Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Eine neue Küche zu kaufen, ist ein Projekt.

Denn eine Küche hat man. Kein Mensch beschäftigt sich in seinem Freizeit mit Ausstattungsmerkmalen von Küchen, mit Korpusdicken, Nischenverkleidungen, Wangenstärken, Frontlackierungen und -folierungen, mit Einlassspülen, Übertiefen und Wandabschlussleisten. Eine Küche ist einfach da.

Bis ich in der vergangenen Woche eine Küche gekauft habe, bin ich also durch Möbelhäuser und Küchenstudios getingelt und habe mir verschiedene Küchen planen lassen. Dabei habe ich bemerkt, dass es – neben freundlichen, normalen – eine ganz besondere Spezies Küchenverkäufer gibt. Ich nenne sie Barney Blueballs.

Barney Blueballs zeichnet sich durch einen leicht ovalen Gang und ausladende Gesten aus. „Schauen Sie mal hier“, Propeller-Arm, Propeller-Arm, „alle Fronten Hochglanz“, er semmelt die Faust gegen eine Schranktür, „da müssen Sie nix putzen, und die Qualität“, kadong! kadong!, „eins A Ware!“, tätscheltätschel.

Barney Blueballs‘ Küchenstudio ist nicht nur einfach sein Arbeitsplatz. Es ist sein Revier. Hier jagt er seine Beute, hier erlegt er seine Beute, hier bittet er sie zur Kasse. Barney hat meist mit Pärchen mittleren Alters zu tun: Sie wählt, er zahlt. Barney verkauft ihnen Hochglanzfronten und Landhausküchen im mittleren Preissegment, Standardküchen in L- und U-Form mit Magic-Corner-Eckschränken („Ein Muss für die effiziente Küche!“), mit einem elektrischen Allesschneider, einem Abfallsammelsystem und niemals ohne Mikrowelle.

Womit er sich allerdings schwer tut, sind Frauen, die alleine Küchen kaufen. Barney kann zunächst nicht glauben, dass ich ohne Begleitung bei ihm vorstellig werde. Er denkt, der Mann verstecke sich hinter der Musterwand mit den Beispielgriffen. Er macht sich auf eine infantile Suche. Als er begreift, dass tatsächlich niemand außer mir anwesend ist, scherzt er: „Sie dürfen also alleine aussuchen! Naja, die Frau verbringt ja immer noch die meiste Zeit in der Küche! Muhaahaa!“ Ich scherze zurück: Heute habe der Mann die Fußfessel mal gelöst, „damit ich zu Ihnen darf.“ Er lacht wiehernd. Haha, wir sind ja beide so lustig.

Barney Blueballs ist ein waschechter Verkäufer, kein avantgardistischer Künstler. Bei der Planung hat er wenig Fantasie: Er macht, was man ihm sagt. Es sei denn, etwas kommt ihm komisch vor. „Ein Meter fünf Arbeitshöhe? Sowas habe ich noch nie geplant!“ Doch, doch, sage ich, das habe schon seine Richtigkeit, ich sei schließlich sehr groß. „Ich wette, bei Ihrer Größe haben Sie nicht nur in der Küche die Hosen an!“ Ich denke: Halt’s Maul und mach fertig, du Witzbold.

Ich frage, ob denn die Nische hoch genug sei, gerade wenn da noch eine Aufsatzspüle auf die Ein-Meter-fünf-Arbeitsplatte soll, da kann man sich ja nicht mehr über die Spüle beugen. „Dann setzen wir den Oberschrank einfach höher“, sagt Barney. Wenn wir höher gehen, wende ich ein und bin dabei tatsächlich ein bisschen penetrant, stoßen wir mit den Faltklappen dann nicht gegen die Decke? Die haben doch eine Auslage nach oben. „Na, Sie haben in Geometrie aber aufgepasst! Alle Achtung!“ Einer von uns muss ja, denke ich.

Am Ende ist er ganz Gentleman. „Diesen Preis, den kriegen Sie nur heute! Den mache ich nur für Sie!“ Er schaut mir in die Augen. Der Preis, sage ich, sei deutlich zu hoch. Er könne mir auch einen niedrigeren Preis machen, antwortet er. Aber erst, wenn ich den Kaufvertrag unterschrieben habe. Dann seien nochmal besondere Konditionen drin. „Überlegen Sie ruhig. Ich gehe kurz eine rauchen. Danach können wir die Sache dingfest machen.“

Danke, Barney, nein.

Es klingelt. Ein DHL-Mann kommtdie Treppe herauf. „Post!“, ruft er. „Wieso Post?“, denke ich. Schon seit einigen Wochen habe ich nichts mehr bestellt, und Unsaomma ist schon lange aus dem Alter heraus, in dem sie noch Pakete schickt.

Ich packe aus und entdecke das:

Ein Paket von Familie Gminggmangg

In dem Karton: ein Gruß aus dem Garten (damit ich mich schonmal an die eigene Ernte gewöhnen kann), eine zauberhafte, bislang nicht abgeschickte, königliche Urlaubspostkarte und Bärner Schoggi:

Ein Paket von Familie Gminggmangg

Ich bin ganz gerührt angesichts dieser tollen Überraschung! Herzlichen Dank an Familie Gminggmangg!

Ich bin dabei, einen neuen Kühlschrank zu kaufen.

Der Kühlschrank soll in meine neue Küche. Er soll freistehend sein, side by side. Alles in allem also eine Preisklasse, in der man vor dem Kauf ein paar Testberichte liest und Angebote vergleicht. Ich verschaffe mir online zunächst einen Überblick, welche Modelle es gibt und was diese dort kosten. Dann besuche ich drei Elektrofachmärkte, um dort das Gleiche zu tun – und um zu kaufen. Allerdings:

Verkäufer: Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?
Ich: Ich möchte mir einen neuen Kühlschrank anschaffen, ein Side-by-side-Modell, und wollte mich erstmal nur über Modelle und Preise informieren.

Verkäufer A: (sofort und unvermittelt) Der Preis ist natürlich das eine. Service das andere. Sie können sicherlich überall einen Kühlschrank herbekommen, aber eins kann ich Ihnen versichern: Guten Service finden Sie nur bei uns im Handel.

Verkäufer B: (auch sofort) Erstmal nur informieren? Lassen Sie mich direkt dazu sagen: Sie können natürlich im Internet kaufen. Eine gute Gewährleistung bekommen Sie nur bei uns. Denn wenn bei diesen Internetgeräten mal was kaputt ist, haben Sie mit ziemlicher Sicherheit ein Problem.

Verkäufer C: (sofort) Aha. Einen besseren Preis finden Sie natürlich immer irgendwo im Netz, aber ob das Gerät dann auch die Leistung erbringt, die versprochen wird, ist ’ne andere Sache. Bei uns …

Stellen Sie sich an dieser Stelle bitte einen tiefen Seufzer vor. Denn ich habe nicht einmal vor, im Internet zu kaufen. Ich gucke mir das Gerät vor dem Kauf tatsächlich gerne an, öffne Türen, schließe sie, gucke, wie viel Platz drinnen ist, wie breit und hoch so ein Ding im Verhältnis zu mir selbst ist – und so weiter. Ich würde nach der Besichtigung nur online kaufen, wenn es wirklich enorme Preisunterschiede gäbe. Gibt es aber nicht.

Das habe ich den jeweiligen Verkäufern auch gesagt. Ihre Reaktionen, wörtlich oder sinngemäß: „Das sagen Sie alle, und am Ende wird dann doch online gekauft.“ Sehr, sehr tiefer Seufzer.

Leute! So kommen wir nicht ins Geschäft! Ich möchte keine vorauseilenden Vorwürfe. Es ist außerdem Quatsch mit Soße, den ihr da erzählt. Natürlich habe ich auch bei Onlinekäufen Service und die gesetzliche Gewährleistung. Skurril ist: Eure Arbeitgeber betreiben zum Teil selbst einen Online-Shop.

P.S.: Bitte keine Hinweise, dass ich mich an den Geschäftsführer wenden soll. Ich möchte mich nicht an den Geschäftsführer wenden. Ich möchte einfach nur einkaufen. Und mein Erstaunen über diesen zwar erklärlichen, in der erlebten Häufigkeit aber dennoch sonderbaren Beißreflex ausdrücken.

Umme Ecke vonne Schicht befindet sich ein Starbucks. Das trifft sich gut, denn ich mache gerade eine schwere Coffee-Frappuccino-Phase durch.

Nach zwei Wochen intensiven Trainings schaffe ich es mittlerweile, „einen Grande Coffee Frappuccino zum Mitnehmen bitte, ohne Sahne und bitte nicht größer, auch wenn es nur 40 Cent mehr kostet, mein Name ist Joyce“ ohne Rückfragen zu bestellen.

Sie wundern sich jetzt vielleicht, dass ich Joyce heiße. Das ist nur heute so. Vorgestern hieß ich Tiffany. Die Sache ist nämlich: Diese ganze Namensnummer bei Starbucks ist mir suspekt. Schon klar: Der Service soll persönlich sein und jeder soll am Ende das bekommen, was er bestellt hat, aber irgendwie – immer meinen Namen zu sagen, nur weil ich ein überteuertes Getränk haben möchte, macht keine guten emotions bei mir.

Seit ich mit Kollegen im Stuhlkreis darüber gesprochen habe, weiß ich: Es geht nicht nur mir so. Kollege A gibt sich immer die Namen von Fußballern, Kollegin B nimmt Romanfiguren, Kollegin C die Namen, die sie gerne gehabt, aber nicht bekommen hat.

Den Starbucks-Leuten muss ich zugute halten: Egal, ob Ronaldo, Eusebio, Hermine Granger oder Kimberly Joline vor ihnen steht – sie verziehen keine Miene und sind immer professionell. Wahrscheinlich ist diese Namenssache nach spätestens einem Tag einfach nicht mehr lustig – wenn sich ohnehin jeder zweite etwas ausdenkt.

Zu meinem neuen Garten gehört auch eine neue Wohnung.

Die vorherigen Bewohner hatten diese Wohnung ganz apart tapeziert: im Wohnzimmer und Flur eine Melange aus Orange und Rosa, in der Küche ein psychedelisches, pollockhaftes Machwerk auf grauem Grund. Darunter jeweils zwei weitere Schichten Tapeten, denn warum sollte man zuerst alles abreißen, wenn einem nach neuem Interieur ist: Man kann schließlich auch einfach drübertapezieren.

Um diesen Schichten Herr zu werden, habe ich die Handballerinnen angeheuert. Donnerstagabend, eine Trainingseinheit lang. Grad am Anfang braucht es schließlich schnelle Tore, damit die Motivation nicht schon im Keim erstickt! Zack, Zack, die ersten Bahnen runter von der Wand, und die Nummer läuft.

Die Handballerinnen rücken also an, 17 an der Zahl, eine davon hochschwanger und zuständig für die Verpflegung. Jede bekommt einen Spachtel in die Hand, der Coach baut Lautsprecher auf, schaltet Musik an und los geht’s.

„Alta, das sind ja tausend Schichten!“
„Hihi, habt ihr die Tapete mal nass gemacht?“
„Mit diesem Ghost-Buster-Sprühding?“
„Wenn die Tapete nass wird, sieht man Penisse!“
„Echt? wo?“
„Hier! Guck! Im Muster!“
„Tatsächlich! Mit Hoden!“
„Voll die Porno-Tapete!“
„Wo? Will ich auch sehen!“

Jemand bringt Wassereis mit, und wir machen Wassereis-Pause.

„Was ist denn mit den Fliesen in der Küche?“
„Die müssen auch ab.“
„Wow! Cool! Darf ich?“

Sie bekommt Schutzbrille, Hammer und Meißel. Bumm, bumm, klirr. Das war die erste Fliese. Bumm, bumm, klirr – die zweite.

„Die Mädels haben dir auch die Fliesen abgekloppt?“, fragt Vatta später, ungläubig.
„Klar.“
„Wozu braucht ihr eigentlich noch Männer?“
„Fürs Vergnügen natürlich.“

Nach drei Stunden gibt es Würstchen vom Grill und einen Kasten Mädchenbier. Aus den Brötchen quillt der Ketchup. Krautsalat tropft auf die Terrasse.

„Gooooile Party!“
„Das Schlafzimmer schaffen wir auch noch.“

Sie machen sich wieder an die Arbeit und singen dabei „Eisgekühlter Bommerlunder“. Erst gröhlen sie, dann fallen sie in einen opernhaften Kanon. Es ist richtig schön, auch von der künstlerischen Warte aus.

Um 23 Uhr, nach fünf Stunden, sind Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Arbeitszimmer tapetenfrei. Nur der Flur, der muss noch. Am nächsten Tag klagen die Handballerinnen über Muskelkater in der Hand. Und im Arm. Und im Rücken. Aber was wäre eine Trainingseinheit ohne den gewünschten Effekt.

Herr Zaubermann hat „Da gewöhnze dich dran“ gelesen – mit Konsequenzen:

„Mein Praxisteam bekommt das Buch geschenkt (genauer: die, die es wollten!). Ich habe die Lektüre quasi angeordnet.

Warum? Lesen Sie hier.

Übrigens macht er nicht nur seinem Praxisteam Geschenke:

„Und wenn Sie in den Kommentaren nett zu mir sind, mir einen freundlichen und originellen Grund liefern, warum Sie das Buch gerne hätten und darüber hinaus dazu bereit sind, mir Ihre Adresse zuzumailen, dann stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass ich auch IHNEN Eines schenke.“

Ich sage jetzt nicht: Gehen Sie dorthin und schreiben Sie einen Kommentar. Ich möchte den Zaubermann ja nicht in den Ruin stürzen. Aber Sie können das natürlich aus freien Stücken tun.

Lieblingstweets 07/2013:

https://twitter.com/badespassbarbie/statuses/355972753368682496

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Darf ich vorstellen?

Mein neuer, wilder Garten

Das ist mein neuer Garten. Wir kennen uns seit Mai. Im Juni haben wir uns füreinander entschieden. Im September ziehen wir zusammen. Hach.

Ich bin dann stolze Besitzerin eines Kirschbaums, eines Haselnussbaums, von Erdbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Rosen und Tulpen. Und eines verwunschenen Gartenhäuschens, einer Barbecue Area (links daneben hinter den Bäumen), einer Frühstücksterrasse und eines kleinen Teichs.

Ich sehe mich schon mit einem Strohhut und einem Bastkörbchen durch taufeuchtes Gras gehen, um meine Thorstomaten zu pflücken.



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