Sonne! | Am frühen Morgen, es war noch stockfinster, erwachte ich, hörte den Regen gegen die Fenster prasseln und schlief allein schon aus Protest wieder ein.
Am Vormittag dann das Wunder: Sonne. Ich sprang auf und marschierte ins Feld.
Andere Menschen mussten dasselbe gedacht haben, denn für einen Mittwochvormittag war jede Menge Volk unterwegs. Man grüßte sich enthusiastisch und endorphindurchflutet und warf sich im Vorbeigehen Worte über den Feldweg: „Endlich Sonne!“ – „Da muss man direkt raus, nicht wahr?“ – „Schönen Tag noch!“
In den Büschen zeterten die Spatzen. Männer führten Hunde aus. Damengrüppchen walkten um Pfützen herum, Wanderer mitten hindurch („Komm, Herbert, wir sind ausgerüstet!“). Radfahrer klingelten sich den Weg frei.
Mit strammem Schritt wurde es rasch warm. Frühlingsgefühle.
Auf dem Rückweg kaufte ich im Dorfladen Spinat und Fünf-Cent-Briefmarken – wegen der Portoerhöhung (also die Briefmarken, nicht der Spinat). Der Dorfladen ist ein etwa vierzig Quadrameter großes Zimmer, in dem es alles gibt, was man braucht, allerdings jeweils nur eine, maximal zwei Sorten. Als Desserts gibt es Paula und Fruchtzwerge, Spinat gibt es nur als Blubb, und Süßigkeiten nehmen etwa ein Drittel der Ladenfläche ein, darunter eine Art Garderobe, an der zimmerhoch Weingummi hängt. Darüber hinaus führt der Dorfladen Nudeln und Konserven, Wurst und Käse, veganen Aufschnitt, Geschenkpapier und Trauerkarten, Zahnbürsten, Wein, Eis und ein erkleckliches Sortiment an Rätselheften und Illustrierten. Und er hat eine DHL- und Post-Station.
Sowohl die Kunden als auch die Ladenmitarbeiter sind immer zu einem Schwätzchen aufgelegt. Einlassungen zum Wetter, zur #aktuellenSituation und zu allgemeinen Dorfeignissen wie dem Treckerumzug oder prominenten Sterbefällen („Sie hatte es ja schon lange mit der Lunge.“) sind Pflicht und werden erwartet. Ist bereits ein Gespräch im Gange, wird man umstandslos integriert – egal, ob man die Verstorbene kannte oder eine Meinung zum Thema hat.
Nach dem Feierabend drehte ich gemeinsam mit dem Reiseleiter eine zweite, diesmal größere Runde. Jetzt bin ich erstmal wieder sauerstoffgesättigt.
Gelesen | Elizabeth Strout: Oh, William!, aus dem Amerikanischen von Sabine Roth. Der erste Satz des Buches – erste Sätze sind immer besonders, oder? – gibt die Plauder-Tonalität vor: „Ich muss noch etwas über meinen ersten Mann sagen, William“, sagt Ich-Erzählerin Lucy Barton, und es folgt ein 220-seitiger Monolog. Lucy erzählt mit erstaunlich viel Tiefgang über ihre Beziehung zu ihrem ersten Mann William, der gerade von seiner dritten Frau verlassen wurde und mit dem sie auf einen Roadtrip nach Maine aufbricht. Auch Lucys war nach der Ehe mit William noch einmal verheiratet; ihr zweiter Mann ist gerade estorben. Gemeinsam mit William nähert sie sich der gemeinsamen und der individuellen Vergangenheit, aber auch den Untiefen der alten, gebrochenen und doch nie verschwundenen Liebe und den Fragen des Lebens. Gerne gelesen.
Die kleinen Dinge | Alltagsbemerknis ohne Relevanz: ein Stillleben des Mittagessens.
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