Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Urlaub | Letzte Urlaubsvorbereitungen. Dann fahre ich mit der Reiseleitung und dem Zug nach Kolding und von dort aus mit dem Fahrrad nach Skagen, in sechs Etappen. Die Taschen sind gepackt, die Kette ist geölt.

Meine bewährte 5er-Gepäckregel – fünf Kleidungsstücke für obenrum, fünf für untenrum, fünfmal Unterwäsche und fünf Sonderkleidungsstücke wie Badenzug, Kleid, Wanderweste – habe ich reduziert auf zwei Radhosen, zwei lange Hosen, drei T-Shirts und einen Pulli. So passt es mit dem Gepäck am Fahrrad, und es bleibt noch Platz für Proviant und Souveniers.

Im Zuge meiner Fahrradsozialisierung habe ich mir einige Kleidungsstücke angeschafft. So besitze ich jetzt eine Radhose mit Polster und einem Borat-Badenzug-ähnlichen Design, außerdem einen Poncho, in dem ich direkt in die Sesamstraße durchmarschieren kann – als Bibo, der große gelbe Vogel. Gut, dass ich inzwischen charakterfest und über allem Styling erhaben bin.

Wir fahren den Ochsenweg, den Hærvejen, am Ankunftstag 40 Kilometer, an den anderen Tagen zwischen 60 und 80. Ich bin gespannt, was mich erwartet.


Broterwerb | Vor dem Urlaub ist besonders viel Arbeit. Alles will erledigt sein; die Woche, die ich weg bin, muss ich vorarbeiten. Es war allerdings einigermaßen entspannt, ich hatte nie mehr als vier Termine oder Videokonferenzen am Tag und konnte deshalb eine Menge wegarbeiten: Folien für einen Kunden, Texte für interne und externe Kommunikation, eine agile Retrospktive, Vorbereitungen für einen Workshop.

Ich habe außerdem einen Newsletter geschrieben. Das habe ich in den vergangenen Monaten schleifen lassen. Er geht nächste Woche raus. Es wird um Souveränität und Klarheit gehen.


Marmeladenbusiness | Vatta war nochmal in den Brombeeren, und ich habe weitere Gläser Marmelade eingekocht. Sollten meine Geschäfte irgendwann nicht mehr laufen, kann ich ins Marmeladenbusiness umsteigen.

Bestimmt lässt sich das irgendwie mit Waffeln kombinieren.


Angeguckt | Weil er nicht bei der Beerdigung seiner Tante dabei sein konnte, hat ein australischer Schafbauer ihr ein riesiges Herz aus Schafen geschickt:

“The first time I tried it looked like the shit emoji, I tell you, and whilst my Aunty Deb had a good sense of humour, that wasn’t exactly what I was going for,” he said.

A love heart made out of sheep: Australian farmer pays tribute to his aunt

Gelesen | Clownesker Konservatismus

Angeguckt | Our World in Data: Environmental impacts of food production

Landfrauenorden | Zunächst zu den relevanten Ereignissen: Ich habe nochmal unzählige Gläser Marmelade eingekocht. Nachdem ich jüngst im Alter von 43 Jahren festgestellt habe, wie einfach es ist, Marmelade einzukochen, bin ich in eine Marmeladeneinkochwut hineingewachsen. Brombeeren, Himbeeren, Heidelbeeren, Reste von Erdbeeren und Johannisbeeren – ich kann mich nun bis ins Frühjahr 2023 von Marmelade ernähren.

Nur Pflaumen koche ich nicht ein. Pflaumen habe ich zu Kuchen verarbeitet, nach bewährtem Rezept.


Mentaltraining | Noch eine Woche arbeiten, dann fahre ich mit dem Fahrrad durch Dänemark, von Kolding bis hoch nach Skagen. Ich befinde mich in der mentalen Vorbereitung auf Wind, Regen, Leiden und natürlich Zimtschnecken.

Am Wochenende fuhr ich 55 Kilometer über die sieben Berge in die Heimat und wieder zurück. Danach taten mir die Beine weh. Es ging doch gehörig auf und ab.


Aber die Leute auf dem Land! | Bei Vorschlägen, die im Kontext Klimawandel und Verkehrswende vorgetragen werden, höre ich stets: „Aber die Leute auf dem Land!“ Denen könne man nicht das Autofahren verbieten. Überhaupt: Wenn eine Lastenradprämie nicht auch dem 90-jährigen, einbeinigen Karwendelbauern und seiner schulpflichtigen Enkelin vom Eselhof hinter der Höllentalklamm nützt, ist sie elitärer, akademischer Mist!

Heute las ich: 77 Prozent der Menschen in Deutschland leben in Städten oder Ballungsräumen. Nur 15 Prozent der Menschen leben in Orten mit weniger als 5.000 Einwohnern.

Klar – die Klein- und Mittelstädte sind unterschiedlich, darunter sind sicherlich auch Flächenstädtchen mit vielen eingemeindeten Ortschaften. Ich gewinne jedoch den Eindruck, dass der Verweis auf die Landbevölkerung, die über Wirtschaftswege 30 Kilometer bis zum nächsten Supermarkt fahren muss, in Anbetracht der klimatischen Herausforderungen nicht gegen jedes Argument pro Radwege-Ausbau und Lastenradförderung immun ist.


Binnenwanderung | In dem Kontext gefunden: Eine Karte zeigt das Wachsen und Schrumpfen der Städte und Landkreise in Deutschland.


#dieaktuelleSituation | Inzidenz in Dortmund: 142,8. Ich habe keine Meinung dazu. Einerseits: Die Mehrheit der Menschen ist geimpft. Andererseits: Ein großer Teil nicht – weil zu jung oder zu krank. Die Gleichung „ungeimpft = Corona-Leugner“ geht (noch) nicht auf.

Aber was tun? Ich habe keine Ahnung. Die Strategie „Alles normal, unsere Kinder werden ohnehin nicht schwer krank“, scheint mir arg kurzsichtig. Und: Wenn viele, die nicht geimpft sind, im Herbst und Winter erkranken, wird die Situation wieder sehr schwierig, selbst wenn anteilig weniger Menschen auf die Intensivstationen müssen. Es sind dann immer noch zu viele – mit allen Konsequenzen für Elektiv-Operationen, die abgesagt werden, und weiteren Wegen für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Das medizinische Personal ist ohnehin am Ende seiner Kräfte.

Aber wieder die Schulen schließen, bis auch die Kinder durchgeimpft sind? Das hält doch niemand mehr aus, Eltern nicht, Kinder nicht, Lehrer:innen nicht. Vor allem: In Anbetracht des Nichtstuns, der weiterhin fehlenden Luftfilter, der Konzeptlosigkeit und Realitätsleugnung der Länder und Schulbehörden, der fehlenden Unterstützung für Eltern macht diese Idee unsagbar wütend. Und in der Gastronomie, in Hotels und Sporthallen: Wieder die Innenräume schließen? Was ich weiß, ist: Ich möchte das Virus nicht haben, auch nicht doppelt geimpft.

Schwierig. Corona, Klimawandel – alles.


Ladies‘ Circle | Am Wochenende trafen wir uns vom Dortmunder Ladies‘ Circle zur Amtsübergabe. Die Präsidentschaft in unserem Service-Club wechselt jedes Jahr. Wir machen dann immer eine kleine Feier, meist ein Frühstück, die Amtskette wird übergeben, es gibt ein paar festliche Worte, wir essen und reden.

Diesmal war es besonders, weil wir uns seit fast einem Jahr nicht gesehen haben. Natürlich haben wir uns online getroffen. Aber da war wenig Raum für Persönliches. Ich habe die Gespräche sehr genossen.

Save the date: Am 13. November lese ich abends für einen guten Zweck aus Die Frau, die den Himmel eroberte – eine hybride Veranstaltung. Sie findet in Dortmund und im Internet statt. Mehr, sobald mehr feststeht.


Geguckt | Mare of Easttown. Gute Serie. Spannend, starke Besetzung, schmerzhafte Gesellschaftsstudie.

Fünfzehn Grad | Ein herbstlicher Atem wehte heute durch den Morgen. Der Regen prasselte. Die Anemonen senkten die Köpfe. Kälte kroch feucht durch die geöffnete Terrassentür in die Küche.

Üppiger Garten im Regen

Die Frau, die den Himmel eroberte | Noch 25 Tage bis Käte.


</Sommerferien> | Heute erster Schultag nach den Sommerferien. Die Inzidenz in Dortmund: 89,1. Bevor die beliebte Schule-auf-Schule-zu-Wechselunterrichtsdebatte beginnen kann, beendet das Schulministerium sie. Aus der aktuellen Schulmail des Landes NRW:

Mit einer Neufassung der Coronabetreuungsverordnung wurde nunmehr geregelt, dass der Präsenzunterricht inzidenzunabhängig gewährleistet wird. Damit ist der Schulbetrieb in Präsenz nicht mehr an bestimmte Inzidenzwerte gebunden.

Schulmail des Ministeriums für Bildung und Schule des Landes NRW vom 17. August 2021

Weiter heißt es:

Dies ist vor allem durch die vielfältigen, bewährten Schutzmaßnahmen wie Testungen, Maskenpflicht, Lüften […] verantwortungsvoll möglich.

Schulmail des Ministeriums für Bildung und Schule des Landes NRW vom 17. August 2021

Dann ist ja alles in Butter.


Alles anders herum | Der Penny-Supermarkt im Kiez hat renoviert. Eine Woche war er geschlossen. Nun ist alles anders herum. Der Eingang ist jetzt der Ausgang, die Kassen sind das Gemüse, nirgendwo liegt mehr Müll herum, nichts ist achtlos verräumt, statt Kippen gibt es Sushi. Die Anordnung ist sehr Ikea-ig, Konzept Markthalle mit Themeninseln. Die Kundschaft irrt durch die Gänge, erstaunt über Warenwaben und auf der Suche nach Eiern, Shampoo, Streichkäse.

Zwei Irrende treffen sich zum Frontalzusammenstoß, den Einkaufswagen vor dem Bauch. Die Eine murmelt eine Entschuldigung, leise schiebt sie ein „Ich suche …“ hinterher. Aber die Andere ist schon fort. Sie hat das Nicer Dicer Quick Set erblickt, bekannt aus Funk und Fernsehen und im Angebot für siebzehn neunundneunzig, das sind minus neunundvierzig Prozent auf die unverbindliche Preisempfehlung. Es gibt kein Halten mehr.

Auch ich fühle mich haltlos, emotional. Der Kopfsalat ist aus. Ich suche die Minzschokolade. Sonst finde ich alles. Sogar wieder hinaus.


A propos Ikea-ig | Gibt es unter den Leserinnen und Lesern Kenner des Produktes Pax, genauer gesagt des Produktes Ånstad-Schiebetüren im Kontext Pax? Wir haben hier nämlich eine Situation. Pax abgebaut, Pax wieder aufgebaut, aber die Schiebetüren sind sehr schwergängig. Die vordere ist zu eng an der hinteren. Man muss sie auseinanderziehen, keinerlei Geschmeidigkeit.

Alle Fehlersuche verlief bislang erfolglos: Oben ist es die richtige Schiene, unten auch (wirklich!), wir haben justiert und geschraubt, haben geschoben, gehoben und gedrückt.

Pax-Schrank von oben, zu sehen die Schiene mit eingehängter Schiebetür

Weiß wer was?


Wissenschaftsshow in Schulen | Die Physikanten bekommen in diesem Jahr noch Förderung für Schulshows – witzig-rasante Naturwissenschaftsshows mit Lehrmaterial. Interessierte Lehrer:innen können sich melden: mehr Infos und Kontakt.


Ernte | Die Zucchini performen. Die Thorstens auch. Sie sind ’ne Bank.

Schüssel mit zwei Zucchni, Tomaten, ein paar Chili

Gelesen | Professorin Herzbruch über Politiksimulation

Fahrradfahrt | Das Training für die Radreise besteht im Wesentlichen daraus, von Dortmund zum Mitreisenden nach Haltern zu fahren. Variante: Wir fahren den halben Weg von Dortmund nach Lünen gemeinsam und trennen uns am Kanal – der Mitreisende fährt weiter nach Haltern und ich wieder heim nach Dortmund.

Am Freitag fuhr ich erstmals mit vollem Gepäck – schwerer wird es in Dänemark auch nicht. Denn ich hatte meine Büroaustattung dabei: ein Laptop, ein Macbook, ein iPad und Zubehörkram. Das nehme ich natürlich nicht mit nach Dänemark. Aber die Klamotten werden kaum schwerer sein.

Panoramaaufnahme : Feld, ein bisschen Wald, zwei Windräder, Sonnenuntergang

Der Knuffelkontakt hat die Strecke maximal optimiert: Nur in Dortmund führt sie noch über ein paar größere Straßen, sonst am Kanal entlang und durch Felder, vorbei an hübschen Bauernhöfen, bis ich die Windräder passiere, noch ein paar Kilometer durch Wald fahre und dann nach Hullern komme.


Aufm Dorf | A propos Hullern: 2.300 Einwohner, eine Kirche, ein Bäcker, ein Dorfladen, eine Pizzabude. Und: eine Streuobstwiese für alle. Dort kann man zwar noch keine Äpfel pflücken (noch nicht reif), aber Brombeeren finden.

Wenn man neben der Kirche wohnt, eine Dachterrasse hat und auf der Dachterrasse ein Draußensofa, kann man auf ebendiesem Sofa liegen und auf alles hinabschauen, was vor der Kirche passiert. Und es passiert Einiges! Am Samstag und am Sonntag kommt nach und nach jeder vorbei, der durch Hullern will. Der Weg zum Bäcker, zum Dorfladen und, natürlich!, zur Kirche führt vor der Haustüre lang. Fußballmannschaften wollen zum Sportplatz. Radreisende queren das Dorf. Trecker biegen ein, Planwagen hinter sich herziehend, darauf Partyvolk.

Wenn niemand kommt, kann man den Blick auch auf die Kirche oder den Himmel richten.

Es ist wie aufs Meer gucken, nur ohne Meer.


#DieaktuelleSituation | Inzidenz in Dortmund 71,7. Am Mittwoch beginnt die Schule wieder.


Seminarangebot | Für 2022 haben sich die ersten Seminare ergeben – und auch in 2021 biete ich noch etwas an. Schauen Sie mal drüben nach.

Die Anmeldung für das Webinar „Selbstbehauptung und Umgang mit Stress“ findet sich inzwischen auch dort. Das Webinar hat den Titel bekommen: Wenn die Nerven blank liegen – Wege zu mehr Gelassenheit.


Gelesen | Eine afghanische Studentin schreibt im englischen Guardian über die Welt, die sie erwartet: Now I have to burn everything I achieved | Gesundheitsversorgung in Deutschland: Diagnose Gewinnsucht | Katrin Rönicke: Mein Leben mit LongCovid

Hinweise zur Bundestagswahl | Es wurde hier mal angeregt, ich solle doh bitte nicht nur Texte verlinken, die nahelegen, wen man nicht wählen möchte, sondern auch Quellen, die Hinweise geben, wen man wählen könnte. Voilà – direkt aus dem Bundestag, Fettungen von mir:

Antrag zur Aufnahme afghanischer Ortskräfte abgelehnt

Der Bundestag hat am Mittwoch, 23. Juni 2021, nach halbstündiger Aussprache einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt, in dem die Fraktion gefordert hatte, ein Gruppenverfahren zur „großzügigen Aufnahme afghanischer Ortskräfte einzuführen, die für deutsche Behörden und Organisationen arbeiten oder gearbeitet haben“ (19/9274). Die Koalitionsfraktionen und die AfD lehnten den Antrag ab, die Linksfraktion stimmte mit den Grünen dafür, die FDP enthielt sich. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses vor (19/28962)

Deutscher Bundestag

Mein Ex-Mann war zweimal in Afghanistan. Wir haben zwei Auslandseinsätze mitgemacht. Es ist unglaublich erschütternd, die Entwicklung zu verfolgen – und besonders, das Schicksal der Ortskräfte mit anzusehen, die ihn und die Bundeswehr unterstützt haben. Ich schäme mich, dass wir sie alleine lassen.

Die Frau, die den Himmel eroberte | Noch ein Monat und ein Tag, bis Käte erscheint. Ich bin sehr vorfreudig auf meinen ersten Roman. Und neugierig. Wie wird die Geschichte aussehen, gesetzt und gedruckt? Wie wird sich das Buch anfühlen? Wird der Umschlag schön sein? Wie wird es sich anfühlen, den Karton auszupacken? Es ist übrigens eine Leseprobe online (pdf).

Und: Der erste Lesungstermin steht fest. Am 25. November lese ich in der Stiftsbuchhandlung in Nottuln.


Radeln | Am Wochenende fuhr ich 110 Kilometer Fahrrad. Es wären noch mehr geworden, hätte ich nicht einen Platten gehabt. Das Radfahren hat mir gute Laune gemacht. Der Platten schlechte.

Zunächst zur guten Laune. So langsam bekomme ich ein neues Verhältnis zu Entfernungen und Erhebungen. 40 Kilometer zum Knuffelkontakt nehme ich nicht mehr als große Reise wahr, für die ich mich mental besonders wappnen muss, sondern ich denke: „Wetter ist gut, ich fah‘ mir dem Rad.“ Auch Berge machen mir nicht mehr so viel aus. Klar schnaufe ich. Aber ich trampel sie halt weg. Nach der Steigung kommt die Abfahrt.

Panoramabild von einem abgeernteten Feld, in der Ferne ein Haus, Sonnenblumen. Himmel mit Wolken

Die Waffel im Seepark Lünen bekommt 8 von 10 Punkte. Geschmack sehr gut, Bräunung gut, geringe Abzüge wegen zu starker Knusprigkeit auf Kosten der Fluffigkeit.

Bei der dritten Tour schlingerte plötzlich mein Hinterrad: Platten. Natürlich hatte ich weder Flicken noch Pumpe dabei. Ich bekam galaktisch schlechte Laune, schob mein Rad zwei Kilometer zur nächsten Stadtbahn-Haltestelle (zum Glück war ich schon wieder in Dortmund!) und fuhr mit zweimal Umsteigen, schieben und tragen, U-Bahn und Bus nach Hause, eine Stunde lang. Dort hatte ich erstmal keine Lust auf irgendwas.

Gegen Abend ging’s dann wieder, ich googelte „Fahrrad Hinterrad ausbauen“ und baute das Hinterrad aus.

Fahrrad, auf dem Sattel stehend, Hinterrad ausgebaut

Es stellte sich heraus, dass ich einen schlauchlosen Reifen fahre. Irgendwas Unplattbares. Naja. Eine Beschädigung war nicht zu entdecken, aber die Luft blieb auch nicht drin.

Mein Fahrradladen im Kiez hat Sommerferien, und die Franchise-Kette nahbei nimmt derzeit keine Reparaturen an wegen Überlastung. Meine Laune wurde erneut sehr schlecht. Ich googelte und fand im nächsten Vorort einen Laden für Fahrradzubehör. Keine Website, keine Infos. Ich fuhr hin, zur Straße gegenüber der Moschee. Der Laden: eine Butze, eingequetscht zwischen einem Zoo-Fachgeschäft und „Antje’s Grill- und Pizza-Stube“, sechs Quadratmeter, vollgestopft mit allem. Ich fühlte mich an den Metallwarenladen meiner Kindheit erinnert, eine dunkle Höhle, Kisten bis unter die Decke, der Besitzer im grauen Kittel. Man konnte dort alles kaufen, vor allem alles einzeln, auch die abwegigsten Dübel, Schrauben, Nägel und Werkstücke. Mr. Kittel besah sich das Teil, von dem man ein zweites benötigte, schob seine Leiter an ein Regal, stieg hinauf, griff in eine Kiste, holte genau das heraus, was man brauchte, steckte es in eine Tüte und sagte: „Das macht eine Mark siebzig.“

Zurück zur Fahrradbude. Vor der Tür ein Plastikstuhl. Auf dem Plastikstuhl: der Besitzer. Ohne Kittel.

„Hallo“, sagte ich. „Mein Reifen ist platt.“
„Dat kommt schomma vor.“
„Können Sie den reparieren?“
Brummnicken. „Morgen. Übermorgen. Je nachdem. Mach ich so zwischendurch.“
„Top. Und wenn ich das beim nächsten Mal selbst machen will …“
„Brauchste Reifenheber und so. Leg ich dir raus, für wenn’de wiederkommst.“ Nahm den Reifen und lehnte ihn an den Laden.

Soeben rief er an: „Reifen ist fertig. Kannste abholen. Kost‘ fuffzehn Euro.“ Das wird mein Premium-Fahrradschrauber.


Jahresplanung 2021 | Zurück aus der Sommerpause, plane ich nun konkreter meine Arbeit bis zum Jahresende.

Ich arbeite auf verschiedene Weise mit Kunden zusammen: entweder pauschal oder mit einem Stundenkontingent. Den Pauschalpreis gibt es für Dienstleistungen, die ich punktuell ausführe – zum Beispiel ein Inhouse-Seminar oder ein Workshop. In diesen Angeboten sind alle Kosten drin: Vorbereitung, Nachbereitung, bei Vor-Ort-Veranstaltungen Reisekosten und Materialien, bei Digitalformaten eventuell Plattformkosten, die über das Übliche hinausgehen. Am Ende kostet es genau den Preis, der vorher vereinbart war. Demngegenüber stehen Stundenkontingente. Sie sind für kontinuierliche Arbeit und immer dann sinnvoll, wenn Kundinnen über einen längeren Zeitraum Leistungen abrufen – zum Beispiel bei persönlichen Beratungsstunden. Oder wenn die Aufgaben sich nach und nach ergeben, eine aus der anderen, in einem größeren Projekt oder bei einer organisatorischen Neuausrichtung. In einem meiner aktuellen Aufträge bin ich in der Organisation für zahlreiche Menschen tätig: Geschäftsführung, Führungskräfte, Teams, Mitarbeiter:innen. Meine Aufgaben: Ideen aufgreifen, pilotieren, initiieren, vermitteln und Hemmnisse aus dem Weg räumen, Mut machen, beraten, Fäden zusammenhalten. Das Spannende ist: Es geht über alle Ebenen des Unternehmens, von strategischen Überlegungen gemeinsam mit dem Management bis ins operative Tagesgeschäft. Im Tagesgeschäft probiere ich gemeinsam mit den Mitarbeiter:innen neue Arbeitsweisen aus, und wir übersetzen die Strategie – die in der Theorie ja sehr abstrakt ist -, ins Tun.

Jahresplanung also. Aktuell schaue ich: Wie viele Beauftragungstage sind bis zum Jahresende noch übrig? Ich schaue, wie wir sie am wirksamsten verwenden und mache einen Vorschlag, wie wir meine Arbeitszeit bis zum Jahresende sinnvoll verteilen. So kann ich das restliche Jahr gut planen – mit diesem Kunden und auch mit meinen anderen Kunden. Denn mein Ziel ist es, stets ausreichend Zeit zur Vor- und Nachbereitung zu haben, gute Leistungen zu erbringen und auch noch Luft für Privatleben zu haben.

Seit Jahresanfang bekomme ich zunehmend Neukunden-Anfragen – so viele wie in keinem Jahr zuvor, und sie münden auch vielfach in Aufträgen. Das freut mich sehr! Ich bin jetzt im fünften Jahr selbstständig, seit 2017, und ich habe das Gefühl: 2021 ist das Jahr, in dem richtig Schwung reinkommt. Aufträge aus der Vergangenheit haben zu Empfehlungen geführt, die wiederum zu weiteren Empfehlungen geführt haben. Als ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich gedacht: „Fünf Jahre durchhalten, das wäre cool.“ Ich glaube, ich mache das noch eine Weile länger.


Save the date | Vor einigen Wochen habe ich von einem Seminar berichtet, in dem ich mit den Teilnehmern darüber gesprochen habe, wie sie gut mit Stress umgehen, wie sie sich behaupten und welche Strategien es gibt, um mental gut durch den Job zu kommen: Mission Gelassenheit und Souveränität. Es erreichte mich das Feedback: Das will ich auch! Kannst du das nicht digital als Webinar anbieten?!

Das tue ich nun. Termin: 4. Februar 2022, 10 bis 14 Uhr. Veranstalter wird die Weiterbildungsagentur Pro Content sein. Diese Konstellation hat den Vorteil für Euch, dass es preiswerter wird, als wenn ich selbst als Veranstalterin auftrete. Vorteil für mich: Ich kann die Organisation, Abrechnung und Technikbetreuung abgeben.

Ich sage Bescheid, sobald die Veranstaltung online steht und man sich anmelden kann.


Gelesen | Die Geschichte des Segway (die Älteren erinnern sich): „This Is Going to Change the World”. Ein spannendes Kapitel Wirtschafts- und Mediengeschichte. Lang, aber lohnenswert. | Warum es so schwierig ist, Impfgegner zu überzeugen: Here’s why your efforts to convince anti-vaxxers aren’t working

Angeguckt | So könnten wir dem Klimawandel begegnen:

Bald wieder so richtig | Meine Sommerpause määndert ihrem Ende entgegen. Dann geht die Arbeit wieder los. Also, nicht nur ein bisschen hier und da, sondern so richtig – mit täglichen Terminen, fest im Kundenprojekt und richtig Wumms.

Ich kann gar nicht genau sagen kann, was es alles war, das ich in den vergangenen Tagen gemacht habe. Kommode aufgebaut, nochmal Marmelade eingekocht, ein bisschen Buchhaltung, ein bisschen Kinderferienprogramm, ein Ausflug ins Sauerländische, ein bisschen Hausarbeit, Auto gewaschen, einzelne berufliche Termine zum Eingrooven – was man so tut, wenn man zu Hause ist, noch frei hat, aber sich auch wieder ein bisschen an den Alltag gewöhnt.


Wohnungsverschönerung | Die neue Kommode sieht so aus:

Sie stammt aus einem Onlineshop für baltische Möbel und hat einen estnischen Migrationshintergrund.

Die Kommode ist eines von mehreren Möbelstücken, die im Zuge meiner großen Renovierungsaktion zu mir kommen. Eigentlich brauchte ich ja nur eine neue Matratze. Aber das Projekt uferte etwas aus, und nun habe ich neues Parkett, ein neues Bett, einen neuen Kleiderschrank, (bald) ein neues Arbeitszimmer, (bald) ein neues Regal, eine neue Wohnzimmerkommode und eine grundlegende Funktionsänderung einzelner Wohnungsteile.

Leider sind Arbeitszimmermöbel noch nicht da. Ich hatte gehofft – und eigentlich war es auch avisiert -, dass sie zum Ende meines Urlaubs bereits geliefert und aufgebaut sind. Nun ja.


Serviceblog | Für Sie getestet: die Arbeitswelt-Ausstellung in der Dortmunder DASA, gemeinsam mit den Beutekindern. Zitat K2 nach dem Besuch: „Das war ganz cool da.“

Finde ich auch. Man kann viel ausprobieren: Flugzeuge lotsen, baggern, Lärm machen, Schreibmaschine schreiben, man kann sich mit der Green Screen auf den Mond beamen, kann sich in Entspannungsmöbel legen, Flugwetter machen, Stubenfliegen mikroskopieren und alles mögliche Andere. Überall kann man anfassen, draufkletten, rumdrücken, draufschlagen. Das ist super. Der Eintritt ist aktuell kostenlos, auf der Website steht: „Wegen der Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie habt ihr bis zum 30.09.21 freien Eintritt!“ Das ist toll.


Sauerland | In Oberhenneborn, das direkt neben Niederhenneborn liegt, beides Ortsteile der Stadt Schmallenberg, war nix los.

Aber es gab Rührei im Landgasthof, schöne Bauerngärten und viel frische Luft.


Goldener Landfrauenorden | Die Erfahrung, dass Marmelade einkochen ziemlich simpel ist, hat zu einer Einkochwelle geführt. Ich habe nun Johannisbeere, Erdbeere und Erdbeere-Brombeere im Programm.


Be-Poncho-ung | Für die Fahrradreise Ende August (eine Woche durch Jütland, von Kolding bis hoch nach Skagen) habe ich mir einen Regenponcho gekauft – mit Seitenfenster, Hüftgurt und Fronttasche in Kükengelb. Er wird mich gegen ausdauernden Landregen schützen.

In meiner Brust schlagen dabei zwei Herzen: Einerseits möchte ich einigermaßen gegen Widrigkeiten gewappnet sein. Meine Laune wird sonst unterirdisch sein, im strömenden Regen gegen den Wind gen Norden trampelnd, vierzig Kilometer entfernt von der nächsten Zimtschnecke. Andererseits möchte ich mich nicht über-ausstatten. Schließlich unternehme ich keine mehrmonatige Tour über acht Gebirgsketten, sondern fahre lediglich ein paar hundert Kilometer durch Dänemark.


Broterwerb |  In den vergangenen zwei Tagen hatte ich schon wieder einzelne berufliche Termine, Führungskräftebegleitung. Das geht remote sehr gut. Überhaupt hat sich mit Webinaren und Remote-Beratung ein ganz neues Geschäftsfeld aufgetan.

Außerdem habe ich gemeinsam mit Andrea über unser Seminar „Frauen in Führung“ nachgedacht. Wir haben das Programm aufgestellt und den Ablauf der beiden Tage aufgestellt, so dass wir uns gut die Bälle zuspielen. Wir werden mit den Teilnehmerinnen ihr Führungsverständnis reflektieren, werden über männliche und weibliche Stereotypen sprechen und über den Umgang mit Dominanzverhalten, veralteten Vorstellungen und Situationen, die uns lähmen. Dazu habe ich heute auch inhaltlich schon Einiges vorbereitet. Das wird gut. Am zweiten Tag wird es persönlicher: Wir schauen mit den Teilnehmerinnen darauf, was sie (tatsächlich) erreichen möchten. Wir sprechen außerdem über Verantwortungs-Dysfunktionen, über Perfektionismus und  über Methoden der Selbstführung. Ziel ist es, gestärkt aus dem Seminar zu gehen, um auch dem Arbeitsalltag, Kolleginnen, Kollegen, Vorgesetzten und Mitarbeiter:innen gestärkt zu begegnen. 

Alle Teile sind interaktiv. Wir gestalten alles sehr praxisnah, zeigen Muster und auch, mit welchen Mitteln man ihnen begegnet. Ich überlege, ob wir auch Re-Enactment machen sollen – gemeinsam Szenen, die Teilnehmerinnen besonders schwierig empfinden, nachstellen und durchsprechen, um das Handlungsrepertoire zu erweitern. Das können wir auch spontan im Seminar klären – wie es sich für die Teilnehmerinnen gut anfühlt.


Gelesen | Gruner + Jahr – das bittere Ende der Story. Die G+J-Übernahme durch RTL ist inzwischen Realität. | 500.000 Bäume: Madrid will sich mit grüner Stadtmauer umgeben

Gesehen | Kritisch Reisen: Voll, voller, Ostsee – das überrannte Naturparadies

Die Stimmung |  Das Erstaunliche an Clausthal-Zellerfeld ist, dass es sich anfühlt wie Estland.

Die Holzhäuser. Frisch Gestrichenes neben Abblätterndem. Ein Hauch Morbidität. Geschäfte, in denen die Zeit still steht, mit Schriftzügen, wie ich sie zuletzt in meiner Kindheit sah. Gelbe Tannen versprühen die Erinnerung an Laubsägearbeiten. Ein Hauch pittoresker Betulichkeit durchweht die Straßen. Mittendrin ein Friedhof. Es würde nicht verwundern, käme ein Räuchermännchen des Weges, im Vorbeigehen den Hut lupfend. Zugleich: LTE mit fünf Balken, auch im Wald. Die Stadt ist gefüllt mit jungen Menschen aller Hautfarben. Und auf dem Berg eine Hochschule, die für eine nachhaltige Gesellschaft forscht.

Die älteren unter den Leserinnen und Lesern erinnern sich an meine Reisen ins Baltikum, in die Turnhalle nach Tartu/Estland und nach Riga, zur lettischen Bierbrauererei und ins Land der Puddingschnecken. Damals verspürte ich sie auch, diese Dissonanz zwischen Alt und Neu, zwischen museumsgleicher Szenerie, Fortschritt und Technologie.


Das Anliegen | Ich fuhr in den Harz, weil eine Blogleserin die Geschichte meines Fahrradkaufs verfolgt hat und mir daraufhin eine Fahrrad-Ergonomie-Beratung bei Juliane geschenkt hat (Danke!!). Juliane wohnt in Clausthal-Zellerfeld, hat dort die Fahrradschmiede 2.0 und fertigt Fahrräder auf Maß. Vielleicht kennt jemand das mitwachsene Kinderfahrrad Skippy – das hat Juliane erfunden. Außerdem fertigt sie Fahrräder für kleinwüchsige Menschen, verkauft Brompton-Klappräder und hat das Klapp-Liegefahrrad erfunden (mehr in diesem Beitrag). Überdies macht sie eben Ergonomie-Beratung (Julianes Buch dazu und die Sicht eines Physio-Therapeuten), um Menschen wie mir zu sagen, was sie an ihrem Fahrrad anders und besser machen können.

Ich fuhr also zur Fahrradschmiede 2.0, einer ehemaligen Tankstelle, in der Juliane nun ihr Ladengeschäft und ihre Werkstatt hat.

Fahrrad vor der Fahrradschmiede

Juliane schickte mich zuerst auf die Straße, ließ mich mit meinem Fahrrad auf und ab fahren, schaute mich dabei an und sagte: „Dass der Sattel viel zu niedrig ist, weißte, ne?“ Dann stellt sie den Sattel beherzte 15 Zentimeter höher. Dann fuhr ich nochmal. Und nochmal. Dann baute sie das Rad um.

Während sie baute, erklärte sie mir, wie Menschen auf Fahrrädern sitzen. Sie holte ein Modell des menschlichen Beckens und der Wirbelsäule, setzte beides auf einen Sattel, kippte es und bog es, bis das Becken fast lag, aber eben nur fast, und sagte: „So.“ Ich fragte: „Und wenn die Sattelspitze höher ist?“. Sie drückte die Spitze des Sattels gegen das Beckenmodells, machte ein schmerzverzerrtes Gesicht und antwortete: „Dann ist da die Klitoris.“ Sie erzählte, warum Sättel nicht nur nach vorne geneigt sein sollten, sondern auch nicht zu breit sein dürfen und Fahrräder heutzutage zu kurz sind – und dass viel mehr Menschen viel mehr Fahrrad fahren würden, wenn sie richtig darauf säßen.


Das umgebaute Rad | Wenn man mein Fahrrad nun betrachtet, nach seinem Umbau, sieht es sehr unbequem aus. Schmaler, spitzer Sattel, deutlich nach vorne geneigt, vorne ein Vorbau für mehr Länge und geschwungener Lenker für mehr Höhe.

Fahrrad vor Okersee, der Sattel ist hoch eingestellt. Auf dem Gepäckträger eine Fahrradtasche.

Aber es hat alles seine Richtigkeit: Durch den nach vorne geneigten Sattel kippt auch das Becken nach vorne. Der Rücken ist nicht mehr rund, sondern wird gerade, die Lendenwirbel werden entlastet. Man könnte nun denken, man rutsche beim Fahren vom Sattel. Das ist aber nur der Fall, wenn er zu breit ist. Dann stößt man sich bei jedem Tritt mit der Rückseite seines Oberschenkels von der Sitzfläche ab. Ist die Sitzfläche schmal, passiert das nicht.


Die Testfahrt | Juliane teilte eine Komoot-Tour mit mir: von Clausthal aus hinab zur Okertalsperre, einer alten Trasse folgend, einmal um den See herum und durch Wald wieder hinauf.

Panoramaaufnahme: Fahrrad auf dem Weg um den Okersee
Straße, vor Kopf ein graues, ehrwürdiges Holzgebäude, rechts eine weniger prunkvolle, aber gepflegte Häuserreihe in weiß-rot

Die Fahrt hinab war eine Freude, und doch konnte ich sie nur bedingt genießen. Ich musste ja alles auch wieder hinauf, schon sehr bald sogar – ein Gedanke, der quälend die Begeisterung trübte. Um den See herum war es allerdings wunderbar: 15 Kilometer gerade Strecke mit Ausblick auf Wasser und Boote.

Dann der Rückweg. Erst mehrere Kilometer bergan. Schließlich erreichte ich einen langen, steilen Anstieg. An dessen Fuß ein Schild: „Clausthal-Zellerfeld 4,5 Kilometer“. Ich stieg ab, körperlich und moralisch entkräftet.


Die Teiche | Die Moral kam rasch wieder zurück, als ich, kaum hatte ich die Steigung hinter mir gelassen und war wieder aufs Rad gestiegen, einen Badeteich erreichte. Juliane hatte mir vorab erzählt, dass es in der Umgebung von Clausthal 70 Teiche gäbe, allesamt künstliche Relikte aus der Bergbau-Zeit, hatte ich Handtuch und Badeanzug eingepackt und ließ mich zu Wasser. Großartig!

Nach der Tour spürte ich, dass ich nichts spürte: Die Anspannung im unteren Rücken, die ich nach längeren Fahrten sonst immer hatte, gab es nicht.


Die Okertalsperre |  Die Okertalsperre hat eine lange Geschichte (#bildungsblog). Sie reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, als Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel Wasser stauen ließ, damit man Baumstämme einfacher flußabwärts nach Wolfenbüttel, in die Residenzstadt des Herzogs, transportieren konnte. Das Dammbauwerk bestand aus Baumstämmen, die man mit Sand und Steinen füllte und mit Moos abdichtete. Es hieß „Großer Juliusstau“ und war seinerzeit die größte Talsperre in deutschen Landen. Das war 1570.

Die Okertalsperre ist aktuell nicht einmal zu 40 Prozent gefüllt.


Nachtfahrt | Am Abend fuhren Juliane und ich essen, nach Zellerfeld, in den zweiten Ort im Stadtnamen. Dazu ging’s erst in einer Schussfahrt hinab (Juliane: „Wenn du ein Auto vor dir hast, das nur 50 fährst, ist das immer doof!“), dann wieder hinauf und hinein ins Restaurant. Dort trafen wir einen ihrer Kunden; er hat einst mit dem Liegeklapprad den Ätna umrundet, und Juliane erzählte aus dem Harz. Alles zusammen Stoff für mindestens zwei Bücher, eins davon ein Psychokrimi; ich lasse die Geschichte noch in mir reifen.

Auf dem Rückweg gab es die Möglichkeit, den Berg nicht hinauf und wieder hinab, sondern entlang zu fahren, durch den Wald bei Dämmerung. Wir tasteten uns mit den Rädern vor, keuchend in der dennoch ordentlichen Steigung, über rumpelige Waldwege und begleitet von trudelnd flatternden Fledermäusen.


Julianes Kanban-Büro | Weil wir uns über unsere Arbeit, über Büro-Organisation und über die Aufkleber in Julianes Laden unterhalten hatten, fuhr ich am nächsten Tag noch einmal zu ihr, und sie zeigte mir, wie sie ihr Geschäft mit Kanban organisiert, einer Methode der Produktionssteuerung, die für einen guten Arbeitsfluss sorgt. Elemente aus Kanban nutze ich auch, wenn ich mit Kunden zusammenarbeite – und ich erkläre sie in Seminaren.

Plötzlich spürte ich sie wieder, die Dissonanz vom ersten Tag, in diesem 1848 erbauten Hinterhaus, das einst eine Tankstelle war und in dem nun eine Fahrradmechanikerin arbeitet, mit Methoden, wie sie Coaches mit großen Worten in Konzerne tragen. Da ist sie wieder, die Erkenntnis: Fortschritt findet im Kopf statt, nicht in den Fassaden.


Gelesen und gehört | 14.000 Wissenschaftler und Forscherinnen warnen vor einem weltweiten Klimatnotstand. In Sachen Klima kann ich auch empfehlen: den Gradmesser-Podcast des Tagesspiegel. | Herr Buddenbohm macht sich Gedanken über die kommende Woche, in der in Hamburg die Schule wieder beginnt. Er verweist dabei völlig zurecht auf einen seiner Texte aus dem Juni 2020 und den Irrglauben, es gäbe einen Plan.

Leibesertüchtigung | Am Samstag setzte ich mich aufs Fahrrad und fuhr von Dortmund nach Haltern.

Hintergrund dieser Bemühungen war zum einen, dass ich viel Freude mit meinem neuen Fahrrad habe. Zum anderen ist für Ende August ein Radurlaub in Dänemark geplant, und ich muss mich und meinen Körper ans Fahren längerer Strecken gewöhnen.

Gefühlt besteht die halbe Strecke von Dortmund nach Haltern daraus, aus Dortmund rauszukommen, was auch irgendwie symbolisch ist: Man beginnt, in Dortmund zu wohnen, und kommt da irgendwie nicht wieder weg.

Ab Lünen wurden die Steigungen weniger. Es kamen ein paar Kilometer am Kanal entlang, längere Abschnitte auf Fahrradwegen, dann kam erst Vinnum, dann Olfen, die letzten Kilometer führten durch Wald, und dann war ich da.

Landkarte mit der Strecke

Ich bin zufrieden: 1 Stunde 56 für knapp 40 Kilometer, ein 20er-Schnitt und nichts, was mir wehtat. Das stimmt mich optimistisch für den Radurlaub. Weitere Experimente folgen.


Leidig | Die Dortmunder Freibadsituation steht hingegen unter keinem guten Stern. Erst öffnete das Freibad nicht #wegenderaktuellenSituation. Dann öffnete es, aber verkürzte gleichzeitig die Schwimmzeiten von 20 auf 18 Uhr, was bedeutet: An Arbeitstagen ist für mich kein Schwimmtraining möglich. Dann kam das Hochwasser, und das Freibad soff ab: Schwimmbecken, Wiesen – das ganze Bad war überflutet. Die Freibad-Leute arbeiteten und ackerten, um schnell wieder zu öffnen. Als sie vor ein paar Tagen alles so weit hatten, dass wir wieder hätten schwimmen können, kamen über Nacht Vandalen, warfen Bänke und Kühlschränke ins Wasser und setzten Spinde in Brand. Jetzt muss erneut aufgeräumt werden.


Olympische Spiele | In seinem Blog „Sports & Politics“ berichtet der Journalist Jens Weinreich täglich über Hintergründe der Olympischen Spiele in Tokio. Weinreich beschäftigt sich seit Langem mit Doping, Korruption und den sportpolitischen Vorgängen im nationalen und internationalen Olympischen Komitee. Die Beiträge gehen auch als Newsletter raus (hier abonnieren).


Lernen | In diesem Jahr biete ich noch zwei offene Seminare an. Beide sind, sofern es die Pandemielage erlaubt, Präsenzseminare an sehr schönen Orten:

  • Kollegiale Führung (5. und 6. November, Hünfelden): Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Verantwortung bringen, Prozesse vereinfachen, Entscheidungen dorthin geben, wo sie sinnvoll sind, und gleichzeitig die Fäden in der Hand behalten – wir besprechen, wie Führung in der Wissensgesellschaft aussieht und was sich mit zunehmender Remote- und Hybrid-Arbeit zukünftig verändert.
  • Frauen in Führung (25. und 26. Oktober, Wuppertal): Frauen sind in Führungsrollen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Oft fehlt es an Rollenvorbildern, und die Atmosphäre im Unternehmen ist männlich geprägt. Im Seminar erörtern wir, wie man als Frau authentisch und wirksam führt, wir hinterfragen Rollenbilder und besprechen den Umgang mit schwierigen Situationen, Konflikten, Dominanzverhalten und dem eigenen Anspruch.

Ich freue mich über weitere Buchungen!

Das Seminar zu Agiler Redaktionsarbeit beendete ich am Freitag mit einer Retrospektive. Das ist ein Format, mithilfe dessen man sich im Team verbessert. In meinen Seminaren mache ich es oft so: Ich zeige die Methode, indem die Leute sie direkt ausprobieren und inhaltlich etwas erarbeiten. Wir blickten also auf unsere drei Seminartage zurück und besprachen, was ich so lassen sollte und was ich besser machen kann. Denn im September werde ich die Veranstaltung ein zweites Mal durchführen – und es wäre ja eine vertane Chance, aus dem ersten Durchgang nicht zu lernen. Das Feedback fiel durchweg positiv aus; alle waren mit den drei Tagen sehr zufrieden, was mich freute – schließlich war das Seminar eine Premiere. Zugleich gab es Wünsche für die zweite Auflage. Unter anderem wünschten die Teilnehmer:innen weniger englische Fachwörter (oder wiederholte Erklärungen), zwischendurch noch mehr Zeit zum Nachdenken und ein Fallbeispiel aus der Redaktion, das sich stärker durch das Seminar zieht. Super Anregungen, die wir gemeinsam klar als Maßnahmen formulierten und die ich gut umsetzen kann.

Auch die Auftraggeberin war dabei. Wir unterhielten uns im Anschluss über diese Methode, Feedback aufzunehmen und über die Kritikfähigkeit, die man dazu braucht. Ich finde ja, dass in einer gemeinsamen Verbesserung immer eine große Chance liegt – gerade, wenn die Zusammenarbeit neu startet. Denn wir strengen uns alle an, das Beste zu erreichen: Der Kunde brieft mich, so gut er konnte. Ich bereite alles vor, so gut ich kann. Wir sprechen uns nochmal ab. Wir justieren nach. Was dann nach der Veranstaltung dennoch an Wünschen auftaucht, konnten wir im Vorfeld nicht wissen. Insofern ist es doch total okay, das genau zu formulieren und Maßnahmen abzuleiten.

Ich erlebe es übrigens bei jedem neu konzipierten Angebot so, besonders bei Seminaren: Sie brauchen immer eine Evolution von drei bis vier Veranstaltungen, bis sie ausgereift sind.


Serviceblog | Man kann Flutwein kaufen, um den Wiederaufbau an der Ahr zu unterstützen.


Landfrauenorden, Teil I | Abteilung „Erste Male“: Ich hatte Einkoch-Premiere. Johannisbeergelee. Die Johannisbeeren im Garten waren reif, rund eineinhalb Kilo. Es waren Maßnahmen erforderlich. Ich schwankte zwischen der Herstellung von Gelee und Aufgesetztem – Hausfrauengold auf Doppelkornbasis hat eine gewisse Familientradition -, entschied mich aber für Gelee.

Das erste Mal Einkochen bedeutet auch: das erste Mal Gelierzucker kaufen. Die Aufgabe erschien mir in der Theorie nicht allzu schwierig – bis ich gewahr wurde, wie viele Regalmeter und Arten von Gelierzucker es gibt: Gelierzucker 2:1, Gelierzucker 3:1, Gelierzucker extra für Beeren, Gelierzucker extra für Erdbeeren, Super Gelierzucker, Gelierzucker mit Kochen, ohne Kochen, für extra fruchtige Konfitüre, mit Stevia, aus Rohrohrzucker, mit Apfelpektin, Markengelierzucker und No-Name-Gelierzucker. Und: Geliertraum, die Alternative zu Gelierzucker. Ein Gelier-Universum, verborgen in meinem Supermarkt! Das erhöhte die Komplexität meines Vorhabens erheblich. Welche Kriterien zieht man bei der Auswahl von Gelierzucker heran?

Ich nahm die Packungen und wog sie in der Hand. Haptik? Ich las die Rückseiten. Manche beschrieben den Vorgang des Einkochens minutiös. Andere verstand ich nicht. Ich entschied mich für ein Produkt extra für Beeren, das gut in der Hand lag und dessen Beschreibung mich als das adressiert, was ich bin: blutige Laiin mit keiner Ahnung von nix.

Der Rest war zunächst etwas klebrig und langwierig (Johannisbeeren von den Stängeln pulen), dann sehr einfach.

Das Ergebnis schmeckt unerwartet gut. Ich werde den Vorgang beizeiten wiederholen.


Landfrauenorden, Teil II | Dann waren auch noch Zucchini reif. Ich hobelte mir Zucchini-Salat mit Cashews, Honig und Parmesan.

Eine sehr gute Mischung! Das Rezept stammt von Ina. Ich finde es grad nicht, aber es geht ungefähr so: Zucchini längs hobeln und eine Vinaigrette machen. In der Vinaigrette sind Olivenöl, etwas Weißweinessig, Zwiebeln, Honig, Salz und Pfeffer. Dann gibt man gehobelten Parmesan und geröstete Cashewkerne dazu.


Angeguckt | Die Straßen des Römischen Reichs als U-Bahn-Netz | So hört sich eine Unwetter- oder Katastrophenwarnung an, die über Cell Broadcast versendet wird.

Gelesen | Bei den Olympischen Spielen in Tokio hat die Außenseiterin Anna Kiesenhofer ein Radrennen gewonnen, weil sie von Kilometer Null an vorneweg gefahren ist und ihre Gegnerinnen sie irgendwann einfach vergessen haben: Ein echtes Olympia-Wunder.

Seminarhund | Eine Arbeitswoche inmitten meiner Sommerpause, angefüllt mit Einkommenssteuererklärung, Umsatzsteuererklärung und einem dreitätigen Seminar für Volontärinnen und -Volontäre eine großen Rundfunkanstalt. Titel: „Agile Redaktionsarbeit“. Es geht um Methoden, Projekte und größere Vorhaben zu managen und die Arbeit im Tagesgeschäft anders zu strukturieren.

Ich hatte ein bisschen Bammel vor dem Seminar, weil: neuer Kunde, nicht ausreichend Einblick in die Arbeitsweisen und damit die Schmerzpunkte meiner Teilnehmer:innen und damit die Befürchtung, nicht die Erwartungen zu treffen beziehungsweise die Inhalte an den Bedürfnissen vorbei entwickelt zu haben. Drei Tage sind ja auch ein großer Vorbereitungsaufwand – das lässt sich zwischendurch nicht einfach um-improvisieren.

Es läuft aber gut – was vor allem auch an den Teilnehmer:innen liegt. Eine tolle Truppe, sehr engagiert, dynamisch, neugierig, lustig und offen. Gute Leute, die da bei den Öffentlich-Rechtlichen ihre Ausbildung machen.

Hinter den Kulissen: die Bonushündin, die mir heute nicht von der Seite wich.

Hund hinter Esstischstuhl, auf dem Tisch Notizen, Tastatur, Monitor

Ich warte leider immer noch auf meine neuen Arbeitszimmermöbel. Die Lieferung verzögert sich bis deutlich in den August.


Hochwasser | Während des großen Starkregens war ich nicht daheim, sondern im Urlaub in Plön. Wenn ich nun mit dem Rad umherfahre, sehe ich die Spuren des Unwetters in der Nachbarschaft.

Ich wohne in unmittelbarer Nähe der Emscher – etwas bergan, das Wasser läuft von mir und aus meinem Garten den Hang hinab und in die Emscher hinein, nicht umgekehrt. Deshalb bin ich nicht unmittelbar gefährdet; andererseits ist Sicherheit ja auch trügerisch.

Das bei mir und in meinem kleinen Stadtteil nur ganz wenig passiert ist, liegt auch an der Renaturierung der Emscher. Bis 2011 wurde sie von der Quelle in Holzwickede bis Deusen freigelegt, bekam ein neues Bett und Rückhalteflächen.

Büsche und Bäume auf einer Wiese, im unteren Teil braun vom Schlamm

In diesem Überschwemmungsgebiet staute ein Wehr das Wasser und schützte meinen Stadtteil Alt-Schüren. Ich werde demütig, wenn ich das sehe.


Garten | Im Garten viel Betrieb bei Lavendel und Allium.


Gelesen | Ein Brite spielt mit dem Gedanken, vom Elektroauto auf einen Verbrenner umzusteigen. Die Kaltmamsell hat seine Überlegungen für uns übersetzt. Ausschnitt:

1. Ich habe gehört, dass Benzinautos nicht tanken, während man schläft? Wie oft muss man es denn anderswo tanken? Mehrmals im Jahr? Wird an einer Lösung für ein Tanken daheim gearbeitet?

2. Welche Teile benötigen Wartung (Kundendienst) und wie oft? Der Autohändler erwähnte eine „Gangschaltung“: Was ist das und gibt es eine Anzeige im Auto, die signalisert, wann ich einen Gang wechseln muss?

3. Kann ich mit demselben Pedal beschleunigen und bremsen wie jetzt mit meinem Elektroauto?

4. Wird Kraftstoff wiederhergestellt, wenn ich langsamer werde oder bergab fahre? Ich gehe davon aus und frage nur zur Sicherheit.

Journal Sonntag, 18. Juli

Gelesen | Die Journalistin Liane Bednarz betrachtet in einer Analyse den CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Sie nennt sich selbst eine „liberal-konservative Publizistin“ – steht also nicht im Verdacht, von Hause aus eine Anti-Laschet-Stimmung zu verbreiten. Umso deutlicher ist ihr Urteil.

Neben dem Unernst und und der mangelhaften Konzentration, die Laschet zuletzt bei der Rede Steinmeiers im Hochwassergebiet bewiesen hat, habe er laut Bednarz weitere klare Schwächen:

Mit der Dünnhäutigkeit bei kritischen Fragen von Journalisten, der fehlenden Stringenz in zentralen politischen Fragen und dem Hang dazu, sich irgendwie ohne klare Festlegungen durchlavieren zu wollen, kommen drei weitere Persönlichkeitsschatten hinzu. Und mit der in puncto Selbstkritik defizitären Einschätzung der eigenen Lage, in die er sich ohne Not selbst hineinlaviert hat, derzeit sogar eine sechste.

Loslachen, Dünnhäutigkeit und inhaltliches Schlingern – Armin Laschet wird zum Problem für die CDU

Es folgt eine Sammlung von Wissenschaftsleugnung, zänkischem Verhalten, fehlenden Ideen und Wankelmütigkeit.

Eins | Es ist mehr als fünfundzwanzig Jahre her, dass ich eine mehrtägige Kanutour über Schwedens Seen machte. Zu Zweit fuhren wir in einem Kanadier, eine vorne, die andere hinten, vor und hinter uns die wasserdichten Tonnen mit Klamotten und unser Zelt. Damals war es noch ein Jahr bis zum Abitur.

Im Vergleich zu heute war damals alles fluffiger und geschmeidiger: das Ein- und Aussteigen und auch das Paddeln selbst. Oder trübt mich die Erinnerung? Tat mir damals auch alles weh, von der Hüfte aufwärts bis in die Haarspitzen, wie nach der Tour in Plön? Ich glaube nicht.

Bild vom Wasser aus mit Blick auf das Plöner Schloss. Davor zwei Boote.

Sei es drum! Es war der beste Tag des Urlaubs. Zehn von zehn Punkte für die Tour von der Jugendherberge in Plön um die Prinzeninsel herum, den Großen See entlang, durch die Schwentine in den Schwanensee, weiter in den Stadtsee bis in den Kleinen Plöner See und zurück zur Jugendherberge. Sieben Stunden auf dem Wasser mit vier Kindern, eins davon geliehen, mit Sonne, Wellen und Wind, mit engen Passagen, mit Steinen und Mutproben, mit Aussteigen und Boot ziehen und mit einem großen Eisbecher.


Zwei | Der zweitbeste Tag des Urlaubs war jener, als wir uns auf die Fahrräder setzten und nach Bosau fuhren, ans andere Ende des Sees. Eine Tour durch Felder und Wald, über Wurzeln und Wirtschaftswege, vorbei an Getreide, Stauden und Streuobstwiesen, immer am Rande des Sees entlang bis zur Badestelle.

Überhaupt: Badestellen. Sie sind die Ziele bei einem Urlaub in Plön. Der Satz: „Wir fahren zu einer Badestelle“, führte stets zu einem Mindestmaß an Motivation.

Es gibt Badestellen mit und ohne Steg, mit Badeinseln, ohne Badeinseln, meistens mit einer Eisbude, selten ohne Sand, manchmal mit Wasserwäldern, manchmal mit muschelbewachsenen Steinen und Schnecken.


Drei | A propos Wasserwälder: Fährt man an den Plöner See, kitzelt es überall. Man darf nicht fies sein vorm Schwimmen im Freigewässer. Es gibt Stichlinge, aber noch mehr gibt es Laichkraut – lange Wasserpflanzen, die sich um die Beine schlingen, sobald man sie von der Oberfläche hinabbaumeln lässt. Wenn man allerdings auf dem Wasser liegt, den Kopf nach unten, und durch die Schwimmbrille ins Grün starrt, fühlt man sich wie am Rande eines wogenden Dschungels.


Vier | Der drittbeste Tag des Urlaubs fand an der Ostsee statt. Von Plön aus sind es nur dreißig Minuten mit dem Auto bis nach Hohwacht. Dort mieteten wir uns einen Strandkorb – „Bis zum Sonnenaufgang!“, sagte der Bärtige, als er uns den Schlüssel überreichte, „dann müsst ihr ihn wieder hier einwerfen“, und deutete auf einen Kasten an seinem Bauwagen.

Wir blieben allerdings nicht einmal bis zum Sonnenuntergang. Das lag weniger an Hohwacht als an unserem Hunger.

Als wir auf der Mauer des kleinen Edeka saßen, der sich nahe des Strands an einen Spielplatz anschließt, und als wir dort, erschöpft vom Meer, auf dem frisch gezimmerten Holzsims vor einem frisch angelegten Beet hockten, Brötchen mampften und Smoothie tranken, kam eine Frau auf uns zugelaufen. „Das ist aber schön!“, rief sie. „So habe ich mir das gedacht! Dass die Leute sich bei uns Snacks kaufen, und sich dann auf diese Mauer setzen!“ Sie war ganz aus dem Häuschen. Selten haben wir mit vollen Backen einen Menschen so glücklich gemacht.


Fünf | Dass wir vor dem Supermarkt speisten, lag nicht nur am großen Hunger, sondern auch daran, dass das Essen in der Jugendherberge erstaunlich fürchterlich war. Das Frühstück war okay. Beim Frühstück kann man schließlich nicht viel falsch machen. Aber das Abendessen haben wir abbestellt. Denn der Speiseplan sah ausschließlich Fleisch vor – schwierig bei drei Vegetariern. Außerdem: Welches Kind isst, selbst wenn es Fleisch mag, gerne Fischfrikadellen? Oder Hühnerfrikassee in Schleimsoße? Oder Hackauflauf mit Auberginen und weiteren, nicht näher zu erkennenden Sorten Gemüse?


Sechs | Insgesamt bringt der Aufenthalt in einer Jugendherberge aber mannigfaltige Vorteile mit sich: Die Kinder haben direkt andere Kinder, mit denen sie spielen können – endlich! Nach den vielen Monaten im Lockdown. Es gibt einen Schrank mit Uno, den Siedlern von Catan, Mensch ärgere dich nicht und Wasnichtalles. Man ist außerdem auf das Wesentliche reduziert. Letzteres ist tatsächlich eine schöne Sache: Auf den Zimmern sind nur Betten und Schränke. Es ist Zeit zum Daliegen und Lesen, zum Auf-den-See-Schauen, zum Schwimmen und Schlafen.


Sieben | Die Entspannung erhöht sich, wenn man zwischendurch Esel streichelt.

Stall mit einem Esel

Zu diesem Zwecke gibt es in der näheren Umgebung einen Eselhof. Auf dem Eselhof sind nicht nur Esel. Dort sind auch ein Berg aus Heuballen, eine Hüpfburg, eine Goldmine, eine Wellenrutsche, Rettungsfahrzeuge und einen Mähdrescher, in dessen Führerhaus man sitzen und Mähdrescherführerin spielen darf (//*Tim-Taylor-Grunzen). Ich wäre gerne länger dort sitzen geblieben, hätte Knöpfe gedrückt und Schweinwerfer an- und ausgeschaltet – allein die ungeduldig wartenden Kinder ließen mich nicht.


Acht | Wenn man fertig ist mit Eselstreicheln, kann man sich nach seiner Rückkehr ermattet auf dem Balkon der Jugendherberge setzen, vor sich ein Buch, ein Glas Wein und eine Schüssel Pistazien. Der Balkon thront über der Wiese der Herberge wie eine Tribüne. Zu Füßen spielen die Kinder Fußball oder Fangen oder Zombieball oder Anderes, dessen Regeln sich dem Zuschauer auch nach langem Studium nicht erschließen.

Gleichermaßen wie die Kinder kann man, den Blick in den Himmel gerichtet, die Schwalben beobachten. Unermüdlich fliegen sie durch die Luft, mal flatternd, mal trudelnd, oft spitz wie ein Pfeil. Es scheint, als würden sie niemals müde – die Vögel und auch die Kinder.

Kurz nach Sonnenuntergang gehen die Schwalben dann aber doch ins Bett. Dann ist der Himmel leer, und es wird still. Das ist der Zeitpunkt, wenn man den Wein austrinkt, das Buch zuklappt, eine letzte Pistazie knackt, die Kinder einsammelt und auch sie in ihre Nester scheucht.


Neun | Plön hat ein Schloss. Das Schloss hat eine Schlossgärtnerei. Stauden, Blumen, Kräuter und Gemüse wuchern wild vor sich hin und wirken doch irgendwie geordnet.

Wilder Garten, im Vordergrund Artschocken vor blauem Himmel mit Schäfchenwolken

Im Garten finden an Sommerabenden Konzerte statt. In diesem Jahr treten auf: Das fidele Blasquartett mit dem Programm „Oper querbeet“, außerdem Die Weidezaunband. Lidwina Wurth und Combo haben das Motto: „Der Lack ist ab, der Glanz ist geblieben“, und ich könnte mir, wäre ich alleine dort, gut vorstellen, mich bei einer dieser Veranstaltungen zwischen Nelken und Artischocken niederzulassen und mich zu betrinken.


Zehn | Als Begründerin der Internationalen Waffelskala™ bin ich immer für die gute Sache unterwegs. Auch im Urlaub nehme ich meine Pflichten ernst. So testete ich gemeinsam mit vier Waffeltesthelfern sehr ernsthaft das örtliche Waffelhuus.

Fazit: zweimal acht von zehn Punkte, einmal neun und einmal sechs Punkte. Hohe Fluffigkeit bei äußerer Knusprigkeit, außerdem vorbildlich helle Bräunung. Lediglich beim Geschmack gingen die Meinungen auseinander: von „Mmmh, lecker! Mit Zimt!“ bis „Viel zu viel Zimt, und das Nutella ist direkt auf der Waffel!“


Im Urlaub gelesen | Drei Bücher:

Die Liebe im Ernstfall von Daniela Krien. Fünf Frauen. Fünf Einblicke in fünf Leben, die miteinander verbunden und doch sehr verschieden sind. Präzise Charakterstudien. Nichts für die gute Laune, hat mir dennoch sehr gefallen.

Der große Sommer von Ewald Arenz. Frieder steht ein unerfreulicher Sommer bevor: Nachprüfungen in Mathe und Latein vor Augen, wird er zu seinem Großvater strafversetzt. Aber alles kommt anders. Das liegt nicht zuletzt an dem Mädchen im flaschengrünen Badeanzug. Auch das Tagebuch der Großmutter spielt eine Rolle. Eine schöne Geschichte, leicht erzählt, und doch mit ausreichend Tiefgang. Gerne gelesen.

Sommer wie Winter von Judith W. Taschler. Ein Familiendrama aus einem Tiroler Bergdorf, erzählt aus der Sicht des Pflegesohns, der Töchter, des Sohns und der Mutter. Allesamt sitzen sie beim Therapeuten und erzählen ihm einzeln ihre Perspektive. 208 Seiten, allerdings mit wenigen Überraschungen. Dennoch okaye Urlaubslektüre.



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