Gestern Abend sitze ich auf meinem Balkon und beobachte das anrollende Gewitter.
Ich denke: „Jo, da kommt wohl ein Gewitter.“ Wie das so ist, an heißen Tagen. Von Warnmeldungen wusste ich nichts: Ich hatte den ganzen Tag über Besuch gehabt, kein Radio gehört, war nicht im Internet gewesen.
Bis auf die Dunkelheit und entfernte Blitze passiert erstmal nichts. Es kommt eine leichte Brise auf – ein Hauch, ein „Das dauert noch“-Lüftchen. Ich bleibe auf dem Balkon sitzen, die kalte Rhabarbersaftschorle schwitzt im Glas, Eiswürfel klimpern; ich schaue auf die Wolken und auf diese komische blaue Linie, die den Himmel teilt.
Plötzlich!
 WUSCH!
 BÄMM!
 – reißt eine Böe mein Tomaten-Gewächshaus von der Balkonbrüstung. Im selben Moment beginnt es hammermäßig zu regnen. Und zu hageln. Ohne Tröpfeln vorher, ohne alles. Sowas habe ich noch nie, wirklich!, noch nie erlebt. Dann geht es los. Um zu veranschaulichen, was hier abging:
Schauen Sie gerne mit Ton, das macht es eindrücklicher.
Ich stürze mich sofort auf das Gewächshaus, hänge mit dem halben Körper darauf. Wenn mir das Ding jetzt abhaut, fliegt es irgendwem ins Fenster, denke ich. Oder aufs Auto. Oder in die Fresse. Es weht ein irrsinniger Wind, völlig verrückt. Wie gesagt: innerhalb von Sekunden; man kann sich das schwer vorstellen. Mit einer Hand halte ich mich an der Balkonbrüstung fest, ich klemme mir die Streben des Häuschens irgendwie zwischen die Knie, steige halb drauf. Mit der anderen Hand versuche ich, die Metallstreben auseinanderzufummeln und die Plane des Gewächshauses herunterzureißen. Das Ding muss irgendwie auf die Erde, es ist wie ein Segel; und es ist breit: Fliegt es weg, reißt es alles mit sich – Stühle, Blumen, Kübel. Es regnet und hagelt, es prasselt auf mich – wie ein Wasserfall, so viel und so hart. Unglaublich. Ich ringe das Häuschen nieder, kriege irgendwie die Plane runter, es dauert ewig, und stopfe sie unter eine Sonnenliege.
Erst jetzt sehe ich: Der Sturm hat die Balkontür aufgeweht. Es hagelt mir ins Wohnzimmer.
Ich schnappe mir den ersten Tomatentopf, eiere mit ihm ins Haus. Der Hagel auf dem Balkon – er ist glatt, es ist, als laufe ich auf Eiern. Mein Rock, mein Shirt – das Wasser tropft, nein, es läuft aus den Klamotten aufs Parkett. Ich ziehe beides aus, werfe es ins Bad, schleppe weitere, freistehende Töpfe rein. Im Wohnzimmer: fünf-Cent-große Hagelkörner. Ich schiebe sie übers Parkett raus auf den Balkon. Der Regen drückt weiter Wasser rein. Ich schiebe die Balkontür zu, laufe ins Bad, hole Handtücher, lege sie aus.
Dann laufe ich zur anderen Seite, durch die Küche zum Garten, ziehe den Grill, die Stühle, den Tisch und alle Blumen ans Haus.
Es ist irre, völlig irre. Ich weiß, ich wiederhole mich, aber: irre. Vor allem der Wind, so aus dem Nichts.
Heute morgen – bei der Inspektion des Balkons: alles gut. Nur: Das Gewächshaus ist tot. Die vier Leinen, mit denen ich es festgebunden hatte (wie in der Anleitung), baumeln am Balkon: Die Knoten waren super, der Wind hat einfach das Dach abgerissen, mit einer einzigen, seiner ersten Böe. Irre.
Anne war heute morgen in Essen unterwegs und hat Fotos gemacht. So sieht es hier in Dortmund auch aus.


















