Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Ich kam aus einer Besprechung, und im Büro des Chefs lief der Fernseher. Zwei Hochhaustürme, Rauch. „Es sind zwei Flugzeuge ins World Trade Center geflogen.“ So viel war zu dem Zeitpunkt schon klar.

Ich arbeitete als feste Freie für den Onlinebereich eines Zeitungsverlages. Acht Zeitungstitel, acht Webseiten, zentral gesteuert. Die angestellte Kollegin, die bislang die Webseiten managte, hatte zum 1. September gekündigt und war fort. Ihr Nachfolger: ganz frisch, noch nicht eingearbeitet. Ich war an diesem Tag da, um ihm das Wichtigste zu zeigen.

Wir standen eine Weile vor dem Fernseher: Chef, ich, der Neue, jede Menge Techniker. Damals war das Internet in erster Linie Technik, zumindest bei Zeitungsverlagen.

Der erste Turm stürzte ein.

„Baut Spezial-Seiten“, sagte der Chef – und sah mich an. Ich war erst 23 Jahre alt, ich war noch im Studium. Ich war nur Aushilfe. Aber ich war die Schnellste. Ich ging ins Büro und baute Seiten in die Online-Auftritte von acht Zeitungen, die bis dato nur automatisierte Print-Nachrichten enthielten.

Der zweite Turm stürzte ein. Irgendwer sagte: „Das gibt Krieg.“

dpa schickte Texte und Bilder. Ich baute, dann sichteten der Neue und ich das Material und stellten des online. Gegen 22 Uhr machten wir Feierabend. Ich fuhr nach Hause, schaltete CNN ein und schaute solange fern, bis auch in den USA Nacht war. Am nächsten Tag stand ich um 6 Uhr auf und aktualisierte die Seiten.

Am Ende des Monats, zum 1. Oktober 2001, bot man mir eine unbefristete Teilzeitstelle neben dem Studium an. Ich sagte zu – und ging wegen dieser Stelle nicht zum Auslandssemester nach Italien. Ich blieb stattdessen im Unternehmen, in dem ich später auch volontierte, als erste Online-Volontärin des Hauses.

Ich habe das Wochenende auf Knien verbracht.

Nicht, um Buße zu tun. Sondern um  Teppichkleber abzuschaben. Denn in dem Teppich, der sich in meinem neuen Wohnzimmer befand, hat Heinz Sielmann schon drei Dokumentationen über Gliederfüßer gedreht. Ein spontan einbestellter Paläontologe konnte Arten vergangener Erdzeitalter sicherstellen.

Teppichkleber schaben: eine herausragende Tätigkeit für alle, die ihren Gleichmut, ihre Ausdauer und ihre Frustrationstoleranz ausbilden möchten. Neue Business-Idee deshalb: Ich werde meine Wohnung an straffällige Pubertanden und ihre Bewährungshelfer vermitteln – zur erzieherischen Intervention durch Kräftigung der mentalen Leidensfähigkeit. Eine Win-Win-Situation für mich und die kleinen Racker. Und für den Steuerzahler! Denn so werden teure Resozialisierungsreisen in mediterrane Landstriche überflüssig. Und auch die strengsten Eltern der Welt haben wieder ihre Ruhe.

Frau Blogg-Hittn-Wirtin hat ihre Angewohnheit, Bücher in Reihenfolge zu lesen, über Bord geworfen, hat „Da gewöhnze dich dran“ dazwischen geschoben und findet:

„Ich liebe es, wenn ein Buch es schafft, mich innerhalb der ersten Seiten wie ein kleines Wägelchen auf Schienen zu setzen und in wilder Fahrt mitzureißen. „Da gewöhnze dich dran“ ist so ein Buch.“

Sie schreibt noch mehr – in ihrer „Konsumenteninformation aus reiner persönlicher Überzeugung und ohne jegliche materielle Interessen„.

Frau Julika hat „Da gewöhnze dich dran“ währenddessen für ihre Mutter bestellt und freut sich über meinen Signier-Service.

Was das Renovieren angeht, kenne ich es so: Frauen reißen Tapete ab, Männer mauern, tapezieren, verputzen, streichen, legen Leitungen, Laminat und Parkett, bohren und schrauben. Die Frauen schmieren währenddessen Schnittchen. Am Ende machen sie den Dreck weg.

Mein Vater hat mich immer dazu erzogen, selbstständig zu sein. Das fing an, indem er mich ermutigte, hoch zu schaukeln, tief zu tauchen, über Baumstämme zu balancieren und überhaupt alles zu tun, wovor ich Angst hatte.

Kaum hatte ich den Führerschein, zeigte er mir am rechten Hinterrad unseres Autos, wie man einen Reifen wechselt. An den drei übrigen Reifen des Autos musste ich ihm anschließend vorführen, ob ich es verstanden hatte. Das war eine gute Idee, denn ich habe seither schon fünfmal einen kaputten Reifen wechseln müssen, meist irgendwo in der Pampa.

Er hat mir außerdem gezeigt, wie man einen Lkw lenkt. Deshalb bekam ich einen Sommer später einen Ferienjob im Messebau, bei dem ich mit einem 7,5-Tonner durch die Gegend fuhr. Seither kann ich Messestände aufbauen, mit Hubwagen und Ameisen herumfahren, ladungssicher beladen und alle Fahrzeuggrößen einparken.

Mein Vater hat mir nie etwas abgenommen, sondern mir stattdessen gezeigt, wie es geht. Ich komme daher gut im Alltag zurecht. Ich kann anstreichen, tapezieren, Lampen, Steckdosen und Klodeckel anbringen – und vor allem: Wenn ich etwas nicht kann, lerne ich es einfach. Ich denke mir nämlich: Die ganzen Typen um mich herum, die haben in der Regel ja auch keine dreijährige Lehre gemacht, bevor sie irgendein Werkzeug in die Hand nehmen. Die machen das einfach. Also mache ich es auch. Papa sei Dank. (Im Zweifel gibt’s bei Youtube ein Video dazu.)

Putz im Eimer

Kein Muffinteig, aber so ähnlich.

Am Wochenende habe ich deshalb das erste Mal in meinem Leben verputzt. Das ist nicht so schwierig, wie es sich zunächst anhört. Genaugenommen ist es überhaupt nicht schwierig. Nach einer halben Stunde, noch bevor der erste Putz im Eimer wieder trocken wurde, hatte ich einigermaßen raus, wie es geht.

Verputzte Kante

Argh! Zwei Putznasen!

Nach einem Tag war die ganze Sache dann leider auch schon wieder vorbei und das Zimmer war fertig. Schade.

P.S.: Auf das anschließende Abschleifen kann ich dann aber auch gerne verzichten.
P.P.S.: Ein Wochenende Hochleistungshandwerkern ist wie zwei Tage Bootcamp.

Lieblingstweets 08/2013:

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Nordostwestfalen.

Die Schönheit Ostwestfalens

Ein Ort, der durch schlichte Schönheit besticht. Eine Region, deren Name man sich auf der Zunge zergehen lassen darf. Nord-Ost-Westfalen. Nord-Ostwestfalen. Nordostwest-Falen. Sprechen Sie es nicht zu schnell aus. Sprechen Sie es ganz langsam aus. Dann kommen Sie der Sache nah.

Ein Wochenende in Nordostwestfalen. Ein traditionsreiches Handballgebiet. Minden, Oberlübbe, Jöllenbeck, Nettelstedt – das sind große Namen.

Kein Urlaub in Nordostwestfalen, sondern Trainingslager. Drei Tage Bootcamp. Vier Trainingseinheiten, eine am Freitag, zwei am Samstag, eine am Sonntag. Dazu drei Spiele.

Traditionsreiches Handballgebiet

Allerdings nicht für mich. Nicht mehr. Denn es ist vorbei. Ich bin nun Alterpräsidentin, backe Muffins, fächel den Mädels Luft zu, rolle Tape ab und betätige mich als Abwehr- und Anspielerin. Ab und an turne ich mit, aber nur die netten Sachen: Warmmachspielchen, Passkontinuum, etwas Kräftigung, etwas springen, rennen und werfen – man möchte ja fit bleiben, aber nicht zu viel. Nicht, dass ich am Ende wieder Bänderrisse und Bildungsbandscheibe bekomme, das muss nicht mehr sein.

Die Saisonvorbereitung neigt sich mit diesem Trainingslager dem Ende entgegen. Die Mädels sind topfit, das spürt man nicht nur, das sieht man auch. Oft stehe ich da und denke: „So eine schöne Wade!“

Einzelne Hühner erreichen im Tempogegenstoß Schallgeschwindigkeit. Man kann gar nicht so schnell gucken, dann sind sie schon am gegnerischen Tor. Auch im Spielaufbau läuft es gut. Ich freue mich – mit den Hühnern und darüber, dass ich nicht mehr so viel rennen muss. Sondern dass ich dasitzen, der Show zusehen und hinterher wichtig daherquatschen kann. Ich erwäge zu diesem Zweck den Erwerb eines Fensterrenter-Kissens, das ich auf einem Turnkasten auslege, den ich aus dem Geräteraum an die Seitenlinie schiebe und auf den ich mich dann aufstütze.

Symbolbild Trainingslager

Das schönste Warmmachspielchen war an diesem Wochenende übrigens jenes, bei dem ich einen dicken Gymnastikball mit Händen, Füßen, Kopf und Körper durch die Halle schubsen musste. Der Gegner erkannte kaum, wer der Ball und wer ich war, aber das ist Sinn und Zweck der Übung, das ist Tarnung, das kriegt man nur mit ausrechend Erfahrung hin.

Ich habe vegane Muffins gebacken.

Ja, tatsächlich: vegan. Also: ohne Milch, ohne Butter, ohne Ei. Und auch ohne Zucker. Aber von vorn:

Am Wochenende war ich mit den Hühnern im Trainingslager (dazu später mehr). In einem Trainingslager verbrennt man eine Menge Kalorien. Deshalb habe ich mich in meiner Funktion als Alterspräsidentin bereit erklärt, für Verpflegung zu sorgen. Rohkost und Reiswaffeln sind in diesem Zusammenhang dienlich und auch lecker, aber wir sind keine anorektischen Eiskunstläuferinnen. Entsprechend müssen Kohlenhydrate her, ein bisschen zumindest, sonst kommt die gequälte Handballerin auf keinen grünen Zweig. Außerdem hebt es die Stimmung. Also buk ich einen Nusskuchen.

Zwei Hühner leben allerdings grad vegan.

Ganz dem Gedanken des Serviceblogs™ verschrieben, las ich mir also Seiten mit veganen Rezepten durch: Butter-Ersatz, Ei-Ersatz, Maisstärke, Sojarahm – herrgottnochmal, da würde ich ja tagelang auf der Suche nach den Zutaten sein! Frau LennyundKarl erkannte meinen Tweet als Hilferuf und schickte mir ein Rezept:

60 g Vollkornmehl
140 ml Sojamilch
20 g Agavendicksaft (oder Ahornsirup)
1 gestrichenen Teelöffel Backpulver
1 Prise jodiertes Meersalz
½ Teelöffel  gemahlene Vanille
30g gepopptes Amaranth

Die kritischen Zutaten beschränken sich auf Agavendicksaft und Amaranth. Das sollte machbar sein, dachte ich, das ist für eine vegane Backfee im ersten Level gerade so angebracht. Ich stapfte also in den Biomarkt und fand, was ich suchte (nun gut, mit Hilfe der Verkäuferin, aber irgendwie muss man ja anfangen).

Vegane Muffins - Zutaten

Beim Zusammenrühren sind das Mehl, die Milch und der Agavendicksaft zunächst sehr dünnflüssig. Das Amaranth sorgt für eine gute Konsistenz. Optisch ähnelt der Teig Moltofill und lässt kurz Zweifel am Vorhaben aufkommen:

Moltofill alias Teig für vegane Muffins

In den Teig gehören auch Früchte. Ich habe Heidelbeeren genommen, es gehen aber auch Himbeeren, Bananen – was immer Sie möchten. Das Ergebnis sah dann so aus:

Vegane Blaubeermuffins

Die Muffins schmecken nicht so, wie man Muffins kennt – sondern deutlich gesünder: Sojamilch und Amaranth schlagen stark durch. Zucker und Weißmehl sind halt viel ferkeliger. Ein kritisches Genuss-Huhn („Schippsies! Haben wir Schippsies fürs Wochenende? Und Haribo? Wann gibt’s Essen?“) meinte entsprechend: „Nä, lass mal, schmeckt wie Erde.“

Ich hingegen finde: Schmeckt gut! Ich werde sie auf jeden Fall noch ein zweites Mal backen. Dann aber nur für mich.



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