Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Göttlicher Nachbar | Im Haus gegenüber wohnt ein Hund. Ich sah ihn heute öfter, weil ich auf dem Balkon saß und Mariana Leky las.

Es ist ein massiger Hund, kompakt und muskulös, ein Boxermischling, vielleicht mit Pitbull, vielleicht mit Mastiff, ich kenne mich damit nicht aus. Er heißt, wie er aussieht: Thor. Benannt nach dem Donnergott.

Wenn Thor ein Gott ist, dann allerdings ein sehr ruhiger, denn er donnert nicht, er ist höchstens vom Donner gerührt. Mit hängenden Lefzen steht er hinter dem Zaun und schaut dem Geschehen auf der Straße zu. Wenn man seinen Namen ruft, wedelt er sanft, seufzt dann und kommt getrottet, als habe man ihn bei etwas Wichtigem gestört.

Ich mag Thor. Er sieht gefährlich aus und heißt gefährlich. Innerlich fühlt er sich bestimmt auch sehr gefährlich. Im Herzen aber ist er ein barmherziger Gott, für den die Welt sich immer etwas zu schnell dreht.

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Schwimmen | In den vergangenen zehn Tagen bin ich zehn Kilometer geschwommen, davon drei Kilometer heute. Es ging wunderbar fluffig von der Hand beziehungsweise aus den Armen und aus den Beinen. Mittlerweile ist es so, dass ich prima Kraul schwimme, mindestens die Hälfte der Strecke. Ich habe einen guten Atemrhythmus, die Leine zieht an mir vorbei, ich kann eine schnelle Frequenz schwimmen oder mehr gleiten. Ich erfreue mich daran.

Das Schöne am Schwimmen ist, dass, während ich schwimme, niemand etwas von mir will. Niemand kann mich anrufen oder mir eine WhatsApp schreiben, ich muss nichts tun außer schwimmen und atmen. Beim Handball war es hingegen so, dass ich ständig einen Ball zugeworfen bekam, fast schon unangenehm oft. Alle erwarteten dann, dass ich etwas damit tat, etwas Dringliches und Hektisches, etwas, das Können erforderte, das fürchterlich schief gehen konnte und meist unerfreulich wehtat. Beim Schwimmen muss ich nur schwimmen. Gelegentlich gibt es Mitschwimmer, die möchten, dass ich mehr links oder mehr rechts schwimme. Das sind überschaubare Anforderungen; nichts, das Unannehmlichkeiten nach sich zieht.

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Bewaffelung | Abends bewaffelte ich einige Handballveteraninnen. Es gab herzhafte Waffeln mit Gemüse. Die Damen brachten Dips mit.

Eckige Waffeln auf dem Terrassentisch. Man sieht grüne und organgene Stippen in den Waffeln.

Falls Sie es mir nachtun möchten:

280 Gramm Butter
8 Eier
1 TL Salz
400 Gramm Mehl
200 ml blubberndes Mineralwasser
Streukäse
Zeugs nach Wahl

Die Menge des Streukäses variiert nach Ihrem Geschmack. Ich nehme eine Packung, 200 Gramm. Das Originalrezept sieht weniger vor, aber was soll man mit dem Rest sonst machen.

Als „Zeugs“ kann man geriebene Zucchini nehmen, auch Porree, Möhre, Paprika oder Schnittlauch oder alles durcheinander. Salami oder Schinken gehen bestimmt auch, habe ich aber noch nicht ausprobiert. Vielleicht muss man dann das Salz weglassen.

Broterwerb | Ich befinde mich in der Post-Urlaubs-Arbeitsakklimatisierung. Nach meiner kleinen Deutschlandreise bin ich diese Woche daheim und pruschele vor mich hin, halb arbeitend, halb freizeitend.

Gestern hatte ich mein erstes Kundengespräch seit zweieinhalb Wochen. Ich war nicht verwirrt und habe ganze Sätze gebildet. Das macht Hoffnung auf die kommende Woche, wieder richtig losgeht.

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Verspannungen | Aber emotional.

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Gebucht | Vom 2. bis 4. September bin ich in Berlin. Eine Limo am Montagabend oder ein Mittagessen am Dienstag – mag wer?

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Dichter dran | Unter dem Hashtag #dichterdran schreiben Frauen über männliche Schriftsteller, so wie männliche Kritiker sonst nur über Autorinnen schreiben. Sehr erheiternd.

Kostproben:

https://twitter.com/maria_hofbauer/status/1158362352062017536?s=20
https://twitter.com/Guzinkar/status/1157690006514872322?s=20
https://twitter.com/SennahojOttonib/status/1158415886937731077?s=20

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Gelesen | Die New York Times stellt in Grafiken dar, wie weiße Extremisten sich gegenseitig zu Attentaten inspirieren, in Europa, den USA und darüber hinaus.

Ich bin übrigens kurz davor, ein Abo für die NYT abzuschließen. Die macht einen echt guten Job; ich bin jetzt schon reichlich oft vor die Paywall gelaufen. Eigentlich verrückt: in Dortmund wohnen und keine Lokalzeitung abonnieren, dafür aber die New York Times, weil sie mir relevantere Informationen liefert.

Gelesen | Facepalm des Tages: Männer vermeiden umweltfreundliches Verhalten, um nicht für schwul gehalten zu werden. Wiederverwendbare Einkaufsbeutel mit sich zu führen, sei zu feminin.

Marathonsitzung | Nachdem ich am Donnerstag dachte, es sei Freitag und ich könne zum Frisör gehen, war am Freitag tatsächlich Freitag, und ich ging zum Frisör.

Der Frisör machte auf Orthopäde: Ich musste erstmal zwei Stunden warten, bis ich drankam. Denn der Freitag ist der Tag ohne Termine. Da kommt man dran, wenn man drankommt.

Vielleicht möchten Sie einwenden, ich solle besser an einem Tag mit Termin gehen. Termine bietet mein Frisör allerdings nur dienstags bis donnerstags an, montags nicht, freitags nicht, und am Samstag ist der Laden geschlossen. Das macht die ganze Unternehmung stets zu einem mittleren Projekt, denn an einem Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag kann ich nur selten. Am besten kann ich an einem Samstag, aber – siehe oben.

Gleichzeitig macht mein Haar-Buddy meine Haare wirklich gut, weshalb ich davor zurückschrecke, mir einen neuen zu suchen. Ich habe schon viel Elend auf meinem Kopf erleben müssen, und auch wenn ich nicht allzu eitel bin – ich möchte nicht 90 Euro dafür ausgeben, dass ich verunglückt aussehe.

Positiv lässt sich an den viereinhalb Stunden beim Frisör verbuchen, dass ich mein Buch durchlas. Es heißt „Wenn Martha tanzt“. Ich kaufte es in Berlin, es spielt in Weimar, wo ich vor zwei Wochen Station gemacht hatte. Protagonistin ist Martha, die in Pommern aufwächst und zum Studium ans Bauhaus geht. Eine auf 260 Seiten erzählte, kleine Geschichte, deren ersten 200 Seiten auch sehr gut sind. Dann endet sie leider für meinen Geschmack zu verschwurbelt und zu schwülstig. Dennoch: kann man gut lesen. Besonders der über weite Teile sachliche, leicht technokratische Stil gefällt mir.

Außerdem vervierfachte ich während Wartezeit und Behandlung meinen Dots-Highscore. Kurz vor dem Haareschneiden spielte ich ein legendäres Game mit unzähligen Rechtecken, die ich in Rekordgeschwindigkeit verschwinden ließ.

Ich sehe jetzt auch wieder passabel aus.

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Zum Tod von Mme ReadOn | Mme ReadOn hat sich das Leben genommen. Ende Mai hat der Spiegel Recherchen veröffentlicht, nach denen die Blogggeschichten über ihre jüdische Familie erfunden seien. Auch habe sie falsche Opferdokumente bei der Gedenkstätte Yad Vashem eingereicht. Mme ReadOn war promovierte Historikerin.

Reflexionen: Die Kaltmamsell: Elemente einer TragödieThe Irish Times: The life and tragic death of Trinity graduate and writer Sophie HingstLaura Hertreiter in der SZ: Zweifel am ZweifelCarolin Emcke in der SZ: Die ethische Last journalistischer Arbeit

Der Autor des Spiegel-Artikels, Martin Doerry, der die Täuschung Hingsts veröffentlichte, nimmt Stellung: Warum der SPIEGEL über den Fall Marie Sophie Hingst berichten musste. Lea Rosh, die Vorsitzende des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, kritisiert Doerrys Arbeit; er hätte ihre Erkrankung erwähnen sollen.

Ich kannte weder Mme ReadOn persönlich, noch ist öffentlich bekannt, unter welcher Erkrankung sie litt. Ich möchte dennoch einige Gedanken äußern – unabhängig vom konkreten Fall, nur anlässlich.

Es ist in diesem Blog nicht bekannt, aber ich habe weitreichende Erfahrungen als Angehörige psychisch kranker Menschen, unter anderem eines schizophren-psychotischen Menschen. Die aufgebaute Realität ist für diesen Menschen so sehr eigene Wirklichkeit, dass nicht nur jedes Gegenargument an ihm abperlt; jeder präsentierte Beleg, jede Prämisse überzeugt ihn noch mehr darin, der missverstandene Hüter der Wahrheit zu sein.

Beweise und Schlüsse nimmt er deshalb nicht als Entlarvung wahr, der er nachgeben und aufgrund derer er aufgeben und sich in Behandlung begeben sollte; die Argumente bestärken ihn in seiner Wahrnehmung, verkannt zu sein. Und: Sie sind Angriffe auf sein Inneres. Denn die Krankheitswirklichkeit hat nicht nur ihre eigene, in sich schlüssige Logik, die alles Äußere abwehrt. Sie ist nach schleichender Chronifzierung auch so sehr in die Identität des Kranken integriert, dass jeder Angriff auf die Logik seiner Welt ein Angriff auf sein fragiles, mit ständigen Dissonanzen kämpfendes Selbst ist.

Der erkrankte Mensch ist in der Lage, seine Wahrnehmung geschickt zu verargumentieren. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es für unerfahrene Dritte deshalb schwierig ist zu erkennen, dass sein Reden und Handeln einer Erkrankung entspringt. Denn wie kann jemand, der sich gewandt äußert und geistig hellwach ist, krank sein, wo doch Krankheit im Allgemeinen von Einschränkung und Unvermögen begleitet ist? Der Unerfahrene kommt nicht darauf, dass in diesem Fall gerade das Vermögen die Krankheit ist. Er hält den Kranken für ignorant und unbelehrbar – im schlechten Fall für dreist und kriminell, im besten Fall nur für wunderlich. Nicht aber für krank.

Es gehört zum Wesen solch schizophren-psychotischer Realitätskonstruktionen – man kann es sich denken -, dass keine Krankheitseinsicht besteht. Wer also sagt, man müsse dem oder der Kranken Hilfe angedeihen lassen, kennt die Mechanismen der Krankheit nicht; er setzt voraus, dass der Kranke die Hilfe auch annimmt.

„Der Gesetzgeber sieht vor, dass jeder Mensch das Recht auf seine eigene Psychose hat“, sagte einmal ein Gutachter des sozialpsychiatrischen Dienstes zu mir. Nur wer sich selbst oder Dritte gefährdet, kann zur Annahme von Hilfe gezwungen werden; doch das geht erst, wenn der Kranke bereits gefährdend gehandelt hat.

Der kranke Mensch ist in Verantwortung für seine Krankheit, obwohl die Krankheit ihn in dieser Verantwortung einschränkt. Es gibt keine Auflösung für diesen Widerspruch. Denn die Alternative wäre eine Einschränkung der Freiheitsrechte für alle, die wunderlich sind, ohne krank zu sein. Wer mag beurteilen, wo die Grenze ist?

Das macht wütend. Es macht sprach- und hilflos. Weil es keine Hilfe gibt, die man leisten kann.

Soll nun über Handlungen psychisch Kranker nicht berichtet werden, eben weil sie krank sind? Nein. Aufgabe von Journalismus ist es, Öffentlichkeit herzustellen und diejenigen sprachfähig zu machen, die sich nicht selbst äußern können – die Opfer der Täuschung, in dem Fall die Opfer des Holocausts un ihre Familie. Die Tragik liegt wohl darin, dass auch die Täuschende eine Getäuschte war.

Urlaubsverwirrung | Heute wollte ich zum Friseur. Freitags ist immer ohne Termin. Ich wurde belehrt, dass Donnerstag sei, ich solle morgen wiederkommen. Nun komme ich morgen wieder.

Urlaub. Kein Gefühl mehr für Tage. Dafür einen Tag mehr Urlaub als gefühlt.

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Zurück | Ich bin wieder zurück in Dortmund. Am Morgen begrüßte mich der Garten. Dank Vatta ist alles in Schuss. <3

Blick von der Terrasse in den Garten: weißes Gewächshaus, davor ein Kirschbaum. Einfallende Sonne.

Nach der Frisörverwirrung kehrte ich heim und legte ich mich, erschöpft vom nicht vollbrachten Tagwerk, in meine Relaxliege Mexiko. Ich schlief ein und holte mir einen monströsen Sonnenbrand. Anfängerfehler.

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Was bisher geschah | Rückblick, zumindest mit den touristischen Höhepunkten. Serviceblog und so.

Es begab sich, dass ich C und die Jungs in Berlin traf. Bei 36 Grad in der Stadt fehlte uns jegliche Motivation, durch Straßen und Gassen zu laufen. Irgendwo drinnen konnte es nur besser sein. Außerdem waren wir näher an eventuellen Getränkeautomaten.

Deshalb besuchten wir das Naturkundemuseum.

Naturkundemuseum Berlin, große Halle mit zwei Dinosauerierskeletten

Im Berliner Naturkundemuseum steht das größte aufgebaute Dinosaurierskelett der Welt, ein Brachiosaurus brancai. Die Knochen wurden einst zufällig von der Deutschen Bergbau-Gesellschaft gefunden – in Tansania, das damals noch Deutsch-Ostafrika hieß. Davon erfährt man im Museum, aber nichts, das habe ich später gelesen.

Ich springe jetzt etwas in der Zeit, nicht nur archäologisch. Denn einige Tage nach der Besichtigung des Skeletts, auf dem Rückweg von Berlin, verschlug es uns nach Nordostwestfalen. In Bad Essen-Barkhausen sahen wir uns Dinosaurierspuren an.

Dinosaurierspuren in Erde

Mehr als diese Trappsen gibt’s dort zwar nicht zu sehen, aber immerhin: Der Kreis der Reise schloss sich auf wundersame Weise.

Zurück ins Naturkundemuseum. Am kühlsten war es in dem Raum mit den eingetupperten Fischen. Dort habe ich mich gerne aufgehalten.

Naturkundemuseum Berlin: Raum mit eingelegten Fischen in Gläsern

Die Fische als solche waren sehr bleich und glotzten apathisch auf die Besucher. Vielleicht auch, weil sie tot sind.

Insgesamt gibt es im Museum 276.000 Gläser mit einer Million Objekten in 80 Tonnen Alkohol. Ich hoffe, ein Statiker hat die Aufbauten abgenommen.

Am nächsten Tag besuchten wir den Flughafen Tempelhof und machten dort eine Führung mit.

Flughafen Tempelhos: Blick vom Flugfeld auf das Halbrund des Gebäudes

Der Themenkomplex „Flughafen“, „Zweiter Weltkrieg“, „Luftbrücke“ und „USA“ stieß bei K1 und K2 auf großes Interesse.

Die Führung dauerte insgesamt zweieinhalb Stunden. Wir sahen die Abflughalle …

Tempelhof: Abflughalle

… den Eingangsbereich …

Tempelhof: Information

… und die Luftschutzräume.

Tempelhof: Luftschutzkeller

Ich hatte die gleiche Führung schon einmal mitgemacht, allerdings ist das fünf Jahre her. Es tat dem Vergnügen keinen Abbruch, sich alles noch einmal anzusehen. Der Ticketpreis ist seither allerdings deutlich teurer geworden. Ich meine, ich hätte damals neun Euro bezahlt, nun sind es 15 Euro pro Erwachsenem.

Das ehemalige Flughafenrestaurant:

Blick durch die Türen des Restaurants auf das Flugfeld

Wir sahen auch die ehemalige Bowlingbahn der amerikanischen Soldaten, die Basketballhalle und die Bar. Wir erfuhren, warum die Rosinenbomber Rosinenbomber heißen (wegen der Süßigkeiten, die sie für die Kinder abwarfen).

Tempelhof: Treppe

Im Anschluss an den Flughafen Tempelhof besuchten wir den Fabrikverkauf einer Keksfirma. Ich zitiere K2: „Das ist einer der schönsten Läden, in denen ich jemals war!“

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Gelesen | Landwirt Lehner macht aus seinem Kartoffelacker mittels Crowdfunding ein Blumenfeld – für Insekten. Er vergab Blühpatenschaften an Städter – und erlebte wunderliche Dinge mit ihnen. Die Geschichte eines Feldversuchs für den Artenschutz (€).

Gelesen | Was Frauen meist fehlt, um erfolgreich zu sein, sei nicht Talent oder Durchsetzungsvermögen. Es sei Zeit, sagt Autorin Brigit Schulte im Guardian.

Women’s time has been interrupted and fragmented throughout history, the rhythms of their days circumscribed by the sisyphean tasks of housework, childcare and kin work – keeping family and community ties strong. If what it takes to create are long stretches of uninterrupted, concentrated time, time you can choose to do with as you will, time that you can control, that’s something women have never had the luxury to expect, at least not without getting slammed for unseemly selfishness.

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Hinweis | Falls hier in den nächsten Tagen mal etwas schief hängt oder nicht funktioniert: Christian werkelt im Hintergrund am Blog. Bitte tragen Sie einen Baustellenhelm und achten Sie auf herunterhängende Kabel.

Zurück im Ruhrgebiet. Und was finde ich beim Tascheauspacken? Eine neue Podcastfolge. Sapperlot!

In Brandenburg habe ich Katja getroffen. Katja Reister produziert Hörformate: Hörbücher, Hörspiele und Podcasts. Sie hat in New York und London gelebt, für Audible gearbeitet und ist nun wieder in Berlin.

Vanessa (links) und Katja (rechts) mit Strohhut. Beide lächeln. Im Hintergrund Natur.

Ich habe sie vors Mikro geholt und mit ihr über ihre Arbeit gesprochen. Sie erzählt, wie ein Hörspiel entsteht, welche Leute daran beteiligt sind und wie die Sprecher und Sprecherinnen ausgewählt werden. Wir haben über Podcast-Serials und über Kinderbücher geredet. Und es gibt Hör-Tipps.

Ein Mann. Eine Frau. Ein Gespräch., diesmal als Brandenburg-Sonderausgabe Eine Frau. Eine Frau. Ein Gespräch.:

Shownotes:

Katja ReisterKatja auf TwitterBrittaThe Webster Appartments for Women in New York CityCoconat Space in Brandenburg

Hörspiele, die Katja empfiehlt:
Die juten SittenDie Flüsse von LondonHonigtotTrue Blood

Podcast-Serials, die Katja empfiehlt:
SerialMensch MuttaIm Untergrund

Zum Download und zum Anhören:

mp3SoundcloudPodigeeIm Abo bei Apple Podcasts

Heute wenig Recreation, mehr Work. Ich schloss mich der „Neigungsgruppe Arbeit“ an, wir setzten uns in einen der Coworking-Räume, und ich tat Dinge.

Coworking-Space im Gutshaus: Holztisch, , darauf Laptop und iPad, im Hintergrund große Fenster

Ich schrieb Mails und dachte schonmal einen Kundenworkshop vor, der Anfang August, direkt nach meinem Urlaub stattfindet. Außerdem beschäftigte ich mich mit allerlei Kleinkram, Buchhaltung, einem Auftrag an meine Grafikerin, und ich buchte eine Unterkunft fürs Agile-Barcamp in Leipzig.

Außerdem stellte ich das Newsletterthema aus dem Juni online. Ich schrieb darüber, warum Bonuszahlungen und leistungsabhängige Vergütung mehr schaden, als sie nützen.

Hinter den dicken Mauern des Gutshauses war es angenehm kühl. Es ließ sich gut arbeiten.

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Einladung | Fette Einladung zu meinem Vortrag auf der Digitalen Woche Dortmund! Kommt alle!

Logo der Digitalen Woche Dortmund. Untertitel: "Didigitalisierung, Innovationen, Chancen.  04. - 08.11.2019"

Kultur frisst Strategie – Digitalisierung ist mehr als Technik

5. November 2019, 18 Uhr.

Digitale Werkbank, Hoher Wall 15, Dortmund

Ich werde darüber sprechen, was Digitalisierung dem Menschen abfordert, welche Rolle Unternehmenskultur spielt, wie man sie entwickelt und warum es normal ist, wenn es mal drunter und drüber geht. Alle Infos zum Vortrag und Anmeldung.

Ich freue mich auf Euch! Bitte formlos anmelden, damit ich ausreichend Getränke ordern kann.

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Co-Workerin | Mir gegenüber saß Britta. Sie schreibt auf der Seite „Leben mit Reizdarm“ über die Erkrankung.

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Obst | Am späten Nachmittag und am Abend jeweils ein Spaziergang um den Quadranten. Der erste führte mich an Mirabellen vorbei.

Ein Busch mit Mirabellen und ein staubiger Weg mit einer Pfütze

Hier wachsen überall wilde Pflaumen und Mirabellen. Die Mirabellen sind reif und süß und lecker und wollen gegessen werden.

(„Die Wilden Mirabellen“ wäre ein guter Band-Name.)

Über den Feldern ging ein leichter Wind, und selbst in der Sonne war es nicht zu heiß. Das war sehr angenehm und gut auszuhalten.

Abends Abendsonne.

Abendsonner, die über Bäume hinwegscheint. Davor ein Feld mit wilden Pflanzen.

Und ein großer Mähdrescher bei der Arbeit.

Mähdrescher in der Abendsonne

Nebenan wohnt ein tauber Schäferhund mit Schlaganfall, der sich erst vor dem Mähdrescher verkroch und sich dann enthusiastisch, sein rechtes Bein hinter sich herschleppend, auf das gemähte Feld warf und sich ausführlich auf dem stachligen Korn wälzte.

Beelitzer Heilstätten | Heute lief ich durch Baumwipfel, an den Dächern von Ruinen entlang. Ich besichtigte einen OP-Saal und flanierte durch ein Sanatorium.

Das Alpenhaus der Beelitzer Heilstätten: Backsteinbau, verfallen, ohne Glas in den Fenster. Aus dem Dach wachsen Bäume

Die Beelitzer Heilstätten liegen südlich von Berlin. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren sie die weltweit modernsten Einrichtungen zur Heilung von Tuberkulose. Sie gehörten der Landesversicherungsanstalt Berlin. Berliner Arbeiter und Arbeiterinnen waren damals bereits über die Landesversicherungsanstalt versichert und wurden kostenlos dort behandelt.

Ab 1945 behebergten die Gebäude das größte sowjetische Militärhospital außerhalb der UDSSR.

Die Gebäude sind heute verfallen und geplündert, können aber besichtigt werden. Ein Baumkronenpfad führt durch die Wipfel und um das so genannte Alpenhaus herum.

Baumkronenpfad aus der Höhe

Von der 40 Meter hohen Aussichtsplattform kann man auf den Pfad und über die Brandenburger Wälder sehen.

Das Sanatorium wurde inmitten der Natur errichtet. Es bestand aus 60 Gebäuden. Das Gelände ist 200 Hektar groß, also zwei Quadratkilometer.

Panoramablick über den Wald. Klein darin: zwei Backsteingebäude

Die Heilstätten versorgten sich selbst. Hier gab es eines der ersten Heizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung. Außerdem gab es auf dem Alpenhaus einen Wassertank, durch den ein Schornstein führte, der ihn beheizte.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren von Ost nach West strikt nach Geschlechter getrennt untergebracht. Außerdem wurde von Nord nach Süd danach unterschieden, ob Patienten ansteckend waren oder nicht. Es gab Betten für 1.200 Menschen.

Blick vom Baumkronenpfas eine Hauswand hinunter

Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gab es noch keine Medikamente gegen Tuberkulose – auf das bereits erfundene Penicillin spricht die Krankheit nicht an. Die Patienten wurden deshalb nur mit „gutem Leben“ kuriert: Alle Zimmer auf dem gesamten Gelände waren nach Süden ausgerichtet. Sie machten dreimal täglich Luftbäder. Es gab gute Speisen zu essen.

Flügeltür im Foyer der Chirurgie mit Blick in den Gang

Alle Gebäude sind mit einer Stahlskelettbauweise errichtet. Keine Wand ist tragend; die Backsteine haben nur schmückenden Charakter und sollten dem Auge wohltun – ebenso wie die farbigen Kacheln im Innern. Nichts sollte an eine Krankenanstalt erinnern.

Die Ecken in den Zimmern waren abgerundet: an den Wänden, in den den Zimmerecken wie auch unter der Decke. Das sollte verhindern, dass sich Turberkelbakterien festsetzten.

Gang in den Beelitzer Heilstätten: blaue Kacheln bis auf Brusthöhe, danach weiße Farbe. Fenster links, rechts die Zimmer

Zudem waren die Beelitzer Heilstätten der erste Ort, an dem man mit einem Knopfdruck nach dem Pflegepersonal klingeln konnte. Dann leuchtete über der Gangtür ein Licht auf.

Bogen über der Tür mit farbigem Glas

Die Fahrstühle waren verglast, so dass Licht in die Gebäude hineinfiel. Licht und frische Luft wurden als wichtigstes Mittel zur Überwindung der Krankheit gesehen.

Fahrstuhl im Foyer: grüne Fahrstuhltüren im lichtdurchfluteten Treppenhaus
Blick nach oben in den Fahrstuhlschacht und das Treppenhaus. Alles sehr hell.

Die Heilanstalten waren außerdem vorbildlich, was Hygiene anging. Jeder Patient und jede Patientin, ob im Einzel- oder im Zweibettzimmer (eine andere Belegung gab es nicht), hatte sein eigenes Waschbecken, damit er sich nicht erneut infizierte. Das ist mehr, als jetzt in den Krankenhäusern Standard ist.

In den 1920er Jahren wurde auf dem Gelände eine Chirurgie errichtet.

Chirurgiegebäude von außen: Balkone mit geschwungenen Geländern. Bäume wachsen darauf.

Erst zu diesem Zeitpunkt waren die medizinischen Mittel und das Wissen vorhanden, derartige Operationen vorzunehmen. Dennoch überlebte einer von sechs Patienten einen Eingriff nicht.

Der OP-Saal bietet heute einen Blick ins Freie.

OP-Saal

Seinerzeit gab es eine septische und eine aseptische Abteilung. Die aseptische, also keimfreie Abteilung, in der sich auch die OP-Säle befanden, arbeiteten mit Dampfsterilisation; kein chirurgisches Werkzeug wurde zweimal verwendet. Durch eine Öffnung konnte der Chirurg es nach Benutzung direkt in den Keller befördern, wo es gereinigt wurde.

OP-Saal: Desinfektionsanlage

Für die Menschen war der Aufenthalt eine Wohltat im Vergleich zum eigenen Zuhause. Dort wohnten die Arbeiterfamilien mit all ihren Mitgliedern auf nur 25 Quadratmetern. Betten wurden geteilt. Tagsüber kamen oft noch Schlafgänger ins Haus, an die man sein Bett für einige Stunden vermietete.

Im Hof gab es das „Scheißhaus“ mit dem „goldenen Eimer“. Viele Familie sollten jedes halbe Jahr um, weil die Wohungen feucht waren; der 1. April und der 1. Oktober waren „Ziehtage“, offiziell von der Stadt Berlin erlaubte Umzugstage.

Die hygienischen Umstände waren sehr schwierig. Deshalb breiteten sich Krankheiten wie die Tuberkulose rasch aus. Heilung war unter diesen Umständen schwierig bis unmöglich. Die Industrialisierung brauchte aber kräftiges Arbeitsvolk – weshalb die Versicherungsanstalt keine Mühen scheute, es zu kurieren.

Bewachsenes Haus auf dem Gelände

Baumkronenpfad und Beelitzer Heilstätten

Es gibt täglich unterschiedliche Führungen durch die verschiedenen Gebäude. Nur mit einer Führung kann man hinein und Fotos machen. Ich war in der Chirurgie. Öffnungszeiten: 10 bis 19 Uhr. Alle Infos auf der Website.

Hinterherblogging | Ich hänge etwas mit dem Tagebuchbloggen. Am Sonntagabend bin ich im Hof versackt – mit Menschen aus München, Bielefeld und Berlin. Danach ergriff mich eine plötzliche Müdigkeit, die das Bloggen unmöglich machte.

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Die Suche nach Groß-Glien | Ich wohne hier in Klein Glien. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach Groß Glien.

Klein Glien ist wirklich klein. Einmal geblinzelt beim Autofahren, schon ist man hindurch. Die Erwartungen an Gross Glien waren: zweimal blinzeln.

Tatsächlich ist Groß Glien … weg.

Steine an einem Feld

Bereits seit dem Jahr 1420 ist Groß Glien wüst und verlassen. Mitte des 16. Jahrhunderts wurden noch einmal eine Schäferei, danach ein Hof für Ackerbau und Viehzucht errichtet. Schließlich lebten 42 Menschen hier – bis die Einwohnerzahl wieder sank. 1931 wurden die Gebäude abgerissen. Vor wenigen Jahren wurden die Überreste der Kirche (Bild) aus dem Bewuchs geborgen.

In der Umgebung ist das Töpfercafé Schmerzwitz.

Gutshof Schmerwitz: Renovierter Gutshod, gepflasterter Hof, Biergartenbestuhlung, Blumenkübel

Es hält monumentale und gleichzeitig köstliche Kuchenstücke vor. Man denkt danach, nie mehr etwas anderes essen zu können – und auch zu wollen.

Auch Gut Schmerwitz war einst eine Wüstung, genauso wie Groß Glien. Es wurde ebenfalls als Schäferei wiederlebt – blieb dann aber erhalten.

Töpfercafé von innen: hözerne Tische und Stuhle, große Korblampen, weißes Fachwerk

Das Gut gehörte der Familie Brandt von Lindau. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie enteignet.

Das Gut war anschließend unter anderem Zentralschule der Deutschen Volkspolizei und anschließend Zentralschule für Kampfgruppen „Ernst Thälmann“.

Seit dem Jahr 2000 ist es wieder in privatem Familienbesitz.

Weg zurück durch den Wald …

Alter Laubbaum inmitten von Nadelwald, verunschenes Licht

und über Felder.

Weg, der an einem abgeernteten Feld entlangführt. Die Sonne scheint, blauer Himmel und kleine Wölkchen

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Monokultur | Es gibt hier Felder. Sehr viele Felder. Sehr viele, sehr große Felder. Beeindruckend große Felder.

Kornfeld bis zum Horizont

Die Wikipedia weiß: „Die durchschnittliche Betriebsfläche ist mit 238 Hektar im deutschlandweiten Vergleich sehr groß. Großbetriebe mit über 1.000 Hektar bewirtschaften über 70 % der brandenburgischen Ackerflächen.“

Kornfeld von links nach rechts bid zum Horizont, in der Mitte ein Baum

Gleichzeitig ist Brandenburg führend beim ökologischen Landbau (gleiche Quelle), bei mir auch gleich ums Eck:

Maisfeld mit Blumen drin

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Gewitter | Am Samstagabend kam ein Gewitter über Klein Glien. Blitze über Blitze, Wind und eine Stunde lang peitschender Regen.

Blick auf dem halb geöffneten Fenster. In der Ferne ein weißes Haus gegen dunkelblauen Gewitterhimmel

Das Wasser drückte sich durch die Holzfenster und nässte die Fensterbank.

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Gelesen | Ein lehrreicher Twitter-Thread über die Geschichte des Pipimachens im All, gefunden bei der Kaltmamsell.

Rast | Ankunft in Brandenburg.

Panorama in Brandenburg: links die tief stehende Sonne, Maisfeld, rechts eine baumbestandene Straße

Hier bleibe ich ein paar Tage. Coworking & Recreation. Ein bisschen Arbeit, ein bisschen mehr Urlaub.

Ich bin zu Gast im coconat, einem Coworking Space irgendwo im Nirgendwo bei Bad Belzig, im Landkreis Potsdam-Mittelmark.

Gebäude des Gutshofs von außen
Foyer, Schild: "Relax and get some work done". Dazu eine Diskokugel

Sechs Leute haben das hier gegründet, haben einen Gutshof instand gesetzt, Platz für 40 Menschen geschaffen, Arbeitsräume und Schlafräume eingerichtet, schnelles WLAN in die Provinz gebracht und sich auch sonst allerlei ausgedacht, um das Leben schön zu machen.

Hof mit Steine auf Stein, dafür bunte Stühle und Pflanzen
Springbrunnen mit Schaukel
Zelt, aufgespannt zwischen Bäumen

Eine Sehenswürdigkeit der Gegend habe ich schon erkundet: Ich war auf Brandenburg zweithöchstem Berg, der sich direkt hinter dem Haus befindet: der Hagelberg, 200 Meter.

Blick vom Hügel hinunter auf gelbe Kornfelder

Das war relativ schnell erledigt. Für Historiker: Wissenswertes über die Schlacht bei Hagelberg.

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Gartenhaus | Zuvor, am Freitagvormittag, war ich noch in Weimar unterwegs. Ich besuchte Goethes Gartenhaus.

Blick durch ein hohes, weißes Holztor auf ein kleines, graues, weinbranktes Haus

Ich muss zugeben, dass die Themen „Goethe“ und „Schiller“ es während meiner schulischen Bildung verpasst haben, ins Langzeitgedächtnis überzugehen. Natürlich haben wir uns im Deutschlunterricht mit Werken beschäftigt, ich hatte ja sogar Deutsch-Leistungskurs. Aber ich erinnere nichts, gar nichts.

Durch diese dunkle Gasse muss er kommen. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Fest gemauert in der Erden, steht die Form, aus Lehm gebrannt. Das war also des Pudels Kern!

Es ist alles ein Nebel, auch das Drumherum. Wann haben sie gelebt? Mit wem? Der Goethe mit Charlotte von Stein. Oder war’s Christiane Vulpius? Welche zuerst oder hat er mit beiden gleichzeitig …?

Das Gartenhaus deckte es auf: erst Charlotte, platonisch, dann Christiane. Woraufhin Charlotte verschnupft war, obwohl sie mit Freiherr von Stein verheiratet war und mit ihm sieben Kinder hatte.

Blick ins Haus: Bibliothek, Schreibtisch

Mehr als 1.770 Briefe und Zettelchen schrieben sich Goethe und Christiane Charlotte. Das ist stattlich. Hätte es damals schon WhatsApp gegeben – was hätten sie dann erst zustande gebracht! Terrabytes von Daten! Und die ganzen Selfies!

Beleuchteter Treppenabgang

Ich begegnete auch dem Erlkönig wieder, in seiner originalen Form. Ich musste ihn einst auswendig lernen, in frühen Jahren, in der fünften oder sechsten Klasse.

Erlönig in Goethes Handschrift

Macht man das heute eigentlich noch in der Schule, Gedichte auswendig lernen?

Weil es regnete, sah ich von einem auschweifenderen Spaziergang ab. Bevor es nach Brandenburg ging, wollte ich noch zur Gedenkstätte Buchenwald, neun Kilometer vor Weimar auf dem Ettersberg.

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Buchenwald | Weimar hat eine reiche Geschichte, in die eine wie in die andere Richtung. Kunst, Musik, Literatur auf der einen Seite, Politik und Nationalsozialismus auf der anderen Seite.

Hitler wollte Weimar zur Gauhauptstadt machen und erfreute sich schon früh an der Stadt mit ihrer so vorbildhaft deutschen Geschichte. Während des zweiten Reichsparteitags der NSDAP 1926 wurde hier die Hitlerjugend gegründet. Es gab nationalsozialistische Aufmärsche. Vor dem Hotel Elephant, das Hitler nach nationalsozialistischem Stil neu aufbauen ließ, feierten die Weimarer ihn.

Buchenwald war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden. Es lag vor den Toren der Stadt auf dem Berg im Wald. 56.000 Menschen starben hier, durch Krankheit und Erschöpfung, sie wurden erschossen oder überlebten auf andere Weise nicht. Die Möglichkeiten zu sterben waren unerschöpflich.

Egal, wo und wie oft ich Orte wie diesen besuche: Es ist mir unverständlich. Wie kann der Mensch so unmenschlich werden? Welche Mechanismen sind es, die eine Gruppe Allmacht über die Andere erlangen lassen; welche Vorgänge sorgen dafür, dass diese Macht aufs Abartigste eskaliert? Wie kann es geschehen, dass der Mensch alles Mitgefühl verliert und zum Menschenquäler wird? Wer wäre ich gewesen, hätte ich damals gelebt?

Heute streifen Leute über das Gelände, Alte und Junge, Familien und Gruppen. Das KZ ist eine weite Ebene auf der Bergkuppe. Die Umrisse der Baracken liegen auf der Erde, als Steine, als Mauerreste, als fahrige Markierungen. Es geht Wind. Das Gras wiegt sich. Der Himmel ist wolkenverhangen. Die Uhr über dem Appellplatz zeigt Viertel nach Drei, Uhrzeit der Befreiung am 11. April 1945. Im schmiedeisernen Tor die Inschrift: „Jedem das Seine“.

Die Besucher tragen Trekkingschuhe. Manche eine Regenjacke. Mutter und Sohn stehen vor der Genickschussanlage. „Hast du gehört, was die Frau gerade gesagt hat? Wie sie hier die Menschen erschossen haben?“ – „Ja, Mama.“

Einige Besucher führen einen Rucksack mit Proviant mit sich. Andere gehen ins Museumscafé und bestellen zwei Wienerle mit Senf. Im Gebäude nebenan läuft der Film mit den Tausenden Toten, Vorführung für eine der Jugendgruppen, die hier zahlreich mit Bussen vorfahren.

Es ist nicht erwünscht, auf dem Gelände Fotos zu machen und sie ohne Genehmigung zu veröffentlichen. Deshalb gibt’s hier keine.

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Gelesen | Elizabeth Strout: Bleib bei mir.

Buch: Elizabeth Strout, Bleib bei mir

Ein wunderbar leises Buch über ein Dorf, dessen Pfarrer seine Frau verliert – eine Frau, die anders war. Er ist nun alleine mit den Kindern, in der Langsamkeit seiner Trauer wird er vom Leben überholt. Die Organistin will eine neue Orgel, der Lehrer träumt von einer anderen Frau, die Haushälterin verschwindet. Alles passiert in einem ruhigen Fluss – und am Ende … ach, lesen Sie selbst.

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Metabene | Aus der losen Reihe „Orte an denen Blogbeiträge entstehen“:

Eine Holzplatte in einer Nische vor einem geöffneten Fenster, darauf ein MacBook, in der Ferne dunkle Wolken.

Technischer Halt | Auf der Fahrt von München nach Weimar gab’s heute einen technischen Halt in Kinding, Altmühltal.

Silbernes Auto mit aufgeklappter Motorhaube

Mein Auto sagte: „Ölstand prüfen.“ Ein gelbes Warndreieck leuchtete auf.

Weil ich weiß, dass gelbe Leuchten keine roten Leuchten sind und ich nur bei roten leuchten sofort anhalten muss, fuhr ich erstmal weiter, suchte mir eine Ausfahrt und steuerte eine Tankstelle an. Gegenüber der Tankstelle, welch eine Freude, befand sich auch ein Autoschrauber.

Ich prüfte zunächst selbst den Ölstand. Das Auto hatte Recht. Es musste Öl rein. Um sicherzugehen, ob nicht ein Marder irgendwas durchgefressen hatte, bat ich den Mechanikus von gegenüber, mal reinzuleuchten. Das tat er – und füllte auch gleich Öl nach. Danke an das Landes-Team.

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Weimar | Am Nachmittag Ankunft in Weimar. Dort ins Hotel und rasch zur Stadtführung, die um 16 Uhr auf dem Marktplatz startete und über das Schloss zum Herderplatz führte.

Herderplatz: Bunde Fassaden, verspielte Giebel.

Eineinhalb Stunden Weimar im Schnelldurchlauf. Leider sprach die Stadtführerin leise, auch der Stimmverstärker nützte wenig. Schiller, Goethe, Liszt, Goldenes Zeitalter, Silbernes Zeitalter, Herder, Bauhaus, Weimarer Republik, Nationalsozialismus – kein leichter Stoff. Wenn die Umgebung dann noch laut ist und nur Sprachfetzen ankommen … schwierig.

Schillerhaus: Gelbes Haus mit türkisen Fensterläden, davor ein Baum.

Nach einer Stunde ließ ich mich zurückfallen, verschwand in eine Gasse und machte meinen eigenen Rundgang.

Goldene Verzierungen an einer türkis-weiß-gelben Fassade. Über der Haustür eine Girlande: "Just married."

Hübsche Stadt. Ein bisschen truschig, ein bisschen alternativ, mit jungen Eltern, Kindern in Lastenrädern und erstaunlich vielen Hutverkaufsstellen. Dazu Kulturtouristen und Jugendgruppen.

Fassade des Eingangs zum Stadtschloss.

Übrigens sieht man hier überall Gingko: Gingko-Pflanzen, Gingko-Shops, Gingko-Appartments, Gingko-Tinkturen. Hat irgendwas mit Goethe zu tun.

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Biebereis | Eissorten des Tages: Schoko und Mango.



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