Furchtlos | Als ich oben saß und in die Tiefe blickte, erinnerte ich mich an den Satz des amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson. Er sagte dereinst: „Tue das, was du fürchtest, und das Ende der Furcht ist gewiss.“
In dem Moment rutschte eine Dreijährige vor meinen Augen senkrecht hinab, auf dem Rücken liegend, Arme und Beine von sich gestreckt wie ein Seestern. Unten angekommen erhob sie sich, schüttelte sich kurz und rief: „Nochmal!“
Es ist ja immer wieder erstaunlich, mit welchem Gottvertrauen Kinder sich in Gefahren stürzen. Als Erwachsener sitzt man hingegen oben auf der Kante, schaut die Senkrechte hinab und sinniert, dass diese Rutsche, die höchste Steilrutsche Deutschlands, sicherlich TÜV-geprüft ist. Ausführlich studierte Ingenieure haben die Einhaltung mehrerer DIN-Normen überprüft. Warum sollte ich also ausgerechnet auf diesem zertifizierten Kinderspielplatz trudelnd gegen Seitenwände schlagen und meinen letzten Tag erleben? Warum sollte mein Bandscheidenvorfall ausgerechnet hier einen Rückfall erleiden? Schlimme Verletzungen, das weiß ich außerdem aus Jahrzehnten aggressivem Kontaktsport, kommen niemals spektakulär daher. Vielmehr geschehen sie in routinierten, tausendmal gemachten Bewegungen. Wahrscheinlich würde ich eher auf der Picknickbank als auf der Steilrutsche verenden. Also stürzte ich mich hinab wie eine furchtlose Dreijährige.
Einige Stunden zuvor hatte der Tag wahrlich göttlich begonnen: Früh um Sieben läuteten die Kirchenglocken Sturm. Mit Penetranz bimmelten sie mich, den Reiseleiter und die Beutezwillinge K2 und K3 wach.
Die Sonne kitzelte über das Gras und durch die Ritzen der Jalousie. In dieser Kulisse hatte das Schicksal seinen Lauf genommen: Im Angesicht des Gotteshauses war ein Frankenhof-Beschluss gefasst worden, und mit dem Beschlus stand fest – zumindest für alle Anwesenden unter zehn Jahren – dass die furchterregende Biberrutsche berutscht wird; dass jeder mit hinauf muss – und auch hinunter. Vor allem hinunter.
Nach der ersten Rutschung ist die zweite übrigens nur noch halb so schlimm, die dritte macht Spaß, die vierte ist ziemlich super und ab der fünften fühlt es sich an wie fliegen. Ein euphorisches Kribbeln stellt sich ein.
Im Frankenhof gibt es auch Tiere, einen Märchenwald, eine Teppichrutsche, einen Wasserspielplatz, Luftkissen und Klettertürme, es gibt Eis, Pommes und Waffeln, und man kann einen super Tag verleben – auch, wenn man schon über vierzig ist.
Stromlos | Am Abend zuvor, wir bauten gerade Lego zusammen, hatte es einen Stromausfall gegeben. Das habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Ich kann nicht einmal sagen, wann zuletzt. Das ganze Dorf war dunkel. Taschenlampen irrlichterten durch die Wohnungen der Nachbarn, Menschen versammelten sich auf den Straßen. Wer einen Hund hatte, zerrte ihn zu einer Gassirunde um die dunklen Laternen.
Schön: Wir stellten uns auf die Dachterrasse und sahen sie ISS.
Gelesen | Herr Buddenbohm, der Montag, die Schwalben und der Apfelprozess
Angehört | Folgen des NDR-Podcasts Familientreffen. Interessant: „Ostdeutsche Superfrauen: Was ist dran an dem Mythos?“ und „Mit einem autistischen Kind leben: Alltag einer Mutter“ | Die aktuelle Folge des Podcasts Sag ruhig wir zu uns. Abgefahren, was unser Hirn alles tut, um uns zu schützen: „Ich bin viele und doch eins – ein Einblick in das Leben mit dissoziativer Identitätsstörung“
Kommentare
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Oh, darf ich einen Ausflugstipp geben? Dann tät‘ ich nämlich „Irrland“ in Kevelaer vorschlagen …