Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Bücher Oktober 2012:

Bücher Oktober 2012 (Bücherstapel mit Hund)

Nicolas Barreau: Das Lächeln der Frauen.
Ein Frauen-Kitsch-Roman der übelsten Sorte: flache Handlung, flache Charaktere, flacher Schreibstil. Der Inhalt in Kürze: Frau entdeckt ein Buch, in dem sie vorkommt. Ist verzückt. Will den Autor treffen und lieben. Trifft stattdessen auf seinen Lektor, der allerdings in Wahrheit der Autor ist. Ab Seite 20 dachte ich: „Alta, hast du keine Eier in der Hose, oder was? Sag ihr doch einfach, was los ist!“ Ich musste aber bis Seite 320 warten. Dazwischen: Geblubber.

Alex Capus. Léon und Louise.
Die Geschichte einer Jugendliebe, die verloren geht, sich wieder findet, nicht sein darf, sich wieder verliert, sich wieder findet. Kein besonders tiefgründiger Roman, aber durch und durch nett, gut zu lesen, nicht anspruchsvoll, aber dennoch schön geschrieben. Ich habe das Buch in einem Tag am Pool gelesen. Rundum prima.

Chad Harbach. Die Kunst des Feldspiels. 
Ein Buch über Baseball, übers Erwachsenwerden, übers Versagen, übers Zu-sich-Stehen, irgendwie über alles, nun ja, vielleicht nicht alles, aber immerhin vieles, was das Menschsein ausmacht. Ein großer Roman, perfekt komponiert, mit ausreichend Nähe und Distanz zu den Figuren. Er verknüpft das Leben von fünf Personen: Henry, dem jungen Baseballspieler, seinem Zimmergenossen Owen („Ich bin dein schwuler Mulattenmitbewohner“), Henrys Mentor Mike, dem College-Rektor Affenlight und dessen Tochter Pella. Absolut lesenswert.

Haruki Murakami. Naokos Lächeln.
Toru lernt Naoko kennen, aber Naoko kann keine Nähe zulassen, hat psychische Probleme. Toru lernt auch Midori kennen, die temperamentvolle Studentin, das Gegenteil von Naoko. Und doch zieht ihn alles zu Naoko. Aber auch ein bisschen was zu Midori. Der Roman ist still, aber stimmungsvoll. Die Charaktere bleiben angenehm im Vagen, es gibt viel Raum zur eigenen Interpretation. Das gefällt mir. Die Erzählung gleitet leider ein bisschen ins Pubertär-Pornöse ab. Es fehlt an Tiefe. Aber im Großen und Ganzen ist sie gut, kann man lesen. Ich werde es auf jedenfalls noch ein zweites Mal mit Murakami probieren.

Thomas Pletzinger. Gentlemen. Wir leben am Abgrund.
Absolut spannend: eine Saison mit dem Basketball-Bundesligisten Alba Berlin. Sie ist nicht unbedingt besonders abwechslungsreich, und auch Pletzingers Schreibe reißt nicht vom Hocker, aber etwas an dem Buch hat mich gefesselt. Vielleicht ist es die totale Subjektivität, mit der Pletzinger berichtet, die Nähe, die Authentizität. Vielleicht der einzigartige, intime Einblick in die Mannschaft und in die Mechanismen des Profi-Sports. Wie auch immer: ein gutes Buch.

Siba Shakib. Eskandar.
Die Geschichte des Irans, erzählt an der Geschichte des Lebens von Eskandar, einem Jungen aus einem Dorf im Südiran. Er erlebt die Entdeckung des Erdöls, die erste Ölförderung, die wirtschaftliche Okkupation durch die Briten, Militärputsch, die erzwungene  Säkularisierung des Landes, den Zweiten Weltkrieg, Mossadegh und den Angriff des Irak. Knapp 600 Seiten, nie langweilig erzählt, keine trockene Abhandlung, sondern ein lebendiges Buch, das hilft, Einiges zu verstehen, was Iraner bewegt.

Ich fliege durchaus gerne mit dem Flugzeug.

Wie die Erde beim Starten kleiner wird, wie wir durch die Wolken stoßen, wie wir der Sonne entgegen fliegen, wie wir auf die Erde hinabschauen können und plötzlich alles unbedeutend wird – das ist toll.

Natürlich ist es immer etwas eng im Flieger, besonders für Menschen über einsachtzig und solche, die keine Sitzriesen, sondern Stehriesen sind, also lange Beine haben. So wie ich. In den vergangenen Jahren ging das alles. Ich konnte meine Beine unter den Vordersitz schieben oder unter dem eigenen Sitz zusammenklappen. Der Vordermann konnte sogar noch seine Rückenlehne neigen. Es passte.

Seit meinen vergangenen Flügen deucht mir aber, dass die Sitzreihen immer enger werden. Bei meinen Flügen mit sunexpress und air berlin passte ich – und das ist keine Übertreibung – nicht in den Sitz (bei Germania übrigens schon). Selbst vollkommen aufrecht, mit dem Hintern fest an der Rückenlehne, drückten meine Knie dem Vordermann so sehr ins Kreuz, dass er sich zu mir herumdrehte und wütend darum bat, ich möge mich doch bitte „vernünftig hinsetzen“ und mich „aus seinem Rücken entfernen“. Ich selbst hatte nach kurzer Zeit das Gefühl, als säße ein Elefant auf meinen Kniescheiben.

Ich saß am Gang, also stellte ich das rechte Bein in selbigen und klappte das linke irgendwie darunter – mit dem Ergebnis, dass ein Bein und zwei Füße als Fleisch gewordene Poller den Weg der Saft-Wägelchen blockierten, mein Rücken völlig verdreht war und ich meine Flunken nicht immer binnen Sekundenbruchteilen einfahren konnte, wenn Getränke, pappige Sandwiches, Duty-Free-Zeug oder sonstwas angefahren kamen. Dem Herrn schräg hinter mir ging es genauso, wir bildeten eine natürliche Barriere. Die Flugbegleiterinnen wurden mit zunehmender Flugdauer immer ungehaltener, staksten wie Störche durch unsere herumliegenden Gliedmaßen und rammten uns ihre Wagen in Hacken und Zehen.

Nun bin ich als Bahnfahrerin mit einem geradezu stoischen Gleichmut sowie einer, auf einem sonnigen Gemüt gründeten Besonnenheit gesegnet. Bei derartigen Konstruktionen packt mich jedoch die Wut. Wie kann es bitteschön sein, dass es Fluggesellschaften um des Profits willen erlaubt ist, ihre Maschinen derart mit Sitzreihen vollzupacken, dass es Reisenden nicht mehr möglich ist, das zu tun, was sie bezahlt haben: zu reisen, sitzend. Gibt es für diese Sitzkonstruktion eigentlich eine Norm – und wer hat die gemacht? Zwerg Nase?

Wegen Offline-Urlaubs mit einer kleinen Lücke zwischendrin.

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Es folgt: eine Bildergeschichte.

Die Bilder sind in der Mehrzahl hochkant, was daran liegt, dass sie in Hochkantistan entstanden sind, einer Insel im Atlantik, auf der man praktisch keine Querformate aufnehmen kann, weil sonst oben und unten immer etwas von der Welt fehlt, weil es dort so steil ist.

Bevor ich wusste, wie steil es in Hochkantistan ist, hatte ich die Idee, dort ein bisschen zu wandern, oder nun ja, eher spazieren zu gehen, schön gechillt mit hübschen Ausblicken für Genießer, abends Käse und Schinken, dazu ein Gläschen Wein. Es stellte sich allerdings heraus, dass schon die Wege auf dem Hotelgelände Gewaltmärsche messnerschen Ausmaßes waren – ein paar Prozent Steigung mehr, und ich hätte an der Rezeption nach Klettergeschirr und Karabinern verlangt. Entsprechend waren die geplanten Wanderungen alles andere als geschmeidiges Umherbummeln, sondern ein Herz-Kreislauftraining, das meinen Kardiologen, wenn ich einen besäße, in ein Gefühl tiefsten Wohlgefallens versetzt hätte.

Ein Vorteil hatten die steilen Berge allerdings: Oben angekommen, boten sie großzügige Panoramen.

La Palma - zum Pico Birigoyo

Bisweilen können Sie in Hochkantistan von so weit oben hinunterblicken, dass Sie durch         die Wolken spinksen. Sie fühlen sich dann wie ein dickes, schwitzendes Englein.

Schon nach der ersten Wanderung war klar: Scheiß auf den Wein, die tüchtige Wandersfrau braucht bei derartigen Höhendifferenzen nach ihrer Rückkehr ein kühles Blondes. Als ich also auf dem Pico Benejado stand und in die unter mir liegenden Schluchten blickte, dachte ich vor allem an eins: an Bier.

La Palma - Die Caldera de Taburiente vom Pico Benejado

Die Caldera de Taburiente ist 2000 Meter tief, was wiederum bedeutet, dass man       ziemlich hoch steigen muss, wenn man reingucken will.

Nicht immer blickte ich in Wolken, manchmal waren dort auch Barancos, das sind Fjorde ohne Meer, aber mit schaurigen Urwäldern. In den Barancos wohnen gefährliche Tiere, ähnlich wie Krokodile, nur viel gefährlicher.

Fauna auf La Palma

Urzeitechsen, die jeden Moment zur Bestie werden können.

Es ist noch gar nicht lange her, dass in Hochkantistan ein Vulkan ausgebrochen ist. Deshalb hatte ich, als ich den Vulkan besuchte, ziemlich heiße Füße. Zum Ausgleich war es sehr windig. So war mir obenrum genauso kalt, wie mir untenrum warm war. Im arithmetischen Mittel ergab sich also eine optimale Wohlfühltemperatur.

La Palma - Volcán de San Antonio mit Wander-Elfe

Eine Wander-Elfe auf dem Volcán Teneguía, ausgebrochen 1971.

Auf den Vulkanen wohnen kleine Feen, die vorbeikommenden Wander-Elfen, ohne dass diese es bemerken, Leggins aus Feenstaub anziehen. Das geht besonders gut, wenn sich die Wander-Elfen ihre Beine vorher mit Sonnencreme eingeschmiert haben:

Leggins aus Vulkanstaub

Vulkanstaubleggins verleihen Superkräfte.

Natürlich gab es auch Tage, an denen ich nicht wandern war. An denen wartete ein knallhartes Erholungsprogramm auf mich.

La Palma - Hotelpool

An freien Tagen Schwimmtraining im Hotelpool.

Eine Sache habe ich noch herausgefunden: Spülbürsten werden nicht, wie ich bislang dachte, künstlich hergestellt, sondern wachsen im fernen Hochkantistan an Spülbürstenbäumen, wo sie einmal im Jahr geerntet und nach Europa verschifft werden.

Der palmerische Spülbürstenbaum

Spülbürstenbaum mit Früchten.

Das war’s. Ende der Geschichte.

Kaum bin ich mal ein paar Tage nicht da, passiert das:

Thorstomaten 2012

Thorsten hat im Endspurt nochmal fett Thorstomaten rausgehauen – und das Ende Oktober bei beginnendem Schneefall. Ein Tausendsassa! Übrigens sind es Tomaten der Marke „Klein, aber oho!“: kleiner als Cocktailtomaten, aber mit dem Geschmack von Dreien in Einer. Mit so einer Tomate kann Chuck Norris sogar Dr. Best zerdrücken.

Mehr später.

Ich bin jetzt ein paar Tage nicht im Café – muss wichtige Dinge erledigen. Damit Sie derweil nicht auf dem Trockenen sitzen, hier ein paar Pralinés, mit denen Sie sich die Zeit versüßen können:

Frau Gminggmangg
Ist jüngst drei Monate lang mit Mann, zwei Kindern und einem Campingbus durch Südeuropa gereist. Das können Sie alles nachlesen. Jetzt ist sie wieder da und bloggt – wie zuvor auch – munter aus ihrem Alltag. Lese ich total gerne.

Antje Schrupp.
Ich hätte niemals gedacht, dass ich je ein feministisches Blog lesen würde – bei einigen Beiträgen wundere ich mich auch tatsächlich, was man alles zu einem Problem aufblasen kann bzw. manches ist mir einfach zu akademisch. Andererseits zeigt mir Frau Schrupp immer wieder neue Sichtweise und gibt Gedankenanstöße. Das schätze ich.

Herr Buddenbohm.
Den kennen Sie bestimmt. Ich schreibe ihn trotzdem nochmal auf. Der Mann hat zwei Söhne und neigt zu norddeutscher Ausgelassenheit. Mehr muss man nicht sagen.

Herr Jojo.
Ich bin großer Jojo-Fan und würde ihn heiraten, wenn er nicht schon Nadini und den Nomster hätte und immer diese komischen Filme gucken würde.

Ikea Hackers.
Machen Sie doch mal was Nettes aus Ihren Ikea-Möbeln.

Graphitti Blog.
Hässliche Grafiken über unsinniges Zeug. Aber lustig. Außerdem stimmt immer alles.

Heute morgen war ich dann doch nicht mehr so frisch.

Meine Füße waren viel weiter unten als sonst, auf Socken musste ich verzichten, und alles, was herunterfiel, war verloren. Natürlich fiel mir sehr viel herunter, erst der Zahnpastadeckel, dann das Haargummi, dann das Küchenmesser.

Ich machte mich also auf den Weg zu Doktor Knack. Doch Doktor Knack, der einzig Wahre, ist mittlerweile in Rente, es gibt jetzt Knack 2.0, der zwar nicht ganz so fesch ist wie Doktor Brinkmann, aber trotzdem recht schnittig – außerdem motiviert und zugetan, als frischer, neuer Praxis-Inhaber. Er legte mich auf eine Liege, es machte *knack, *knack, *knack, *knack – Domino Day in meinem Rücken. Er riet mir, fürderhin großzügig spazieren zu gehen, das sei gut für die Genesung, außerdem verschrieb er mir Ibu600, das fördere die Heilung und beruhige die gereizte Stelle.

Ich nahm also das Ibu und ging in die Natur, tanzte ein wenig und umarmte ein paar Bäume. Ein prima Trip, wenn man sonst nie Medikamente nimmt.

Nun bin ich wieder daheim und hebe erstmal auf, was mir heute morgen heruntergefallen ist. Das geht nämlich jetzt.

Meine Waschmaschine musste in den ersten Stock, es half alles nichts.

Mein Vermieter wollte sie nicht mehr im Keller stehen haben, warum auch immer, es lohnt sich nicht, das auszudiskutieren. Also musste das Ding hoch in mein Bad. Wir montierten die Schläuche von den Hähnen, ich ging in die Knie, wie sich das gehört, bloß nicht aus dem Rücken heben, sondern bitteschön aus den Beinen. Wie ich mich und die Waschmaschine dann hochdrückte, machte es vernehmlich „Knack“ im Rücken, und ich war kurzfristig überzeugt, dass mir jemand mit einer Schaufel die Lendenwirbel zerhackt.

Wie ich mich allerdings schonmal aufgerichtet hatte, die Waschmaschine am langen Arm, war es eigentlich ganz okay – stehen war in Ordnung, nur das Treppensteigen lief ein bisschen unrund. So trugen wir die Maschine ins Bad. Nach dem Absetzen begann dann das Leiden, das mich schließlich in die Notaufnahme führte – diesmal, im Gegensatz zu meinem letzten derartigen Ausflug, immerhin bekleidet.

Es begrüßte mich ein junger Arzt. Er hatte einen Händedruck, als hätte er mir einen schlaffen Penis in die Hand gelegt, es schüttelte mich leise. Ich erklärte ihm, was geschehen war. Aha, sagte er, das sei ja nicht schön. Ich sagte, in den Beinen sei nichts taub oder so, alles super, nur im Rücken eben, dort ginge gar nichts mehr. Aha, meinte er, er wisse jetzt auch nicht, was man da tun könne, vielleicht ein Schmerztropf, dann müsse ich aber stationär bleiben, ob ich nochmal auf und ab gehen könne. Ich ging wie gewünscht auf und ab. Mmmmh, machte er nachdenklich, das sei ja kein schönes Gangbild, „was meinen Sie denn dazu?“ Ich sagte: Nein, nicht schön. Er sagte: Tja, und kratzte sich am Kinn, „wollen Sie nun bleiben, oder was sollen wir tun?“. Ich sagte: Auf Wiedersehen – und ging ins nächste Krankenhaus.

Dort öffnete mir ein junger Udo Brinkmann in persischer Ausführung die Tür, sein Händedruck war fest, seine Augen waren groß und dunkel, seine Unterarme kräftig. Er sagte, das Illiosakralgelenk sei blockiert, das sei samstags nichts Seltenes, dauernd trüge jemand Waschmaschinen, ich möge mich bitte vorbeugen. Er spritzte mir eine Zauberdroge in den Rücken, ich habe sie hinterher ergoogelt, Triamcinolon, es war fantastisch. Nach nur zwei Minuten konnte ich aufrecht gehen, mir fiel auf, dass ich eine Jogginghose trug und überhaupt ziemlich nach Samstag aussah, und ich war sehr beeindruckt von so viel Kompetenz und Schönheit. Er drückte mir noch zwei Pillen in die Hand, für die Nacht und für weitere Schmerzen, schüttelte noch einmal feste meine Hand, ich war hin und weg, natürlich wegen der Spritze und nichts anderem, und er schubste mich in den Gang hinaus.

Heute habe ich dann einen kleinen Genesungsspaziergang gemacht, die große Laufrunde durch den Wald. Jetzt ist alles wieder locker und frisch, und die Waschmaschine macht schon ihre dritte Tour.

In Deutschland werden wenig Kinder geboren.

Das ist erstmal nichts Neues. Es wird viel zu diesem Thema geschrieben, gerne mit Überschriften wie:

Es scheint, als ob Männer nicht beteiligt wären. Vor ein paar Tagen habe ich den Artikel „Single-Männer. Allein ist spitze“ entdeckt und die Kommentare dazu gelesen. Es schreibt zum Beispiel  john_daniels:

Single ist die Form meiner Wahl. Der Kern der Sache – ganz wichtig, eigene Wohnungen. So süß die Süße auch ist. Wenn Sie eingezogen ist, sind die unkontrolierten Abende mit Bier und Ballerspiel bis in die Nacht, genüßlichen, ausgiebigen Sackkratzen, onlineflirten, Socken in die Ecke werfen und Porno surfen GE LAU FEN ! Sucht euch eine Süße, am besten online, das ist deutlich effizienter und habt Spaß mit Ihr. Wird dann Liebe draus verbringt Ihr eben einfach soviel Tage mit Ihr, wie ihr wollt. Natürlich habt Ihr vorher ganz deutlich klar gemacht, das ihr 2-3 Tage in der Woche für euch alleine braucht. Das muß klar sein.

Das ist ganz lustig – mein Bedauern nur für die Freundinnen, die es nicht checken. Doch dann geht es weiter:

Liebe – noch so eine Frauenidee. Da gehts doch bloss ums Kinderkriegen. Und hinterher heisst es dann: MEIN KIND. Du zahlst. [amidelis]

Und weiter:

Also ich bin Single und überwiegend glücklich. Es gibt die ein oder andere Stunde, wo ich gerne nicht allein wäre – und nicht nur körperliche Nähe suche. Aber im Verhältnis zum Monat beträgt diese Zeit vielleicht einen Tag. Wenn ich das mit dem Aufwand und der Mühe vergleiche, die man ins nicht-allein-sein investiert – und dann evtl. trotzdem weggeworfen wird… lohnt sich nicht. [divstar]

Ihm sind Frauen schnell zu verbraucht:

Keine Genöle, kein Eifersüchteln, keine Komplexe. Kein Arsch der ständig in die Breite wächst, Brüste die runterhängen, zerbräunte Haut, verbleichte Strohhaare, verkrümmtes Skelett mit Haltungsschaden vom ständigen Oberschenkelreiben. Dazu kommt das die meisten Frauen mit 35 psychisch und finanziell ausgebrannt sind und einen Versorger brauchen. Keine Lust an einer Bindung mit Wracks. Kumpels, Downhillen, Surfen, Kiten, Tauchen. [wakaba]

Er möchte ein Rudel führen:

Gehen wir mal back to the roots, zu unserer guten alten Natur. Ziel ist es entweder das Rudel zu führen und damit alles weiblich in seiner Nähe begatten zu können, oder eben zwangsweise Single zu sein. Die vollkommen widernatürliche Eigenschaft des Menschen, dass sich auch der Rudelführer mit einem einzelnen Weibchen zu begnügen hat führt dazu, dass für die anderen Männchen auch noch was übrig bleibt. Aber das natürliche Ziel ist es so lange wie möglich das Rudel zu führen. Paarbeziehungen sind eine Erfindung von Feministen und Pfaffen, haben aber nix mit der REalität zu tun. [DMenakker]

Ihm ist seine Zeit zu kostbar:

[…] Frauen kosten einfach Zeit ! […] Ich will jedenfalls nicht ständig jemanden an der Backe haben und ich will keine Kinder. Das schränkt mich alles viel zu sehr ein. Ich will einfach nicht die Freiheit aufgeben jederzeit alles tun zu können was ich möchte. [shran]

Er war schonmal Opfer:

Partnerschaft? Nein danke! Nie wieder! Auf einen launischen Kontrollfreak, der meint mich erziehen zu müssen kann ich gerne verzichten. Und billiger ist es nebenbei auch noch. [KnoKo]

Außerdem kann ja jeder Seins machen:

[…] Niemand braucht irgendwelche nutzlosen Verpflichtungen oder Bindungen bis zum Tode. Was den Nachwuchs angeht, können die Frauen wohl alleine in unserer Gesellschaft ihre Kinder heranziehen (gleiches würde ich auch den Männern zuschreiben).  [korox]

Lesen Sie sich gerne alle Kommentare durch, es sind insgesamt 240 Stück auf 48 Seiten – 70 Prozent von ihnen in einem ähnlichen Tenor wie die Zitate. Natürlich ist das Spon-Forum nicht repräsentativ, kein Forum ist das. Es entwickelt sich auch immer eine Eigendynamik in einer Diskussion, ein Hang zu extremen Einlassungen, zur Bestätigung, zur Zuspitzung, gerade in der Anonymität.

Für unsere miserable Geburtenrate gibt es viele Gründe: unsichere Arbeitsverhältnisse, eine schlechte Betreuungssituation, Mobilität und dadurch wenig Rückhalt durch die Familie, befristete Verträge und infolgedessen der Verlust des Arbeitsplatzes nach einer Schwangerschaft sowie eine generelle Kinderfeindlichkeit, die sich beispielsweise in der Schwierigkeit zeigt, bezahlbaren Wohnraum für fünf Personen zu finden, von denen drei vielleicht auch mal lauter sind.

Wenn ich aber nachdenke, geben die obigen Zitate recht gut wieder, was Single-Frauen über 30 – neben den wirtschaftlichen Gegebenheiten – auch erleben, wenn sie eine ernsthafte Beziehung eingehen möchten – eine, aus der Kinder hervorgehen könnten: Die Anzahl derjenigen Männer, die Verantwortung für eine Partnerin und eine Familie übernehmen wollen, ist geringer als die Anzahl der Frauen, die sich das wünschen. So kommt es, dass Frauen, die sich nach einer Partnerschaft sehnen, die vielleicht auch ihre Uhr ticken hören, die gerne eine Familie gründen würden, auf Männer treffen, die genau dies nicht wollen, die gerne Sex, aber nicht gerne Verantwortung haben, die, sobald es für sie eng und anstrengend wird, lieber weg sind.

Doch dieser Aspekt kommt in der gesamten Diskussion rund um unsere Geburtenrate kaum vor. Es sind immer nur die Frauen, die sich verweigern.



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