Ferienflieger über Gartensalbei
Ich lebe in einer Einflugschneise.
Schon bevor ich diese zauberhafte Wohnung mit Garten und Balkon erwarb, bevor ich hier einzog und Rotkohl und Mangold und Thorstis pflanzte, lebte ich in einer Einflugschneise. Es ist schwierig, in Dortmund nicht in oder am Rande einer Einflugschneise zu wohnen, zumindest nicht, wenn man in einigermaßen netten Stadtteilen leben möchte.
Mir macht es nichts aus, Dortmund ist ja kein Großflughafen. Es gibt Tage, an denen fliegen nur drei oder vier Maschinen übers Haus, von denen ich etwas mitkriege. An anderen sind es ein paar mehr. Ich schaue in den Himmel, betrachte den Flieger und überlege mir, woher er wohl gerade kommt, was für Menschen darin sitzen und ob sie froh sind, wieder zu Hause zu sein, oder eher nicht. Manchmal gucke ich ins Flightradar, oft aber höre ich die Maschinen kaum, vor allem nicht, wenn ich alleine bin und etwas arbeite.
Trotzdem frage ich mich, ob wir so viele Flughäfen brauchen. Denn Dortmunds Flughafen ist defizitär – und mal ehrlich: Es gibt wirklich genug Alternativen rundherum. Düsseldorf, Köln/Bonn, Münster/Osnabrück, Paderborn/Lippstadt – für Urlauber und andere Flüchtende sollte es kein Problem sein, von hier fort zu kommen. Alle umliegenden Flughäfen sind nur zwischen 70 und 130 Kilometer entfernt, und auch wenn man nicht in Dortmund wohnt, sondern in Hagen oder Arnsberg oder Castrop-Rauxel sieht es mit der Strecke, die man zum nächsten Flieger zurücklegen muss, nicht anders aus. Was Frachten angeht, kann ich den Bedarf schlecht beurteilen, aber er scheint mir immerhin genauso fragwürdig.
Ich selbst bin in den vergangenen zehn Jahren nur einmal vom Dortmunder Flughafen aus geflogen: eine eintägige Geschäftsreise nach München. Zu allen anderen Zielen bin ich aus Köln oder Düsseldorf gestartet. Da frage ich mich schon, was das soll und ob so ein Flughafen nicht auch ein Prestigeobjekt ist, etwas, das man haben muss, um Bändchen durchzuschneiden und Sektchen zu trinken, um zu sagen: „Wir tun etwas, um attraktiv zu sein!“ – für Menschen und für Firmen, auch wenn diese ihn gar nicht brauchen und ohnehin niemals ins Ruhrgebiet kommen würden, sondern sich lieber direkt in Düsseldorf ansiedeln, weil es dort auch den Rhein gibt und weil alle meinen, es sei dort nicht so asi und schmuddelig wie in Dortmund. Dabei ist es in Düsseldorf mindestens genauso uselig wie in Dortmund, wenn man mal aus der hübschen, alkoholseeligen Altstadt rausfährt – wenn nicht gar noch schäbbiger (ich habe fünf Jahre in Düsseldorf gewohnt und kann das beurteilen). Aber das ist eine andere Geschichte.
Wo war ich stehen geblieben? Mir soll es wurscht sein. Sollen sie starten und landen, wie sie mögen. Ich stelle mir jedenfalls vor, wie die Menschen im Flieger sich freuen – einige, weil weil sie heim kommen, und einige, weil sie fort fliegen.