Ausflug ins Badische, dort Kirschblüten. Beleidigter Eibisch, Mobilitätsgedanken und Gesprächsthemen. Alles vor weltpolitischem Hintergrund
Premiere 2022 | Die erste Geschäftsreise in 2022 hat mich nach Karlsruhe geführt. Zwei Tage Seminarworkshop beim Kunden, in echt.
Am Abend fuhr ich in die Stadt. Am Karlsruher Schloss: Menschen auf Wiesen, Bänken und Wegen, die flanieren, picknicken, Boule spielen. Die Boule-Spieler: Herren gesetzteren Alters – man kennt sich, man grüßt sich, man trägt Leinenbeutel. Einer von ihnen hat eine Kordel mit einem Magneten; er muss sich nicht wie die anderen Männer zu den Kugeln hinab bücken, er kann sie zu sich hinauf holen. Ein anderer spielt mit sich allein.


Ich aß ein Eis, Joghurette und Überraschungsei. Ich ging in den Schweizer Schokoladenladen, besuchte ’s Fachl, besorgte mir Abendessen und fuhr Straßenbahn.
Die kleinen Dinge | In meinem Wohnzimmer blüht der Roseneibisch. Er überwintert dort. Jedesmal im Herbst, wenn ich ihn ins Haus trage, ist er beleidigt. Die Hälfte seiner Blätter wird erst gelb, dann wirft er sie ab. „Sieh, was du mir angetan hast, du empathieloser Homo Sapiens, du floraler Nichtsmerker!“, ruft er trotzig. Gleichermaßen ist er beleidigt, wenn ich ihn im Frühjahr wieder hinaus in den Garten stelle. Während des Sommers ist er beleidigt, wenn ich ihn um mehr als zwei Meter verschiebe. Insgesamt eine Pflanze, die viel beleidigt ist und wenig Commitment für die gemeinsame Sache zeigt.
Jedesmal, bevor der Eibisch völlig kahl wird, kriegt er sich allerdings wieder ein – so eitel ist er dann doch. Er produziert erneut Blätter und beginnt, intensiv zu blühen, was den Dramafaktor nur noch erhöht.




Abende mit Freundinnen haben andere Gesprächsthemen als noch vor fünfzehn Jahren. Das hat nichts mit Männern und Kindern zu tun. Vielmehr hätte keine von uns mit Ende Zwanzig erzählt, sie habe während eines Online-Yogakurses mit Mady Morrison im Keller ihrer Doppelhaushälfte Werbung für Goldene Milch gesehen und sich bemüßigt gefühlt, diese sofort und umgehend herzustellen. Auch wäre das Gespräch von dort aus nicht zu fermentierten Lebensmitteln und ihre Wirkung auf Gesundheit umgeschenkt. Auch nicht zum Krötenzaundienst. Ich konnte mich bei den Themen nicht einbringen, verfolgte sie jedoch mit dramaturgischem Interesse.
Nun bin ich in Schriesheim. In Baden-Württemberg blühen bereits die Kirschbäume. Bienen und Hummeln summen.

Auch hier gab es schon ein Eis: Stracciatella, gemeinsam mit dem Spaghettieis mein Gradmesser für alle Eisdielen, und Smarties.
Ukraine | Ich bin froh. Ich habe mit meiner Freundin in Russland gesprochen. Sie kennt die Bilder aus der Ukraine. Sie schreibt: Jedes Jahr am 9. Mai, Tag des Sieges, habe ihr Großvater den Enkeln gesagt: Nie wieder. „Und da stehen wir jetzt. Wir werden jetzt von der ganzen Welt gehasst, dabei hassen wir selbst diesen Krieg. Er ist scheußlich. Wir wollen diesen Krieg nicht.“
Letztendlich nichts, was hilft. Aber am Ende tröstet es doch ein wenig. Ich schreibe es hier, weil ich ihr versprochen habe weiterzutragen: Nicht allen Russen sind so, nicht alle Russen sind für den Krieg.
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Gelesen | Anatol Lieven, Senior Research Fellow für Russland und Europa am Quincy Institute for Responsible Statecraft, hat sich mit der Frage beschäftigt, wie ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland aussehen könnte.
Mobilitätsgedanken | Auf dem Weg von Dortmund nach Karlsruhe habe ich meinen Spritverbrauch getrackt: 4,4 Liter pro 100 Kilometer. Weniger habe ich nicht hingekriegt: Zwischen Köln und Frankfurt ist es zu hügelig.
Ich bin motiviert, beizeiten auf ein E-Auto umzustellen. Ein Kleinwagen mit einer Reichweite von rund 200 Kilometern (im Winter weniger) ist allerdings nicht praktikabel; privat würde das reichen, aber beruflich benötige ich ein bisschen was an Größe, Transportmöglichkeiten und Reichweite; nicht zu allen Kunden komme mit der Bahn und nicht alles, was ich beruflich an Material brauche, kann ich unterm Arm tragen. Ein E-Auto in Richtung Golf ID-irgendwas wäre gut, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Der Kauf eines Neuwagens kommt allerdings aus strategisch-taktischen Gründen nicht in Frage; oder, um konkret zu sein: Ich sehe es einfach nicht ein, 35.000, 45.000 oder mehr Euro für ein Auto auszugeben, egal ob Elektro oder nicht. Wie viel Geld das ist! Und wie schnell es an Wert verliert. Das Konzept „Leasing“ holt mich allerdings auch nicht ab. Schwierig. Vielleicht doch einfach ein elektrischer Kleinwagen mit E-Flat, auf Langstrecken Bahn fahren – für Kurzstrecken sowieso Fahrrad – und wenn ich ein anderes Auto brauche, einfach eins mieten? Ich werde mein Mobilitätsverhalten überdenken, brauche dazu aber noch Analysezeit. Die zurückliegende und noch andauernde Corona-Zeit ist nicht repräsentativ; in einen Vor-Corona-Modus werde ich geschäftlich aber auch nicht zurückkehren.
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