Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥


Sprechen wir über Hefe. Nicht über Hefe in Bier, sondern über Backhefe.

Es gibt diese Produkte in Supermärkten, die man immer sucht. Kokosmilch ist so ein Fall.

Kokosmilch ist Zeug in der Konserve. Doch sie steht nicht bei den Konserven. Sie steht auch nicht im Themenspektrum „Uncle Ben’s“, obwohl sie Teil asiatischer Gerichte ist. Stattdessen schieben Supermärkte gut integrierte Kokosmilch in ein Ghetto für Migrationslebensmittel – eine Art Nahrungsmittelbanlieu am Rande der einheimischen Waren, zusammen mit Avjar, russischen Marmeladenkeksen und einem in Thailand von Johann Lafer handgeschöpften Öl.

Neben Migrationslebensmitteln gibt es Produkte, die zwar sinnvoll verräumt werden, die aber, weil jeder sie benötigt, nicht auffällig beworben werden. Deshalb sind sie quasi unsichtbar. Eines dieser Mimikry-Produkte ist Alufolie, die sich immer irgendwo zwischen Abflusssieben, Staubsaugerbeuteln und Zündhölzern befindet. Sie hat sich – bar jeglicher Aufsteller, Etiketten oder farbiger Verpackungen – so perfekt ihrer Umgebung angepasst, dass sie auch für geübte Augen kaum zu entdecken ist.

Ich bin sicher, dass es in der Ausbildung zur Einzelhandelsfachkraft einen Kurs gibt:

Denken wie ein Regaleinräumer

Implikationen der Relevanzlogik in praktischer Anwendung auf Nahversorgungsstätten unter konsequenter Nichtberücksichtigung gelernten Endverbraucherverhaltens

Ein ebensolches Chamäleon wie Alufolie ist Backhefe. Bei Backhefe kommt erschwerend hinzu, dass Supermärkte heutzutage Kühlabteilungen antarktischen Ausmaßes haben. Man will nur 42 Gramm Hefe kaufen und denkt, man betritt Königin-Maud-Land. Irgendwo zwischen Südgeorgien und Mount Sidley, hinter fünf Adelie-Pinguinen, befindet sich also ein zwei Quadratzentimeter kleiner Würfel, den es Shackleton-gleich zu finden gilt. Wie geht man da vor?

Ausschlussverfahren! Beim Pudding? Nein. Beim Fertigfleischsalat? Unwahrscheinlich. Bei der Butter? Kann gut sein!

„Moment“, sagen Sie jetzt, „bei mir im Supermarkt ist die Hefe beim Käse“, und da haben wir schon das Problem: Hefe ist das unverstandendste Produkt im Supermarkt; Hefe ist die Ware, die am willkürlichsten verräumt und der die wenigste Standortkontinuität zugesprochen wird. Ich schätze, jeder Aushilfseinräumer, der Joghurts mit Knusperpops, die neue Buttermilchsorte mit Guarano und besonders streichfreudige Butter aus handmassierten Eutern Vorderwälder Hochalm-Kühen in den Kühltheken platziert, gelangt irgendwann an die Hefewürfel und denkt sich: „Was’n das? – Ach, egal. Ich guck gleich mal, wo’s noch hinpasst.“

Für die Hefe ist das vielleicht ganz schön. Sie kommt ein bisschen rum, schließt neue Bekanntschaften, kann ihren Horizont erweitern. Bananen zum Beispiel können das nicht von sich behaupten; sie bekommen ja nicht mal wechselnde Abwiegenummern, sondern immer und überall nur die Eins.

Für den geknechteten, hefeinteressierten Endverbraucher ist der Hefekauf hingegen ein Suchspiel, das ihm den Verstand aus dem Kopf treibt.

Deshalb: Mehr Rechte für Hefe! Aktionsbündnis für ein neonbeleuchtetes Hefefach!

Am 12. jeden Monats findet in Blogs das Fotoprojekt “12von12″ statt:

12 Bilder vom 12. Tag

Der 12. Dezember war ein Samstag, das ist prima – am Wochenende habe ich immer mehr Gelegenheit zu fotografieren als an einem Arbeitstag im Büro.

Der Tag begann mit ausgedehntem Ausschlafen, Nocheinbisschenliegenbleiben, Sichnochmaleinrollen, Langsamwachblinzeln und Demwarmenfederbetthuldigen. Damit hatte ich bis 11 Uhr gut zu tun.

Danach: Frühstück. Am Wochenende gehört dann schonmal ein Nusspli-Brötchen dazu.

12von12: Frühstück mit Schokocreme

Nach dem Frühstück öffne ich meine Post – wirklich großartige Post.

Das Nuf hat mir ein Geschenk aus Bügelperlen gemacht.

12von12: Sally Brown aus Bügelperlen

Frau Nuf ist eine Bügelperlenkünstlerin: Bewundern Sie bitte ihre weiteren Werke. Gibt es bereits Museen, die Bügelperlenkunst ausstellen?

Eine Leserin hat mir ein Buch geschickt, das sie auf meinem Wunschzettel entdeckt hat.

„Ich habe es sogar bis zum Ende gelesen. Ich fand es schrecklich. Wenn Sie möchten, schicke ich es Ihnen gerne mit der Post.“

12von12: Buch "Voran, voran und immer weiter voran"

Ein solch charmantes Angebot kann ich nicht ausschlagen. Man soll ich ja immer selbst ein Bild machen – ich bin gespannt, ob mir das Buch genauso wenig oder doch ein bisschen mehr gefallen wird. Sie werden zu gegebener Zeit darüber lesen.

Samstag ist Beautytag. Das Thema heute: Haarkur.

 

12von12: Handtuchturban

Außerdem: Maniküre.

Während ich in der ARD-Mediathek eine Doku über die Frühchen-Station in der Charité anschaue, poliere ich mir die Fingernägel, damit sie ein bisschen glänzen, ohne dass ich sie anmalen muss.

12von12: Feile vor ARD-Mediathek

Danach fahre ich zur Sporthalle.

Die Kalender-Girls haben ein Spiel, und nachdem ich auf der Weihnachtsfeier war und dort aus Versehen einen Pass-Antrag unterschrieben habe, bin ich wohl irgendwie und tatsächlich dabei.

12von12: Buch Wand mit Grafitti, davor Fahrräder

Heute aber nur passiv. Wir wollen ja nichts überstürzen.

In gewohnt dynamischer Art wärmen die Mädels sich auf.

12von12: Kalender-Girls stehen im Kreis rum

Ich sitze auf der Bank und hüte – da ich nicht spiele – Kalender-Mini Little P, damit ihre Mama aufs Spielfeld kann. Little P ist mittelmäßig begeistert, wehrt sich aber auch nicht; mit Bilderbuchgucken, Tiere-Nachmachen, Applausgeben und PET-Flaschen-Knistern kriegen wir die Zeit gut rum.

Die Mädels gewinnen 22:15 und bleiben Tabellenführer.

Nach dem Spiel fahre ich in den Lebensmittelfachhandel und besorge nahrhafte Snacks für das BVB-Spiel am Sonntag.

12von12: Chips und Erdnüsse im Einkaufswagen

Danach fahre ich weiter zum Fitness-Studio – nicht zu meinem Stamm-Fitti, sondern zu einem Fitti in der Nähe meiner Wohnung. Denn ich spiele mit dem Gedanken, das Studio zu wechseln.

In Innenstadtlage meines bisherigen Fitnessstudios war toll, als ich noch in der Innenstadt arbeitete. Mittlerweile ist sie ein K.O.-Kriterium. Die Anreise zur Feierabendzeit ist zeitaufwändig und nervig. Außerdem habe ich dort keine TurnpartnerInnen mehr. Ein bisschen Gesellschaft wäre schön.

Ich besuche also das Studio, in dem schon zwei Freundinnen trainieren, lasse mir alles zeigen und mir die Preise sagen.

12von12: Kursplan und Geschenkgutschein

Das Studio ist preiswerter als mein bisheriges und macht einen sehr guten Eindruck. Ich werde dort beizeiten Probe trainieren und mich dann wohl dort anmelden.

Zu Hause angekommen, ziehe ich mich kurz um. Dann fahre ich zum Tapas-Essen in eine kleine Bar im Stadtteil. Dort treffe ich Freunde.

12von12: BuchDreigeteiltes Bild mit Tapas und brennender Crème Catalan

Wir tafeln wie die Könige.

Anschließend schrottwichteln wir. In der Würfelrunde kristallisieren sich rasch zwei begehrte Objekte heraus: ein Apparat, der Science-Fiction-Geräusche machen kann, und Baumkugeln in weihnachtlichem Schwarz-Gelb.

12von12: BVB-Baumkugeln

Ich erarbeite mir die Baumkugeln, trete sie jedoch selbstlos an Freundin A. ab, die ihren Weihnachtsbaum mit ihrem bayerischen Freund teilt. Wir sind uns einig, dass sie fern der Heimat Dortmunder Akzente setzen muss.

Für die gute Sache verzichte ich also gern – und werde angemessen belohnt: mit einer Kräuter-Handcreme, einem handgestrickten Topflappen, einer Känguru-Plätzenbackform und einem Werbefernseher. Toll!

12von12: Wichtelgeschenk mit gehäkeltem Topflappen, Handcreme und Känguru-Keksform

Das war mein 12von12-Tag im Dezember.

  1. Die vergangenen zehn Weihnachtsfeste mit Opa waren ganz und gar nicht harmonisch.
  2. Die Kinder sind Krankenpfleger und Ärztin und müssen während der Feiertage arbeiten.
  3. Kinder müssen nicht arbeiten, haben aber nur am 1. und 2. Weihnachtstag frei und wollen die wenige freie Zeit ihren eigenen Kindern widmen.
  4. Opa ist stramm rechts.
  5. Die Kinder verbringen das Weihnachtsfest wechselweise bei ihrem und bei seinen Eltern.
  6. Die Eltern lehnen das wechselweise ab und sind in dem Jahr, in dem die Kinder nicht kommen, beleidigt.
  7. Opa ist seit 1986 von Oma geschieden, hat danach nur schwarz gearbeitet, um keinen Unterhalt zu zahlen; erst seit seinem Oberschenkelhalsbruch 2014 und der Scheidung von seiner zweiten Frau ist er an Familienleben interessiert.
  8. Die Kinder mussten vor Weihnachten noch unerwartet eine Zahnarztrechnung bezahlen und sind deshalb zu knapp bei Kasse für eine Anreise.
  9. Opa ist ein gewalttätiger Säufer, der an Weihnachten immer ’nen Sentimentalen kriegt.
  10. Die Kinder nutzen die Weihnachtsferien, um in den Urlaub zu fahren.
  11. Die Kinder haben Opa schon 20-mal eingeladen, Weihnachten bei ihnen zu verbringen, um nicht von Opa zu Oma zum anderen Opa und zur anderen Oma (zwei geschiedene Elternpaare, die Königsdisziplin jedes Weihnachtsfestes!), zum Bruder und zur Schwägerin, zur Urgroßmutter ins Heim und dann noch zur stets unfreundlichen, aber einsamen Großtante zu hetzen – das alles an drei Tagen. Opa findet aber, alle Kinder sollen zu ihm kommen, so sei es früher auch immer gewesen und so gehöre sich das.
  12. Opa ist ein manipulativer Sausack.

Dreizehn: Vielleicht ist es auch einfach nur gutes Marketing.

Twitterlieblinge 11/2015:

https://twitter.com/und_jeden/status/662730943447236608

https://twitter.com/Muermel/status/662702309374345217

https://twitter.com/fumpgirl/status/664883368039989249

https://twitter.com/Huebscherei/status/665249370841985025

https://twitter.com/Landurologe/status/665848964537798656

https://twitter.com/mogelpony/status/667074654222327808

https://twitter.com/nicohofmann/status/667422279614275584

https://twitter.com/kellyoxford/status/667523712959148032

Ich bin eine Antwort schuldig.

Vor Kurzem fragte mich Kaffeehausgast Alwin:

Was halten Sie von diesen Vorlese-Büchern, ich meine Audio-Büchern oder „audibles“, wie man die wohl neuerdings nennt? Könnten Sie da mal einen Blogeintrag drüber schreiben? Ich schlafe nämlich regelmäßig nach 15 Minuten ein, wenn ich etwas vorgelesen bekomme, und verstehe nicht, warum visuell nicht oder kaum eingeschränkte Menschen für sowas Geld ausgeben sollten, wo es das beste Einschlafmittel (eine Flasche Grafensteiner Bier) bereits für 40 Eurocent (inklusive Pfand) beim Netto gibt. Was meinen Sie?

Das fasst die Sache bereits sehr gut zusammen. Nichtsdestotrotz nutze ich Hörwerke.

Zum Einschlafen

15 Minuten, wie Herr Alwin schreibt – dann wird’s nicht nur bei ihm, sondern auch bei mir sowas von dunkel, da passt kein Buch mehr zwischen mich und meinen Freund, den Schlaf.

Ich bin kein auditiver Mensch. Ich kann sehr schlecht Monologen zuhören – meine Gedanken schweifen binnen Minuten zu anderen Dingen ab. Ich empfehle daher jedem, der mir etwas zu erzählen hat, sich entweder kurz zu fassen, unterhaltsam zu sein oder darstellerische Qualitäten.

Das Leben als auditive Nullnummer bringt mit sich, dass ich bei Ratespielen à la „Erkennen Sie das Lied am ersten Takt, „Das geheimnisvolle Geräusch“ oder „Wir spielen den Song rückwärts ab, nennen Sie den Titel“ eine Vollhupe bin. Rhythmusgefühl habe ich auch keins.

Dafür habe ich in meinen Kopf visuelle Landkarten kontinentartigen Ausmaßes. Wörter und Zahlen haben Farben, und ich orientiere mich anhand von Landmarken und Sonnenstand sehr gut im Raum. Aber zurück zu Hörbüchern.

Ich nutze Hörwerke tatsächlich gezielt zum Einschlafen, gerade wenn meine Gedanken mal rotieren, was zum Glück selten vorkommt. Oder ich höre mir beim Zugfahren oder beim Sonnenbaden etwas an –  was letztendlich auch dazu führt, dass ich einschlafe; außer, ich habe im Urlaub bereits >14 Stunden gepennt. Das passiert wiederum oft.

Ich höre dann Podcasts, zum Beispiel das ARD Radiofeature, WDR ZeitZeichen, die Reportage des Deutschlandradios oder den WDR 2 Montalk. Das entspricht meiner Aufmerksamkeitsspanne.

Beim Autofahren

Keine Sorge: Beim Autofahren bleibe ich wach – auch wenn ich Hörbücher höre. Beim Autofahren kann ich gut folgen: Mein Hirn hat ja etwas Visuelles zu tun.

Ich habe mir früher für längere Reisen Kassetten und CDs mit ins Auto genommen. Seit ich ein Auto fahre, das Audiostreaming via Bluetooth kann, spiele ich nur noch vom Handy ab. Tolle Erfindung! Seither höre ich auch deutlich mehr Hörbücher während der Fahrt, seltsamerweise eher Sachbücher, die ich als richtiges Buch so gut wie nie lese.

Grob kann man sagen: Beim Zu-Fuß-Lesen bevorzuge ich Fiktives, in das ich mich hineinfantasieren und bei dem ich mich geistig entspannen kann; beim Hören Reales, das langweilige Autofahrten intellektuell anfüttert.

Zuletzt habe ich „Die geheime Doping-Geschichte des Fußballs“ von Thomas Kistner gehört (Empfehlung!). Letzte Käufe:  „Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln: Was wir von Tieren über Physik lernen können“ und „Russland verstehen: Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens“ von Gabriele Krone-Schmalz.

Nach zwei Jahren roden, jäten, umgraben, abreißen, wieder roden, aufbauen und einsäen darf ich verkünden: Mein Garten hat seinen vorläufigen Zielstatus erreicht und dient fortan nur noch dem Vergnügen.

Das Motto 2016 ist:

  1. keine groben Arbeiten mehr,
  2. keine Handwerkerhosen,
  3. keine Dinge mehr mit Zement bauen.

Stattdessen werde ich mit Strohhut und leichtem, im Wind flatternden Leinenkleid die Früchte meiner Arbeit ernten. Ich werde sie, Bastkörbchen schwenkend, in die Küche tragen; auf dem Weg dorthin halte ich verzückt inne, um an Blumen zu riechen und das Gras unter den nackten Sohlen zu erspüren.

Die Sonntage verbringe ich in der Hängematte, ein Buch auf den Knien. Der Wind wiegt den Bambus, bauscht ihn zu einem Rauschen, die Rosen duften satt. Zwischen den Bäumen spannt sich eine Wäscheleine; die leichte Brise wölbt werbungweiße Bettlaken. Sanft schaukele ich von links nach rechts, während neben mir mit Pollen beladene Hummeln von Lavendel zu Lavendel taumeln. Ich lasse den Fuß hinabhängen und gebe mir neuen Schwung.

Ja, so wird es sein. Mit einer Schale frisch gepflückter Kirschen auf dem Bauch.

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Kurz zur Erinnerung – so sah der Garten ganz zu Anfang aus, im Sommer 2013:

Gartenhütte des Grauens

Die Hütte des Grauens, eine zwar wildromantische, aber dennoch nur aus Styropor und Wellpappe bestehende Bude, thronte auf einem Hügel mit Gestrüpp  ökologisch wertvollen Stauden.

Der Vorbesitzer hatte Strom und Ventilation in die Hütte eingebaut; das Ding eignete sich dadurch hervorragend, um einen Nebenerwerb nach §19 UStG zu starten.

Ich erwog kurz einen Markteintritt in die hiesige Hanfszene. Doch der Initialaufwand erwies sich bei der Businessplanung als zu hoch; auch laufende Kosten, insbesondere die Personalintensität zur dauerhaft positiven Beeinflussung vorhandener Player, entpuppten sich in der Detailrechnung als Risikofaktor. Ich entschloss mich, die Hütte abzureißen.

Nach Rückbau der Hütte und vielen Tagen zehrender Rodungsarbeiten (Entsorgungsunternehmen stoßen auch heute noch bei ihrer Weihnachtsfeier auf mich an), entstand ein Gewächshaus aus alten Fenstern: Das Projekt des Jahres 2015 vom Fundament bis zum Dach in elf Folgen – für alle, die es nachbauen wollen.

Das ganze Jahr hindurch sah der Garten dann so aus:

Vor der Gartenneuanlage

Aufgeräumter als 2013, aber mit noch deutlich Luft nach oben.

Natürlich besteht die Chance, dass Glasbausteine und gekachelte Terrassen schon in naher Zukunft wieder der letzte Schrei sind. Schließlich betonen Sie mit ihren schlichten, auf Zweck und Rollenzuweisung zielenden Charakteristika die charismatische Befreiung des neuzeitlichen Menschen von den Zwängen architektonischer Designansprüche. Doch sowohl die Glasbausteine als auch der Einsatz von Betonpflanzkübeln als funktionalistisches Stilelement postmoderner Sachlichkeit – insbesondere in Antithese zur Naturbelassenheit des Gestrüpps Pflanzkonzepts – trugen letztlich nicht zu einer ganzheitlich-stimmigen Ästhetik bei. Mit anderen Worten:

Es musste etwas passieren.

Um zu schauen, wie es jetzt aussieht, halten Sie sich bitte die Augen zu, summen Sie die Erkennungsmelodie von „Zuhause im Glück“ und folgen Sie mir auf die Außenterrasse in den neuen Garten.

Gelesen:

Woodrell_Almas_Augen

Darum geht’s:

Missouri, Sommer 1929. Eine Tanzveranstaltung in einer Kleinstadt. Es kommt zu einer Explosion. 42 Menschen sterben.  40 Jahre später: Alma DeGeer Dunahew ist Haushälterin; sie hat seinerzeit ihre Schwester Ruby bei dem Unglück, dessen Ursache nie geklärt wurde, verloren. Während sie ihr aktuelles Leben lebt, kommt nach und nach Licht ins Dunkel der Vergangenheit.

Wie gefällt’s?

Das Stärkste am Buch sind das Sittengemälde, das es zeichnet, und die Atmosphäre, die es erschafft. Die Kleinstadt im Süden, ihre Piefigkeit, die gesellschaftlichen Stände, die Persönlichkeiten, die dort wohnen. Das ist fein und trägt das Buch. Die eigentliche Handlung verblasst vor diesem Hintergrund etwas. So richtig Spannung will bei der Klärung der Unglücksursache nicht aufkommen. Darum geht es in dem Buch vielleicht auch gar nicht – dennoch: Sie fehlt ein wenig. Deshalb: eine solide Geschichte, gute Charaktere, durchschnittlicher Spannungsbogen.

*

Das Buch wurde mir zur Rezension zur Verfügung gestellt. Ich rezensiere nur Bücher, die ich mir auch gekauft hätte.

Wir sitzen am Freitagabend auf dem Sofa, meine Freundin und ich. Wir schnacken, das Länderspiel läuft, dann ist es zu Ende. „Mach mal lauter“, sagt sie plötzlich. Das Publikum rennt aufs Feld, das ist ungewöhnlich. Doch mein erster Griff geht zum Handy; ich rufe Twitter auf.

Ja, da ist tatsächlich etwas, es muss etwas passiert sein. Ich wechsle zur Website von „Le Figaro“ – oder ist es „Le Monde“? „Fusillades.“ „Attaques.“ Der zweite Griff dann zur Fernbedienung; in Richtung n-tv und weiter zu einem französischen Sender. Polizeifahrzeuge, eine Absperrung, Sirenen. Wie stets bei solchen Ereignissen ist es gleichermaßen verstörend wie fesselnd – im  neutralen, wertfreien Sinne -, in Wolldecke im Wohnzimmer zu sitzen und durch eine Scheibe hindurch zu sehen, was in der Entfernung geschieht.

Binnen einer Stunde steigt die Zahl der Toten; ein Grauen, mit dem ich nicht konfrontiert sein möchte, das ich aber, einmal konfrontiert, nicht mit der Fernbedienung ausschalten kann, möchte. Als ob das Erfahren der Nachricht mir die Verantwortung aufbürdet, sie weiter zu begleiten. Vielleicht auch, weil das Dasitzen und Zugucken gleichzeitig ein Sichversichern ist, dass dieses Ereignis zwar nah, aber doch fernab geschieht. Eine Fortsetzung des Abends in seiner usprünglichen Form ist ohnehin nicht möglich; ein Insbettgehen ebensowenig, zu groß die Befürchtung, ich wache am nächsten Morgen auf und die Dimension des Angriffs hat sich vervielfacht, es hat gar weitere Attentate gegeben – als ob ein Wachbleiben dies verhindert. Natürlich verhindert es das nicht, aber Wachbleiben bewahrt mich davor, nach dem Frieden der Nacht davon überrascht zu werden.

Die Fernsehbilder zeigen weiterhin Sirenen und Einsatzfahrzeuge, und Twitter offenbart einmal mehr, was seine Stärke und seine Schwäche ist: Es ist die beste und gleichzeitig die verwirrendste Quelle. Authentisch – doch unreflektiert und spekulativ. Zusammenhangslos – ein Bild zeichnend. Informativ und sachlich – voller Gefühle; aller Gefühle, der passenden wie der unpassenden, der selbst empfundenen und der mit Stirnrunzeln zur Kenntnis genommenen.

Als erste Nachrichten aus dem Bataclan dringen – Nachrichten von Eingeschlossenen; Tweets von Menschen, die bitten, das Gebäude zu stürmen -, verspüre ich ein Erstarren. Das hier ist eine Grenze; hier wird gerade etwas überschritten, der Filter ist fort: Die, über die bis jetzt nur berichtet wurde, sprechen nun selbst, hier bei mir; ich halte mein Smartphone und auf dem Smartphone ihre Nachrichten in meiner Hand.

Doch sind es ihre Nachrichten? Bei allem weiß ich nicht, weiß niemand, was wahrhaftig ist; mir kommt kurz der Gedanke, dass Tweets und Posts  gesteuert, dass Meinungen und Empfindungen gelenkt sein könnten. Ich bleibe auf, um auch das zu erfahren: Was ist wahr?

Ich habe das Gefühl: Es ist nicht richtig, dem, was geschieht, weiter zu folgen. Aber die Menschen aus der Hand legen? Einen Knopf drücken, sie unsichtbar machen und zu Bett gehen? Nun, da ich ungewollt Zeuge geworden bin, ist es, als ließe ich sie allein, ginge ich schlafen. Dabei bin ich zu weit fort, um etwas anderes zu tun als zu gaffen. Wo aber ist die Grenze zwischen Voyeurismus und Anteilnahme? Zwischen der Hoffnung, alles möge gut ausgehen, zwischen dem Wunsch, diese Erleichterung zu erleben, jetzt, bald – und dem schockstarren Schrecken und seiner Anziehung?

Gegen ein Uhr gehen wir schlafen. Mit dem Empfinden, dass die schlimmsten Nachrichten nun gesendet wurden.

Am 12. jeden Monats findet in Blogs das Fotoprojekt “12von12″ statt:

12 Bilder vom 12. Tag

Mein Alltag und Arbeitstag war geprägt vom Kinofest in Lünen. Aber beginnen wir beim Frühstück.

Sie sehen ein zeitgenössisches Frühstück, das an vier von fünf Tagen in der Woche genau so ausschaut. Freitags fehlen meist entweder Brot oder Wurst oder beides.

12von12 im November: Frühstück mit zwei Broten, Buch und einer Maracujasaftschorle

Ich trinke übrigens tatsächlich keinen Kaffee. Auch keinen Tee. Sondern Saftschorle mit Eiswürfeln. Immer. Auch im Winter. Saftschorle ist super. Eiswürfel sind super.

Zum Frühstück nehme ich mir eine halbe bis dreiviertel Stunde Zeit, in der ich Radio höre und ein Buch lese. Während ich frühstücke, wird es hell.

Ich bereite den Lehmbauern, die derzeit in meinem Garten arbeiten, Kaffee zu und stelle ihnen eine Thermoskanne auf die Terrasse. Dazu gibt es heute Pflaumenkuchen.

12von12 im November: Kaffee und Kuchen für die Gartenbauer

Ich werfe auch einen Blick in den Garten.

In dieser Woche war ich an keinem Abend früh zu Hause, sondern kam immer erst im Dunkeln heim. Dann kann ich nur noch mit der Taschenlampe nachsehen, was die Handwerker den Tag über geschafft haben. Morgens ist es dann jedesmal wie Weihnachten:

12von12 im November:

Danach öffne ich noch die Post von gestern und stelle fest: Mein Kühlschrank bekommt mehr Geburtstagskarten als ich.

12von12 im November: Geburtstagspost für den Kühlschrank

Auf geht’s zur Arbeit.

Im Büro arbeite ich zunächst ein paar To Dos ab – alles, was erledigt werden sollte, muss am Vormittag fertig werden, denn am Nachmittag bin ich nicht im Hause. Ich treffe letzte Absprachen für den Ablauf am Nachmittag.

Zum Mittagessen gibt es Reis mit Sojasprossen und Algenblättern.

12von12 im November: Noriblätter

Das Essen klingt maximal unsexy, ich mag es aber gerne. Die Algendingsis haben ich zum ersten Mal bei Freunden gegessen und fand sie direkt super: salzig und würzig, dazu Reis – das ist leckerer, als es sich anhört.

Danach fahre ich in die Innenstadt nach Lünen – zum Kinofest, das heute eröffnet wird. Gegenüber des Kinos befindet sich ein Haus mit einer sehr hübschen Fassade, die leider etwas baufällig ist:

12von12 im November: Buntes Gebäude in Lünen

Das Kinofest Lünen ist ein Festival für deutsche Filme. Die Agentur, in der ich arbeite, betreut das Kinofest bereits seit vielen Jahren.

Als Projektleiterin war ich in den vergangenen Wochen dafür verantwortlich, dass alle Materialien in der korrekten Ausführung, mit den entsprechenden Inhalten hergestellt werden und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind: Programmhefte, Plakate, Transparente, Roll Ups, Gutscheine und Namenskärtchen, Moderationskarten und -hintergründe für die Kinoleinwand, der Trailer – und jede Menge mehr gedruckte und digitale Dinge.

Noch vor der Eröffnungsgala findet zum ersten Mal ein Erklärfilmwettbewerb statt. Gemeinsam mit einer Kollegin habe ich den Wettbewerb organisiert und betreue nun die Jury und die Teilnehmer.

Nach der Vorstellung der zehn nominierten Filme gehe ich mit TeilnehmerInnen ins Café. Meine Kollegin begleitet derweil die Jury, die an einem anderen Ort tagt.

12von12 im November: Café Kleimann im Fachwerkhaus in Lünen

Das Café Kleinschmidt in Lünen ist ein klassisches Café: Polsterstühle und schwere Marmortische mit Eisenfüßen, im Vorraum eine goldene Thekenvitrine mit Kuchen und Torten.

12von12 im November: Aufsteller vor Café Kleimann

Im Anschluss an das gemeinsame Kaffeetrinken gehe ich zurück zum Kino.

Inzwischen ist es dunkel, und die Cineworld ist hell erleuchtet. Der rote Teppich ist fertig verklebt, und der WDR hat seine Übertragungswagen geparkt. Erste Gäste kommen.

12von12 im November: Cineworld Lünen

Die Jury ist auch schon dort: Sie hat ihre Entscheidung getroffen, der Shuttle hat die Mitglieder zurück zum Kino gebracht. Es folgt ein fliegender Wechsel: Ich verabschiede die Wettbewerbsteilnehmer und hole eines der Jurymitglieder ab. Wir überbrücken die Zeit bis zur Eröffnungsgala bei einem Getränk.

Am Abend dann die feierliche Eröffnung des Kinofest Lünen: erst Sekt und Häppchen im Foyer, im Anschluss der offzielle Teil im Kinosaal.

12von12 im November: Eröffnungsgala Kinodest Lünen

Nach den Eröffnungsreden wird der Film „Die dunkle Seite des Mondes“ gezeigt, der im Januar 2016 ins Kino kommt – mit Moritz Bleibtreu und Jürgen Prochnow nach dem Roman von Martin Suter: Ein Frankfurter Banker wird mit der dunklen Seite seines Selbst und seines Geschäfts konfrontiert.

Guter, beeindruckender Film! Starke Bilder, gute Schauspieler, starke erzählerische Momente. Nichts für zarte Gemüter.

Um 22.50 Uhr bin ich am Auto.

12von12 im November: Armaturenbrett mit Zeitanzeige und Tacho

Um halb 12 bin ich zu Hause und gehe ohne Umweg ins Bett.

Ende.



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