Kommt Ihnen bekannt vor, oder?
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=tkfAoAXWc4k&w=480&h=274]
Kommt Ihnen bekannt vor, oder?
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=tkfAoAXWc4k&w=480&h=274]
Heute hatte ich Urlaub.
Ich habe meine Diss abgegeben, und wo ich schonmal frei hatte, bin ich zu Unsaomma gefahren, um nachzusehen, ob sie wieder Zähne hat. Denn Sie erinnern sich vielleicht: Unsaomma hat ihr Gebiss ins Klo fallen lassen.
Ich komme in ihr Zimmerchen. Sie sitzt in ihrem flauschigbraunen Seniorensessel mit ferngesteuerter Aufstehautomatik und strahlt wie Nadja Abd El Farrag nach ihrem ersten Bleeching.
„Du hast ja wieder Zähne“, sage ich fröhlich.
„Schön, woll!“ sagt Unsaomma.
„Sieht gut aus“, sage ich. „Sitzen die auch richtig?“
Unsaomma zieht ihre Augenbrauen zur Nasenwurzel und macht mit ihrer Tatterhand eine wegwerfende Geste. „Unten is locker“, sagt sie und schiebt zum Beweis ihre Zunge unter ihr Gebiss und lässt es auf die Lippe hängen.
„Dann musst du jetzt beim Pippimachen den Mund zulassen“, sage ich. „Und durch die Nase atmen.“
Sie saugt ihre Zähne zurück in den Mund. Klackernd rasten sie ein. „Nicht gut“, sagt sie, beugt sich vor und deutet auf die gegenüberliegende Wand. „Da.“ Sie wackelt nervös mit dem Zeigefinger. „Da fehlt eine. Kannst du die drucken, vom Computer?“
Ich folge ihrem Finger. Dort hänge ich, sechs Monate alt, und neben mir hängen Prinzessin Viktoria und Prinz Daniel und William und Kate.

Unsaommas Enkel der Herzen (v.l.n.r.):
die liebe Nessy, Charlène Wittstock (absent), Viktoria, Daniel, Wilhelm und Käthe.
Ich frage: „Wen meinst du?“
„Die von Monaco. Die gabs nicht inne Zeitschrift. Die so schwimmt. Von Afrika.“
„Charlène.“
„Deine Mutter sagt, du kannst Poster machen. Mit dem Computer.“
„Kann ich machen.“
„Machst du, ja?“
„Schicke ich dir mit der Post.“
„In Farbe, ja?“
„Auch in Farbe.“
Sie lässt sich zurück in den Sessel fallen. „Dann ist gut. Dann mach’s dir bequem.“
Sozialerhebungen sagen:
Die Herkunft entscheidet, ob ein Kind studiert. Von 100 Akademikerkindern studieren 71. Von 100 Nicht-Akademikerkindern studieren nur 24. Ich bin eines dieser 24.
Jetzt, im Nachhinein, ist meine Familie sehr stolz, dass ich studiert habe. Und noch mehr, dass ich dieses Doktordings gemacht habe.
Nach der Schule, zu dem Zeitpunkt, wenn andere wissen, was das Beste für einen ist, fragte meine Verwandtschaft allerdings zunächst: „Was willst du denn mit einem Studium?“ – „Willst du nicht erstmal eine Lehre machen? Dann hast du was in der Hand.“ – „Wir haben auch alle erstmal Ausbildung gemacht. Da ist doch nicht Schlechtes dran!“ – „Denkst du etwa, du bist was Besseres?“
Es war nicht leicht, solche Aussagen auszuhalten, als junges Mädchen.
Meine Eltern haben mich immer unterstützt, konnten mir aber ab der achten Klasse nicht mehr helfen. Mathe, Sprachen – sie stießen an Grenzen. Mit Beginn des Studiums begann noch einmal ein neuer Abschnitt, denn hier war es nicht nur das Fachliche, das sie nicht kannten, sondern auch die Lernkultur.
Natürlich schreibt auch ein Soziologe seinem Sohn, der Physik studiert, nicht die Klausuren. Aber er hat ein Verständnis davon, was es heißt zu studieren. Dass dasitzen und denken auch Leistung hervorbringt. Er weiß, wie man wissenschaftlich arbeitet. Was es bedeutet, eigene Untersuchungen durchzuführen. Und dass eine wissenschaftliche Arbeit etwas anderes als ein Schulaufsatz ist.
Meine Eltern haben sich immer für mich interessiert. Sie lasen sich jede meiner Hausarbeiten von vorne bis hinten durch, sogar spröde, mit minimaler Mühe zusammengezimmerte Werke. Warum mein Studium so lange dauerte, war trotzdem oft ein Thema – obwohl ich in der Regelstudienzeit studiert habe. „Wie viele von diesen Scheinen musst du noch machen?“ – „15, Mama.“ – „Und wie viele machst du dieses Semester?“ – „Acht.“ – „Warum nicht alle 15?“ – „Das geht nicht, Mama.“ – „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ – „Acht Scheine sind echt viel. Das sind drei Klausuren und fünf Hausarbeiten.“ – „Und diese Vorlesung, die du noch belegen musst?“ – „In das Seminar bin ich nicht reingekommen.“ – „Bist du wieder nicht früh genug aufgestanden?“
Ich hatte nie ein Stipendium. Während des Studiums hatte ich bisweilen fünf Jobs: ein paar Stunden abends in der Woche, ein paar weitere woanders am Wochenende, dazu mittwochsnachmittags zwei Stunden Nachhilfe geben, donnerstags als Tutorin an der Uni arbeiten und während der Semesterferien Messestände zusammenbauen.
Natürlich habe ich Bafög beantragt. Ich füllte 20 Formblätter aus und beantragte es. In meinem besten Semester bekam ich 160 Mark, in meinem schlechtesten zwölf. Keine Ahnung, wie es berechnet wird – meine zu wohlhabenden Eltern konnten mir jedenfalls nur die Miete für meine Studentenbutze zahlen.
Auch meine Diss habe ich neben dem Job geschrieben. Die meiste Zeit lang neben einer vollen Stelle. Nur im vergangenen Jahr habe ich für eine Weile meine Arbeitszeit reduziert, weil ich es anders nicht hingekriegt hätte.
Sagen Sie ruhig, es sei eigene Dummheit, dass ich kein Stipendium beantragt habe, denn das stimmt. Aber mir war zum entscheidenden Zeitpunkt nicht bewusst, dass ich es wert sein könnte, gefördert zu werden. Denn: „Wer Geld will, muss arbeiten“, hieß es bei uns zu Hause immer. Hinzu kam: Die Unis, an denen ich war, schwiegen allesamt sehr ausführlich, wenn es um Förderung ging. Das ist natürlich keine Entschuldigung für fehlende Eigeninitiative. Aber es ist trotzdem ein Grund.
Wenn ich über mein Unileben nachdenke oder wenn ich an andere Doktoranden denke, die ich in Kolloquien traf, verstehe ich, welche Vorteile Akademikerkinder haben: Es sind die Kultur, die Sozialisation, das Selbstverständnis, die alles leichter machen. Auch die geringeren Sorgen um das finanzielle Drumherum – aber das ist zweitrangig. Es ist das weniger an Kämpfen, das sie ausfechten müssen. Das alles erleichtert die Entscheidung für ein Studium – und das Durchhalten.
Aber eins ist auch klar: Ich möchte nichts missen. Keinen Job, keine Kämpfe, keine Durststrecken. Denn inzwischen weiß ich: Was früher mein Nachteil war, ist heute mein Vorteil.
Frau Fiona hat mich nach meiner Handtasche und ihrem Inhalt gefragt:
Die Sache ist: Ich benutze nur selten eine Handtasche. Im Alltag nutze ich ausschließlich eine Umhängetasche für Laptop und Gedöns.
Obwohl sie ziemlich groß ist, ist dort meistens nicht viel drin. Was zählt, ist die Option: Ich könnte viel reintun. Spontan. Einen Besuch im Ghettonetto zum Beispiel. Oder einen Lustkauf in der Buchhandlung.
Die Grundausstattung meiner Tasche besteht aktuell aus:
Langweilig, oder?
Ab und an schaue ich Randsportarten:
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=81uCCZOZNgE&w=480&h=274]
[via – natürlich Frau Gröner]
Das Kännchencafé ist bekanntermaßen ein Service-Blog:
nicht fürs Wissen, mehr fürs Leben, aber dennoch.
Nun benötige auch ich einmal Hilfe – und zwar Ihre. Ich suche ein Hotel in Berlin. Etwas Nettes, gerne etwas außergewöhnlich, aber dennoch preiswert und nicht zu weit ab vom Schuss.
Vielleicht können Sie mir außerdem sagen, was ich mir ansehen sollte. Ich war bereits vier- oder fünfmal in Berlin. Die üblichen Sehenswürdigkeiten kenne ich also.
Restauranttipps nehme ich auch gerne entgegen.
Im Hausflur.
Ich verlasse meine Wohnung und gehe die Treppe hinunter. Eine kleine, runde Asiatin mit graumeliertem Haar kommt mir entgegen. Mit beiden Händen hält sie einen Topf, halb so groß wie sie selbst, und ächzt dabei zart.
Als wir uns auf der Hälfte der Treppe begegnen, hebt sie ihren Blick und schaut mich an. „Ha-o!“, sagt sie. „Wohn-u hier?“
„Da vorne“, sage ich, drehe mich kurz um und deute auf meine Wohnungstür.
„Aaaaaa“, ruft sie. „Sööööön! Da bissu Nahbaar vo mein Sohn!“ Sie lacht.
„Ist er an diesem Wochenende eingezogen?“ frage ich. Die Wohnung neben mir stand einige Monate leer. In den vergangenen Tagen wurde viel gewerkelt.
„Jaaaa, wohnte. Mei Mann un ich habe Wohnun‘ kauft für mei Sohn un‘ mein
Su-igetochte un‘ unser ku-lei Enkel. Undu bis Nahbaaar, ja? Sööön!“
Ein Mann kommt die Treppe hinauf. Er trägt einen Klapptisch. Die Frau sagt: „Das isse mei Maaan.“ Und zu ihm: „Maaan, da isse Nahbaaar von unsere Sohn. Sag
Ha-o!“ Maaan setzt den Klapptisch ab, und wir geben uns die Hand.
„Un daaa, da komm mei Sohn.“ Ein junger Asiate hält hinter dem Klapptischvater. Er trägt einen Maxicosi. Hinter ihm steht eine junge Frau. „Sohn“, sagt die Mutti, „da isse dei Nahbaaar. Wohn‘ da.“ Sie deutet mit dem Topf auf meine Wohnungstür. Sohn, Schwiegertochter und ich geben uns die Hand.
„Fleuen wir uns, ja? Fleuen wir uns!“, sagt Mutti. „Wir sin‘ nu Nahbaaar!“
„Ich freue mich!“
„I mi aaa! Danne sööön Aben‘ noch, ja?“
„Ihnen auch einen schönen Abend.“
„Jaaaa! Söööön.“
Sie verschwinden in die Wohnung, und ich gehe aus dem Haus. Ich freue mich.
Achten Sie nicht auf das Mädel.
Wenden Sie Ihren Blick dem begnadeten Backgroundtänzer zu.
[youtube http://www.youtube.com/watch?v=2ShtM2KcIvg?rel=0&w=480&h=355]
[von Frau Mariwanna]
Von wegen, Deutschland stirbt aus.
Die Geburtenrate in meinem Umkreis liegt bei gefühlt 6,3 Kindern pro Frau. Na gut, sagen wir 5,2. Vier Freundinnen verdoppeln sich grad, vier weitere sind im vergangenen Jahr niedergekommen. Von den bereits vorhandenen Kindern nicht zu reden. Es gibt außerdem eine eindeutige Neigung zum Drittkind.
Auch das normalste Pärchen wird ein bisschen wunderlich, wenn es Kinder bekommt. Viel zitiert ist in diesem Zusammenhang der Mythos, erwachsene Menschen sprächen plötzlich frei heraus über Fäkalien, auch mit ihren Freunden und auch bei Tisch. Das kann ich so unterschreiben.
Erst jüngst saßen wir beisammen, in trauter Runde, auf dem schweren Eichentisch Rotwein und Käse. Gänzlich unvermittelt sagte der junge Vater, dass sein Sohn heute morgen zum ersten Mal festen Stuhl hergestellt habe – zwei runde Köttel, fast wie die eines Hasen, nur größer. Aber nicht zu groß, genau richtig eben, wenn man die Größe des Kindes berücksichtige. Das sei eine Premiere, auf die man jetzt und hier gerade mal anstoßen könne. Endlich keine Ausscheidungen mehr, die sich bis in den Nacken des Kindes verteilen.
Ich nickte anerkennend und stellte Nachfragen – nicht nur, um die Produktion zu würdigen, nein, aus ehrlichem Interesse. Gab es schon eine Wiederholung? Welche Nahrung wurde vorher gereicht? Diese tiefe Anteilnahme an der Sache entwickelt sich einfach mit der Zeit, wenn Freunde sich derartig vermehren.
Erst jetzt, eine Woche später, fällt mir auf, wie sonderbar das ist. Ich muttisiere. Ganz ohne Kinder.
In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung
Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.