Man kennt diese Geschichten. Im Kreise der 30-jährigen Frauen sind sie wie urbane Legenden. Die Erzählungen von Bewerbungsgesprächen, in denen frau nach ihren familiären Plänen gefragt wird. Ich habe sie bislang immer abgetan: Offen geäußerte Bemerkungen, die etwas mit meinem Geschlecht und nicht mit meiner Leistung und Befähigung zu tun haben, habe ich im beruflichen Umfeld noch nie erlebt.
Nun hatte ich aber dieses Bewerbungsgespräch. Ausgeschrieben war eine Vollzeitstelle, unbefristet. Mir gegenüber saßen zwei Herren. Wir unterhielten uns über mich, die Firma, die Branche – ein Fachgespräch halt. Die Stimmung war gut. Eineinhalb Stunden gingen schnell um. Gegen Ende wurde es dann konkret: Wann ich denn einsteigen könne? Und, ach ja, zur Beschaffenheit der Stelle müssten sie noch etwas sagen. Die Ausschreibung sei da nicht ganz exakt gewesen. Es handele sich genau genommen um eine Traineestelle, auf zwei Jahre befristet.
Ich antwortete, dass eine Traineestelle sich doch an Berufseinsteiger richte – die Aufgaben seien dafür aber recht umfassend. Ich fragte, wie es mit der Dotierung aussehe.
Nun ja, sagten die Herren, die Dotierung sei natürlich nicht so üppig. Sie nannten die Summe. Es waren circa 60 Prozent meines jetzigen Gehalts und 50 Prozent von dem, was ich mir für die Zukunft vorstelle. Ich fragte, warum die Stelle so irreführend ausgeschrieben sei – und warum sie meinen, dass ich mich unter diesen Rahmenbedingungen noch dafür interessieren könne, schließlich hätten sie ja mein Profil vorliegen.
Nun ja, sagten die Herren, schrieben sie eine Traineestelle als solche aus, würden sich nur Berufsanfänger und Minderbegabte bewerben. Sie würden aber Fachkräfte suchen, Leute, die das Unternehmen voranbringen. Vielleicht sei es in meinem Fall so, dass ich aus privaten Gründen an ihren Standort ziehen wolle, für den Partner oder die Familie, das komme bei Frauen doch häufig vor, gerade in meinem Alter, da stünden doch vielfach auch private Veränderungen an – oftmals sei das Einkommen dann nicht so entscheidend.
Vielleicht hätte ich antworten sollen, dass gerade für mich als alleinerziehende Mutter von vier Kindern, deren drei Väter keinen Unterhalt zahlen – wie denn auch, im Strafvollzug – das Einkommen von zentraler Bedeutung ist. Leider fiel mir in dem Moment nichts ein, außer: „Erstatten Sie eigentlich bei Bewerbungsgesprächen die Reisekosten?“
Ja, taten Sie. Die Fahrt war also im doppelten Sinne umsonst.