Vorab | Am vergangenen Donnerstag fiel ich, in Skagen angekommen, in einen tiefen Entspannungszustand und konnte nichts niederschreiben. Deshalb jetzt eine Nacherzählung der letzten Reise-Ereignisse.
Dybvad – Skagen | Nachdem wir im Wald mitten in der Walachei geschlafen hatten, brachen wir zur letzten Etappe nach Skagen auf, an die Nordspitze Jütlands. Nach zwanzig Kilometern erreichten wir das Meer – zum ersten Mal auf der Tour. In Sæby sahen wir also zum ersten Mal Strand. Juchhuu!
Wir hatten auf der Tour ein Riesenglück mit dem Wetter. Die ganze Woche über hat es nur einmal geregnet – am ersten Abend in Vejle, als ich mit Bibo auf dem Hof des Hostels fuhr. Danach war nur noch Sonnenschein.
Von Sæby aus fuhren wir nach Fredrikshavn. In Fredrikshavn gibt es den einzigen Berg in der Region, den Pikkerbakken, der sich 70 Meter über den Meeresspiegel erhebt. Der Reiseleiter sah vor, dass wir hinauffuhren – wenn schon ein Berg vorhanden sei, meinte er, könne man ihn auch bezwingen.
Für meinen Geschmack waren wir in den vorangegangenen Tagen ausreichend bergauf gefahren, vor allem gemessen daran, dass ich eine Flachlandreise gebucht hatte. Aber der Reiseleiter ignorierte meine Einwände und entgegnete, ich solle mich bei der Zentrale beschweren. Außerdem sei es oben bestimmt sehr schön, man könne hinunterschauen.
So fuhren wir zur Aussichtsplattform hinauf. Dort oben war es tatsächlich schön, so dass ich unerfreulicherweise keinen Grund mehr zur Grummeligkeit hatte.
Anschließend fuhren wir hinunter in die Stadt – und hinaus auf die Landstraße.
Die verbleibenden vierzig Kilometer der Etappe waren komplett flach. Aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen! Statt Hügeln hatten wir nun lebhaften Gegenwind. Ich dachte zunächst, nur ich sei so kraftlos. Aber irgendwo im Nichts zwischen Jerup und Vester Knasborg stoppte der Reiseleiter plötzlich, schaute mich an und sagte: „Findest du auch, dass es heute anstrengend ist?“
Nun, eigentlich fand ich es jeden Tag anstrengend.
Erfreulicherweise machte das Land zehn Kilometer später einen Knick, der Gegenwind wurde zum Seitenwind und kam sogar bald von schräg hinten. Auf dem Dünenradweg nach Skagen trampelten wir deshalb frohgemut durch Gras und Heide, bis wir zur versandeten Kirche St. Laurentius kamen.
Die Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert und hatte auch mal ein Hauptschiff. Es wurde aber ständig von Flugsand zugeweht. Irgendwann gab man das ständige Sandschaufeln auf und riss das versandete Kirchenschiff ab. Nur der Turm blieb und steht noch heute.
Hinter der Kirche ließen wir uns vom Wind nach Skagen hinein und bis vor unser kleines, gelbes Haus schieben.
Skagen ohne Fahrrad | Die Regel für den nächsten Tag war: Es ist kein Fahrrad beteiligt.
Wir gingen also ausschließlich zu Fuß. Skagen ist ein hübsches Städtchen, es gibt viele Gassen und einladende Geschäfte. Außerdem gibt es einen Eisladen, der die Eiswaffeln selbst macht. Wir würdigten und unterstützten diese Mühen.
Außerdem gibt es in Skagen ein Bonbongeschäft mit einer Bonbonmaschine. Aus der Bonbonmaschine kommen Bonbons mit Motiven, zum Beispiel dänischen Flaggen. Auch hier unterstützten wie die Bemühungen.
Am Strand von Skagen stehen noch zahlreiche Bunker aus dem zweiten Weltkrieg.
Mehr als 600 Bunker gibt es an den jütländischen Stränden. Sie waren Teil des Atlantikwalls. Der Tagespiegel hat ihnen einen Bericht gewidmet.
Wenn man den Strand weitergeht, kommt man an Det Grå Fyr, den grauen Leuchtturm. Am Turm ist ein Zentrum für Zugvögel, denn Millionen von Vögeln passieren jedes Jahr die Nordspitze Dänemark auf ihrem Weg in den Süden.
Wir gingen hinter dem Leuchtturm weiter und kamen nach Grenen, zur Norspitze Dänemarks. Dort treffen Nordsee und Ostsee zusammen, und ich hätte nicht gedacht, dass man es so gut sieht. Wirklich faszinierend. Wir saßen eine ganze Weile dort und schauten zu, wie die Wellen aufeinandertrafen.
Danach gingen wir den Nordstrand Skagens entlang. Es war menschenleer und ganz wunderbar.
16 Kilometer zu Fuß, null Kilometer mit dem Fahrrad.
Gammel Skagen | Am nächsten Tag war Fahrradfahren dann wieder erlaubt. Wir fuhren nach Gammel Skagen zur Nordseeseite der Stadt, schauten uns die Badehotels an und hingen am Strand ab.
Am Strand steht ein Haus zum Verkauf, eine Immobilie mit Renovierungsstau Potential. Es hing kein Preisschild dran, und ich bin skeptisch, was die Kombination aus Lage, Klimawandel und Sturmfluten betrifft. Falls Sie es dennoch als Wohnsitz oder auch als Renditeobjekt ins Auge fassen, hier ein Bild:
Rückfahrt feat. Lokführerstreik der GdL | Am Sonntag ging es dann heim. Wieder mit der Bahn, zumindest innerhalb Dänemarks. Wieder wollte niemand unser Fahrradticket sehen, das der Reiseleiter sich so hart in Hotlines erarbeitet hatte.
Als Menschen, die mit der Deutschen Bahn sozialisiert wurden, sind wir darauf konditioniert, dass der Waggon für die Fahrräder am Ende eines Zuges angehängt ist, also eine Wanderung entfernt von der Stelle, an der man den Bahnsteig betritt. Zusätzlich wir sind darauf getrimmt, sportlich auf eine umgekehrte Wagenreihung zu reagieren und einen 200-Meter-Sprint ans andere Ende des Bahnsteigs hinzulegen.
In unseren dänischen Zügen hatten fast alle Waggons die Möglichkeit, Fahrräder abzustellen. Sowohl auf der Strecke Skagen – Aalborg, als auch auf den Strecken Aalborg – Odense und Odense – Padborg sahen die Mehrzahl der Waggons aus wie unten auf dem Bild. Ein angenehmeres Erlebnis als im engen IC-Fahrradwaggon, in dem die Fahrräder sich vor Enge kaum an ihren Platz bugsieren lassen.
Die Züge hielten an jeder Milchkanne. Wir stiegen zweimal um. In Odense Verwirrung: Dass der Zug nach Hamburg wegen des Lokführerstreiks in Padborg endet, war uns bekannt. Aber er wurde nicht einmal angezeigt. Nach mehrfachem Durchlesen aller Anzeigetafeln, Suche nach Bahnpersonal, ratlosem Umherlaufen und hektischem Wischen in der App die Durchsage: Der nächste Zug auf Gleis fünf fahre wie geplant nach Padborg, es stehe allerdings „Kopenhagen Flughafen“ dran – so wie auf allen Anzeigen und in der App „Kopenhagen Flughafen“ stehe. Es habe sich jemand vertippt, sorry.
Zentrale Datenhaltung. Ist doch schön.
In Padborg war dann Ende. Mit zweimal Umsteigen und in zwei verschiedenen Regionalzügen wären wir noch bis Hamburg gekommen. Aber dann wäre endgültig Schluss gewesen, zumindest für diesen Sonntag.
Ich kann für solch einen Fall nur raten, sich einen Ex-Mann anzuschaffen. Der fuhr nämlich sechs Stunden aus dem Ruhrgebiet nach Padborg, um mich und den Reiseleiter dort abzuholen. Mega.
Fazit | Fahrradreise – gerne wieder. Man sieht viel vom Land, vor allem Dörfer, Orte und Wege, die man sonst nicht sehen würde. Der Kopf wird frei, denn das Blut ist in den Beinen – da bleibt keine Kapazität fürs Nachdenken über Arbeit oder sonstwas. Abends ist man rechtschaffend müde und schläft gut. Morgens ist man zwar immer noch müde, wird aber rasch munter. Gerne wieder.
Kommentare
4 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓
Vielen lieben Dank für den tollen Reisebericht, das macht sooo Lust auf Nachahmung!
Wir sind vor mehr als 10 Jahren mal mit dem Rad durch die Niederlande (Duisburg – Antwerpen (Belgien, ich weiß ;o)) – Rotterdam – Den Haag – Amsterdam), das war auch sehr schön. Jetzt fährt der Jüngste auch Fahrrad und nun tasten wir uns mal langsam mit den Kids an Radwanderungen ran. Sehr komfortabel ist, dass wir direkt am Weserradweg wohnen :o)
Auch eine schöne Strecke und bestimmt nicht so bergig.
Ich find ja 70km ein hartes Programm. Für Urlaub bei dem auch noch Zeit für drumherum (Städtchen Eis Strand) ist plane ich mit 50km im Schnitt.
Und ich bin neugierig wie sich die Sitzposition angefühlt hat – zumindest so dass ihr täglich 70km am Tag schafft
Manchmal war am Zielort nicht viel zu sehen. Da waren 70 und 80 Kilometer schon okay. Der Weg war das Ziel. Wir waren eigentlich immer zeitig genug da, um uns noch etwas anzugucken.
Sitzposition war tipptopp! Nur die Handgelenke taten irgendwann weh. Dazu muss ich mir noch etwas einfallen lassen.