Ein fast greifbarer Eindruck von Geschmeidigkeit
Eine Kuhle in der Matratze | Letztens berichtete ich, dass ich eine Kuhle in der Matratze habe und dass der Wunsch nach einer neuen Matratze eine Prozesskette ausgelöst hat: Die neue Matratze bringt ein neues Bett mit sich. Das neue Bett führt zu neuem Parkett unter dem Bett. Die Anwesenheit des Parkettlegers führt auch in anderen Räumen zu Parkettarbeiten, denn wenn er schon einmal da ist … Und wenn die Räume schonmal leer ist, kann man sie auch gleich streichen. Für all das müssen natürlich die Möbel raus. Und als die Möbel am Donnerstag erstmal raus waren, kamen mir ganz neue Ideen.
Allzuvorderst bekommt meine Wohnung nun ein eigenes Arbeitszimmer. Mein Arbeitsbereich war bis jetzt in einer geräumigen Nische im Wohnzimmer, optisch abgetrennt, aber dennoch offen. #Dieaktuelle Situation, also das ausschließliche Arbeiten von daheim, und meine Vermutung, dass ein Teil meiner Präsenz-Arbeit auch in Zukunft remote stattfinden wird, motiviert mich dazu, mir ein besseres Arbeitsumfeld im Homeoffice zu schaffen. Das Arbeiten bekommt in meiner Wohnung also ein eigenes Zimmer, dessen Tür ich schließen kann, wenn ich Feierabend habe. Es bekommt außerdem professionelle Büromöbel aus dem Fachhandel, optimales Licht (EN12464-1 blendfrei und 500 Lux Beleuchtungsstärke auf dem Tisch) und ein Whiteboard an der Wand.
Aber vorher, schon klar, streiche ich die Wände.
Mit Entscheidungen ist es bei mir so: Schwerwiegende Entscheidungen reifen lange, aber wenn ich mich dann entschieden habe, ziehe ich sie durch. Bei banalen Entscheidungen ist mir vieles egal, inbesondere wenn es sich um sich wiederholende Ereignisse handelt: Wenn der Weg nicht gut war, nimmt man beim nächsten Mal einfach einen anderen (nur um festzustellen, dass er auch nicht besser ist, aber das ist ein anderes Thema). Dann gibt es noch die Entscheidungen, die banal daherkommen, aber das emotionale Gewicht des Unumkehrbaren, nicht wieder gut zu Machenden mit sich bringen. Dazu gehört Wandfarbe.
Einige meiner Wände sollen eine andere Farbe haben als Weiß. Ich hatte ein Gefühl dafür, welche Farben das sein könnten – bis zu dem Zeitpunkt, als ich im Baumarkt vor zehn Regalmetern mit Töpfen und Tiegelchen stand. Wie ein hospitalisierter Braunbär tigerte ich zwischen poudre und pearl, bamboo und lagune, cashmere und riviera hin und her, wild schwankend zwischen einem tatkräftigen Entschluss und reiflicher Abwägung. Poudre! Nein, das sieht, einmal aufgetragen, aus wie geplatzte Brühwurst. Hortensie! Eine Farbe wie Omas Büstenhalter. Denim! Ist das nicht zu dunkel? Cream – ein Farbton wie eine angegegilbte Rauchergardine. Es fühlte sich an, als hätte ich zehn Seile zur Auswahl, an denen ich ziehen sollte – und an jedem zweiten Seil hing ein Hundewelpe, den ich mit einem falschen Entschluss erdrosselte.
Nicht nur die Laune meines Gefährten, auch meine eigene wurde zusehends brüchig. Bevor die Szene jedoch in die spaßbefreite Dramatik eines ARD-Problemfilms umschlagen konnte, entdeckten wir ein Regal voller Poesie. Der Baumarktbesuch vollführte eine rasante Wende ins Lorioteske.
Seite an Seite standen Melancholisches Mittelgrau, Würdevolles Hellgrau und Stilles Graublau – mit ihren Künstlernamen Nebel im November, Poesie der Stille und Ruhe des Nordens. Auf der Rückseite der Töpfe eine wortreiche Beschreibung der Farbpersönlichkeiten: So bringt das Melancholische Mittelgrau trotz seiner „klassischen, eher nüchternen Art weiche Behaglichkeit“. Die „ausgewogene Nuance“ gibt sich „still und stark zugleich“. Das Würdevolle Hellgrau hingegen ist eine Farbe der „subtilen Eleganz, die nicht um Aufmerksamkeit buhlt – aber die ganz bestimmt gesehen wird“. Man kann sie sich vorstellen, die Texterin, wie sie, nach dem sechsten Korrekturdurchgang durch den Kunden und frustriert von seinen überhöhten Erwartungen an die Rückseite eines Farbtopfes, einen kräftigen Schluck Rotwein kippt und murmelt: „Könnt ihr haben. Könnt ihr alles haben!“
Ich entschied mich für die Ruhe des Nordens, ein Stilles Graublau: „auf den ersten Blick zurückhaltend mit einem Hauch Melancholie, auf den zweiten sehr vielschichtig und elegant.“
Außerden wählte ich Zartes Sandbeige, das „mit einem fast greifbaren Eindruck von Geschmeidigkeit fasziniert“. Fast greifbare Geschmeidigkeit – quasi wie ich!
Eine Anfrage | Wie zur Bestätigung meiner Renovierungstätigkeiten bekam ich dieser Tage eine Anfrage aus Sachsen, ob ich remote Webinar-Workshops und Begleitung anbieten könnte. Ich freue mich sehr über die Anfrage und hoffe, dass wir zusammenkommen.
Die Wochenenden in Bildern | Ein Rückblick auf die vergangenen beiden Wochenende: Fahrrad fahren, schlafender Bonushund, mit Freunden auf der Terrasse grillen, blühender Mohn, gut gelaunte Schweine, wieder Fahrrad fahren.
Käte | Die Druckfahnen sind da! Das erste Mal halte ich mein Buch in den Händen, wenn auch nur als Zettelsammlung.
Die Arbeit ist übersichtlich: Hier und da muss ich eine Zeile kürzen, damit der Text gut über die Seiten läuft.
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