, ich blicke über den Marktplatz, grüße hier, grüße da, lausche dem Plausch und verwerfe meinen Plan, später einmal Fensterrentner zu werden. Nein, ich werde nicht Fensterrentner. Ich werde Eisdielenrentner.

