Expedition | Sich zu amüsieren, ohne zum Infektionsgeschehen beizutragen, ist dieser Tage nicht einfach. Weder kommt es in Frage, mehrere Leute zu treffen noch in Innenräumen zu turnen oder auf andere Weise Luft zu verwirbeln. Wandern im Nieselregen wäre möglich und vertretbar, ist aber außerhalb des Denkbaren: Nach dem Pandemiewinter 2020/21 bin ich davon immer noch gesättigt.
Ich fuhr nach Heidelberg zu einer Freundin. Leider war Heidelberg an diesem Tag kein Ort des Amusements, wahrlich nicht.
Wir verbrachten die Abende mit Klönschnack und die Tage mit Arbeit. Die Freundin war im Büro, ich machte in ihrer Wohnung Homeoffice am Esstisch. Dank virtuellem Hintergrund sah alles aus wie immer; ich hätte überall sein können.
In der Mittagspause ging ich eine Runde in den Weinberg. Ich dachte über die Sache mit dem virtuellen Hintergrund nach. Vielleicht könnte ich mich ja auch in Italien befinden. Oder auf Madeira. Oder in Spanien. Im kommenden Jahr wäre das – mit guter Planung – eine Option.
Am Abend schlenderten wir durch Heidelberg.
Die kleinen Dinge | Alltagsbemerknisse ohne Relevanz:
- Ich habe stapelbare Kisten gekauft, für den Keller. Im vergangenen Jahr bin ich ja ins Marmeladenbusiness eingestiegen. Das bringt mit sich, dass sich in meinem Haushalt jetzt leere Marmeladengläser ansammeln, nämlich alle, die leer gegessen wurden. Dank der Kisten kann ich sie nun strukturiert verräumen. Das macht mich glücklich.
- Weiter überall Einschläge. Das Leben fühlt sich an wie ein Jump’n’Run-Spiel, Level 49. Ich teste mich zweimal pro Woche (Die große Würg-Wein-Show, live vor dem Badezimmerspiegel), außerdem bei Befindlichkeiten (Müdigkeit, Kopfschmerzen) oder wenn ich Leute außerhalb des engsten Zirkels treffe.
- Als Ausgleich zum seit Wochen trüben Wetter kaufte ich provenzalische Dufterzeugnisse, Erfurter Pralinen („Zum trockenen Weißwein“) und eine Sushi-Dip-Mischung, die man in Sojasoße mischt; ein Experiment.
- Die Heidelberg-Schriesheimer Freundin hat zwei Meerschweinchen. Eins davon heißt Lucien. Lucien pflegt passiv-aggressive Kommunikation an der leeren Futterschale.
Bemerknis | Die Durchseuchung der Kinder, das Alleinlassen der Lehrkräfte, Eltern und Familien, der Erzieherinnen und Erzieher, dazu die absurde Weigerung, Realität und Erkenntnis anzuerkennen, erschüttert mein Vertrauen in unsere Gesellschaft und unseren Staat in den Grundfesten. Das ist auf Jahre irreparabel.
Was, bitte, ist das für ein heilsamer Präsenzunterricht, in dem die halbe Klasse fehlt – und zugleich das Lehrpersonal? Was ist das für eine Schule, in der jedes Kind über kurz oder lang mit einem Virus infiziert wird, von dem wir nicht wissen, wie hoch das Risiko für Langzeitschäden ist? Was ist das für eine Wirtschaftspolitik, die durch Beharren auf Präsenzunterricht verhindern will, dass Eltern als Arbeitskräfte ausfallen, die durch dieses Beharren aber dafür sorgt, dass ihre Arbeitskaft erst recht wegbricht, weil die Eltern sich unweigerlich bei ihren Kindern anstecken, mit dem Risiko langfristiger Leistungseinbußen? Was ist das alles für ein seltsames Theaterstück, in dem wir mit aller Kraft Normalität spielen, während um uns herum Kollegen, Mitschüler, Nachbarinnen erkranken?
Cupcake Ipsum | Für Grafiker:innen und alle, die Blindtext benötigen und eine Schwäche für Gebäck haben: Cupcake Ipsum.
In dem Zusammenhang: Es gab am Wochenende eine Waffelsituation.
Im Kontext Waffeln wurden die neuen Klemmbausteine bespielt. Zum denen kam ich so: Eine Blogleserin meldete sich auf diesen Tagebucheintrag. Sie sagte, ihre Kinder seien aus dem Lego-Alter heraus, sie habe allerdings noch jede Menge vorrätig, elf Kilo. Sie fragte, ob ich das haben wolle, sie werde es anderweitig nicht los; als Spende wolle es niemand annehmen. Wir vereinbarten eine Win-Win-Win-Situation: Ich spendete einen Beitrag an die Hochwasserhilfe, sie spendete mir im Gegenzug das Lego. Zack, drei Gewinner: Ich bekam ein Riesenpaket, die Blogleserin hat freie Regale, und die Hochwasserhilfe Geld.
Eigentlich gibt es sogar sechs Gewinner, wenn man die Beutekinder mitzählt.
Geschaut | Die Wannseekonferenz. Eindrücklicher Film, unbegreiflich in der Sache.
Geschaut | Ich bin dein Mensch. Ein wunderbar leichter und gleichzeitig tiefgründiger Film. Tolle Schauspielleistung. Noch bis Juni in der ARD Mediathek.
Kommentare
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Wieder mal ein so toller Blog-Eintrag!
Was Sie unter Bemerknis schreiben ist in ein paar Zeilen so treffend. Ich wünschte auch in der Politik gäbe es mehr Menschen mit dieser Klarheit.
Den Film werden wir uns heute Abend anschauen, ich kann den Content aus netflix nicht mehr sehen, freue mich auf einen kleinen feinen Film aus der Mediathek.
Vielen Dank für diesen Blog!
Liebe Grüße aus Bayern, Dani
Sehr gerne. Viel Freude beim Schauen, falls nicht schon geschehen.
[…] „Die Durchseuchung der Kinder, das Alleinlassen der Lehrkräfte, Eltern und Familien, der Erzieherinn… […]
Ich habe einen Syntax-Error: Wie kann man denn bitte jemals aus dem LEGOalter heraus sein?!?
Ich glaube: In und kurz nach der Pubertät gibt es ein kleines Legotal ohne Legomotivation.
Wenn man morgens beim Ranzenaufsetzen abfragen muss ob jeder eine Maske dabei hat, ob noch genug Handdesinfektionsmittel in der Federmappe ist und ob die Fleecejacke für den Unterricht gestern warm genug war – da fragt man sich schon ob es wirklich wahr sein kann dass in einer der größten Industrienationen der Welt, im bereits dritten Pandemiejahr, der Präsenzunterricht bei offenem Fenster das schlaueste Konzept ist das den Verantwortlichen einfiel.
Es hat etwas von einer absurden Komödie. Allein die Suche nach den Masken, das ständige Neukaufen, und am Ende sind sie überall, stecken in den Autositzen, im Sofa, liegen unterm Schuhschrank oder wurden in Schuhe gestopft.
Bermerknis fasst es sehr gut zusammen. Frage mich aber auch, ob sich Omikron überhaupt aufhalten lassen würde. Wir hatten zwei Jahre in der Kita des Sohnes keinen einzigen Fall (trotz hoher Inzidenzen), und Omikron ist da Zack einmal durch gefegt. Und dann genauso weiter in den Familien, wobei Überraschung, es wurden da tatsäch
Ich habe den Eindruck: Nein, lässt sich nicht aufhalten. Mit Distanz- oder Wechselunterricht hätte man es hinauszögern können, bis mehr Kinder geimpft sind. Wollte man aber nicht.
tatsächlich nicht alle angesteckt. Unseren Papa/Meinen Mann hat es auch nicht getroffen, was ich quasi immer noch nicht glauben mag. Ich hab schon andere Kita-Ausbrüche miterlebt, arbeite selbst in einer, aber die aktuelle Variante stellt das um Längen in den Schatten.
Und es ist echt skurril: wir sind jetzt fast froh, dass wir es hatten (der Mann hat außer zu uns keine Kontakte mehr, dank Homeoffice). Wir hoffen jetzt zumindestens auf ein bisschen Ruhe. Vorher haben wir nämlich auch auf jeden Einschlag gewartet. Täglich.
11 Kilo Lego, darüber hätten wir uns auch sehr gefreut! Und das kann man eigentlich super über EBay & Co. verkaufen. Falls man sich die Mühe machen will… Wir haben tatsächlich sogar ein Legozimmer, was Kind und Mann sehr glücklich macht (und für das ich in Pandemiezeiten immer sehr dankbar bin, in Quarantäne sitzt es sich da hervorragend am Fenster und man kann den Wolken zusehen).
Ich drücke die Daumen, dass es dich nicht trifft! Ebenso wie die Beutekinder…
Bei e*bay verkaufen oder wiederum verschenken – an Menschen, die es gut gebrauchen können. Wenn ich es denn jemand wieder loswerden möchte. Das ist ja noch die Frage.