Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Die liebe Änni hat mir einen Stock zugeworfen.

1. Denkst du manchmal in einer anderen Sprache als deiner Muttersprache? Wenn ja, welche und wann?
Ja. Wenn ich ein Buch in einer anderen Sprache lese, kommt es vor, dass ich in dieser Sprache denke und träume. Wenn ich fremdsprachige Bücher lese, dann vorwiegend auf Englisch und Italienisch. Meistens sind es nur kleine Versatzstücke, Phrasen, Flüche oder Wörter, die ich in dieser Sprache denke und die besser passen als im Deutschen.

2. Welche Eigenschaft an Menschen kannst du auf den Tod nicht ausstehen? Warum?
Ignoranz. Wenn Leute etwas behaupten, sich aber keine Gegenmeinung anhören. Wenn sie – um ein einfaches Beispiel zu nennen –  sagen, Deutschland sei noch nie Fußball-Weltmeister geworden und mich dann auch noch für dumm hinstellen, wenn ich widerspreche. Überhaupt: Mit Menschen, die sich keine zweite Meinung anhören, kann ich nicht umgehen. Dazu gehören auch die Menschen, die gerne schreien: „Selbst schuld!

3. Rituale: Ein anderes Wort für “stumpfsinniger Trott” oder aber Sicherheit vermittelnder Bestandteil deines Lebens?
Rituale sind gut. Es gibt so ein paar Dinge, auf die ich mich regelmäßig freue: Nach dem Fitti in die Sauna, samstags frische Brötchen – solche Sachen. Wie alle Dinge sollten sich aber auch Rituale weiterentwickeln. Manchmal verschwinden welche, dafür kommen neue. Rituale zu haben und zu lieben, heißt nicht, sie auf ewig zu behalten.

4. Rauchst du/ Hast du je geraucht?
Es gab eine Phase, in der ich auf Partys oder in Gesellschaft mal eine oder zwei geraucht habe. Seit einigen Jahren finde ich Rauchen – aktiv und passiv – aber so dermaßen ekelhaft, dass ich auch das nicht mehr mache. Ich meide außerdem Situationen, in denen Leute rauchen, weil ich nicht zugequarzt werden möchte.

5. Wie lange stehst du morgens vor dem Spiegel?
Zum Fönen, Zopf machen und Wimpern tuschen. Alles in allem zehn Minuten.

6. Wie häufig schminkst du dich?
Wenn ich zur Arbeit gehe, tusche ich mir die Wimpern. Wenn ich abends rausgehe, lege ich schonmal Lippenstift auf. Zu Lidschatten oder dergleichen habe ich nie Zugang gefunden. Damit fühle ich mich angemalt.

7. Gehst du gerne in den Zirkus? Warum?
Die Tiernummern fand ich schon als Kind doof, die Artistiknummern sind okay, aber wenn ich Artistik sehen möchte, gehe ich ins Varieté. Die kennen sich damit besser aus, und ich hocke nicht in einem Zelt.

8. Was passiert deiner Meinung nach nach dem Tod?
Es kommen Würmer und Mikroorganismen und fressen mich auf. Dann werde ich zu Humus und ernähre einen Baum. Der Baum ernährt ein puscheliges Eichhörnchen, irgendwer twittert ein Bild dieses Eichhörnchens, und ich lebe ewig weiter.

9. Was war der erbärmlichste/entwürdigendste (Neben-) Job, den du je hattest?
Was wirklich schlimm war, war mein Job in einem Kunststoffbetrieb. Der Betrieb stellte unter anderem die Deckel für Nutella, Honig und Ferrero Rocher her. Ich habe im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet: früh, spät, Nacht. In den acht Stunden hatte ich zehn Minuten Pause, mehr durfte nicht sein. Es war ein heißer Sommer, in der Halle waren 40 Grad. Wir durften nichts zu trinken mit an den Arbeitsplatz nehmen – angeblich wegen Arbeitsschutz. Zwei Wochen lang habe ich Aufkleber in Nutella-Deckelchen getan. Die Deckelchen fuhren auf einer Maschine an mir vorbei und ich habe die Aufkleber reingelegt. Weil es so heiß war, klebten die Aufkleber sehr fest aneinander und ich konnte sie nicht in der Geschwindigkeit auseinanderfriemeln, wie die Deckelchen an mir vorüberfuhren. Ich konnte deshalb den Akkord nicht einhalten und wurde am Tag 15-mal von der Vorarbeiterin rund gemacht. Nach zwei Wochen war Schluss mit Nutella und ich wurde zum Nachfüllen und Wegräumen an verschiedene Maschinen versetzt. Aus einer der Maschinen kamen Deckel für Quarkschälchen. Sie rollten auf zwei Rohren aus der Maschine heraus und fielen, wenn sie zu langsam waren, zwischen diesen Rohren hindurch. Ich musste in den Spalt zwischen den Rohren greifen, um sie aufzusammeln. Dabei bekam ich immer einen kurzen, elektrischen Schlag; ab dem 20. Schlag tat es richtig weh. Das Schlimme in diesem Betrieb war nicht die Arbeit als solche, sondern dass die angestammte Belegschaft die Ferienarbeiter so mies behandelte. Rückblickend glaube ich, dass die Angestellten dort außerhalb des Sommers keine Kollegen haben, die auf einer niedrigeren Hierarchiestufe stehen als sie selbst. Deshalb haben sie an uns ausgelassen, was sie selbst erleben.
Im nächsten Jahr habe ich dann in einem andere Betrieb gearbeitet, im Messebau. Wir haben abends den Lkw beladen, sind morgens um 5 Uhr auf die Messe gefahren und haben von 6 Uhr bis 1 Uhr nachts aufgebaut. Dann sind wir zurück in den Betrieb gefahren, haben den Lkw beladen, sind zwei, drei Stunden ins Bett gegangen und sind dann zurück auf die Messe gefahren. Einmal haben wir für die Intertabac zu Zweit sechs Tonnen Bodenbelag gelegt: ein mal ein Meter große Holzplatten, die in Rahmen verlegt wurden. Der Messestand als solcher stand dadurch auf einem kleinen Podest – die Besucher gingen über den Boden wie auf Dielen; passend für eine Zigarren-Marke. Die Arbeit war sehr anstrengend und schlecht bezahlt, wesentlich schlechter als die Sache in der Kunststofffabrik, aber ich habe sie lieber gemacht, weil ich nicht an eine Maschine gebunden war, weil die Leute netter waren und weil wir schöne Stände erschaffen haben.

10. Wie verhältst du dich in einem Museum?
Ich laufe da rum, gucke mir die Sachen an und vermeide es, von Museumswärtern angeranzt zu werden. Kann man das auch anders machen? Am liebsten mag ich Museen, in denen man etwas anfassen kann, wo ich Dinge ausprobieren oder in irgendwas reingehen darf – Häuser zum Beispiel oder U-Boote oder Flugzeuge. Ich mag sehr gerne Museen, in denen es um Technik geht. In der Schule habe ich nie Zugang zu den Themen gefunden – wahrscheinlich, weil es nicht von mir erwartet wurde. Heute finde ich technische Zusammenhänge sehr interessant. Aber ich mag auch Museen, in denen Gemälde ausgestellt werden. Zumindest, solange ich etwas darauf erkennen kann.

11. Wie stehst du zu Leggins?
Die Frage ist doch: Wie stehen Leggins mir? Im Sommer ziehe ich ab und an welche an, unter Kleidern. Ansonsten nur zum Sport.

Ich trage fast nur Blau.

Das liegt daran, dass ich zwar versuche, Kleidung in einer anderen Farbe zu kaufen, aber regelmäßig scheitere.

Ich gehe zum Beispiel in ein Geschäft, mit dem festen Vorsatz, einen neuen Pullover zu kaufen, der alles sein darf – nur nicht blau. Bevor ich weiterspreche, müssen Sie wissen, dass ich bei Kleidung nicht so die supergeduldige Einkäuferin bin. Ich bin nämlich keine ausdauernde Anprobiererin: gucken, Kabine – passt oder passt nicht. Wenn’s passt: kaufen. Wenn’s nicht passt: keinen Bock mehr, nach Hause.

Ich möchte also einen Pullover kaufen, der nicht blau ist. Ich betrete das Geschäft und sehe gleich drei Pullover, die nicht blau sind. Zwei hänge ich mir übern Arm, beim dritten sehe ich: Oh, den gibt’s auch in blau! Schadet ja nicht, ihn zum Vergleich mitzunehmen.

Ich ziehe Pullover 1 an: Jo. Ganz gut.

Ich ziehe Pullover 2 an: Huch. Nee.

Ich ziehe Pullover 3 an, in nicht-blau: Och, ganz hübsch.

Nun in blau: Wow! Super!

Gelb zum Beispiel steht mir gar nicht. In Gelb sehe ich aus wie ein adipöser Kanarienvogel. Grün geht auch nicht, ich bin schließlich kein Tannenbaum. Grau ist wie gelb, nur dass der Vogel tot ist. Braun ist okay, aber schon auch etwas trist. Rosa geht nur bei Blüschen, in rosa Wolle sehe ich aus wie ein Mastschwein. Das Gleiche gilt für Türkis (totes Mastschwein). Lila ging Anfang der 90er mal, als ich Joy-Gläser sammelte, aber seither nicht mehr. Ich habe einen roten Pullovern, den ich mal in einem Anfall von Übermut kaufte. Ich hatte ihn auch mehrmals an, morgens nach dem Duschen, aber immer stand ich vor dem Spiegel und dachte mir: „Joooaaa, ganz gut, aber nicht heute.“ Denn für die Arbeit ist rot grundsätzlich zu gewagt, und am Wochenende  passt Blau sowieso viel besser.

Am Ende kaufe ich also den Pullover in Blau, denn er kostet immerhin eine Stange Geld, und wenn ich schon eine Stange Geld ausgebe, sollte der Pullover auch eine Farbe haben, die mir nicht nur ein bisschen gefällt, sondern richtig gut.

Können Sie nachvollziehen, was ich meine?

Gelesen im September, Oktober und November:

Bücher 2013-4

Pierre Assouline. Das Bildnis der Baronin.
(Deutsch von Maja Ueberle-Pfaff)
Die Geschichte der Rothschild-Dynastie – erzählt von betty Rothschild, die nach ihrem Tod nur noch als Portrait existiert. Von der Wand aus verfolgt sie die Geschichte des berühmten Bankhauses und der gesamten jüdischen Familie von 1886 bis nach dem Zweiten Weltkrieg. In Frankreich ist das Buch ein Bestseller – hier hingegen wenig beachtet. Ich fand es manchmal etwas spröde, aber dennoch gut zu lesen.

Giulia Carcasi. Das Wörterbuch der Liebe.
(Deutsch von Claudia Franz)
Ein ganz kleines Buch – nur 128 Seiten. Es geht um Diego, Professor für Sprachwissenschaft, einen Kontrollfreak mit dementer Mutter. Im Zug lernt er Antonia kennen und lieben, die am Ende des Buches eine ganz andere ist, als sie zu sein vorgibt. Das Schöne in dem Buch ist das, was nicht gesagt wird. Der Leser muss sich vieles selbst erschließen. Sowas finde ich ja immer spannend.

Tracy Chevalier. Zwei bemerkenswerte Frauen.
(Deutsch von Anne Rademacher)
Die Geschichte von Elizabeth Philpot und Mary Anning – beides historische Figuren und beides Fossiliensammlerinnen. Aufgrund gesellschaftlicher Zwänge muss die unverheiratete Elizabeth Philpot London verlassen. Sie zieht mit ihren Schwestern in den Küstenort Lyme Regis. Dort entdeckt sie ihre Leidenschafts für Fossilien und lernt Mary kennen. Das Mädchen sucht ebenfalls Fossilien – und macht schließlich einen erstaunlichen Fund. – Mary Anning gilt als eine der ersten Paläontologinnen. Sie war vergleichsweise ungebildet und erschloss sich alles selbst. Die führenden männlichen Wissenschaftler boteten sue zu Lebzeiten aus. Was auf den ersten Blick langweilig klingt (Fossilien!), lässt sich sehr gut lesen. Die Geschichte wird in ruhigem Ton erzählt. Mir hat sie gefallen.

Luca di Fulvio. Das Mädchen, das den Himmel berührte.
(Deutsch von Katharina Schmidt und Barbara Neeb)
Der zweite Roman von Luca di Fulvio – nach „Der Junge, der Träume schenkte„. Er wurde mir angekündigt mit „mittelmäßig“und „nicht so gut wie der erste“. Mir jedoch hat er gefallen: ein klassischer historischer Roman ohne intellektuellen Anspruch, der aber sehr ordentlich unterhält. Hauptfiguren der Geschichte sind der jüdische Arzt Isacco und seine Tochter Guiditta, außerdem der Straßenjunge Mercurio und seine Gefährtin Benedetta. Alle vier schlagen sich in Venedig durch. Es geht um Freiheit, Rache, Liebe – die klassischen Themen für Historienschmöker.

Rebecca Gablé. Der dunkle Thron.
Eines der Bücher, das ich zum zweiten Mal gelesen habe – nicht, weil es so toll ist, sondern weil ich schlicht vergessen hatte, dass ich es schon einmal gelesen habe und es mir deshalb auf den Kindle lud. Ich hab’s trotzdem zu Ende gelesen. Denn genauso wie der di Fulvio unterhält diese Geschichte sehr solide. Stichworte zur Handlung: vierter Teil der Waringham-Saga nach „Das Rad der Fortuna“, „Die Hüter der Rose“ und „Das Spiel der Könige“; es ist die Zeit Henry Tudors (Heinrich VIII.), der junge Earl Nick of Waringham gerät in die Mühlen der Politik und der Reformation. „Der dunkle Thron“ ist nicht der beste Waringham-Roman, aber trotzdem flüssig zu lesen.

Paolo Giordano. Il corpo umano. 
(noch keine deutsche Übersetzung)
Eine fiktive Geschichte über den Militäreinsatz in Afghanistan. Im Mittelpunkt: die italienischen Soldaten René, Cederna, Ietri und Egitto, die in einem Außenposten stationiert sind. Zunächst passiert nichts; die Männer langweilen sich fürchterlich dort in der Steinwüste, beschäftigen sich mit sich selbst und ihren Kameraden, ehe es zu einem Einsatz kommt, bei dem einige von ihnen sterben. Das Buch ist beklemmend und schonungslos – eine Geschichte, in der es keine Helden gibt. Giordano schafft es sehr gut, Stimmungen zu erzeugen: die Langeweile, die Launenhaftigkeit der Männer, die Angst, die Ernüchterung. Lesenswert.

Donna Milner. Der Tag, an dem Marilyn starb.
(Deutsch von Sylvia Höfer)
Von Donna Milner habe ich bereits „River“ gelesen – „Der Tag, an dem Marily starb“ ist wieder ein Familienroman. Er plätschert – wie schon „River“ – munter dahin. Es geht um die junge Ethie, deren Mutter stirbt – und um die zwei Brüder und den Vater, die allesamt anders mit diesem Ereignis umgehen. Mit dem Tod des einer Frau sieht sich der Vater mit seiner und ihrer Vergangenheit konfrontiert – und dem Geheimnis, das er seit seinem Einsatz im Vietnamkrieg hütet. Die Geschichte ist abwechselnd aus Sicht des Kindes als auch des Vaters erzählt und nicht kitschig, weshalb ich es gut weiterempfehlen kann.

Charlotte Link. Die letzte Spur.
Das Buch stand lange bei mir im Regal; ich hatte immer im Kopf, Charlotte Link schriebe schlimme Schnulzenromane. Tatsächlich ist „Die letzte Spur“ ein spannender Krimi: Mauerblümchen Elaine Dawson verschwindet auf dem Weg zu einer Hochzeit. Fünf Jahre später rollt die Braut und Journalistin Rosanna Hamilton den Fall auf und macht sich die auf Suche nach Elaine. Die Geschichte nimmt einige Wendungen. Man weiß nie, wem man trauen kann – kurzum: gute Unterhaltung.

Beate Rothmaier. Atmen, bis die Flut kommt.
Konrad und Paule lieben sich. Dann wird Paule ungewollt schwanger. Sie bekommt das Kind – ein Mädchen. Sie nennen es Lio. Lio ist behindert. Paule lässt Konrad allein mit ihr zurück. Das Buch erzählt die Jahre bis zu Lios Volljährigkeit, es erzählt von Konrads Leben und der Beziehung zwischen Vater und Tochter. Mein Problem mit der Geschichte: Ich könnte Konrad pausenlos in den Hintern treten. Er ist Comiczeichner, kann mehr schlecht als recht davon leben, dazu noch das Kind, das besondere Zuwendung braucht. Die ganze Zeit über lässt er sich hängen, improvisiert sich durch den Alltag, lebt und leidet in seiner Situation, ohne sie zu verändern – sowas macht mich rammdösig.

Beim Betrachten des Bildes ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass wir einen umzugsbedingten Todesfall zu beklagen haben. Das Kännchencafé gedenkt in großer Dankbarkeit des Bücherhundes. Ruhe in Frieden, kleiner  Dekohund.

Lieblingstweets 11/2013:

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Liebe Kaffeehausgäste,

falls Sie noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk sind, einem, das Kurzweil bietet, aber nicht belanglos ist, etwas, das handgemacht ist, mit Herz und Leidenschaft, dann möchte ich Ihnen ein kleines Büchlein ans Herz legen:

Da gewöhnze dich dran: Buchcover

Falls Sie ein signiertes Buch verschenken möchten, lassen Sie es mich bitte bis zum 10. Dezember wissen. Dann liegt es  rechtzeitig unter dem Tannenbaum.

Schicken Sie mir dazu einfach eine E-Mail an fraunessy [bei] vanessagiese.de – ich erkläre dann das weitere Prozedere.

Er sitzt schon in der Bahn, als ich einsteige.

Er ist ein bisschen untersetzt, mit grauem Haar, einem Lächeln auf den Lippen und verschmitzten Augen. Ich setze mich neben ihn. Meinen Koffer schiebe ich vor meine Füße.

„Wo geht’s hin?“, fragt er und deutet auf den Koffer.
„Nur nach Hause“, antworte ich, denn ich bin nicht auf Reise. Ich habe den Koffer nur grad gekauft.
Er sei gerade erst wiedergekommen, sagt er. In der Karibik sei er gewesen, auf Kreuzfahrt.
„Das war bestimmt toll“, antworte ich.
Ja, meint er. Die Reise an sich sei prima gewesen. Aber ach. Er habe keinen gehaben, der hätte mitfahren können, und wenn man seine Erlebnisse nicht teilen könne, das sei doch nichts, nein, das ist nicht schön.
„Gab es denn niemanden, der sie begleiten wollte?“
„Weißt du“, antwortet er. „Meine Frau ist schon seit Jahren tot. Kinder haben wir nicht.“ Und eine neue Partnerin habe er auch nicht, dabei wünsche er sich sehnlichst eine, aber nun ja, das sei halt schwierig, er sei ja auch kein ganz einfacher Mensch.
„Ach was“, sage ich. „Sie sind doch kontaktfreudig.“

Er erzählt, dass er vor seiner Kreuzfahrt eine Anzeige aufgegeben habe: „Älterer Herr sucht Reisebegleitung.“ Er sagt, er hätte seiner Begleitung die Reise sogar bezahlt, nur damit er nicht alleine unterwegs sein müsse. „Aber es haben sich nur zwei Frauen gemeldet.“
„Immerhin“, sage ich.
Die eine, erzählt er, habe direkt ihr Zeugnis als diplomierte Pflegekraft mitgeschickt. Und die andere – ja, die habe geschrieben, sie begleite ihn gerne gegen ein Honorar von 5.000 Euro. Für 5.000 Euro stünde sie dann auch „für alle Dienstleistungen“ zur Verfügung.
„Das war doch ’ne Nutte!“, empört er sich.
Ich muss lachen. „Sie haben also keine der beiden Damen mitgenommen“, stelle ich fest.
„‚Ne Altenpflegerin und ’ne Nutte? Nä!“

Aber er habe beide Bewerbungen aufbewahrt. Für später mal. Man könne schließlich nie wissen, welche Notwendigkeiten sich im Leben noch ergäben.

Mein Garten ist ein toller Garten:

Er hat einen Kirsch- und einen Haselnussbaum, Brombeer- und Johannisbeersträucher und außerdem viele verwunschene Ecken. Die Ecken sind aus einem recht unromantischen Grund so verwunschen: Sie sind einfach ziemlich zugewuchert; der Vorbesitzer hat dem Grün nicht wirklich Einhalt geboten.

Auf dem Grundstück gibt es zwei ziemlich große Tannen, die eine ist circa sieben Meter hoch, die andere acht oder neun Meter. Die große ist nicht nur sehr hoch, sondern auch sehr ausladend – ein über Jahrzehnte gewachsenes Prachtstück, das dem Kölner Dom gut als Weihnachtsbaum zu Gesicht stünde.

Tannenbäume mit Regenbogen

Die Tannenbäume mit Regenbogen: Ganz links, halb aus dem Bild ragend, die große Tanne, in der Mitte die schmale. Die rechte der drei Tannen, Bildmitte, steht auf dem Nachbargrundstück.

Die Tanne steht nun aber nicht im Kölner Dom, sondern bei mir im Garten, nimmt Platz weg, beraubt die Nachbarn bis hinauf in den dritten Stock ihres Tageslichts und tut nichts weiter als blöd herumstehen. Deshalb muss sie weg und ihre schmale Freundin gleich mit.

Es ist ja allseits bekannt, dass ich aus dem Sauerland komme, und wer aus dem Sauerland kommt, kennt über drei, manchmal auch schon über eine Ecke immer jemanden, der regelmäßig in den Wald geht und Holz macht. Früher war das mein Großonkel. Früher war allerdings auch alles anders, da brauchte man nicht für jeden Schlag mit dem Beil eine Genehmigung. Da ging man einfach mit der Axt in den Wald, haute um, was man brauchte, und zog es auf dem Schlitten nach Hause.

Heute hat die Verwandtschaft einen Motorsägenschein und darf ganz offiziell „Holz machen“. Mit drei Motorsägen, einem Helm und einem Seil kommt sie also zu mir in den Garten, um die Bäume umzuhauen. Wir haben allesamt ein bisschen Respekt vor der Unternehmung, denn so ein mehrfamilienhaushoher Baum, das ist schon was. Außerdem ist er ja nicht nur hoch, sondern auch breit, gut vier Meter im Durchmesser, wenn man die Äste einbezieht – sowas muss irgendwo zu liegen kommen, und dieser Ort ist bestenfalls nicht der Balkon der Nachbarn von oben oder der Zierteich der Nachbarn zur Rechten, in dem, wenn ich mir die gesamte, zierstrauchbestandene Grünanlage so anschaue, bestimmt Kois im Wert eines Mittelklassewagen schwimmen. Es bleibt eigentlich nur ein 30 Grad breiter Streifen zwischen meinem Kirschbaum und dem Gartenzaun.

Den erste Baum, den schmalen, nehmen wir zum Üben. Die Verwandtschaft geht um ihn herum, prüft Holz und Wuchsrichtung und sagt: „Das machen’wa einfach mit Drücken!“ Wir stellen uns also an den Stamm, Motorsägen-Man sägt – Mrrrööööömmm! – einen Keil in den Stamm, und wir drücken den Baum in die Richtung, in die er fallen sollen. Tatsächlich fällt er wie eine Eins.

Der zweite Baum hingegen, ja, da hat auch Motorsägen-Man Respekt. Er beäugt ihn, prüft, lehnt die Leiter an, klettert hinauf, knotet ein Seil um den Stamm, klettert wieder hinunter, zieht einmal Probe, geht wieder um den Baum herum und sagt dann: „Wird schon.“ Das ist für uns das Zeichen, die Leiter wegzuschaffen und ans Ende des Seils zu treten, bereit für den finalen Zug. Wieder sägt er – Mrrrööööömmm! Mrrrööööömmm! – einen Keil. Es dauert diesmal, der Stamm ist ziemlich dick. Dann der Befehl: „Ziehen!“ Wir ziehen, der Baum neigt sich ein bisschen, dann noch ein bisschen, ein bisschen mehr und schließlich senkt er sich, langsam wie eine Feder, zu Boden, und legt sich sanft in die Brombeersträucher knapp vor Nachbars Zaun. Der Garten ist nun voll mit Tanne – mit so viel Tanne, dass ich eine Adventskranzbinderei aufmachen könnte.

Tannenbaum im Garten

Viel Tanne im Garten.

Wir sägen noch ein bisschen an den anderen Bäumen herum, am Kirschbaum und am Haselnussbaum. Wir sägen sie natürlich nicht um, sondern wir sägen sie nur in Form. Danach ist der Garten endgültig voll. Eine Schar Rotkehlen und fünf Meisenfamilien kommen. Sie bemerken schnell: Hier gibt’s jetzt richtig was zu futtern.

In den folgenden zwei Tagen schmeißen die Vögel eine Riesenparty im Gehölz: Sie hüpfen durch den Garten wie durch ein Bällebad, picken sich die fedrigen Bäuche voll und zwitschern so laut wie sonst nur Uschi Kowalski beim Schlagermove. Die kleinen Dinger sind völlig high und beseelt.

Vogelparadies

Für die einen ist es Grünabfall, für die anderen das Paradies.

Wenn Sie nun in der Nähe von Dortmund wohnen und weihnachtlich schmücken möchten, kommen Sie gerne vorbei. Ich habe Tannengrün ohne Ende. Wirklich: ohne Ende.

Ein Portrait der britischen Kriegsreporterin Christiane Amanpour. Titel: „In my job, it’s just like being a man – but better„. Sie erklärt, welche Vorteile sie als weibliche Kriegsreporterin gegenüber Männern hat.

Der Designer und Programmierer Robby Leonardi hat seinen Lebenslauf im Stile eines „Jump & Run“-Games gestaltet.

Ein ZEIT-ONLINE-Thema über die Karl-Marx-Allee in Berlin.

Sven erklärt die Bus- und Bahn-Preise in Hamburg. Sofern das möglich ist.

Eine Mutter verwandelt den Mittagsschlaf ihres Kindes in traumhafte Abenteuer.

Die Autocorrect-Funktion, ein Quell steter Freude: 25 lustige Autocorrect-Fails aus dem angelsächsischem Raum (via @journelle).

Frau Nuf hat ihre Kinder mit Lego nachgebaut.

Falls Sie Fernweh haben: „Reisedepeschen“ ist ein ganz toller Reiseblog.



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