Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Gesundheit |  Gutes Allgemeinbefinden, ich kann nicht klagen. Ich erkläre meine Rekonvaleszenz für abgeschlossen. Allerdings fehlt es zum Ende des Winters an Fitness. Zwar fahre ich das ganze Jahr über Fahrrad, aber natürlich keine langen Strecken. Dafür ist es zu kalt. Schwimmen war ich auch nicht allzu oft: Das Hallenbad ist oft voll, und ich bin einfach keine Indoorschwimmerin. Ich freue mich aufs Frühjahr, auf längere Abende und wärmeres Wetter.


Bürgermeisterkandidatur | Aktuell ist Sitzungsperiode in Haltern am See. In den Abendstunden besuche ich kommunale Ausschusssitzungen und setze mich dort auf die Besuchertribüne. Ich möchte einen Überblick über die Themen bekommen und die Gepflogenheiten kennenlernen. Bei allen meinen Besuchen war nicht nur interessant, was behandelt wurde, sondern auch: wie. Das war aufschlussreich.

Blick vom Balkon des Ratssaals auf die Stadt:

Im Vordergrund ein Park in der Abendbeleuchtung. Im Hintergrund die Silhouette einer Altstadt

Ich habe die Ausschusssitzungen ver-reelt – sagt man das so? Jedenfalls habe ich Dinge auf Video ins Internet gesprochen. Sie können das auf Instagram und auf TikTok anschauen, wenn es Sie interessiert. Ich bin der Meinung: Kommunalpolitik muss mehr Transparenz zeigen, mehr erklären, nahbar sein. Bauvorhaben, Stadtentwicklung, finanzpolitische Entscheidungen – all das betrifft die Menschen in der Stadt unmittelbar, ist aber oftmals komplizierter, als der gesunde Menschenverstand vermuten lässt. Es gibt viele Abhängigkeiten rechtlicher, organisatorischer und technischer Art; Abläufe, Entscheidungen und die Dauer von Vorgängen sind unverständlich. Die Menschen fühlen sich abgekoppelt von dem, was im Rathaus passiert. Das wird den Mitarbeitenden in der Verwaltung nicht gerecht und ist schlecht für unsere Demokratie. Das möchte ich ändern. Dafür braucht es einen neuen Stil an der Stadtspitze, denn sowas muss von oben angestoßen werden.

Nach-Ausschuss-Eis:

Ein Becher Eis vor einem historischen Rathaus. Die Fenster sind bunt beleuchtet. Es ist Abend.

Broterwerb | Das Geschäft läuft schleppender als sonst. Möglicherweise liegt es an meiner Kandidatur – dass die Leute denken, ich habe jetzt keine Zeit mehr. Möglicherweise ist es auch nur eine normale Wellenbewegung: Nachdem ich im vergangenen Jahr gar nicht so viel arbeiten konnte, wie ich angefragt wurde, erlebe ich nun viele Kunden zögerlich und im Umbruch. Manche haben erst jetzt ihre Budgets fürs Jahr finalisiert und gehen in die Planung von Vorhaben, Mitarbeiterentwicklung, Workshops und Beratungsleistungen. Andere beschäftigen sich gerade stark mit sich selbst und treffen Richtungsentscheidungen; derweil sind die Investitionen gedrosselt.

Ich begleite zurzeit eine Organisation in einer Teamentwicklung – dort sind wir in einer spannenden Phase. Für einen Workshop war ich in einer tollen Location in Münster – zu sehen auf Linked.In. Es ging um New Work und die Gestaltung von Veränderungsprozessen. Außerdem war ich in Duisburg für ein Moderationstraining – Thema: schwierige Themen, schwierige Teilnehmer und quälende Entscheidungen.

Falls Sie Bedarf haben: Im Mai, Juni und Juli habe ich noch ein paar Kapazitäten. Schauen Sie gerne mal durchs Portfolio.


Verschlüsselung | Ich habe das Problem der Verschlüsselung meiner Privat- und Geschäftsdaten gelöst.

Die Herausforderung: Mein Verschlüsselungsanbieter Boxcryptor schließt seit seinem Verkauf an Dropbox nach und nach die Tore und entlässt seine Kunden. Ich kann den Service nicht länger nutzen; im April ist kurzfristig Schluss. Die Lösung: Dank eines Tipps von Christian bin ich zu PCloud gewechselt. Die Migration lief geschmeidig; ich bin angetan und hoffe, dass der Eindruck bei weiterer Nutzung bestehen bleibt.


Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Es gab mal einen Blogpost, in dem es um die Entscheidung für ein neues E-Auto ging. Ich habe das mit Interesse gelesen, auch wenn ich die Wahl so nicht getroffen hätte. Wie sehen Sie die Entscheidung aus heutiger Sicht? (Vielleicht hab ich auch was verpennt und die Sache ist gar nicht mehr aktuell).“

Die Entscheidung fiel damals auf einen Tesla. Seinerzeit war Elon noch nicht in der US-Politik tätig und zeigte nur moderate Milliardärsauffälligkeiten. Würde ich mich heute für ein E-Auto entscheiden, wäre Tesla – aus Gründen – nicht mehr in der Auswahl. Aber nun ist das Auto halt da.

Ich habe geprüft, was es mich kosten würde, den Wagen zu wechseln (er ist geleast). Ergebnis: zu viel. Zurzeit kommt das nicht infrage; das Leben ist grad kostspielig genug. Es müsste außerdem eine gute E-Alternative zu gleichen Leasing- beziehungsweise Mietkonditionen geben; die meisten Angebote sind teurer bei schlechterem Gesamtpaket. Ein nicht unwesentlicher, limitierender Faktor ist meine Beinlänge: In etliche Autos – zum Beispiel Peugeot oder Renault, aber auch manche Volkswagen – passe ich schlichtweg nicht rein beziehungsweise erleide einen orthopädischen Notfall. Außerdem ist die Verkehrssicherheit gefährdet, da ich das Lenkrad zwischen meinen Knien nicht bewegen kann – äußerst unpraktisch. Die Autos, die mir vorne Beinfreiheit lassen, hinten noch Platz für drei Kinder bieten und mich nicht in die Arme von Peter Zwegat treiben – Gott hab ihn seelig -, sind begrenzt.


Und sonst | Ich hatte Geburtstag, das soll hier nicht hintenrunter fallen. Juchee! Das Tolle am Altern ist: Es bewahrt einen vor dem Ableben.

Kleiner Kuchen in einer Einhorn-Form mit angezündeten Kerzen, die eine 47 zeigen. Auf dem Tisch konfetti.

Wir hatten außerdem Kochstammtisch. Freunde servierten Südtiroler Knödel-Tris. Anschließend gab es einen Schokopudding nach Landfrauenart, gekocht vom Gastgeberkind. So weit sind wir jetzt: Die Kinder sind so alt, dass sie uns bekochen. Eine gute Entwicklung.

Dreierlei Knödel an Vogerlsalat

Frühjahrsputz im Freibad: Das Bad wird von einem Verein betrieben. Jedes Jahr sind die Mitglieder aufgerufen, das Bad vor Saisonstart auf Vordermann zu bringen. Ich habe viele Schubkarren voll Laub geharkt.

Schubkarre neben einem riesigen Komposthaufen. Im Hintergrund Freibadgelände

Schweine | Die kleinen Schweine werden größer und dicker, die großen haben sich neu erfunden: Sie sind jetzt nörgelnde Best Ager.

Neues Feature im Schweinepark: KindZwei und KindDrei haben den Tieren ein Tipi aus Obstzweigen gebaut.

Meerschwin in einem Tipi aus Obstzweigen. Die Sonne scheint.

IT-Gedöns | Ich musste mich im IT-Dinge kümmern. Mein Outlook synchronisierte nicht mehr: Ich empfing keine E-Mails und konnte auch keine versenden. Mobil funzte alles, deshalb war ich einigermaßen handlungsfähig, aber eben am MacBook nicht. Da ich in der vergangenen Woche malade war, habe ich es erst nicht bemerkt. Als ich es bemerkte, war ich zu derangiert, um mich zu kümmern. Mein IT-Dienstleister hat das heute freundlicherweise schnell repariert.

Unabhängig davon verkündete mein Verschlüsselungsdienstleister, dass er meine Daten zukünftig nicht mehr verschlüsseln möchte. Er wurde aufgekauft und wird aktuell, so wie es aussieht, abgewickelt. Schade, ich war sehr zufrieden. Maßnahmen sind eingeleitet.

//Seufzen. Ich habe es ja gar nicht gerne, wenn Dinge, die einfach nur funktionieren sollen, Anforderungen stellen, die dann auch noch umfassende Handlungen erfordern.


Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Guten Morgen! Wie bist du auf den Namen des Blogs gekommen? Natürlich gab es diesen Spruch in den 60ern und 70ern „in echt“, aber in meiner Familie steht er für alles, worauf man keine Lust hat oder gar nicht machen will. Und ich hab ihn auch schon ewig nicht mehr in der Gastronomie gehört.“

Die Frage des Blognamens ist eng damit verknüpft, wie ich zum Bloggen gekommen bin. Das war Anfang 2006. Ich arbeitete in der Digitalabteilung eines Medienhauses. Es war die Zeit, in der Zigarettenqualm dick in den Büros hing. Meine Kollegin rauchte zwischen zwei Kippen noch eine dritte, dazu trank sie bottichweise Kaffee. Mit einem Becher Kaffee in der einen und einer Kippe in der anderen Hand meinte sie irgendwann: „Wenn ich mal eine Website baue, nenne ich sie ‚Draußen nur Kännchen‘.“

Just in dem Moment wurde ich beauftragt, mich mit Blogs zu befassen. Das war seinerzeit der neue heiße Shice. Ich befand: Der beste Weg, um herauszufinden, was Blogs sind und was sie spannend macht, ist, selbst zu bloggen. Also legte ich mir ein Blog bei der erstbesten Plattform an. Das war seinerzeit Twoday (WordPress war noch nicht en vogue). Das Blog brauchte einen Namen, und weil die Idee von „Draußen nur Kännchen“ gerade im Büro präsent war, nannte ich es so. Es sollte ja sowieso nur ein Testblog mit geringer Halbwertzeit sein.

Das Kännchenblog gibt es nun seit 19 Jahren unter diesem Namen.


Rekonvaleszenz | Ausgiebiges Spazierengehen zwecks Genesung. Eine langweilige Sache, aber auch schön; eine gute Art Langeweile, besonders bei Sonnenwetter. Im Zuge eines solchen Spaziergangs habe ich das Jahr ange-eist. Die Dorf-Eisdiele hält Spaghettieis als kompakte Kugelvariante vor. Ich aß also eine Kugel Spaghettieis, wunderbar.

(Chronisten-Einschub: Der Preis für eine Kugel liegt hier aktuell bei 1,70 Euro. Einen Eisdielenbesuch mit zwei Erwachsenen und drei Kindern, bei denen jeder drei Kugeln bekommt, sehe ich dieses Jahr eher nicht.)

Das Befinden bessert sich täglich. Die Fäden sind gezogen. Ich kann jetzt auch wieder arbeiten. Gleichzeitig lerne ich Geduld: Dinge dauern so lange, wie sie dauern.


Gehört | Jakob Hein im RadioEins-Podcast mit Bettina Rust. Keine besonderen Erkenntnisse. Einfach ein sympathisches Gespräch.

Angeschaut | Im Stile von Erich Ohsers Bildergeschichten von Vater und Sohn veröffentlicht die Cartoonistin Katharina Greve auf einer eigens dafür eingerichteten Website ab sofort jede Woche eine Geschichte von Mutter und Tochter. Dazu ein Interview im Tagesspiegel.

Gelesen | Deutschland verbraucht 17 Prozent weniger Wasser nach AKW-Abschaltung. Laut VDI-Nachrichten ist der Zusammenhang tatsächlich kausal.


Und sonst | Das Wochenende in Bildern


Schweine | Der Freundeskreis Rohkost beim Club-Treffen:

Vier Meerschweine, zwei große und zwei kleine, fressen Paprika, Möhren und Kohlrabi aus einer Schale.

Upgrade | Mein Körper hat ein Upgrade bekommen. Das lag schon länger im Möglichkeitsraum und nun ja, irgendwann muss man mal ran an die Baustellen und dem Verfall entgegenarbeiten. Ich bin ein Fan davon zu handeln, bevor ein Schaden eintritt, den man hätte verhindern können.

Eine OP also und eine Nacht in Krankenhaus. Ich war positiv überrascht von dieser Erfahrung. Ich bin ja nur Standard-Kassenpatientin – freiwillig gesetzlich versichert, weil Fan des Solidaritätsprinzips -, und hatte niedrige Erwartungen.

Alle Menschen waren herzlich und zugetan, dabei sehr professionell. Die Kommunikation war gut und wertschätzend. Die Abläufe waren produktionsartig durchgetaktet; ich hatte mich für ein Klinikum entschieden, das diese OP mehr als 2.000-mal im Jahr macht. Die Kombination aus klaren Prozessen und Herzlichkeit empfand ich als hilfreich und beruhigend. Es gab einen geilen Propofol-Trip für umme (fünf Sterne für die Narkose-Einleitung!) und anschließend, weil ich so fror, eine heimelige Heißluftfriteuse fürs Warmwerden, dazu ein Wassereis für den kratzigen Hals. Sogar das Krankenhausessen war gut.

Tablett mit Krankenhausfrühstück: ein aufgeschnittenes Brötchen, Buttermilch, Tee. Dahinter Blick aus dem Fenster auf eine Kapelle.

Insgesamt ein empfehlenswertes Erlebnis. Nur das Aufschneiden – naja. Irgendwas ist ja immer.

Erstaunlicherweise ist, während ich im Krankenhaus lag, mein behandelnder Facharzt abhanden gekommen. Als ich mich zur Nachsorge in seiner Praxis vorstellte, befand sich plötzlich völlig anderes Personal in den Räumen, sowohl ärztlicherseits als auch, was die MFAs betraf. Das war überraschend. Immerhin gleiche Fachrichtung. Ich nahm davon Abstand, meinen Arzt suchen zu gehen: Halb aufgeschnitten und moderat zugenäht, wie ich war, hatte ich keine Lust dazu. Stattdessen begab ich mich bei den vorhandenen Menschen in Behandlung. Seltsam, seltsam. Aber nun denn. Auch hier alle freundlich und zugetan.

Ich rekonvalesziere nun vor mich hin. Eine Woche habe ich mir freigenommen, in der kommenden Woche bin ich reduziert im Einsatz. Schwerpunkt: therapeutisches Spazierengehen und therapeutisches Seriengucken. Beides ist mir bislang gut gelungen: täglich 10.000 Schritte durch Feld und Wald, dazu Älska migEinfach Liebe, eine feine schwedische Serie in der arte-Mediathek.

Es fühlt sich alles schon viel besser an als 24 Stunden post OP.


Schweine | Das Müslischwein hat sich ein Herz gefasst, hat seine Vorsicht über Bord geworfen und ist ebenfalls in den Garten ausgerückt. Es war Morgen, ich öffnete die Stalltür, und alle Schweine rannten raus. Als das Müslischwein erkannte, dass es im Garten stand, rannte es schnell wieder rein. Als es dann merkte, dass es im Garten nicht gestorben war, rannte es wieder raus. Seither kennt es kein Halten mehr.

Vier Schweine, zwei große und zwei kleine, am Fuße eines Hochbeets auf der Wiese.

Die Lage | Eine ereignislose Woche – zumindest was Ereignisse angeht, die sich hier zur Niederschrift eignen.


Raumstation | KindDrei braucht leere Klorollen für die Schule. Gebaut werden soll: die ISS. Das ist unser Momentum. Wenn dieser Haushalt nämlich eins hat, dann sind es leere Klorollen. Als Stillleben zeugen sie auf den Fensterbänken unserer Sanitärräume vom Zyklus des Lebens, von Aufbruch und Abrollen, von Verdauung und Zerfall, vom Ende der Nützlichkeit, von Trägheit und Beharren. Bisweilen begeben sich die Rollen, aufgewirbelt vom Wind, auf eine Reise durchs Bad; die Brise trägt sie unter Waschbecken und in Wannen. Niemals aber in den Hausmüll.

Bedauerlicherweise wird mein Bemühen, dieser Gepflogenheit Herr zu werden, nun konterkariert: „Wenn wir die Klorollen immer sofort wegschmeißen würden, hätten wir jetzt keine. Gut, dass wir das nicht tun!“ Mir fehlen die Argumente.


Fragen | Was auch fehlt, sind gute Erklärungen. Die Kinder, interessiert am Weltgeschehen, fragen, was man sich so fragt in diesen Zeiten: Was ist rechts? Wann ist man zu sehr rechts? Ist links besser als rechts? Ist Trump so wie Putin? Wollen die Länder in Europa zusammenhalten? Wer sind unsere Freunde?

Es ist nicht einfach, Antworten zu geben, wenn sich die Kinder mit mehr Anstand um die Fragen dieser Welt bemühen als Staatsmänner.


A propos | Staatsmänner. Man braucht das nicht gendern.


Gelesen | Matthias Wittekindt: Die rote Jawa – Ein alter Fall von Kriminaldirektor a.D. Manz. Das Leitmotiv der Manz-Romane ist unaufgeregtes Erinnern: Der pensionierte Kommissar Manz reist anlässlich gegenwärtiger Ereignisse gedanklich in die Vergangenheit, diesmal in die DDR kurz vor Grenzschließung. Der junge Manz verbringt als 16-Jähriger einige Wochen im Mecklenburgischen, um ein Praktikum als Feuerwehrmann zu machen. Dort sterben zwei Menschen. Manz geht Ungereimtheiten nach. Mir gefiel die zeitliche Verortung der Geschichten: Ein Krimi in der DDR der 1960er Jahre, das hat man nicht oft. Mochte ich. Und den lakonischen Erzählstil Wittekindts mag ich auch.


Schweine | Marianne ist erstmals ausgerückt. Mit dem Pionierschwein als Leitschwein wagte sie sich in den Garten, erst zaghaft, dann in wildem Galopp. Seither kriegt sie nicht genug davon.

Müsli hingegen bleibt im Bau. Wie eine Sechsjährige auf dem Dreimeterbrett steht das Schwein in der Stalltür, sieht der Kameradin nach, sucht in seinem kleinen Körper nach Wagemut, betritt die Rampe, zaudert und wendet sich wieder zurück.

Die Szenerie in einem Bild: vorne wildes Abenteuer, hinten in der Stalltür das zaudernde Schwein, als wolle es hinaus. Will es auch, will es aber dann doch nicht.

Garten mit Rasen, darauf einige Häuser für Meerschweine. Vorne im Bild ein kleines und ein großes rennendes Meerschwein, in der Mitte der Dicke, wartend, im Hintergrund der Stall mit einem kleinen Meerschwein auf der Rampe.

Die Lage | Die nationale Lage ist gezeichnet von Leuten, die sich verabschieden, und von Leuten, die wieder auftauchen. Bei manchen freut man sich, dass sie gehen, bei anderen wünscht man sich, sie wären nie wiedergekommen.

Während ich das Bad putzte, hörte ich Herrn Professor Münkler bei seiner Analyse der Bundestagswahlen zu. Ich leihe mir an dieser Stelle die Worte Herrn Buddenbohms: „Herr Münkler ist ein gebildeter Mensch, der sehr viel von dem versteht, was er da beurteilt. Und er würdigt auf die denkbar angenehmste und niveauvollste Art einige Gestalten der aktuellen Politik wunderbar herab.“ Davon kann man nur lernen.

Parallel macht eine kleine Anfrage aus dem Bundestag die Runde: Die CDU/CSU diskreditiert darin zivilgesellschaftliche Institutionen, unter anderem das Recherchenetzwerk Correctiv, den journalistischen Verbund Netzwerk Recherche und den Verein Omas gegen Rechts und stellt in A*D-Manier 551 Fragen. Bin erstmal bei den Omas in den Verein eingetreten.

Die tagesschau vermeldet unterdessen: Experten erwarten ein zeckenreiches Jahr. Das könnte passieren angesichts der politischen Situation.


Broterwerb | Die Woche zeigt sich entspannt. Die Termine haben sich dezimiert, die Hälfte meiner Kundschaft liegt krank danieder, entschuldigt sich, verschiebt, leidet.


Natur | Der Nachbarchstorch macht, kaum dass er zurückgekehrt ist, ausdauernd Liebe mit seiner Saisondame. Wir sind schon ganz verschämt.


Angeschaut | Für den Freundeskreis Statistik: Defense Against Dishonest Charts. Eine interessante Einführung in manipulative Grafiken und wie man sie erkennt.

Gelesen | Für den Freundeskreis Russlandpolitik: Die EU-Energieimporte aus Russland übersteigen die Ukraine-Hilfen.

Gelesen | Für den Freundeskreis Kammerspiel: Country Place von Ann Petry, übersetzt von Pieke Biermann. Klatschsucht, Gier, Untreue, Judenhass, versuchter Mord und ein zurückkehrender Kriegsheimkehrer – die Afroamerikanerin Ann Petry skizziert in ihrem 1947 erschienenen Buch eine Kleinstadt in der Nachkriegszeit. Gerne gelesen.

Gelesen | Für den Freundeskreis der kritischen Nachfrage: Frau Novemberregen wird zur lästigen Bürgerin.


Schweine | Wir warten darauf, dass die kleinen Schweine wachsen. Möglicherweise wird das irgendwann über Nacht passieren. Wir unterstützen mit Gemüse.

Großes Schwein und kleines Schwein in der Stalltür

Wahl | Am Sonntagabend Hochrechnungen, am Montagmorgen amtliche Endergebnisse, eine erwartbare, aber wenig erfreuliche Angelegenheit. In unserem gesellschaftlichen Gleichgewicht hat sich etwas verschoben: In kleinen und großen Schritten sind Menschen nach rechts gegangen, bis sich die Bodenplatte unseres Zusammenhalts am Sonntag geneigt hat. Für viele von uns kommen nun Dinge ins Rutschen: für Menschen, die sich Fortschritt wünschen und um den gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen; für Menschen, die kein normkonservatives Lebensmodell pflegen und besonders für solche, die eine internationale Familiengeschichte haben.

Ich fühle mich ohnmächtig und wütend angesichts zwanzig Prozent Zustimmung für eine rechtsextreme Partei – und angesichts des Gedankens, nun vier Jahre lang von einem erzkonservativen und impulsgesteuerten Mann Ü70 regiert zu werden, der Mehrheiten mit Rechtsextremen forciert und der der Meinung ist, Menschen, die für Demokratie und Vielfalt demonstrieren, seien „Spinner“, die „nicht mehr alle Tassen im Schrank“ haben. Das wirkt auf mich wenig staatsmännisch beziehungsweiese: Das ist nicht der Staatsmann, von dem ich mich vertreten fühle.

Ich werde versuchen, die Dinge im Kleinen zu gestalten, hier in der Stadt. Nur so geht es.


Broterwerb | In der vergangenen Woche war ich in Berlin, um mit dem Leitungsteam einer Organisation zu arbeiten. Ich verbrachte drei Tage zwischen Karlshorst und Prenzlauer Berg, mit einem Abstecher nach Rummelsburg. Ich freue mich immer, in Berlin zu sein. Die Stadt ist nervenzehrend, gibt aber auch viel Energie.


Keine Lasagne |  An einem der Abende suchte ich in Berlin etwas zu essen und fand eine Straße, in der es zwei Lokalitäten gab: ein kneipenähnliches Etablissement und eine Lokalität mit „Sushi“ im Namen. Ich entschied mich für Sushi und hatte auch schon die Karte in der Hand, als ich bemerkte, dass es seltsam roch. Als ich genauer hinsah, waren die Tische auch arg schmuddelig, alles im Raum war fahrig. Fahrigkeit und roher Fisch schienen mir keine gute Kombination. Ich ging wieder. Das war mir einerseits unangenehm, da ich ja schon gesessen und die Karte in der Hand hatte, andererseits war es weniger schlimm als eine Lebensmittelvergiftung.

Ich ging ins Kneipenrestaurant. Allerdings war mein Gehirn noch auf Sushi. Als gerade die Kellnerin an meinen Tisch trat, trug eine andere einen Teller mit einer großen Berg Salat und plattem Zeugs vorbei. Das sah gut aus.

“Das sieht gut aus. Was ist das?“, fragte ich.

„Dit is Lasagne. Die gibts zu Mittach. Jetz gibts die nich mehr.“ Ich fand die Lasasagne sehr real, in meinem Leben gab es sie eindeutig. Die Kellnerin kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen, ihr Kiefer zuckte leicht. Ein Gesicht, in dem sich kein Möglichkeitsraum für eine Lasagne befand.

Ich nahm allen Mut zusammen und fragte nach: „Sie meinen: Für mich gibts es keine Lasagne.“
„Dit is wohl so.“
„Dann nehme ich einen Flammkuchen.“
„Jeht doch.“


Bemerknisse | Weitere Beobachtungen:

In meinem Hotelzimmer befand sich ein antikes Fundstück, eine Pressomatic Valet, ein Hosenbügler auf Rollen. Ich zog ihn aus dem Schrank, steckte den Stecker in die Steckdosen, spannte meine Hose ein und wartete hoffnungsvoll. Ich bin immer bereit, neue Geräte auszuprobieren, besonders solche, die mir das Leben erleichtern. Leider wurde die Pressomatic nur lauwarm. Nichts wurde glatt. Ich schob sie enttäuscht zurück in den Schrank.

Preessomatic Hosenbügler im Schrank im Hotelzimmer

Auf der Fensterbank des Tagungsraumes lagen den ganzen Tag lang Ballettschläppchen. Niemand holte sie ab – im Gegensatz zum Becher, der irgendwann verschwand. Ich fragte mich, wer die Schlappen vermisst, ob es ein Kind ist oder ob es eher seine Eltern sind.

Möglicherweise ist das Kind nicht traurig, sie verloren zu haben. Möglicherweise hat es sie absichtlich vergessen. Möglicherweise vermisst es sie ganz doll und kann nun nicht mehr Ballett tanzen. Möglicherweise sind es lediglich Schulschlappen, gekauft für den Turnunterricht, Rolle vorwärts, Rolle rückwärts, Strecksprung, Bocksprung und Radschlag – der ganze Horror des Schulsports; wer möchte da nicht seine Turnschlappen verlieren. Möglicherweise ist das Kind ein guter Turner, eine gute Turnerin: endlich kein Ballsport mehr, endlich Handstand, Schwebebalken, Sprungrolle.

Ballettschläppchen auf einer Fensterbank

Möglicherweise sind es auch gar nicht die Turnschlappen eines Kindes, sondern gehören einer kleinen Frau, einer talentierten Frau, die sich nach ihrem Training einen Kaffee trank, jemanden traf, ein Schwätzchen hielt und daraufhin ihre Schlappen vergaß.

In der Nähe der Turnschlappen: eine Popkornditorei. Ein Laden, in dem es nur Popkorn gibt – Tahiti-Vanille, Trüffel Fleur de Sel, Piemonteser Haselnuss – und eine Stadt, in dem so viele Menschen Popkorn kaufen, dass ein Laden davon existieren kann: Sowas gibt es nur in Berlin.

Auf dem Rückweg ereilte mich der BVG-Streik: Am Donnerstagmorgen standen die Busse, Trams und U-Bahnen still. Ich packte mein Popkorn in den Koffer und zerrte ihn zweieinhalb Kilometer zur nächsten S-Bahn-Haltestelle, eine vierspurige Straße entlang, vorbei an freudig angemalten Hochhäusern, über Eisplatten und Splitt-Streu. Das war wenig erbaulich, aber immerhin hatte ich einen Spaziergang, bevor ich vier Stunden im Zug saß. Der Kaffee am Bahnhof schmeckte danach auch sehr gut.

Daheim angekommen, war es plötzlich sehr warm. In Berlin war ich bei minus sechs Grad losgelaufen, in Haltern war es am Nachmittag locker fünfzehn Grad wärmer.


Frühlingsboten | Am Wochenende geschahen drei Dinge: Der Nachbarstorch kehrte aus dem Süden zurück. Ich sah viele Krokusse und eine erste Biene. Ich putzte mein Fahrrad inklusive Kranz und Kette; jetzt knirscht nichts mehr.


Schweine | Es stellt sich Eintracht ein.

Zwei große Meerschweine an der Futterschale, dazwischen zwei kleine Meerschweine.

Wenn ich es mir recht überlege, haben die kleinen Schweine genau die richtige Größe für eine moderate Storchenmahlzeit.

Leibesübung | Erste Schwimmeinheit in 2025, fluffige 1.500 Meter durchgekrault. Sehr gute Erfahrung. Am nächsten Tag hatte ich allerdings Muskelkater. Das ruft nach Wiederholung.


Broterwerb | Zeitmanagement-Workshop bei einem mittelständischen Kunden. Das Thema „Zeitmanagement“ geht einerseits in den Bereich der Arbeitsorganisation, andererseits spielen persönliche Aspekte eine große Rolle: sich gesund abgrenzen, Erwartungen steuern und den Mut und das Handwerkszeug haben, in einen Konflikt zu gehen. In diesem Fall kam beides zum Tragen – plus Austausch unter den Teilnehmer’nnen, die aus verschiedenen Regionen kamen und sich auch selbst viele Tipps geben konnten. Der Kunde war ums Eck. Ich musste nicht im Hotel übernachten. Es war ein ungewohntes Gefühl, zwischen zwei Tagen nach Hause zu kommen.

Zudem habe ich eine neue Beratungskundin, die ich dabei unterstütze, Veränderung in ihrer Organisation zu orchestrieren. Macht viel Freude.

Nächste Woche bin ich in Berlin, um die Entwicklung eines Führungsteams zu begleiten.


Demo für Demokratie | Unsere Stadt ist aufgestanden für Demokratie und Vielfalt: Am Freitagabend trafen sich Menschen auf dem Marktplatz, um ein Zeichen gegen Extremismus zu setzen. Ich war natürlich auch dabei. Unter den Redner’innen waren zwei Schülersprecherinnen von der örtlichen Realschule und dem Gymnasium. Beeindruckende, tolle Ansprachen, starke Worte! Solch junge Menschen machen mir viel Mut.

Plakat: Kinder gegen Rechts - Braun sind bei uns nur die vollen Windeln

Besuch bei der Tafel | Im Zuge meiner Bürgermeisterkandidatur besuche ich Institutionen in der Stadt. In der vergangenen Woche war ich bei der Halterner Tafel. Ich habe zwei Stunden mitgeholfen, Lebensmittel auszugeben. Das war auch gut, denn etwas selbst zu machen ist immer besser als es erzählt zu bekommen.

Dienstags und Donnerstags kommen je hundert Personen zur Tafel. Für vier Euro können sie Lebensmittel entsprechend der Haushaltsgröße mitnehmen. Hinter den zweihundert Menschen stehen sechshundert weitere, die die Tafel versorgt. Ich war für Salat, Frühlingszwiebeln und Möhren zuständig, und es waren an diesem Tag ausreichend Spenden vorhanden. Es braucht Übung, so auszugeben, dass am Ende alles Gemüse weg ist – es sind ja Frischwaren, die sich nicht von Donnerstag bis Dienstag halten – und gleichzeitig der/die Letzte auch noch etwas bekommt. Fremdsprachenkenntnisse sind hilfreich. Schon ein „Hallo“ oder ein „bitte sehr“ schaffen direkt Verbindung – wie überall.


Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Hi! Mich würde interessieren, wie Sie als mehrgewichtige Frau Ihre Ärzt_innen auswählen und wie Sie damit umgehen, falls Sie aufgrund des Gewichtes im medizinischen Kontext Ablehnung erfahren? Vielen Dank und liebe Grüße!“

Die Frage nach der Auswahl stellt sich nicht, denn als ich nach Haltern am See zog, gab es nur eine Hausarztpraxis, die noch Patienten aufnahm. Wir müssen also irgendwie miteinander klarkommen. Funktioniert das nicht, werde ich versuchen, in meine alte Hausarztpraxis nach Dortmund zurückzuwechseln, trotz der Fahrzeit. Die Praxis vermisse ich, denn die Ärzte dort waren super. Ich habe den Eindruck, dass Hausärzt’innen, die auch palliativmedizinisch tätig sind, deutlich zugetaner sind und differenzierter agieren.

Die Frage nach der Auswahl von Fachärztinnen und -ärzten stellt sich ebenfalls nicht. Wie ich jüngst berichtete, wähle ich auf Doctolib diejenigen Praxis aus, die überhaupt Neupatient’innen (GKV) aufnehmen und dann noch innerhalb der nächsten vier Monate Termine frei hat.

Im vergangenen Jahr war ich zwecks Hautkrebsscreening bei einem Hautarzt, zu dem ich nicht wieder hingehen werde. Es war eher ein Hautarztroboter, der während der Beschau nicht nur meine Muttermale kommentierte, sondern alles, was er an meinem Körper sah – im Ton einer Vorlese-App. Sowas möchte ich nicht. Zum nächsten Screening werde ich woanders hingehen, habe allerdings nicht die Erwartung, auf mehr Empathie zu treffen. In meinem Leben habe ich an verschiedenen Wohnorten bislang vier Dermatolog’innen besucht und alle vier waren – ich formuliere es neutral – in einem anderen kommunikativen und zwischenmenschlichen Modus als ich.

Grundsätzlich erlebe ich Gewichtsdiskriminierung so: Es gibt die angenehmen Ärzt‘innen, die sich auf meine Symptome konzentrieren und das Übergewicht einbeziehen, wenn es für die Diagnosestellung oder den Heilungsverlauf relevant ist. Das empfinde ich als professionell, das sollte auch so sein. Auf der anderen Seite sind die Ärzt’innen, bei denen das Gewicht die Wurzel allen Übels war, egal welche Sympome ich hatte. Stellvertretend sei die Dame genannt, die mir sagte: „Wenn Sie schlanker wären, wären Sie jetzt nicht erkältet.“ Oder: „Normalerweise würde ich Physiotherapie aufschreiben, aber Leute mit Ihrer Statur arbeiten sowieso nie mit.“ Der häufigste ungefragte Ratschlag ist – natürlich ohne vorherige Anamnese: „Kochen Sie auch mal selbst, am besten vollwertig“, gefolgt von „Bewegen Sie sich mehr.“ (ach was!) Mein Favorit ist: „Gehen Sie mal schwimmen oder fahren Sie Rad. Eine halbe Stunde bringt schon was.“ //*rofl

Mittlerweile setze ich nicht mehr zur Gegenrede an, sondern bedanke mich freundlich für den Gedankenanstoß. Alles andere bringt meiner Erfahrung nach nichts, sondern erzeugt nur mehr Überzeugungswillen beim Arzt.


Schweine | Wir haben das Dramaschwein begraben. Es war so freundlich und hat auf der kalten Terrasse vier Tage lang Haltung bewahrt, bis alle Kinder wieder bei uns waren, bis sie Schule und Fußballtraining beendet hatten und wir in Ruhe die Beisetzung vollziehen konnten.

Nun ruht das Tier neben dem Stall seiner Freunde, mit Grabstein und Kerze.

Es sind zwei neue Schweine eingezogen, zwei Schwestern, sieben Wochen alt. Wir haben sie Müsli und Marianne getauft. Das Pionierschwein und der Dicke waren irritiert bis genervt von den neuen Mitbewohnerinnen, die Heu und Paprika wegfressen. Inzwischen hat sich aber etwas Entspannung eingestellt. Foto erstmal nur von oben:

Die Tiere wachsen noch.

Schweine | Die aktuelle Schweinesituation diesmal ausnahmsweise am Anfang des Eintrags: Das Dramaschwein ist gestorben.

Nachdem ich es vergangenen Montag der Tierärztin vorgestellt hatte, wurde es immer matter und teilnahmsloser. Zum Ende der Woche fraß es nicht mehr. Wir fütterten es mit Möhrenbrei. Aber es nahm weiter ab. Ich fuhr noch einmal zur Tierärztin. Sie meinte, das Schwein vertrage das gegebene Antibiotikum nicht. Sie gab zwei Spritzen – eine gegen Schmerzen, eine für die Verdauung – und packte mir Päppelbrei und Spritzen in eine Tüte. Die Schweine zogen kurzfristig ins Haus; kranke Tiere können schlecht ihre Körpertemperatur halten.

Am Samstagmorgen fraß das Schwein. Doch es war nur ein kurzes Hoch. Danach verweigerte es die Nahrung. Wir päppelten es mit Heubrei aus der Spritze. Aber es wurde eine Qual für alle.

Am Sonntagabend entschied ich, es sein zu lassen. Ich legte mich aufs Sofa und nahm das kleine Schwein auf meinen Bauch. Nach zwanzig Minuten entspannte es sich und legte seinen Kopf ab. Nach weiteren 20 Minuten war es, als hätte jemand die Luft aus dem Tier gelassen: Alle Spannung wich aus dem Körper. Ganz dünn lag es da und atmete nur noch flach, während ich es warm hielt. Ab und zu krampfte und seufzte es, war ansonsten aber vollkommen entspannt. Nach zwei Stunden starb das kleine Schwein auf meinem Bauch.

Danke für alles, Dramaschwein. Es war schön mit Dir!

Dramaschwein in vollem Leben, Gras im Maul.

Nach der Sterbebegleitung traf mich unerwartet, wie heftig ich um dieses Schwein weinen musste.


Die übrige Lage | Vergleichsweise mäßige Termindichte, das ist schön. Ich kann mich auf Beratungs- und Coachingkunden fokussieren, in guter Ruhe einen Seminarworkshop zum Zeitmanagement geben und einen kommenden Aufenthalt in Berlin vorbereiten. Derzeit habe ich auch Termine für die Bürgermeisterkandidatur: Ich besuche Vereine und Institutionen hier im Ort. Unter anderem war ich schon beim ADFC in Haltern am See zu Gast, der örtlichen Gruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs. Der Zeitungsbericht dazu ist hinter einer Paywall. Executive Summary: Ich werde im Falle eines Wahlsiegs den Ausbau der Radinfrastruktur mit mehr Energie vorantreiben, als es der aktuelle Amtsinhaber tut. Ich fahre selbst viel Rad hier, es gibt tolle Freizeitrouten, aber auf Alltagswegen ist Luft nach oben. Natürlich gibt es Hemmnisse: Kreis- und Landesstraßen liegen nicht in der Gestaltungsmacht der Kommune. Dennoch bleibt genug Potential fürs Handeln – wenn man nur will: durch Verkehrsberuhigung, Ausgestaltung kommunaler Straßen, Fahrradbus-Angebote für Kinder auf dem Schulweg und Erleichterungen für Radfahrer wie Fußstützen an Ampeln.


Neue Hardware | Ich habe ein neues Telefonino. Ein iPhone 16 Pro hat mein sechs Jahre altes iPhone XR abgelöst. Die Migration vom alten aufs neue Gerät verlief problemlos. Ich ließ das alte Gerät noch einige Tage im Dienst, bis ich mir sicher war, dass alles soweit passt. Dann löschte ich es, um es – der traditionellen Erbfolge entsprechend – meinem Vater zu vermachen. Kurz nach dem Löschen, es waren keine zwei Stunden vergangen, wollte ich Onlinebanking machen und stellte fest: Keine der TAN-Apps kannte mich. Überall sollte ich mich neu verifzieren. Ich war stinksauer auf die Welt, das Bankenwesen, auf das Konzept der IT-Sicherheit und über meine eigene Doofheit, das Banking mit dem neuen Telefonino nicht getestet zu haben. Also alle Banken kontaktiert, Aktivierungscodes zugeschickt bekommen und schon nach einer Woche (mit zusammengebissenen Zähnen geschrieben) war ich wieder arbeitsfähig. So ein Driss.


Gelesen | Eligible von Curtis Sittenfeld. Eine wunderbar belanglose Geschichte – im besten Sinne. Liz und ihre Schwester Jane sind kurzfristig wieder bei ihren Eltern eingezogen, nachdem ihr Vater einen Herzinfarkt erlitten hat. Sofort geraten sie in die Fänge familiärer Erwartungen: Die Mutter wird nicht müde, Heirat und Kinder einzufordern und ihre Töchter zu verkuppeln. Die Dinge entwickeln sich zunächst auch ganz in ihrem Sinne. Bestes Bunte-Niveau, gerne gelesen.

Gelesen | Die Mitternachtsbibliothek von Matt Haig, aus dem Englischen von Sabine Hübner. Ein Buch wie eine Traumschiff-Folge: Schon nach der ersten Viertelstunde weiß man, wie es endet. Am Ende kommt noch ein netter Twist. Insgesamt aber dünn.

Gehört | Zug um Zug von Daniel Glattauer. Zwei unsagbar unsympathische Protagonist‘innen treffen auf einer Zugfahrt aufeinander und halten ein Buch lang einen Dialog. Ich hielt durch, in der Hoffnung auf eine Pointe. Kam dann auch, war aber recht müde. Im Audible-Abo okay. Es gibt deutlich bessere Glattauer.

Gehört | Das Fest von Lucy Fricke. Filmregisseur Jakob wird 50. Er ist arbeitslos, seine Karriere ist vorbei, seien letzte Beziehung zehn Jahre her und auch sonst ist die Stimmung trüb. Seine Freundin Ellen schickt ihn auf eine Reise durch die Vergangenheit. Die Geschichte ähnelt stark Munk von Jan Weiler; ich meinte mich zwischendurch im anderen Buch zu befinden. Auch hier: im Audible-Abo okay. Auf Autofahrten brauche ich nicht Brecht, Benn oder Bachmann.

Gelesen | Kinder – Minderheit ohne Schutz von Aladin El-Mafaalani, Sebastian Kurtenbach und Klaus Peter Strohmeier. In Deutschland feierten 2024 dopelt so viele Menschen ihren 60. Geburtstag wie Kinder eine Einschulung. Es wird ein nie dagewesener demographischer Wandel auf uns mit Folgen für alle Lebensbereiche auf uns zukommen. Die drei Autoren skizzieren diesen Wandel und wie man mit ihm umgehen müsste. Denn klar ist: Die Kinder und Jugendlichen, die jetzt in den Schulen sind, werden den Laden am Laufen halten, wenn die Baby Boomer hochaltrig und pflegebedürftig sind. Gleichzeitig setzt sich heute de facto niemand für sie ein, weil sie eine viel zu kleine Gruppe und politisch irrelevant sind – im übrigen auch inklusive ihrer Eltern: Eltern und Kinder zusammen machen nicht annähernd die Übermacht der Generation 60plus wett. Das ist kein Vorwurf an die Älteren, sondern schlichte Mathemaik, aus der sich allerdings politische Agenden ergeben. Ein unglaublich wichtiges Buch, das mich einerseits desillusioniert zurückgelassen hat und mir andererseits Ideen gegeben hat.


Und sonst | Ich habe leckere Krümel fürs Brot geschenkt bekommen. Ich war Opfer einer Instagram-Werbung, habe meinen Weihnachtsstern gepimpt und ihm einen Saison-unabhängigen Lampenschirm verpasst. Ich war Sushi essen. Es war Tischabend im Serviceclub (ohne Bild), ein gutes Beisammensein bei gutem Essen. Ich habe einen wunderbaren Tag mit Freundinnen in der Sauna verbracht (auch kein Bild).


Schweine | Wir bemühen uns um ein Nachfolgeschwein, vielleicht auch zwei. Der limitierende Faktor ist aktuell unser Zeitbudget: Schweine abholen, Schweine vergesellschaften, die Züchterin/Notstation ist auch berufstätig und kann nicht, wenn wir können … Es wird sich finden.

Musik | Zwei Konzertbesuche an einem Wochenende: Am Samstag Jan Böhmermann und das Rundfunktanzorchester Ehrenfeld in Essen, am Sonntag die Dropkick Murphys in Düsseldorf. Beides feine Kapellen. Ich hatte Freude.

Ohrwurm: Warum hört der Fahrradweg einfach auf?


Broterwerb | Zwei Tage beim Kunden – am ersten Tag Arbeiten auf der Fläche gemeinsam mit den internen Kolleg’innen, am zweiten Tag Workshop mit dem Kunden und dem Kunden des Kunden. Arbeit mit Coachees in verschiedenen Führungspositionen. Roadmap-Planung für 2025 bei einem weiteren Kunden. Vorbereitung von zwei Trainingstagen für Mitarbeitende bei einem Mittelständler.


Nebenprojekt | Ende 2024 hatte ich mir vorgenommen, ein paar gesundheitliche Themen abzuarbeiten. Nichts Bedrohliches, aber ich bin ja nun keine Vierzig mehr, und in den vergangenen Jahren haben sich Phänomene eingestellt, die seltsamerweise nicht von alleine wieder verschwinden. Auf die Langstrecke gesehen – wenn man sich nicht kümmert, wird es womöglich nur schlimmer – wollte ich einige Angelegenheiten mal anschauen lassen. Also habe ich im Oktober und November Termine bei zwei bis drei Fachärzten gemacht. Dieses „Termine machen bei Fachärzten“ sah so aus, dass ich auf Doctolib geguckt habe, wer in meiner Nähe ist. Alle Ärzte und Ärztinnen in meiner Nähe hatten erst Termine in sieben bis neun Monaten frei. Daraufhin erweiterte ich meinen Radius und bekam Optionen in zwei bis drei Monaten.

Diese Termine absolvierte ich in den vergangenen Wochen – mit dem Ergebnis, dass ich ziemlich viel durch die Gegend fuhr. Unter anderem bis nach Düsseldorf, was an einem üblichen Morgen zwei Stunden dauert. Die Praxis war mir ausdrücklich empfohlen worden, und sie folgte ihrem Ruf: Die Menschen dort waren sowohl menschlich zugetan als auch medizinisch gründlich. So gründlich, dass ich sie nach zwei Wochen noch ein zweites Mal besuchte. Eine gute Sache, aber auch eine Unternehmung, die viel Zeit in Anspruch nimmt.


Bürgermeisterkandidatur | Parallel zu Broterwerb und Gesundheitsmanagement habe ich Zeit in meine Bürgermeisterkandidatur investiert. Termine mit Menschen hier in Haltern, Social Media und ein Webinar zum Thema „Kommunal bauen und planen“. Es ist sehr interessant zu verstehen, welche Akteure, welche Bedürfnisse und welche Denk- und Handlungslogiken es gibt. Ich bin erst am Anfang, aber es formen sich in meinem Kopf sehr konkrete Themen fürs Wahlprogramm. Stay tuned!


Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Wie haben Sie es erlebt, dass Sie als erste Person in Ihrer Familie Abitur gemacht und studiert haben (und dann auch noch Fächer, deren praktischer Nutzen sich nicht jedem sofort erschließt). Mussten Sie sich häufig rechtfertigen, oder wurden Sie unterstützt?“

Meine Eltern haben mich immer unterstützt und jede meiner Hausarbeiten gelesen – auch wenn sich das Thema totlangweilig war. Denn mal ehrlich: Die Geschichte des Genitiv im Italienischen! Wer darüber freiwillig fünfzehn Seiten liest, muss seine Tochter schon ziemlich lieben.

Nichtsdestotrotz gab es etliche Bremsklötze, die mir allerdings erst im Nachhinein bewusst sind. Der größte Klotz: Ich wusste vieles nicht. Und ich konnte mich auch nicht schlau machen, denn weil ich nicht wusste, was ich nicht wusste, konnte ich auch nicht danach fragen. Zum Beispiel wusste ich anfangs nicht, dass es Studien- und Prüfungsordnungen gibt und wie sie zusammenspielen. Im Nachhinein hört sich das absurd an. Aber ich dachte, man müsse halt die Dinge belegen, die im Vorlesungsverzeichnis stehen; in der Schule hatte ich ja auch nie etwas mit dem Entstehen des Curriculums zu tun gehabt. Das Nichtwissen führte dazu, dass ich schon im ersten Semester ein Drittel meiner studienbegleitenden Zwischenprüfung absolvierte – was eigentlich erst später vorgesehen war und was für zartes Entsetzen sorgte, als ich den Schein abholte. Aber die Note war gut, und so war es dann.

Ein weiteres Beispiel sind Stipendien. Es gibt Unmengen an Stipendien und sicherlich wäre auch eine Möglichkeit für mich dabei gewesen. Allerdings fehlte mir das Wissen darum – und selbst, wenn ich von Stipendien gewusste hätte, wäre es nicht in meinem gedanklichen Möglichkeitsraum, dass ich solch einer Zuwendung würdig gewesen wäre. In meiner Welt bekam man nicht einfach so Geld, sondern musste dafür etwas leisten; nur ausreichend klug zu sein, war in meiner Welt keine Leistung. Das Stipendiensystem verstand ich erst, als ich bereits wissenschaftliche Mitarbeiterin war und sah, mit welcher Selbstverständlichkeit Studierende aus akademischen Milieus sich um Förderungen bewerben und sie auch bekommen. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Zu diesem offensichtlichen Dingen kam noch anderes, kleineres Unwissen über den akademischen Alltag. Ich brauchte das halbe Studium, um zu begreifen, was es heißt zu studieren – und eine Dissertation, um wirklich zu verstehen, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet. Rückblickend würde ich heute eine kleinere Uni wählen, in der es persönlichere Betreuung gibt. Die hätte einen Teil meiner Naivität sicherlich besser aufgefangen als eine Massenuni, an der es damals noch nicht einmal eine Einführungswoche gab.

Vor meinen Eltern musste ich mich niemals rechtfertigen, was das Studium anging. Doch das erweiterte Umfeld verstand nicht recht, was ich tat. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich gefragt wurde, wozu es denn gut sei, was ich lerne und ob ich nicht wenigstens Lehrerin werden wolle – da wisse man, worauf es hinauslaufe, ich könne Beamtin werden und so ein Halbtagsjob sei doch für eine Frau die beste Option. Während ich das wieder und wieder gefragt wurde, gewann ich an der Uni immer mehr Freude an der Bildung um der Bildung willen, ja, sogar an der Entstehung des Genitivs im Italienischen oder der Lichtsymbolik in Dantes Göttlicher Kommödie, weil ich plötzlich verstand, wie verwoben historische und kulturelle Entwicklungen sind, weil ich sah, wie viel ich nicht wusste und wie viel es zu entdecken gab.

Eine Szene ist mir sehr im Gedächtnis geblieben. Sie datiert sich vor meinen Studienbeginn, der Rahmen: eine Familienfeier. Ich muss etwa in der zehnten Klasse gewesen sein und es wurde darüber gesprochen, was aus mir einmal werden könne. Man sprach über dies und das und meinte, dass „Zahnarzthelferin“ etwas für mich sei. Ich sagte: „Wenn schon, dann werde ich Zahnärztin.“ Die Runde verstummte. Dann brach sie in Gelächter aus. Ich wolle wohl hoch hinaus! Hört, hört, sie hält sich für etwas Besseres! Ich frage mich, warum es mich – außer, dass ich es immer noch erinnere – nicht beeinflusst hat. Wahrscheinlich lag es an meinen Eltern, die mir das Gefühl gaben: Egal ob Ausbildung oder Studium, beides ist ein folgerichtiger Weg nach Schule.

Heute sehe ich meinen Lebenslauf als Geschenk. Denn ich profitiere davon, dass ich mich durchbeißen musste, dass ich neben dem Studium viel gearbeitet habe und deshalb schon frühzeitig in berufsnahe Tätigkeiten reinrückte. Auch profitiere ich davon, in beide Welten hineingewachsen zu sein: der akademischen und der nicht-akademischen. Es hilft mir bei der Arbeit in Unternehmen, verschiedene Perspektiven einzunehmen und die unterschiedlichen Tonarten zu treffen.

Aktuell gibt es keine weiteren Fragen. Schreiben Sie gerne welche auf.


Gelesen |  Warum die Welt nach rechts rückt [€]. Hervorragende Analyse von Johannes Böhme. Er hat Politische Theorie und Ideengeschichte in Cambridge, Maastricht und Berkeley studiert und analysiert ausführlich und in bestechender Klarheit gesellschaftliche Dynamiken. Dabei erkärt er auch, warum Menschen rechts(radikal) wählen, obwohl es ihnen persönlich zum Nachteil gereicht:

Er [der Philosoph und Biologe Patrick Forbes] hat dabei herausgefunden, dass dies meistens im Kampf um sozialen Status passiert. Wenn sich der Wettkampf um Plätze in der sozialen Hierarchie intensiviert, versuchen die Zurückgelassenen anderen zu schaden, um ihren Platz in der Rangordnung wiederherzustellen.

Man findet diese Logik sehr explizit bei den Anhängern rechter Parteien wieder, die sehr wohl ahnen, dass sie wirtschaftlich leiden könnten, wenn ihr Land zum Beispiel die EU verlässt oder hohe Zölle einführt. Aber sie gehen auch davon aus, dass andere Gruppen noch stärker darunter leiden werden als sie. Dass die Gesellschaft als Ganze vielleicht etwas ärmer werden wird – aber dass ihr eigener sozialer Status in der neuen Ordnung höher sein wird als vorher.

Gehört | Munk von Jan Weiler, gelesen vom Autor. Ich mag Jan Weilers lakonische Erzählweise – wie er mit präziser Sprache seine Charaktere entwirft, ohne sich mit ihnen gemein zu machen. Das Buch erzählt die Liebesbiographie eines Mannes: Peter Munk, ein Mann in seinen besten Jahren, wenngleich von einem Herzinfarkt aus der Bahn geworfen, geht gedanklich die Frauen durch, die er mal geliebt hat und erzählt damit vor allem über sich selbst. Nicht das beste Jan-Weiler-Buch, aber als Hörbuch hinreichend unterhaltsam für Autofahrten und Hausarbeiten.

Gelesen | L’età di Merkel, Die Ära Merkel, von Paolo Valentino, Journalist des Corriere della Sera und ehemaliger Berlin-Korrespondent der Zeitung. Um über das eigene Land zu lernen, ist es mitunter ratsam, einen Schritt zurückzutreten und die Ereignisse von außen zu betrachten. Unter diesem Gesichtspunkt hatte ich mir das Buch in einem kleinen, italienischen Laden in Berlin gekauft. Eine interessante Lektüre, wenn auch mit einigen Längen in der Mitte, wo es um Details der Europapolitik der 1990er und 2000er-Jahre geht. Die habe ich überblättert. Valentino beschreibt Merkel als eine Frau, die einerseits wie keine andere die Geschicke Deutschlands und Europa beeinflusst hat – andererseits als einen Menschen, der auch immer aus der eigenen Sozialisierung heraus agiert hat.


Schweine | Raus aus dem üblichen Trott. Es gab Handlungsbedarf: Das Dramaschwein musste zur Tierärztin.

Vor zwei Jahren war es schon einmal dort: Als es gerade bei uns eingezogen war, bekam es eine Stressglatze. Der Umzug, die neue Umgebung, alles zu viel. Der Besuch kostete das Vierfache des Schweins. Wir mussten es über zwei Wochen betupfen. Es genas vollständig.

Nun humpelt es. Erste Herausforderung: Das Schwein einfangen. Es ist zwar dümmer als ich, aber es ist auch ein schlüpfriges Schwein. Als es schließlich in der Transportbox saß, hatten wir beide schlechte Laune.

Die Tierärztin begrüßte uns, und als sie sagte, dass das Schwein ja vor zwei Jahren schon einmal bei ihr gewesen sei, meinte ich, einen leicht vorwurfsvollen Unterton herauszuhören. Ich fühlte mich, als würde ich das Schwein täglich prügeln. Aber ich sagte nur: „Es ist ein dramatisches Schwein.“

Schwein in Transportbox beim Tierarzt

Die Tierärztin betastete es, wog es, drehte und drückte es. Das Schwein war nicht einmal mehr panisch. Es hatte sich vollends aufgegeben und war bereit, vor das Angesicht des Allmächtigen zu treten. „Es hat Harnsteine und ein Ballengeschwür“, sagte die Ärztin. Ich fragte, was ich tun könne, ob ich etwas anders machen solle und warum nur dieses Schwein und nicht auch die anderen. Wir klärten Ernährung und Haltungsbedingungen ab, aber offenbar liegt keine Fehlbehandlung vor. „Manche Schweine haben eine Veranlagung dazu, ist halt so“, sagte die Ärztin. Das Tier ist nun ein offiziell diagnostiziertes Dramaschwein und muss fortan engmaschig beobachtet werden. Ich habe es noch im selben Moment umgetauft in Geldgrab.

Geldgrab kriegt jetzt täglich drei Medikamente – bis zur Wiedervorstellung bei der Tierärztin in eineinhalb Wochen. Mithilfe von Spritzen schiebe ich Säfte ins Schwein. Es hasst mich schon jetzt.

Fläschchen und Packungen, daneben drei Spritzen

Den anderen Schweinen geht es gut. Sie sind kräftige Landschweine, denen nur ein bisschen langweilig ist ohne Löwenzahn und Blumenwiese. Als Ausgleich bekommen sie ab und zu eine Knabberkugel.

Mülltonne | Es ist früher, dunkler Morgen. Mein Bewusstsein befindet sich in einem wohligen Zwischenzustand. Ins Erwachen mischen sich Fetzen von Traum; ein sanftes Delir, wohl umflauscht von einem warmen Federbett. Bis ich das Geräusch höre. Brummen. Klappern. Brummen. Erneutes Klappern. Der Müllwagen!

Wo ist die Tonne? Hinterm Haus! Und wo wird sie abgeholt? Vor dem Haus. Weit vor dem Haus, vorne an der Straße.

Ich: raus aus dem Bett. Hose? Zu wenig Zeit. Bademantel! Raus auf die Straße. Hui, glatt. Und: minus fünf Dioptrin. Schlechte Kombination. Wieder rein. Brille. Wieder raus. In der Straße schon zu sehen: die Schweinwerfer des Müllwagens. Klappern. Brummen. Sehr nah! Wieder Klappern. Unmittelbar! Direkt beim Nachbar.

Ich zerre die Tonne hinter dem Haus vor. Renne in Schlappen zur Straße. Wehender Bademantel. Schlafhaare, Knautschgesicht. Motorbrummen. Ich schlittere auf die Straße. Ein geschmeidiger Schwung. Tonne positioniert! Der Müllwagen nimmt sie auf.

YES!! Becker-Säge.


Broterwerb | In Köln gewesen und drei Tage Seminarworkshop gegeben: ein kurzer Einblick in verschiedene Formen agilen und nutzerzentrierten Arbeitens – Kanban, Scrum und Design Thinking. All das kann man natürlich nicht in drei Tagen erklären. Im Überblick zeigt sich allerdings gut die Haltung, die hinter den Arbeitsweisen steckt: keine Über- und keine Unterforderung der Menschen, guter Arbeitsfluss, Arbeiten in Iterationen (Arbeitszyklen), schnell Werthaltiges ausliefern, Prototypen bauen, schnell scheitern – oder das Erfolgreiche nehmen und damit weiterarbeiten. Die Teilnehmer’innen waren allesamt Berufsanfänger’innen; das Seminar soll Neugier wecken und ihnen Anlass geben, die Methoden zu gegebener Zeit zu vertiefen.

Rückfahrt mit dem Zug: vier Stunden für 120 Kilometer. Sprechen wir nicht darüber, Sie können das auf Mastodon nachlesen. Meine einzige Freude war die Modelleisenbahn im Bahnhof Duisburg.

Modelleisenbahn in einem Schaukasten im Bahnhof Duisburg. Im Hintergrund, sich spiegelnd, die Fotografin.

Nebentätigkeiten | ifo-Geschäftsklimaindex ausgefüllt. Dort mache ich jeden Monat mit, damit auch Einzelunternehmer’innen in der Erhebung abgebildet sind. Außerdem VG Wort gemeldet. Ein bisschen was kommt dabei ja immer rum.


Bürgermeisterkandidatur | Neujahrsempfang der Stadt Haltern am See – eine schöne Veranstaltung mit Ensembles der Musikschule. Jeder kann dort hingehen. In der Mehrheit kommen verschiedene Akteurinnen und Akteuren der Stadt.

Im Bild mit mir: die Vorsitzenden der Ortsverbände von Grünen und SPD.

Außerdem war ich auf einer Veranstaltung des Regionalverbands Ruhr (RVR) zur Windenergie. Der RVR hat als Konsequenz des „Wind-an-Land“-Gesetzes seinen Regionalplan überarbeitet. Der Regionalplan legt fest, was auf den Flächen in der Region passiert, also: wo gebaut werden darf, wo sich Gewerbe ansiedeln darf, wo auch zukünftig Wald oder Wasser sein sollen, wo Verkehrswege vorgesehen sind, wo Artenschutz Vorrang hat, wo sich Militäranlagen befinden und wo Platz für weitere Infrastruktur ist, zum Beispiel Energieleitungen. Spezielle Bereiche, auf denen Windenergie gewonnen werden kann, waren bislang nicht vorgesehen. Windkraftanlagen wurden überall dort errichtet, wo sie genehmigt werden konnten. Die Genehmigungsverfahren waren oft lang. Das ändert sich nun. Der RVR hat nach transparenten Kriterien Bereiche festgelegt, die zukünftig für die Gewinnung von Windenenergie vorgesehen sind. Das wird helfen, schneller Windkraftanlagen zu bauen, weil ein Teil dessen, was für die Genehmigung einer solchen Anlage notwendig ist, schon grundsätzlich geprüft wurde. Gleichzeitig helfen die Windenergiebereiche, den Bau von Anlagen stärker regional zu steuern. Denn mit den Bereichen steht fest: Hier kann gebaut werden, woanders nicht. Die Änderung im Regionalplan muss allerdings erst rechtskräftig werden; bis dahin sind noch einige Schritte zu gehen. Bis Anfang März läuft nun erstmal das Beteiligungsverfahren: Jeder, der Einwände gegen die Bereiche hat, die der RVR erarbeitet hat, kann Stellung nehmen.


Leser:innenfrage | Eine Frage aus der unverbindlichen Themen-Vorschlagsliste: „Wie gehen die Bonuskinder mit der „öffentlichen Situation“ um? Also sprich:

  • dass sie ab und an im Blog vorkommen – natürlich nur unkenntlich oder mit wenigen Zitaten. Autorisieren sie die Geschichten, Erwähnungen, Fotos von Füßen auf Pedalen?
  • dass ein nicht unerheblicher Teil des Lebens ihrer Bonus-Mutter/ Reisebegleiter-Lebensgefährtin für viele ihnen unbekannte Menschen nachlesbar ist? Nervt es, spielt es keine Rolle, amüsiert es?“

Es ist interessant, dass Sie das so wahrnehmen. Meine Perspektive ist, dass ein erheblicher Teil meines Lebens nicht nachlesbar ist. Das können Sie als Leser’innen nicht wissen. Denn von dem, was ich Sie nicht sehen lasse, wissen Sie ja nicht, dass es da ist. Ich kann aber versichern: 95 Prozent meines Lebens, alles Erhebliche, findet nicht hier statt.

Mit „alles Erhebliche“ meine ich vor allem das Private: Ereignisse in meinem Leben, im Leben des Reiseleiters, im Leben meiner Freunde, meiner Eltern und Schwiegereltern, der Kinder, im Leben anderer Verwandter und Bekannter – und im Beziehungsgeflecht zwischen all diesen Menschen. In meinem Real Life gibt es viele, sehr viele Dinge, die mich intensiv beschäftigen, die mich emotional aufwühlen, die mich zeitlich binden, die mir wichtig sind – und die hier mit keiner Silbe auftauchen. Zu diesen privaten Dingen kommt all das, was mich gemeinsam mit meinen Kunden bewegt: die konkreten Projekte, die speziellen Konstellationen im Projekt und alles Menschelnde in meinen Aufträgen. Das ist ebenfalls intensiv, findet sich hier aber, wenn überhaupt, nur ausschnittsweise und auf einer sehr allgemeinen Ebene.

Auf die Frage hin habe ich nachgeschaut, wann die Kinder zuletzt im Blog vorkamen: Kurz vor Weihnachten mit ihren Händen, als wir Dubai-Schokolade machten – mit einem bewusst auf den Herstellungsablauf beschränkten Bericht. Darüber hinaus tauchten in den vergangenen sechs Monaten viermal die Ergebnisse kindlicher Anwesenheit auf: in Gestalt einer Schneefamilie und eines Tipis, zwei Monate davor gab es die Erwähnung eines Fußballspiels, vor fünf Monaten den Besuch eines Konzertes. In solchen Fällen läuft es dann so ab: Die Kinder sehen, dass ich ein Foto mache. Sie möchten es angucken („Zeig mal!“) und fragen, ob ich das Bild für Instagram nutze – und geben ihr Einverständnis oder nicht. Wenn nicht, wird das Bild gelöscht. Ich filtere, der Reiseleiter liest ebenfalls auf allen Kanälen mit. Ins Blog schauen die Kinder kaum; es interessiert sie (bislang) nicht. Mein Instagram ist interessanter. Das schauen sie sich regelmäßig auf einem der Erwachsenen-Handys an, und das finden sie spannend, speziell wenn ihre Lebenswelt abgebildet ist (Orte oder Ereignisse, die sie kennen) oder wenn ich unterwegs war.


Gesehen | Während ich auf einem Hometrainer durch mein Arbeitszimmer ruderte, sah ich Mein härtestes Rennen · Zugspitz Ultratrail. Bergfreundin Cathi Schauer lief 106 Kilometer und mehr als 5.000 Höhenmeter um das Zugspitz-Massiv – in 22 Stunden. Und ist auch noch fröhlich dabei! Irre. Ich würde ja mehrere Tage brauchen und zwischendurch schlafen wollen.

Gehört | Demenz – wenn ein geliebter Mensch einfach verschwindet. Ein aufschlussreiches Interview mit Friederike, deren Mann mit Mitte 50 an Demenz erkrankte und die schonungslos davon erzählt.

Gelesen | Konservatismus am Kipppunkt. Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl schreibt über radikalisierten Konservatismus, wie wir ihn in den USA, Großbritannien und in Österreich finden – und in Teilen in der CDU/CSU. Strobl stellt die fünf Strategien der radikal Konservativen vor.

Fünftens wird der Emotions- und Erregungspegel immer auf Anschlag gehalten. Radikalisiert konservative Parteien befinden sich im permanenten Wahlkampf. Es geht immer darum, die nächsten 24 Stunden medial zu gewinnen. So werden Aufreger und Schlagzeilen am Fließband produziert, ganz gleich, ob sie Substanz haben oder nicht.

Faule Bürgergeldempfänger, kriminelle Ausländer, betrügende Sozialschmarotzer (alle Nationalitäten), Dunkelflaute, Reichweitenangst, Wärmenpumpenzwang, Register für psychisch Erkrankte, Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Blaumachen und Lohnstreichung am ersten Krankheitstag, Grenzen dicht machen … Es ergibt ein Muster, nicht wahr?

So entsteht sechstens eine Parallelwelt. Die inszenierte und behauptete Realität hat immer weniger mit einer faktischen Realität gemeinsam.


Schweine | Versteckschweine.



In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen