Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Social Workplace | Der Prototyp zur Remote-Arbeit, von dem ich letztens sprach und den ich für Frank und EWE getestet habe, ist nun für jeden online verfügbar. Einfach runterscrollen und auf „Jetzt testen“ klicken.

Die Idee verknüpft virtuelle Plattformen mit dem physischen Raum – in dem Fall einem vorhandenen Büro. Man kann sich aber auch jedes andere Firmengebäude vorstellen, zum Beispiel das eigene. Als Mitarbeiterin kann ich das Büro betreten, am Schwarzen Brett gucken und sehen, wer gerade im Meetingraum ist (und mich dazu einladen beziehungsweise sehen, worüber gesprochen wird und wann der Raum wieder verfügbar ist). Es gibt einen Spieleraum und eine Teeküche, in der man sich treffen kann.


Freibadpommes | Das Onlinebuchungstool zeigte eine Auslastung im Stammfreibad von 104 Prozent. Ich hatte schon eine Karte und fuhr für einen Schwumm hin. Auf der Wiese war reichlich Platz. Im Becken so lala. Ich schwamm 2.000 Meter und verzichtete dann auf weitere Umkurvungen.

Bemerkenswert waren einige Sonderexemplare im Becken. Sie sind sonst nicht da, sondern scheinen nur bei optimalen Wetterbedingungen zu kommen:

  • der Showschwimmer. Besitzt die volle Ausstattung des Schwimmsports und legt sie auch komplett an: Paddles, Taucherflossen, Schnorchel, Pullbuoy, Schwimmbrett. Begibt sich dann auf die Reise ins Great Barrier Reef, findet aber nur gesprungene Kacheln in Dortmund-Wellinghofen. Es gibt ihn nur in männlich.
  • der Wasserprügler. Bei geringem Vortrieb sorgt er für maximalen Wellengang und Spritzfontänen wie ein Geysir. Wird ebenfalls nur in männlich geliefert.
  • die Quasseletten. Drei-, manchmal vierköpfige Damengruppe, die auf voller Breite der Schwimmerbahn gen Horizont treibt, innig ins Gespräch vertieft. Überholt- und Untertauchtwerden sorgt für keinen Erkenntnisgewinn, Hinweise Dritter und des Badpersonals verhallen. Nur in weiblich vorhanden.
  • der Sekundenturbo. Krauler ohne Kraultechnik, der bei Überholung durch eine weibliche Teilnehmerin alles aus sich herausholt und fassungslos zusieht, wie sie auch auf der nächsten Bahn das Tempo hält und davonzieht. Er wollte aber eh grad raus aus dem Becken.

Nach dem Schwimmen sonnte ich mich noch ein bisschen, las und aß, als mich der Mittagshunger ereilte, Freibadpommes.

Schale Pommes im Gras, in der Ferne das Blau des Schwimmbeckens

Codeman | Heute beim Brötchenholen überholte mich schnaufend ein Jogger. Auf dem Rücken seines T-Shirts stand: „Codeman – My software is a lot faster than me“, und ich glaube, ich hatte Gefühle.


Käthe | Heute ein Lese- und Schreibtag. Ich hatte Claire gebeten, für mein Buchprojekt zu diversen historischen Fragen zu recherchieren. Denn ich brauche Alltagswissen. Wie sah das Leben zwischen 1890 und 1910 aus? Viele Selbstverständlichkeiten, die es heute gibt, gab es noch nicht. Oder doch. Oder zum Teil. Oder anders. Wie hat sich Käthe Paulus fortbewegt? Wie waren wohl die Wohnverhältnisse in ihren frühen Jahren, wie später, als sie über Geldmittel verfügte? Welches Denken herrschte vor, in welchen gesellschaftlichen Schichten, welchen Menschen begegnete sie? Wie erlebten die Leute die rasante Industrialisierung, die Veränderung der Städte, den Fortschritt?

Ich lese auch selbst und habe mir außerdem Magazine mit Bildmaterial bestellt, um einen visuellen Eindruck zu haben. Aber ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, eine zweite Person auf Antworten anzusetzen, die ich suche. Denn ein anderer Mensch hat eine andere Perspektive, findet zusätzliche Quellen, zusätzliche Aspekte zur selben Frage, guckt mit anderem Blick auf Informationen. Und so ist es auch: Claires Recherchen geben mir nochmal gute Anstöße.


Gelesen | Frau Novemberregen berichtet aus ihrem Alltag. Ich bin so frei und zitiere den ganzen Abschnitt.

Ich trage meine neue Lieblingsbluse. Ich habe diese Bluse nun insgesamt dreimal bestellt, davon zweimal überrascht und enttäuscht zurückgeschickt, weil sie schon nach dem ersten Waschen begann, Fäden zu ziehen. Das Geld wurde mir erstattet. Ein paar Tage später stellte ich im Büro fest, nunja – also ich stellte fest, dass die Wölbung meines Bauches manchmal so auf die Schreibtischkante trifft, dass die Ecken der Leitz-Plastikmappen, in denen ich häufig Unterlagen gereicht bekomme, den Stoff meines Oberteils streifen. Diese Ecken sind recht scharfkantig und versursachen Schäden an empfindlichen Stoffen. Verblüffenderweise ungefähr genau an der Stelle, an der die schönen neuen Blusen zweimal begannen, Fäden zu ziehen. Ich habe sicherheitshalber umgehend ein Verbot von Plastikmappen in meinem Raum ausgesprochen. Langsam verstehe ich den alten Oberchef, dem man nur Unterlagen mit Plastikbüroklammern geben durfte, weil er mit den verzinkten „schlechte Erfahrungen“ gemacht hatte. Welche Art schlechter Erfahrungen wurde nie offenbart, aber vielleicht handelte es sich auch hier um Erfahrungen aus dem Bereich „Garderobe“.

Gelesen und gehört| Sascha Lobo über unseren Verkehrsminister Andreas Scheuer: Er ist so unglaublich gut im Schlechtsein | Sportskamerad Tönnies gründet 15 Tochterfirmen für die Produktion und den Vertrieb von Fleischwaren. Ob er diese Firmen nutzt, um Gesetzesschlupflöcher im geplanten Verbot von Werkverträgen zu nutzen, oder ob es sich tatsächlich um Vorratsgesellschaften handelt, wie ein Konzern-Sprecher erklärt, haben hoffentlich wache Journalistinnen und Journalisten im Auge. | US-Präsident Donald Trump, für den die anstehenden Präsidentschaftswahlen eher ungünstig kommen, findet, man müsse die Wahlen verlegen. Beobachter warnen bereits, dass Trump die Wahlen manipulieren und alles daran setzen werde, im Amt zu bleiben. | Nochmal Sascha Lobo: Er ist zu Gast im Podcast von Matze Hielscher und erzählt zum Teil sehr persönlich von der eigene Verletzlichkeit und dem Tod seines Vaters – aber auch über die Themen, für die er bekannt ist: Internet, Netzkultur und Digitalisierung. Gerne gehört.

Corona-Service | Sollen Tests für Reisende kostenlos sein? Lenz Jacobsen meint: Die Kranken sind immer unschuldig.  | Die Reporterfabrik hat einen kostenlosen Onlinekurs für Lehrpersonen, Schüler und Schülerinnen zum Corona-Virus erstellt – mit Videos, kostenlosem Unterichtsmaterial und Beispielsaufgaben. Der Kurs behandelt auch das Thema der Mythen und Falschinformationen.

Ein Loblied | Ich war bei meiner Friseurin. Dazu muss man wissen, dass meine Friseurin keine Widerrede duldet. Also, ihr Mund ist zwar diplomatisch, aber ihr Gesicht ist es nicht. Sie hat allerdings auch immer recht.

Meine Friseurin heißt Ayşe, und das ist ein Loblied auf sie.

Man kann versuchen, Ayşe Frisuren mitzubringen, die man hübsch findet und von denen man sich vorstellen könnte, sie auf dem Kopf zu tragen. Man kann es aber auch lassen. Denn es endet immer so wie bei der letzten Frisur, die ich Ayşe zeigte. Sie sagte: „Guck mal, du hast Haare wie Stroh. Wenn ich dir das so schneide wie auf dem Foto, dann bist du eine Vogelscheuche. Willst du das?“

Ich habe mehrfach versucht, Vorschläge einzubringen, aber Ayşe war nie begeistert. Seitdem lasse ich sie machen. Ayşe fragt trotzdem immer: „Was machen wir denn heute, Vanessa?“ Und ich antworte: „Das, was du sagst, Ayşe.“ Dann kichert Ayşe und macht.

Gestern sagte sie, sie mache diesmal ein bisschen was anders. „Entweder du liebst mich hinterher oder du hasst mich. Mit beidem kann ich leben. Sind beides Gefühle, und ich liebe Gefühle!“

Seit ich Ayşe über meine Haare entscheiden lasse, bin ich ein glücklicherer Mensch, denn ich muss eine Entscheidung weniger treffen und sehe besser aus.


Mahlzeit! | Nachdem ich beim Friseur war, aß ich Sushi, einfach so, weil es auf dem Heimweg lag. Das war toll und galaktisch lecker.

Sushi-Teller, Buch, Sojasoße, dahinter Promenade Phoenixsee

Flipper | Schwimmen gewesen und eine sympathische, weibliche Bekanntschaft gemacht. Wir haben uns nun schon zum zweiten Mal getroffen, jedesmal zufällig beim Schwimmengehen, und unterhalten uns immer sehr nett nach dem Schwumm. Freue mich.

Zwischenfazit der Schwimmsaison: bislang 31 Kilometer. Fühle mich gut.


Testkaninchen | Frank hatte mich gefragt, ob ich Zeit hätte, einen Prototyp zu testen. Er ist Projektingenieur und Business Innovator beim Energieversorger EWE in Oldenburg. Es ging um Remote-Arbeit. Ich hatte Zeit und habe mich sehr gefreut, eine halbe Stunde rumzuklicken, laut zu denken und an der Idee teilzuhaben.


Gelesen und angeguckt | Toll: Reconstructing Journalistic Scenes in 3D. Eine Kombination auf Scrollytelling, Storytelling und 3D ermöglicht es Journalismus, Orte dreidimensional zu zeigen und mit Erklärungen zu versehen. Das Beispiel zeigt eine Wohnung, von der man einen sehr authentischen Eindruck bekommt. Denkbar wäre das Ganze natürlich auch für Orte Zeitgeschichte: Orte politischer Ereignisse oder Orte des Wissenschaftsjournalismus wie zum Beispiel Labore oder Raumfähren. | 73 Cows – die Geschichte des Rinderbauern Jay Wilde und seiner Frau Katja, die mit ihrem Gewissen kämpfen, mit dem Schlachten hadern und ihre Farm ändern. Neben dem Inhalt tolle Bild- und Tonsprache, sehr nah an Menschen und Tieren. Emotional.

Auch Vögel haben Spaß an Laufbändern. | Österreich testet ein Solardach für die Autobahn – damit nehmen Solarparks nicht zusätzliche Landschaft in Anspruch, sondern nutzen vorhandene Fläche. Auf 337 Quadratkilometern deutscher Autobahn ließen sich pro Jahr etwa 41,5 Terawattstunden Solarenergie erzeugen – ein Drittel aller Energie, die deutsche Privathaushalte verbrauchen. | Ein weiterer Deutscher fliegt zur ISS: Matthias Maurer soll auf der Raumstation forschen. | Leben mit einem Chronischen Erschöfpungssyndrom: Wie eine Krankheit meine Freundin verschwinden ließ

Corona-Service | Brasilien hat die zweitmeisten Corona-Toten nach den USA, gemessen an der Gesamtbevölkerung. Ein Fotograf der New York Times, Tyler Hicks, ist den Amazon entlang gereist und hat dokumentiert, wie das Virus sich ausbreitet. Der Fluss ist nicht nur Lebensader des Landes, sondern transportiert mit Menschen und Waren auch das Virus.| Corona-Infektionen in Neuköllner-Bierkneipe: Das Gesundheitsamt fahndet nach 41 Gästen, 75 stehen unter Quarantäne. Zahlreiche Gäste machten falsche oder unvollständige Angaben und können deshalb nur schwer gefunden werden. | Jeder fünfte Covid-19-Patient im Krankenhaus stirbt – oder positiv formuliert: 80 Prozent der Menschen, die stationär behandelt werden, überleben.

Gartenfarben | Gestern Abend gab es den Garten in Technicolor.

Garten mit rot-blauen Himmelsfarben im Sommerregen.

Wildblumen gegen Akuratesse | Gestern war auch der Tag, an dem ich den Hintern nicht hoch gekriegt habe – außer am Morgen zur Seerunde mit der Sportskameradin. Danach verließen sie mich auch schon wieder.

Die Wildblumen, die die Landschaftsgärtner in diesem Frühjahr am See eingesät haben, sind übrigens eine Freude. Endlich weniger Akuratesse und mehr bunt.

Den Tag verdümpelte ich bis zum späten Nachmittag. Dann packte es mich aber, und ich schrieb bis kurz vor Mitternacht. Ich baute Szenen aus und Zeithistorisches ein, in die Dialoge und in die Gedankenwelt der Protagonistin.

Heute habe ich das Webinar vorbereitet, das ich morgen halte. Es geht um Persönlichkeit, was uns motiviert und welche Spielprinzipien auch im Arbeitsalltag Sinn ergeben. 90 Minuten, nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle, die mit Menschen zu tun haben.


Gelesen und angeguckt | Er ist 83, sie ist 84, sie haben einen Instagram-Account und sie modeln in der Wäsche, die andere Leute in ihrem Waschsalon vergessen haben: die Geschichte dazu in der New York Times. | Interview mit Kevin Pannewitz, der in Rostock und Wolfsburg spielte – und nun in der Kreisliga kickt: „Ich bin zwar fett, aber für die Kreis­liga reicht es noch. Die Defen­sive in der Kreis­liga, das ist vogel­wild. Da deckt ja nie­mand die Räume. Ich sehe das und laufe mich frei, wenn ich den Ball dann bekomme, habe ich unend­lich viel Platz. Das macht schon einen Rie­sen­spaß.“ Sympathischer Typ. | Ein Video für Freunde des kompetitiven Meerschweins

Flipper | Ich schwamm, und es war sehr schön. Diesmal baute ich etwas Intervalltraining in meine zweieinhalb Kilometer ein, vier 50-Meter-Sprints. Beim letzten Sprint wurde die Bahn ziemlich lang. Heidenei, das zog sich.

Ich war über mich selbst erstaunt, wie schnell ich kraulen kann und wie viel es für die Geschwindigkeit ausmacht, die Atemfrequenz möglichst weit runterzuschrauben. Ich schwamm Viererzug, wann immer es ging, und Dreierzug, nur zwischendurch mal hier und da einen Zweier, das machte erstaunlich viel aus. Am Bahnende pumpte ich wie ein Maikäfer. Aber es war super, werde ich jetzt öfter machen.


Anemonen-Melancholie | Der Garten ist in diesem Jahr an einigen Dingen sehr langsam (gefühlt), in anderen schnell. Die Gurken und die Zucchini brauchen noch, und die Hortensien gehen jetzt erst auf. Vielleicht kommt es mir aber nur so langsam vor, weil ich #wegenderaktuellenSituation praktisch danebensitze und zuschaue, wie es wächst.

Dafür sind die Herbstanemonen schon am Start. Das Blühen der Herbstanemonen macht mich jedes Jahr melancholisch, denn geneinsam mit dem Hibiskus sind die Anemonen die letzten Blüher, die kommen. Dieses Jahr bin ich noch melancholischer, denn ich rechne fest damit, dass wir im Herbst und im Winter steigende Infektionszahlen haben und ich viel alleine zuhause sein werde.

Bis dahin genieße ich den Sommer jeden Tag, ob mit oder ohne Sonnenschein, und schwimme so oft es geht.


Reminiszenz | Heute vor sechs Monaten stieg ich übrigens zum Strand von Arguamul hinab.

Felsiger Weg hinab zu einem Strand, der eingekeilt ist von Bergen. Die Sonne scheint.

Heute vor 28 Monaten war der letzte Tag in Italien, Tag 30 des geschenkten Monats, und ich setzte zum Monte Isola über, der Insel im Iseosee.

Monte Isola vom Wasser aus

Angeguckt und gelesen | 53 Meerschweine mit epischen Frisuren | „Your’re alone and the water is so cold“, südöstlich von Neuseeland, in der Nähe der Antipodeninseln. Dort komme ich raus, wenn ich vor meiner Haustür anfange zu buddeln und mich bis zum anderen Ende der Erde durchgrabe. Und Sie? | Während hier das Wetter moderat ist, brennt Sibirien: In Werchojansk am Polarkreis wurden im Juni 38 Grad gemessen, die Temperaturen liegen zehn Grad über dem Durchschnitt, es gibt 188 Brandherde. | Tuğba Tekkal, Spielerin in der Fußball-Bundesliga, über Rassismus auf und neben dem Platz.

Käthe | Um 10 Uhr an den Laptop gesetzt, um 20 Uhr wollte ich noch nicht aufhören. Das war super.

Ich habe geschrieben und umgeschrieben und viel gelesen, über das Kaiserreich zwischen 1890 und dem Ersten Weltkrieg. Aktuelle Aufgabe ist ja, mehr Sinnlichkeit in den zweiten Teil zu bringen – mit mehr Tiefe der Figuren, mit Dialogen und der Entwicklung der Charaktere.

Ich möchte außerdem, dass sich die Stimmung der Zeit in dem Text wiederfindet. Das war wirklich irre: das Wachsen der Städte, die technischen und wissenschaftlichen Entwicklungen von Maschinen und Automobilen bis hin zur Luftfahrt, das Kleinbürgertum mit seiner Hoffnung auf Aufstieg, die Arbeiterbewegung, die Horizonte, die sich öffneten, der Aufbruch und die Euphorie, dazu das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein, begleitet von einem wachsenden Nationalismus, dem Aufbau der Handels- und Kriegsflotte, dem Unterhalt der Kolonien, Sozialdarwinismus, gesellschaftlichen Konfliktlinien und der immer größer werdenden Kriegslust.

Das deutsche Reich verfügte damals über die größte Industrie Europas und war Exportweltmeister; Krupp, Siemens, Thyssen, Hoesch, Haniel, Henkel, AEG, BASF, Bayer, Agfa, Borsig, Schwartzkopff, MAN, Hanomag, Deutz, Benz, Hapag, Blohm & Voss – das und viele andere waren die Namen der Hochindustrialisierung. Bis 1918 ging zudem jeder dritte naturwissenschaftliche Nobelpreis an die Deutschen. Virchow, Koch, Behring, Röntgen, Hertz, Siemens, Einstein, Planck, Lenard, Hahn, Meitner – Medizin, Physik, Chemie, Strahlung, Quantentheorie, elektromagnetische Wellen, die Erfindung des Kunstdüngers und der Serum-Therapie, Studien zum osmotischen Druck, Relativitätstheorie, die Grundlagen der Kernphysik; unglaublich, was damals innerhalb weniger Jahrzehnte abging, auf so vielen Ebenen. Mittendrin eine Frau, die durch Europa reiste und mit dem Fallschirm aus einem Ballon sprang. Das passt natürlich nicht alles in die Geschichte. Aber die Atmosphäre – die möchte ich reinbringen.


Broterwerb | Dringend, wichtig, dringend und wichtig – viele kennen die Eisenhower-Matrix, die sagt, was man tun, lassen und delegieren sollte. Ich habe aufgeschrieben, warum das Ding Murks ist, speziell für Führungskräfte.


Angeguckt | Stadtplaner Martin Aarts, der Rotterdam zu einer attraktiven und zukunftsweisenden Stadt umgestaltet hat, hat sich exemplarisch einigen Straßen in Berlin-Pankow gewidmet: Stadtraum 2030 – Raum für Menschen statt für Autos

Alle weg | Heute ist Donnerstag, schon wieder. Die Gleichförmigkeit der Tage, das Fehlen von Reisen und Festen als Landmarken in der Zeit lässt alles zusammenschrumpfen. Schon wieder ist Donnerstag, wo doch eben erst Donnerstag war.

Die Gäste sind wieder abgereist und vergnügen sich nun im Münstlerland.

Um mich herum sind alle Menschen im Urlaub, an der Nord- oder Ostsee, in den Niederlanden, in verschiedenen Mittelgebirgen, in Bayern, in der Schweiz oder mit den Kindern bei den Eltern.


Früher Vogel | Heute Morgen Brötchenholspaziergang um den See.

Beim Spaziergang gesehen: Die Straße ist wieder gesperrt. Ich kann mein Stadtviertel nur noch über Umwege verlassen.

Es wäre nicht erwähnenswert, wäre es nicht seit Jahren so: Die Straße wird aufgerissen, wieder zugemacht, aufgerissen, wieder zugemacht, mal auf Höhe der oberen, mal auf der Höhe der unteren Bushaltestelle, mal auf Höhe des Supermarkts, mal geht es um Kanäle, mal um Leitungen, mal um Bergbauschäden, dann wieder um andere Leitungen und um andere Kanäle. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Eine der Hauptachsen des Dortmunder Südens ist nicht befahrbar, Auto über Autos wurschteln sich durchs Wohngebiet, Lkws fahren sich fest, Menschen schreien sich aus Blechkarossen an und wo wann welcher Bus über welchen Umweg wohin fährt, kapiert sowieso niemand mehr.


Karriere | Patricia schreibt über Frauen und Karriere-Ambitionen. Ich hadere ja seit jeher mit dem Begriff „Karriere“, der immer in irgendeiner Art und Weise mit Aufstieg assoziiert wird. Dabei geht es doch vor allem um Entwicklung.

  • durch (mehr) Personalverantwortung, verbunden mit dem klassischen Aufstieg im Organigramm
  • durch Mitwirkung und Verantwortung in (besonderen) Projekten
  • durch fachliche Verantwortung in der Linientätigkeit, zum Beispiel als Verantwortliche/r für eine Technik oder Methodik
  • durch Verantwortung für Menschen (ohne Personalverantwortung), zum Beispiel als Ansprechpartner für Auszubildende
  • durch fachliche Weiterentwicklung (in die Tiefe oder in die Breite)

Oft wird nur das erste als Karriere betrachtet. Dabei ist in meinen Augen alles Karriere. Das meiste davon plant man nicht, sondern es passiert: durch Stellenwechsel oder weil das Unternehmen gute Mitarbeiterentwicklung betreibt und Potentiale erkennt.

Leute, die sagen: „Ich möchte keine Karriere machen“, meinen in der Regel die klassische Karriere mit Aufstieg im Organigramm, Zeiteinsatz und oft auf Personalverantwortung. Wenn sie das sagen, trauen sie sich die Rolle entweder nicht zu. Oder sie möchten sie nicht, weil sie lieber an der Sache arbeiten als sich mit Personalführung zu beschäftigen; oder weil die Unternehmenskultur die Führungskräfte ausbrennt, und die Leute sich sagen: „Das ist es mir nicht wert.“

Was ich noch nie erlebt habe, ist, dass Menschen sich nicht entwickeln wollen. Übrigens egal welchen Alters.


Bumblebee | Hummeln gehe ja immer.

Hummel an Lavendel (Nahaufnahme)

Angeguckt und gelesen | Why do American cities waste so much space on cars? (Deutsche auch) – eine Aufbereitung des New York Times mit zahlreichen Grafiken. Erstaunlich erhellend ist schon die Unterscheidung zwischen drei verschiedenen Straßenarten – residential, commercial, crosstown – die eine Neuordnung der Städte für mich ziemlich greifbar macht. | Kundenerfahrung vs. Nutzererfahrung | Jugendliche wünschen sich Solidarität, Fairness und Gerechtigkeit, Beteiligung und Verantwortung, sagt die aktuelle Sinus-Jugendstudie. | Kinderzeichnungen, in die Realität gephotoshoppt

So’n Tag war gestern | Der Tag begann mit einem Bohrhammer. Er schlug Fliesen ab, in einer Wohnung im dritten Stock, und ich war schon sehr früh nicht! gut! gelaunt! Dann war das Internet weg. Das Telefon war auch tot. Die Magenta-Hotline hatte eine Warteschleife von hier bis Ravels Bolero.

Ich brauchte zwei Versuche, um ein Paket einzupacken und drei, um eine Karte zu schreiben. Brötchen alle.

Ich brachte das Paket zur Poststelle im Dorf, niemand erkannte mich, dafür wurde ich angenölt für nix. Ich wurde offenbar nicht als einzige von einem Bohrhammer geweckt.

Dann rief die Autowerkstatt an: Ich könne das Auto meiner Freundin abholen. Sie ist im Urlaub und hatte mich gebeten, es zu ihr heim zu fahren, damit es nicht auf dem Werkstatthof rumsteht. An einem Tag wie diesem! Ich würde es zu Schrott fahren.

Habe ich aber nicht.

Die Magenta-Hotline war dann doch für mich abkömmlich. Ich telefonierte 20 Minuten mit einem sehr netten Herrn, der meine Leitung durchmaß, der ebenso wie viele anderen Menschen seit März im Home-Office sitzt, zwischendurch seinem Paketboten die Tür öffnete und mir eine bessere Internetanbindung verkaufte (Die unendliche Baustelle oben an der Straße! Endlich hat sie einen Sinn!). Dank Corona, erzählte er, während die Messinstrumente maßen, darf er nun bis zur Rente im Homeoffice bleiben und spart dadurch an die 200 Kilometer Arbeitsweg pro Tag. Ich krabbelte zwischendurch an die Telefondose, stöpselte ein, stöpselte aus, wir plauderten und er war so nett und freundlich, dass ich rundheraus glücklich wurde. Telefon ging danach aber immer noch nicht: Der graue Kasten an der Straße war nicht im Takt. Heute früh kam der Techniker und machte ihn wieder rhythmisch.

Ich schrieb dann ein Angebot, korrespondierte, machte Pizzateig, der Bohrhammer machte Feierabend, und alles wurde gut.

Denn dann kamen Freunde. Sie campen zwei Tage vor meiner Haustür, denn es ist ja Corona, und Urlaub woanders fällt aus – wegen Virus und Kurzarbeit. Also haben sie ihren VW Bulli genommen, mit dem sie sonst durch Schottland und Slowenien und sonstwohin fahren, haben Kind, Kegel und Fahrrädern eingepackt, und bereisen nun ihre Freunde. Die Zweite Station auf ihrer Reise ist Dortmund, danach geht es weiter ins Münsterland.

Alter VW Bulli und Fahrräder

Wir veranstalteten eine Pizzaschlacht und grillten uns diverse, nach Wunsch belegte, sorgfältig gerollte und mit Liebe gebackene Pizzen und spielten anschließend Karten, bis es dunkel wurde.

Das war super.


Offline-Tinder | Weil ich mich auf Twitter am Rande über Worst of Online-Dating ausließ, bekam ich eine Leserinnen-Mail mit diesen Perlen aus dem Stadtanzeiger:

Wer hätte gedacht, dass im Offline-Tinder alles noch schlimmer ist.


Angeguckt | Copenhagenize your city: the case for urban cycling in 12 graphs

Corona-Service | Eine Studie aus Südkorea legt nahe: Ältere Kinder verbreiten das Corona-Virus ebenso wie Erwachsene. Das könnte Auswirkungen auf Schule und Unterricht haben, oder? | Covid-19 kann Psychosen auslösen. | Politische Corona-Handshakes, mit Musikuntermalung | Florian muss wieder laufen lernen | Niemand fühlt sich zuständig, die Maskenpflicht bei der Bahn durchzusetzen. Kommentar dazu: Kein Wunder, dass viele Menschen lieber Auto fahren. | Zwei Friseurinnen sind mit Corona-infiziert, arbeiten mit der Infektion tagelang und stecken niemanden an – weil sie eine Maske tragen. | Christian Drosten hat gute Laune.

Wochenende | Nix passiert. Auch schön.

Geschwommen. Wocheneinkauf gemacht. Getränke geschleppt. Ein bisschen den Garten umgeräumt. Aus dem Vogelfutter sind Sonnenblumen gewachsen, eine ist zwei Meter groß geworden und blüht nun. Ich habe sie vors Gewächshaus getragen. Dort kann ihren Anblick ausführlicher genießen.

Garten, Steinmauer, dahinter gewächshaus. Davor einige Töpfe, einer mit Sonneblumen

Das Gemüse kommt. Wenn die Gurkenblüten allesamt zu Gurken werden, werde ich die Herrscherin über ein Gurkenimperium, quasi ein Gurkiperium.

Balkon aufgeräumt, Vertrocknetes weggeschnitten, Grünzeug aus den Fugen gezupft, gefegt.

Die Echinacea vor dem Fenster ist eine Wonne. Auch die Bienen freuen sich.

Sonnenhut-Blüte aus der Nähe. Eine BIene sitzt drauf, eine weitere fliegt gerade heran, mit Nektar am Bein.

Die Bienen und Hummeln feiern weiter Party im Lavendel und im Allium. Das Eisenkraut, das ich mir aus den Ippenburger Gärten mitgebracht habe, kommt bei den Schmetterlingen gut an.

Eisenkraut mit violetten Blüten und weißem Schmetterling

Ich habe übrigens Menschen zum Ippenburg-Besuch inspiriert. Ich fühle mich ja immer wie eine VIP-Influencerin, wenn Leute irgendwohin fahren, weil ich darüber gebloggt habe.

Ich habe eine Fruchtfliegenfalle in der Küche und das Gefühl, der Apfelessig betört mich mehr als die Fliegen. Ich fühle mich völlig zugekifft von dem beißenden Geruch, während die Fruchtfliegen mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, deutlich größer als sie selbst, durch meine Küche schwirren.


Jahreszeitengefühl | Neulich im Feld. Der Sommer schreitet sichtbar voran.

Im vergangenen Jahr hatte ich kaum ein Gespür für die Jahreszeiten, weil ich immer gearbeitet habe, unterwegs war, gearbeitet habe, zwischen Duisburg, Dortmund und Hannover gependelt bin, zwischendurch mal im Freibad war, aber kaum im Garten gesessen habe. Das ist das Gute an diesem Sommer: Mit jeder Woche verändert sich die Natur, und ich habe die Muße, daran teilzuhaben.


Käthe | Den Prolog geschrieben. Er wird noch Überarbeitung brauchen. Aber es gibt ihn schonmal.


Gelesen | Unorthodox von Deboarah Feldman. Klappentext:

In der chassidischen Satmar-Gemeinde in Williamsburg, New York, herrschen die strengsten Regeln einer ultraorthodoxen jüdischen Gruppe weltweit. Deborah Feldman führt uns bis an die Grenzen des Erträglichen, wenn sie von der strikten Unterwerfung unter die strengen Lebensgesetze erzählt, von Ausgrenzung, Armut, von der Unterdrückung der Frau, von ihrer Zwangsehe. Und von der alltäglichen Angst, bei Verbotenem entdeckt und bestraft zu werden. Sie erzählt, wie sie den beispiellosen Mut und die ungeheure Kraft zum Verlassen der Gemeinde findet – um ihrem Sohn ein Leben in Freiheit zu ermöglichen. Noch nie hat eine Autorin ihre Befreiung aus den Fesseln religiöser Extremisten so lebensnah, so ehrlich, so analytisch klug und dabei literarisch so anspruchsvoll erzählt.

Randomhouse

Die Satmarer fühlen sich schuldig, dass sie den Holocaust überlebt haben – und sehen es als ihre Aufgabe, alles zu tun, damit es keinen zweiten Holocaust gibt. Das geht nur mit einem Leben nach strengsten religiösen Regeln. Die Schuld, nicht fromm genug zu sein, begleitet Devoireh, die Ich-Erzählerin, durch ihre Kindheit. Im Erwachsenenalter setzt sie sich fort, denn der Körper einer Frau ist schmutzig und schamhaft. Sie wird zwangsverheiratet, bekommt eine Panikstörung. Die Familie nimmt intensiv Anteil am erfolglosen Vollzug der Ehe – ein Albtraum. Als Devoireh schließlich schwanger wird, gelangt sie wieder zu einer Einheit von Körper und Geist und schafft es nach und nach, sich von Schuldgefühlen und religiösen Zwänge zu lösen.

Buch "Unorthodox" auf Gartenstuhl

Ich habe das Buch innerhalb weniger Tage durchgelesen. Packend. Besonders gut gefällt mir, wie wenig anklagend es ist: Deborah Feldman erzählt sehr neutral, sehr sachlich. Insbesondere in der Beschreibung ihrer Ehe wird deutlich, wie sehr auch der Ehemann in den Zwängen der Religion und der Erwartungen der Familie verhaftet ist. Auch wenn er schlimmen psychischen Druck auf Devoireh ausübt und sie wöchentlich – nach den Riten Freitags – zum Sex nötigt, wird doch klar, dass auch er ein Opfer ein.

Netflix hat eine Miniserie gleichen Namens gemacht (Trailer) – mit einer Hauptfigur namens Esty. Ich werde sie mir demnächst mal anschauen, denn sie scheint anders zu sein als das Buch: Das Buch spielt ausschließlich in New York und endet mit der Scheidung Deborahs, die in der Ich-Form erzählt. Der Umzug nach Berlin wird nur im Epilog thematisiert.

Interview mit Deborah Feldmann bei der Deutschen Welle.

Kleine Aussichten | Oh, wie großartig! Dafür wurde das Internet erfunden: Bei Window Swap (via Mama notes) können Sie wahllos auf der Welt aus dem Fenster schauen, und es ist toller, als es sich anhört.

Jeder kann mitmachen und sein Fenster schicken: als zehnminütiges HD-Video gemeinsam mit seinem Vornamen und dem Ort.


Truman Show | Heute hatte ich seltsame Begegnungen. Ich ging zur Poststelle im Dorf. Auf dem Weg dorthin standen Fahrradfahrer beieinander und unterhielten sich. Sie sahen mich, unterbrachen ihr Gespräch, winkten wild und grüßten freundlich, als käme eine alte Bekannte des Weges. Ich grüßte freundlich zurück.

Dann betrat ich die Poststelle, und die Poststelleninhaberin sagte: „Ach wie schön, dass Sie vorbeikommen!“, als habe sie lange auf meinen Besuch gewartet. Während ich mein Päckchen einpackte, sagte sie: „Gucken Sie mal, ich habe nun Silber geschafft“, als hätten wir erst letztens darüber gesprochen, und sie deutete auf eine Kompetenz-Urkunde der Deutschen Post, darauf ihr Name. Ich erfuhr, dass man, um diese Urkunde zu erhalten, 300 Fragen zum Postwesen beantworten muss, für Gold 600, das komme, sagte sie, noch diesen Monat, und sie fragte: „Diesmal wieder etwas verschicken?“, als verschicke ich häufiger etwas, hätte zuletzt aber etwas anderes in der Poststelle getan.

Auf dem Heimweg begegnete ich einem grauhaarigen Mann mit einem Kind. Er winkte mir von der anderen Straßenseite aus zu, grüßte ebenfalls enthusiastisch und fragte, wie es ginge. Auch ihn kannte ich nicht, aber ich winkte ebenfalls, grüßte freundlich, sagte „Gut“, fragte: „Und selbst?“, er antwortete, und dann gingen wir unserer Wege.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Entweder habe ich im Viertel eine Doppelgängerin, oder es wird eine Fortsetzung der Truman Show gedreht, mit mir in der Hauptrolle.


Buchprojekt Käthe | Es geht munter voran. Von meiner Lektorin hatte ich für Juli und August die Aufgabe bekommen, Teil Zwei des Buches zu überarbeiten. Teil Zwei habe ich auf La Gomera geschrieben.

Auf Gomera war mein Gehirn leider Brei. Ich habe deshalb nur ein Gerüst zusammengedengelt. An dieses Gerüst kommt jetzt „mehr Sinnlichkeit dran“, wie wir es ausdrücken, denn im Januar war ich unsinnlich. Die Figuren brauchen mehr Nahbarkeit, die Handlung mehr dramaturgische Tiefe, und alles muss besser zusammenpassen.

Mit dem Handlungsgerüst und der Sinnlichkeit ist es so: Einerseits gibt es wenig tatsächlich Dokumentiertes über Käthe Paulus‘ Leben. Aus ihrem Nachlass existieren einige biographische Seiten, darin Auftrittsorte, Zahlen, Daten, Fakten, außerdem aus späteren Jahren drei Handvoll Seiten Korrespondenz, Rechnungen, Abschriften, auch ein Vertrag – aber wenig Hinweise darauf, wie sie als Mensch war. Die Dokumente lassen viele, sehr viele Leerstellen. Wer waren ihre Freunde? Wer ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Welche Werte vertrat sie? Wie sah sie sich selbst? Wie die Welt?

Laptop mit Portrait von Käthe, Esstisch, dahinter ein Fenster
Quelle des Paulus-Bildes: Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main

Ich könnte mir die gesamte Handlung, alle Figuren ausdenken und tue es natürlich auch. Ich schreibe einen Roman, alles ist Fiktion. Aber ich möchte auch möglichst nah dran sein an der historischen Käthe – und an der Art von Menschen, die sie auf ihrem Weg hätten begleitet wollen.


Gelesen | Die Bundeswehr vermisst 60.000 Schuss Munition. So ähnlich kennt das ein Langhaarhaushalt mit Haargummis.

Corona-Service | Der New Yorker hat ein Lexicon for a Pandemic zusammengetragen. |  Unser Gesundheitsminister ist auf der Suche nach 7305 Intensivbetten, die er mit einer halben Milliarde Euro Steuergelder gefördert hat. Denn die sind offenbar nie entstanden. Ich schätze, das ist wie damals beim Taschengeld: Eigentlich wollte man etwas Sinnvolles kaufen, aber dann – schwupps, war’s auf einmal weg. | Langzeiterkrankt nach Covid-19: „Wir gelten als genesen und sind doch nicht gesund“. Dazu gibt es im englischsprachigen Raum die Seite Covid-19 Recovery Awareness. In einer Facebook-Gruppe versammeln sich deutschsprachige Covid-19-Genesene, die anhaltende Beschwerden haben. | Derweil am bulgarischen Goldstrand

Broterwerb, zoologisch | Diese Woche hielt ich ein Webinar für Stipendiaten und Stipendiatinnen der Friedrich-Ebert-Stiftung, organisiert von Pro Content. Es war eine Adaption meines Webinars „Selbstorganisation im Homeoffice“- für Studierende. In der Vorbereitung habe ich allerdings festgestellt, dass es wenig zu adaptieren gab: Die Inhalte passten nicht auf die Zielgruppe. Also habe ich mir überlegt, was die Stipendiat*innen umtreibt, habe fast alles neu gestrickt und mich auf drei Aspekte fokussiert: Aufschieberitis, Zeitmanagement und gemeinsame Remote-Lerngruppen.

Viele der Stipendiat*innen waren schon fortgeschritten im Studium oder werden in ihrer Promotion gefördert. Zum Teil arbeiten sie parallel oder haben schon Familien. Ich habe ja auch neben dem Beruf promoviert. Mit Aufschieberei, Zeitmanagement und einem permanenten schlechten Gewissen kenne ich mich bestens aus. Ich habe also auch viel aus dem Nähkästchen geplaudert, allgemeine Methoden genannt, aber auch, was für mich funktioniert hat und was ich gerne eher herausgefunden hätte. Das war ganz gut, glaube ich.

Für Prokrastination, also Aufschiebertis, gibt es eine Handvoll Gründe, unter anderem Überforderung: Die Aufgabe ist riesengroß, und es ist schwierig, einen Anfang zu finden. Ich habe das so symbolisiert:

Folie "Mittel gegen das Aufschieben" - darunter ein gemaltes Küken, ein Hund, ein Pferd und ein Elefant.

Es gibt Aufgaben, die sind Küken. Man guckt sie an, denkt: „Oh, wie nett!“, streichelt sie zart, und schon sind sie erledigt. Dann gibt es Aufgaben, die Hunde sind. Sie sind mittelgroß, man geht eine größere Runde mit ihnen Gassi, und sie sind erledigt. Es gibt Pferde: Sie sind bereits ziemlich unhandlich. Und es gibt Elefanten. Vor ihnen steht man mit in den Nacken gelegten Kopf und denkt: „Oh mein Gott, WTF.“

Die Sache ist: Eigentlich ist der Elefant auch nur ein Küken, viele Küken. Um zu wissen, wie man anfängt, ist also die erste Aufgabe, die Küken zu finden: die riesengroße Aufgabe in viele kleine Aufgaben zu zerlegen.

Ein gemalter Elefant = viele gemalte Küken

Den Anfang zu finden, ist bereits das erste Küken. Oder nein, eigentlich ist es kein Küken. Die Suche nach dem Anfang ist etwas größer, sie ist ein Hund, ein mittelgroßer. Vielleicht ein Pudel.

Wie fange ich eine Bachelor-Arbeit an? Die Küken, die zu dem Pudel gehören, sind:

  • brainstormen: Was finde ich interessant? Was ist mir im Studium begegnet? Möchte ich eine empirische, experimentelle oder eine Literaturarbeit schreiben? Kommt eine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen in Frage?
  • eine freie Internetrecherche machen
  • eine Bibliotheksrecherche machen
  • sich mit Kommilitoninnen und Kommilitonen unterhalten
  • in die Sprechstunde des (potentiellen) Betreuers/der Betreuerin gehen
  • wissenschaftliche Mitarbeiter*innen am Institut befragen – vielleicht solche, bei denen ich schonmal eine Veranstaltung besuche habe und zu denen ich ein gutes Verhältnis habe
  • Menschen suchen, die mein Fach bereits abgeschlossen haben und vielleicht Tipps haben
  • … (usw.)

Genauso ist es mit dem leeren Blatt Papier, also wenn es darum geht, mit dem Schreiben anzufangen. Beispiel Bachelorarbeit in den Geisteswissenschaften:

  • brainstormen, zum Beispiel mit einer Mindmap: Welche Aspekte habe ich in meinem Thema entdeckt, die ich besprechen möchte?
  • Thema einengen, Forschungsfrage oder Hypothesen formulieren oder eine Zusammenfassung formulieren, die ich meiner Oma erzähle: Worum geht es in meiner Arbeit? Woraus konzentriere ich mich?
  • Mutig aussortieren! Was lasse ich weg, mit welcher Begründung?
  • sich dazu mit der Betreuer*in besprechen
  • andere Bachelorarbeiten angucken: Wie sind sie aufgebaut?
  • eigenen Aufbau machen, schonmal provisorisch Kapitelüberschriften erdenken
  • sich dazu mit der Betreuer*in besprechen
  • dort anfangen, wo es am leichtesten fällt – muss nicht vorne sein und muss noch nicht gut sein

Alles kleine Küken, die man sich auf die Küken-Streichel-Liste setzt und abarbeitet. Dabei finden sich meistens wie von Zauberhand weitere Küken und Pudel auf der Liste ein.

Auch zum Zeitmanagement habe ich einiges erzählt: Dass es hilft, in Sessions und Blöcken zu denken, dass die eigenen Ansprüche meist zu groß sind und wie sie realistisch aussehen können.

Am Ende war es also gar nicht so viel zum Thema „Homeoffice“, eher etwas zum Thema „Selbstorganisation beim Studieren und Promovieren“.


Ankündigung | Wenn Sie Lust haben, mir 90 Minuten zuzuhören und sich mit mir auszutauschen: Bei meinem nächsten Webinar sind noch Plätze frei. Termin: Dienstag, 28. Juli, 10 bis 11:30 Uhr.

Es geht darum, Führung zu reflektieren, besonders in Hinblick darauf, was einzelne Teammitglieder antreibt, und wie man, wenn man das weiß, gute Teams zusammenstellt. Die Teilnahme kostet 59 Euro. Anmeldung hier.


Musik | Elijah Bossenbroek hat ein neues Album herausgebracht: Adapt. Wer auf Klaviermusik steht: Empfehlung. Erhältlich bei den bekannten Streamingdiensten oder als Kauf. Ich fahre ja gerne mit Elijah Bossenbroek Auto oder höre ihn beim Schreiben.


Schwimm-Performance | Gestern war ich wieder schwimmen. Ab und zu schien die Sonne, das Wasser war weich und angenehm. Ich schwamm 3.500 Meter, circa 1 ½ Stunden – so viel bin ich noch nie am Stück geschwommen. 2.200 Kraul, 1.300 Brust.


Gelesen | Rassismus in der Polizei: Der Abwehrreflex hat GeschichtePolizeigewalt: Falscher Zeitpunkt, falscher Ort | Von 62 Kilo Sprengstoff, die beim KSK abhanden gekommen sind, sind zwei bei einem Soldaten in Nordsachsen wieder aufgetaucht. Sie lagen neben einem SS-Liederbuch. Ich schätze, die sächsische Polizei geht nicht von einem politischen Motiv aus. | Der traurige Zustand deutschen Wirtschaftsjournalismus am Beispiel Shopify, provokant zusammengefasst von Thomas Knüwer. | Ich möchte, dass du in deinem Internet von mir erzählst

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