Legoland | Er war natürlich nicht zu vermeiden: der Besuch im Legoland. 2.145 Dänische Kronen kostet dieses schlanke Vergnügen für fünf Personen. Das sind in Euro und in Worten zweihundertsiebenachtzigeinhalb Stück Geld.
Entsprechend schmierten wir uns am Morgen einen Haufen Brote, packten Äpfel, Müsliriegel und Wasserflaschen ein, denn Pommes waren nicht mehr drin. Beziehungsweise: Falls sie noch drin waren, waren wir nicht mehr gewillt, sie zu bezahlen.
Mein Vergnügen bestand im Wesentlichen darin, auf die Brote aufzupassen. Mir wird schon in einem Linienbus schlecht, bei Karussells wird mir speiübel.Und selbst wenn das nicht so wäre, hätte ich keine Lust, 45 Minuten anzustehen, um einmal im Kreis zu fahren.
Einmalig unternahm ich den Versuch und stellte mich bei einem Fahrgeschäft an, einer Art „Wilden Maus“. Dieser Ritt, so dachte ich, könnte einigermaßen verträglich sein, und man muss ja auch mal etwas wagen. Beim Einsteigen stellte sich jedoch heraus, dass meine Beine zu lang für das Wägelchen waren und ich mich nicht hinsetzen konnte. Da ich die Beine nicht raushängen lassen durften, musste ich wieder aussteigen. Ich ging dann auf die Brote aufpassen.



Das klingt alles ein bisschen unbefriedigend. Das war es jedoch keineswegs. Ich hatte einen wundervollen Tag. Die Kinder rannten von Fahrgeschäft zu Fahrgeschäft, fuhren Achterbahn oder ließen sich von einem Roboterarm über Kopf werfen. Der Reiseleiter musste mit; das Meiste vertrug er auch ganz gut. Nur nach der Robotergeschichte war er etwas grün im Gesicht.
Und ich: las. Ich las fast ein ganzes Buch, saß da, schaute in die Gegend, beobachtete andere Menschen, aß Brote, Äpfel und Müsliriegel, ich baute Dinge aus Lego, musste mit niemandem reden und entspannte mich acht Stunden lang aufs Allerbeste.
Eine Sache tat ich allerdings: Ich fuhr Wasserbob. Ich hege eine Liebe zu Wasserbobs. Sie sind ausreichend aufregend, aber nicht so, dass mir übel wird. Beim Wasserbob im Legoland geht es am Ende steil bergab. Das war großartig und hat mir sehr gut gefallen.
Zum Schluss ein Bemerknis: Obwohl das Publikum fast ausschließlich aus Familien mit Kindern bestand, gab es keinerlei Trotzanfälle, Wutausbrüche oder elterlichen Seltsamkeiten. Eine Welt des Friedens und der guten Laune. Verrückt.
Billund – Herning | Der zweite Fahrtag in Dänemark: Nach dem Besuch im Legoland sattelten wir die Räder und fuhren von Billund nach Herning, 66 Kilometer nach Norden. Während der erste Fahrradtag eher schleppend begann, waren wir diesmal von Beginn an im Tritt: Für die ersten 27 Kilometer bis nach Brande brauchten wir nicht einmal eineinhalb Stunden.
Brande hat etwa 7.500 Einwohner und ist die Heimat des Mode-Unternehmens Bestseller. Zu Bestseller gehören die Marken Jack & Jones, Only, Vero Moda, Mamalicious, Selected und weitere – die genannten, sind die, die mir bekannt waren. Bis ich in Brande vor der Bibliothek saß, wusste ich nicht, dass es alles Marken aus einem Hause sind – und zudem noch dänische.


Die Dänen haben eine wunderbare Eigenschaft: Sie erschaffen Infrastruktur für Menschen. Sie bauen helle, offene Bibliotheken und Begegnungsräume drinnen und draußen, sie bauen Spielplätze, stellen Picknickbänke in die Gegend, haben öffentliche Toiletten und sorgen dafür, dass man sich willkommen fühlt. Man sieht den Orten an: Es ist den Dänen etwas wert, dass alle sich wohl und in ihren Bedürfnissen gesehen fühlen.
Von Brande aus fuhren wir in das Braunkohlerevier nach Søby. Ab den 1940er Jahren bis etwa 1970 wurde hier Braunkohle gewonnen – zunächst mit der Hand. Später war der Abbau mit Maschinen erlaubt. Wer mit harter Arbeit gutes Geld verdienen wollte, war hier richtig; die Möglichkeit zog viele Menschen an. Dank des Braunkohleabbaus in Søby kam Dänemark ohne Brennstoffmangel durch den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach.

Das Braunkohlemuseum erzählt die Geschichte der Menschen, die von der Braunkohle leben. Sie wohnten in Hütten und Baracken; einer der Arbeiter wohnte jahrelang in einem Kleiderschrank, den er sich mitgebracht hatte. Viele Menschen bauten sich kleine Häuser und wohnten dort mit ihren Familien. Ein Kaufmann eröffnete, eine Schule wurde gegründet, ein Schlachter kam ins Dorf. Frode Petersen, der junge Mann auf dem Schwarz-Weiß-Foto, lebte bis ins Jahr 2002 in seiner Hütte. Der alte Herr neben ihm, auf der Ornamenttapete, ist Otto Rasmussen, der Milchmann und Möbelpacker des Ortes.








Vom Braunkohlemuseum aus fuhren wir weiter.
Die Landschaft zwischen Billund und Herning besteht im Wesentlichen aus Kartoffelfeldern. Die weißen Blüten reichen bis auf die Hügelkuppen, an den Waldrand, den Horizont, je nachdem, was grad da ist. Wir fuhren an Bauernhöfen vorbei. Manchmal reihten sich zwei oder drei aneinander.

Am späten Nachmittag erreichten wir das Haus von Maria und Henry. Ihre vier Kinder sind aus dem Haus, seit Jahren schon ist im Obergeschoss kein Leben mehr. Deshalb quartieren sie dort nun Gäste ein – Gäste, die die Welt zu ihnen nach Hause bringen. Im ersten Jahr nach der Pandemie, als man wieder reisen durfte, so erzählten sie uns am Abend, hätten sie alle Hände voll zu tun gehabt. In diesem Jahr seien wir die ersten Gäste. Allerdings, sagte Maria, reise sie auch oft zu ihren Kindern und ihren Enkeln. Dann schließe sie den Kalender; möglicherweise liege es daran.


Wir bestellten uns Pizza und Fritten und schliefen danach wunderbar.
Billund – Herning.
Entfernung: 68 Kilometer
Höhenmeter: 237
Reine Fahrzeit: 3 Stunden 37