Sie wissen ungefähr, liebe Kännchengäste, wie ich wohne:
Ketchup-Kinder, Inspektoren, Einszehn und Franco Gelatti. Der Stadtplaner würde sagen: gewachsenes Arbeiterviertel mit prekärem Milieu. Das Konzentrat dieses Milieus, die ganz prekären, die kein Auto haben, fährt mit mir im Bus; die Busse sind sozusagen der soziale Sirup des Arbeiterviertels. Deshalb kann ich auch so viel bloggen.
Weil ich hier wohne, wo ich wohne, dachte ich immer, ich würde es kennen, das normale Leben –
bis ich heute um 19 Uhr eine Kleinanzeige ins Netz stelle mit dem Titel: „Küche zu verschenken.“ Meine Küche ist ein klappriges Ding, ich habe sie vom Vormieter geschenkt bekommen und hätte keinen Cent dafür bezahlt. Nun, ein paar Wochen nach meinem Umzug und entsprechender Lieferzeit, gibt’s eine neue, und naja, vielleicht räumt mir ja jemand die alte aus der Bude. Dann muss ich sie nicht zum Sperrmüll fahren. Studenten können ja immer alles gebrauchen – erste Butze, keine Kohle auf der Tasche, aber gute Ideen, wie man Hässliches noch schön machen kann. Ein oder zwei werden sich schon melden, wenn ich Glück habe, denke ich, und mir das Holz raustragen (Kühlschrank und Herd behalte ich).
Ich mache also Fotos und beschreibe die Möbel. Ohne Beschönigung. Soll ja keiner die Katze im Sack kriegen. Außerdem habe ich ja nix davon, wenn die Leute kommen, das Zeug sehen und rückwärts wieder rausgehen.
Inzwischen, nur vier Stunden später, habe ich 42 E-Mails. 42 Interessenten für Sperrmüll. Ohne Elektrogeräte. Das sind 10,5 pro Stunde oder alle 5,7 Minuten einer. Nur zwei der Absender sind Studenten, der Rest (sinngemäß):
„… über einen Rückruf freuen sich Martina*, Laura und Cedric.“
„… für meine Freundin, die alleinerziehend ist und grad nichts hat (leider auch kein Internet). Deshalb bitte Rückruf an …“
„… wir würden auch noch etwas dafür geben und holen die Möbel sofort ab, wann immer Sie mögen. Tanja mit Jana, Sofia und Max.“
„… schaue mir am Samstag eine Wohnung an, leider ohne Küche. Beziehe Hartz4. Bitte, bitte reservieren Sie bis Samstag!!“
„… komme gerade aus dem Frauenhaus, habe ein Kind und kein Geld. Wäre toll, wenn die Küche noch da ist. Wann kann ich sie mir ansehen?“
„… habe 2 Kinder, aber leider sehr wenig Geld und kann nichts dafür zahlen. Die Küche ist hoffentlich noch da?? Hatte bislang immer Pech.“
„… fehlen unserer Familie die finanziellen Mittel für eine schöne Küche und würden die Möbel jederzeit abholen.“
„… da ich und meine Kinder leider sehr wenig Geld haben. Bitte sagen Sie Bescheid, auch wenn die Küche schon weg ist. Petra, Dominik und Alina.“
…
So. Jetzt suchen Sie sich von denen oder den 34 anderen mal einen aus.
(Und während ich das schreibe, kommen die Mails 43, 44, und 45.)