Wenn ich irgendwann mal eine Frage an das Leben habe, die ich nicht selbst beantworten kann, werde ich zum magischen Telefon greifen und den Bürgermeister von Quattro Castella anrufen. Denn der Mann weiß einfach alles.
Er hat Eisregen prophezeit, und es kam: Eisregen.
Als ich heute Morgen die Vorhänge öffnete, regnete es verdächtig laut – als wenn Hagel auf gefrorenen Schnee fällt. Und so war’s auch. Der ganze Norden Italiens lag lahm: Genua, La Spezia, die Autostrada A1 von Mailand bis Florenz und die Straßen aus der Emilia Romagna an die Adria, nach Ravenna und Ancona (Berichterstattung: Corriere della Sera und Quotidiano). Nichts ging mehr: Unfälle, quer stehende Lkw, alles eine großes Chaos, zwei Tote, etliche Verletzte, gesperrte Autobahnen.
Ich schlappte rüber zu S und M, wir tranken Kaffee, blätterten in Ss Vogelbestimmungsbuch und bestimmten erstmal die Vögel im Garten. Davon gab’s nämlich heute Morgen besonders viele. M war außerdem sauer auf die Rehe, denn sie sind gestern bis an ihr Küchenfenster gelaufen und haben ihre Veilchen weggefressen.
Es gibt nichts, was man bei Eisregen tun kann – außer warten. Also wartete ich. Zur bildlichen Untermalung: die Türklingel des Hauses. Sie gibt sehr gut den Humor der Hausherren wieder.
Gegen 11 Uhr kam das Postauto, und der Postbote meinte, es ginge inzwischen ganz gut auf den Straßen, so schlimm sei es nicht mehr. S und ich beschlossen, eine Probetour zu machen: Er meinte, er habe Aufträge von seiner Frau bekommen, da könne ich mitkommen und schauen, wie es so sei, und mir Verpflegung für die Fahrt kaufen. Außerdem fanden wir, sei es eine gute Gelegenheit, noch auf dem Weingut Rinaldini vorbeizufahren, und ein wenig Moro del Moro in den Kofferraum zu laden. So tourten wir durch die Nachbarschaft, es regnete zwar bei -1 Grad, war aber wundersamerweise nicht glatt, und ich habe jetzt drei Kisten 2009er Barrique-gereiften Rotwein für ein kleines Vermögen im Kofferraum.
Das Ortszentrum von Cavriago, 9900 Einwohner:
Die Situation auf dem Boden:
Nach der Rückkehr beschloss ich aufzubrechen.
Es folgten 380 Kilometer Fahrsicherheitstraining von der Emilia Romagna über den toskanisch-emilianischen Appenin bis nach Latium – also von Modena über Bologna und Florenz, Montepulciano bis kurz vor Rom. Dort bin ich jetzt: in Montefiascone am Bolsenasee.
Wirklich glatt war es nicht mehr, aber es gab auf dem Weg alles andere: Eisregen, Schnee, Schneeregen, dicken Nebel und Starkregen. Niemand wählte die Panoramica, die Panoaramaroute der A1 durch die Berge; alle – mich eingeschlossen – fuhren über die Direttissima von Bologna nach Florenz, die Direktverbindung mit zahlreichen Tunneln. Entsprechend voll war es dort – alles bei heftigem Regen und schlechter Sicht. Wenn man aus einem Tunnel herausfuhr, fuhr man in eine Nebelwand hinein – und wieder in den nächsten Tunnel. Die Berge rundherum sind mehr als 2.000 Meter hoch.
Rund um Florenz und in der gesamten Toskana dann fette Staus.
Ich habe nicht in Arezzo oder Lucca oder sonst einer schönen Stadt angehalten, das war alles nicht machbar. Außerdem regnete es Hunde und Katzen. Stattdessen stoppte ich kurz an der Autobahnraststätte Arno-West südlich von Florenz. Die Nachrichtenkanäle kannten heute nur ein Thema: Glatteis.
In Orvieto, 125 Kilometer vor Rom, fuhr ich von der A1 ab. Es folgte eine weitere Komplikation: Bei meiner Auffahrt auf die Autostrada hatte der Mautautomat keinen Schein ausgeworfen. Den muss man aber vorzeigen, wenn man abfährt: Auf ihm steht, wo man aufgefahren ist, und sie berechnen die Maut. Ich suchte mir also eine Ausfahrt mit Kassenhäuschen, in dem ein Mensch saß, dem ich das erklären konnte. Er war nicht erfreut. Ich konnte es ja aber nicht ändern, es tat mir auch leid, und wir kriegten es dann hin. Ich musste auch nur die üblichen 18,70 Euro zahlen.
Die nachfolgende Strecke von Orvieto nach Montefiascone deklariere ich zum Stoßdämpfertest 2018, und ich sag’s mal so: Die Markierung der Landstraßen im Dunkeln ist ausbaufähig. Ich war sehr dankbar, dass das Navi anzeigte, was an Kurven kommt und wo sie hinführen.
Weiter ging’s dann in der Altstadt von Montefiascone: Die Straßen hier sind genauso breit wie mein Auto – wenn man den linken Außenspiegel einklappt und auf die Treppenstufen der Häuser achtet. Und sie sind steil. Beim Ausräumen des Autos gab’s den Handbremsentest 2018. Als ich in Montefiascone ankam, meinte mein Vermieter L übrigens, ich hätte mir den beschissensten Tag der vergangenen fünf Jahre ausgesucht, um in Italien Auto zu fahren.
Für diesen Tag verleihe ich mir die goldene Plakette „Autoprinzessin 2018“.
Jetzt sitze ich in der historischen Altstadt von Montefiascone, neben einem Papstpalat und in einem Haus aus dem Jahr 1200, blicke über Latium, im Ofen brennt ein Feuer, und ich fühle mich sehr burgfräuleinesk. Plan für morgen: ausschlafen und nicht Auto fahren.
Kommentare
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Wenn ich eine strapaziöse Anreise gemeistert habe, langt das bei mir auch immer für mindestens zwei Tage kein Auto anrühren. Ich kenne das Gefühl genau.
Danke fürs Teilhabenlassen!
Heute wird tatsächlich ein sehr ruhiger Tag. Es regnet in Strömen, und ich bin nicht böse drum.
Hab ja schon immer sehr gerne hier gelesen.
Das war Erdbeertorte mit Sahne.
Ihr Tagebuchbloggen ist hingegen Erdbeertorte mit Schokoladenanstrich auf dem Tortenboden, Vanillepudding, Erdbeeren und doppelt Sahne. *g*
Jedenfalls, vielen Dank dafür. :-)
Viel Freude noch in Italien!
Liebe Grüße
Blue
Hach. Danke!
//*geht Beistellkekse backen
Schön, dass Sie gut und heil angekommen sind!
Und vielen Dank dafür, dass Sie uns virtuell auf diese Reise mitnehmen! Ich freue mich jeden Tag sehr auf den Tagesbericht.
Sehr gerne! Freut mich, dass es Ihnen – und so vielen – gefällt.
„Autoprinzessin 2018 “ und es warten noch weitere Titel ,ganz bestimmt !!!! Gutes Erholung/ Ausruhen und ich hoffe der Kofferraum ist für weitere Einkäufe gross genug……..ich erinnere mich an AutoRückfahrten (im Polo) mit gefüllten PlastikTaschen im Stauraum , darin die herrlichen Tomaten aus dem Garten der befreundeten Familie ……….Ihnen ein wunderbares WE , es ist Wahlsonntag in Ihrem Urlaubsland , vielleicht gibt es ja eine spontane Feier auf dem Marktplatz …wir freuen uns auf die Berichterstattung !!! LG Bettina
Im Auto ist noch deutlich Luft. Es liegt noch nichts auf der Rückbank, und auch den Kofferraum kann man noch effizienter arrangieren. Ein paar Kisten Wein, drei mittlere Schinken, ein kleiner Antiquitätenschrank und diverse Kleinprodukte passen dort noch rein.
Da fährt man mal nach Italien und dann so ein Wetter… puh.
Der Bürgermeister ist eigentlich „Siri“ mit anderer Stimme, „Siri“ weiß immer alles.
;-)
Weiterhin schöne Reise
Das Winterwetter fand ich schön. Kalt und Schnee – das ist doch prima. Viel besser als 5 Grad und Regen. Und der ein oder andere Regentag ist auf einer vier- oder fünfwöchigen Reise prima, da kann man einfach mal im Bett bleiben, lesen oder was arbeiten. So ganz ohne geht’s ja doch nicht.