Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Opa Konni, unser Familienbäcker, hat ein neues Steckenpferd.

Früher war Opa Konni Maurer. Über Umwege wurde er Manager, leitete Abteilungen im In- und Ausland, flog von Deutschland nach Übersee und wieder zurück, bis auf einem der vielen Rückflüge sein Ruhestand in Kraft trat und er plötzlich Pensionär war. Er war überrumpelt. Von Natur aus raschelig, musste er von einem Tag auf den anderen stillsitzen. Höchste Unzufriedenheit stellte sich ein.

Er besann sich deshalb auf sein gelerntes Handwerk: das Rühren und Schichten. Statt zu Putz und Mörtel griff er zu Mehl und Eiern. Seitdem quirlt, knetet und formt er Guglhupfe und Bienenstiche, Stollen und Eierschecken – täglich, stündlich, immerzu; ein kalter Backofen zeugt von Trägheit und Senilität, und wenn Opa Konni sich eins nicht nachsagen lässt, dann das. Jede Woche verschenkt er mehrere Kubikmeter Backwaren. In allen Schaften seines Umfelds – Verwandtschaft, Nachbarschaft, Bekanntschaft – häufen sich Fälle von Diabetes und Gallensteinen.

In seinem sechsten Rentnerherbst hat er nun eine Ausweichtätigkeit gefunden: das Einkochen. Mit hingebungsvollem Eifer pflückt er seit einigen Wochen Kirschen, zupft Beeren, döppt Pflaumen, entkernt Äpfel und verarbeitet sie zu fantasievollen Marmeladen. Doch um neue Kreationen herzustellen, bedarf es großer Mengen an Abfüllgefäßen. Die Schaften sind deshalb zum Sammeln aufgerufen. Sie lagern Klappkörbe voller leerer Gläser in den Kellern ihrer sauerländischen Reihenhäuser, geben sie leer bei Opa Konni ab und bekommen sie voll zurück. Bis zu Beginn des nächsten Jahrtausends ist für Brotaufstrich gesorgt.

In banger Voraussicht fragen wir uns jetzt, welche Leidenschaft er als nächstes entdecken wird – und uns ist klar: Es kommen nur Viehhaltung und hauseigene Schlachtung in Frage. Wir brüten schon über Bauplänen reihenhauskompatibler Stallungen.

Lieber N. Hallo N.,

die ganze Zeit muss ich an Dich denken. wahrscheinlich wunderst Du Dich, dass Du einen Brief von mir bekommst. Ich hoffe, Du erinnerst Dich noch an mich. Ich bin Nessy aus der Ferienfreizeit letztes Jahr, mit der Du von der Du ein Foto machen wolltest und mit der Du manchmal beim Abendessen geredet hast.

Du bist mir damals sofort aufgefallen, als Du in den Bus stiegst. Ich wusste sofort, dass Du ein besonderer Junge Mann etwas Besonderes bist. Deshalb konnte ich Dich nicht vergessen.

Ich habe gehört, dass Du bald zur Bundeswehr gehst. Macht es Dir etwas aus, vorher mit mir Gerne würde ich Dich vorher noch einmal sehen.

Ruf mich bitte an.
Wollen wir mal telefonieren?

Wir könnten ein Eis essen ins Kino gehen uns nach dem Montagssport treffen.

Deine
Liebe Grüße

Nessy“

Wenn ich nur wüsste, ob N. mich liebt.

Noch zwei Monate, dann ist es ein Jahr her, dass wir auf der Freizeit waren. Da hat er mich angeflirtet! Sowas kann man sich nicht einbilden! Sandra hat mir auch gesagt, dass er was von mir will. Warum kennt er mich jetzt nicht mehr? Hat er keine Sehnsucht? ICH habe voll Sehnsucht!

Wenn er jetzt zur Bundeswehr geht, muss ich vorher was machen. Sonst vergisst er mich.

Scheiß-Situation. Wenn ich ihn anrufe, ist bestimmt seine Mutter dran. Oder sein verklemmter Bruder. Wie peinlich!

Vielleicht sollte ich ihm einen Brief schreiben. Dann muss ER anrufen, und ich muss nicht mit seiner (peinlich!) Mutter oder seinem (peinlich peinlich!) Bruder telefonieren.

Mama und Papa meinen übrigens, dass ich in den Sommerferien nicht mit dem Arsch zu Hause sitzen soll. „6 Wochen Ferien! Du bist jetzt 17, da kannst du 3 Wochen arbeiten!“ Ich soll mich entweder in der Fabrik bewerben oder irgendwo ein Praktikum machen. Ich komme mir vor wie auf der Galeere!

Erstmal den Brief an N.
Das ist wichtiger.

Heute ist Dienstag. Seitdem ich das letzte Mal geschrieben habe, ist Einiges passiert.

Am Samstag hatten wir das Spiel in I. Wir haben 16:6 gewonnen. Danach Fete in Carolins Ich-bin-süß-und-gepudert-Club. 18. Geburtstag. Sandra & Christian, Tanja und ich sind um neun Uhr hingegangen. Also 21.00 Uhr. Es waren schon viele da: 1. Mannschaft, 2. Mannschaft, A-Jugend, ein paar aus unserer Stufe und ein paar, die ich nicht kannte.

Am Anfang standen wir nur so rum, und Christian fing an rumzumuffeln. Ob wir nicht gehen sollten, er wollte fernsehen. Der alte Langweiler. Natürlich sind wir nicht gegangen. Blabla – unterhalten, undsoweiter.

Irgendwann kurz vor Mitternacht sind Sandra und Christian rausgegangen. Ich dachte, sie wollten weg, aber Tanja meinte, sie wollten fummeln. Wir also gewartet. Und Bowle getrunken. Und gewartet. Und Bowle getrunken. Blabla.

Es wurde dann aber lustiger. Irgendwann war es kurz vor Eins. Weil keiner die Nummer von einem Taxi wusste, sagte Tanja, ich solle bei ihr schlafen. Also zu Tanja. Sandra und Christian immer noch weg.

Tanja hatte einen Schwips. Ich nicht so doll. Als wir bei Tanja waren, waren ihre Eltern noch auf. Ich hatte ein bisschen Schluckauf, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ihre Eltern nichts gemerkt haben.

P.S.: Heute erfahren: N. hat sich die Haare abgeschnitten, weil er zur Bundeswehr muss. Dann ist er ein Jahr weg. Ich mag gar nicht dran denken.

Eben war ich beim Montagssport mit N. Sandra war auch mit.

N. hat plötzlich kurze Haare. Sieht ein bisschen fusselig aus, aber nicht schlecht. Ich glaube, er kriegt später mal eine Glatze. Macht aber nix. Dann ist er vielleicht nicht mehr so süß, aber ich bin dann ja auch keine 17 mehr, sondern eine Frau und finde Männer mit Glatze bestimmt gut.

Wir haben einen Parcour gemacht. So eine Art Zirkeltraining, aber nicht anstrengend.

Was soll ich sagen? Der Abend heute war weder gut noch schlecht. Kein + und kein -. Wir haben aber miteinander geredet. So richtig. Er hat sich auch entschuldigt, dass er mich nicht gegrüßt hat am Samstag. Er hat mich nicht gesehen.

Die Weiber waren aus seiner Stufe. Er sagt, er hat nix mit ihnen (Ich habe ihn aber nicht direkt gefragt. Mehr so durch die Blume. Sonst denkt er noch, ich stehe auf ihn.). Ich will ihm das mal glauben.

Adiós, wie man in Spanien so sagt.
(Morgen = Spanisch-Klausur).

Gute Nacht.

Ach ja. N. Er lässt mir doch keine Ruhe.

Also auf der Ferienfreizeit, ich möchte es echt schwören: Wir haben geflirtet! Es war alles so, wie man es überall liest! Und jetzt kennt er mich nicht mal mehr.

Nächsten Samstag bin ich bei Carolin auf den Geburtstag eingeladen. Sie wird schon 18. 80 Leute kommen. Diese ganzen „Süßen“ vom Handball undsoweiter. Ich werde das Beste draus machen.

N. kommt natürlich nicht. Wie soll er auch. Carolin und N. kennen sich ja gar nicht. Andererseits … es muss doch auch mal Vorteile haben, in diesem Kaff zu wohnen. Vielleicht kennen sie sich ja doch irgendwie. Oder sie sind verwandt. (In Bio machen wir gerade Genetik, fällt mir dazu ein. Mendel und so. Drosophila melanogaster.)

Nächste Woche vor der Fete spielen wir in I. Das Hinspiel haben wir 3:22 verloren.

Das ist also mein Leben. Meine Damen und Herren, das ist ihr Leben! Sie spielt seit drei Jahren erfolglos B-Jugend und wird auf ewig ungeküsst bleiben!

Dann doch lieber so eine scheiß Taufliege sein und von Thomas Hunt Morgan gekreuzt werden. Dann hatte ich wenigstens einmal in meinem Leben Sex.

Morgen Montagssport. Morgen mehr.
Gute Nacht an die Welt!

Er hat noch nicht mal gegrüßt!

Keine Bekannten da, keiner getanzt, rumgesessen mit Sandra und Bianca. Es war be-schis-sen. N. hat die ganze Zeit mit anderen Leuten geredet. Irgendwelchen Typen aus seiner Stufe. Und zwei Mädchen! Irgendwann war er dann weg. Die Weiber auch! Ich bin voll wütend auf ihn! Der Arsch!

Ich weiß nicht mal, ob er mich richtig wahrgenommen hat. Aber das ist doch kein Grund, mich nicht zu grüßen! Schließlich muss er mich gesehen haben. Ich saß ja die ganze Zeit da.

Das Allerpeinlichste ist: übermorgen = Montag = Montagssport. Wenn Sandra nicht mitkommen würde, würde ich absagen. Aber was soll ich ihr sagen? Ich gehe ja nicht wegen N. hin, sondern wegen Bodybuilding. Also kann ich auch nicht wegen N. absagen.

Oberpeinlich. Mein ganzes Leben ist o-ber-pein-lich.

Goldene Zeiten! Die Ereignisse überschlagen sich! Am Wochenende ist Party im Zack! Und ich weiß aus sicherer Quelle, dass N. kommt!

Woher ist das weiß? Ha! Sag ich nicht! Könnte ja sein, dass es nicht stimmt. Also abwarten. Ich will mich nicht zu früh freuen.

Vorsichtshalber habe ich aber schonmal meinen Kleiderschrank durchgeguckt. Kann ja sein, dass er wirklich kommt. Folgende Probleme habe ich festgestellt:

  1. Ich bin zu fett.
  2. Ich bin zu fett.
  3. Ich bin zu fett.

Heute = Donnerstag.
Fete = Samstag.

Wenn ich bis Samstag nichts mehr esse, kann ich ein Kilo abnehmen. Vielleicht zwei. Mit Baucheinziehen vier. Zwar nur optisch, aber egal. Ich muss unbedingt hot sein!

Gut, dass Mama und Papa nicht da sind. Dann kann ich mir Mamas Lippenstift nehmen, ohne dass sie meckert.

Gestern habe ich Sandra angerufen wegen der Montagssache.

Sie will mit! Sehr gut, dann muss ich nicht alleine hin. Dann sieht es auch nicht gleich so aus, als wolle ich etwas von N. Im Moment habe ich – die Wahrheit, ich schwöre! – ein neutrales Verhältnis zu ihm.

P.S.: Ich habe mir eine Gesichtsmaske gemacht. Hoffentlich hilft’s was. Bin etwas pickelig im Moment.

Hervorragende Nachrichten!

Ich habe einen Gemeindebrief bekommen! 30 Jahre Sankt Severin! Der Clou: Da stehen auch Gruppen drin, CVJM und so und – jetzt kommt’s – die Montagssportgruppe geleitet von … N.! Schwerpunkt: Kraftsport.Montags also, 20 bis 22 Uhr in der Realschule. Ein Hoffnungsschimmer? Ich weiß es nicht. Fest steht: Ich wollte schon immer mal Bodybuilding machen. Soll auch gut sein für die Figur. In dieser Angelegenheit geht es mir – und das ist die volle Wahrheit – nicht nur um N.! Mit netten Leuten einmal in der Woche ein bisschen Gewichte heben? Das wäre doch mal nicht schlecht. Wirklich!

Am Freitag fahren Mama und Papa übrigens in den Urlaub, und ich bin alleine zu Hause. Ich kann also unbemerkt zum Montagssport gehen. Muss ja nicht jeder mitkriegen, dass ich plötzlich Gewichtheben mache.



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