Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Die Herstellung von Wasserstoff und andere Dinge des täglichen Lebens

11. 09. 2020  •  15 Kommentare

Das Lager der tollen Dinge | Heute fuhr ich zu den Physikanten. Wir schauten gemeinsam auf den aktuellen Stand der Dinge. Es gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus: Es kommen Anfragen für Auftritte im Herbst und Winter und für 2021 rein, noch verhalten, aber in der Tendenz positiv. Zudem stehen Rückmeldungen zu Akquise-Initiativen im Bildungs- und Vermittlungsbereich aus.

Wir trafen uns im Physikanten-Lager. Ich fühlte mich wie bei Dr. Snuggles.

Wer mir sagt, wo es zur Toilette geht, bekommt eine virtuelle Waffel.

Ich weiß übrigens schon, welche Frage Marcus in der nächsten Frag doch mal die Maus-Show beantwortet. Spoiler: Er hat dafür eine aufwändige Konstruktion gebaut und viele Kilometer gemacht.


Käthe | Danach saßen Marcus und ich noch zusammen und diskutierten physikalische Fragen rund um die Ballontechnik des 19. Jahrhunderts. Denn Käthe Paulus, deren Leben ich in einer Romanbiographie aufschreibe, fiel mit ihrem Paketfallschirm aus Ballons, mit denen sie aufstieg. Es waren aber nicht wie heutzutage Heißtluftballons. Sondern die Ballons waren mit Wasserstoff gefüllt. Eine der Fragen, der Marcus und ich uns widmeten, war: Wie kam er dort hinein?

Die Antwort ist relativ klar: Käthe Paulus wird den Wasserstoff am Aufstiegsplatz selbst hergestellt und in den Ballon geleitet haben – so wie auf diesem historischen Kupferstich zu sehen. Die Herstellung von Wasserstoff geht vergleichsweise einfach mit Schwefelsäure und Eisenspänen – beides Produkte, die damals zu bekommen waren.

Wir haben uns die historischen Bilder genau angeguckt, und Marcus hat mir seine Einschätzung dazu gegeben, welches der Fässer die Reaktionsgefäße sind. Außerdem legen die Bilder nahe, dass eine Wasserkühlung vorhanden war. Bei der Reaktion von Schwefelsäure und Eisenspänen entsteht Hitze – die ist aber in dem Fall nicht nützlich. Denn wird der Wasserstoff zu warm in den Ballon geleitet, entsteht bei Abkühlung in der Höhe Kondenswasser. Das kann nicht gewollt sein – auch, weil die Auftrieb größer ist, wenn die Temperatur des Wasserstoffs der Umgebungstemperatur entspricht. Möglicherweise wurde das Gas noch nur Wasser geleitet, um es reiner zu machen.

Das ist ein weiteres Indiz dafür, dass Käthe Paulus ihre Auftritte nicht alleine organisiert haben kann. Der organisatorische Overhead und der Materialaufwand waren einfach enorm.

Wasserstoff ist sehr flüchtig. Die Ballonhüllen waren gummiert, das weiß ich aus dem Deutschen Museum. Es spricht dennoch Einiges dafür, dass die Ballonfahrten nicht von stundenlanger Dauer waren, weil der Wasserstoff sich durch die Ballonhülle einfach zu schnell verflüchtigte. Das erklärt einigermaßen, wie Käthe den Ballon wiederfand, nachdem sie abgesprungen war – er musste irgendwo in der Nähe niedergegangen sein.

Wir beschäftigten uns dann noch ein bisschen mit Luftwiderstand, Luftdruck, Gewittersituationen und Käthes Konstruktion des Fahrradballons, mit dem sie für die Adler Werke Werbung machte, und fabulierten über Details.


Abschwimmen | Danach schwamm ich ein letztes Mal in dieser Saison im Wellinghofer Freibad. Es war ein würdiger Abschiedsschwumm. Ich war gut drauf und schwamm 3.500 Meter, davon 3.000 Meter gekrault, in rund eineinhalb Stunden (mit zwischendurch Flossen an/aus, Paddles an/aus, Mitschwimmern Vorsprung lassen und sowas). Bin sehr zufrieden.

Bis nächste Woche Freitag hat das Volksbad am Stadion noch geöffnet. Ich fürchte allerdings, dass es voll wird. Denn es sind 30 Grad angesagt, und es ist das einzige Freibad in Dortmund (knapp 600.000 Einwohner), das noch geöffnet hat.

Vielleicht werde ich dieses Jahr auch im Winter schwimmen. Denn die Hallenbäder, die von der Sportwelt Dortmund betrieben werden, haben das gleiche Online-Ticketbuchungssystem wie die Freibäder. Man kann sich einen Zwei-Stunden-Slot buchen, es sind zwei breite Schwimmerbahnen abgetrennt, so dass Schwimmer:innen den Abstand beim Überholen einhalten können, und es sind maximal 40 Leute pro Slot zugelassen. Die breiten Bahnen und die Begrenzung der Schwimmenden könnte bedeuten, dass es kein Hauen und Stechen im Becken gibt – im Gegensatz zu vergangenen Jahren, wo es man sich nur beharkte. Ich habe das nur zweimal probiert, es war rundheraus fürchterlich und hatte danach für den Rest des Winters jeweils den Kaffee auf.


Gelesen und angeguckt | Die Film- und Medienstiftung NRW gab heute bekannt, welche 24 Projekte sie als nächstes fördert. Es sind interessante Sachen dabei Freue mich schon auf die Ergebnisse. | Der Reumannplatz in Wien vor und nach seiner autofreien Umgestaltung.

Corona-Service | How the Corona Virus attacks the Brain. Es gibt auch einen deutschen Artikel zur Thematik.

Ein Gartenrätsel. Bewaffelung. Wenig Vorfreude aufs Wahlhelfen.

10. 09. 2020  •  11 Kommentare

Podcast | Gestern und heute entstand die zweite Folge von „Vanessa spricht mit …“

Macbook, zwei Mikros, Tisch

Ich spreche mit Christian Fischer über Panikattacken und die Angst vor der Angst, über das erste Mal (und weitere Male) Psychotherapie, wie sich sein Freundeskreis in dern vergangenen Jahren dadurch gestaltet hat und was er sich von anderen Menschen wünscht. Die Folge ist etwas über eine Stunde lang und geht nächste Woche online. Christians Sicht von der Aufnahme: Der Hase ist aus dem Zylinder.

Anschließend aßen wir Waffeln. Christian hatte im Vorfeld angemerkt, er hätte noch nie Waffeln bei mir gegessen, obwohl meine Matratzenwaffeln so berühmt seien, wie das nur sein könne, und mein Appellohr hat ein Begehr herausgehört.

Er hat sich dazu Kaffee aus der Goldenen-Blogger-Tasse gewünscht (und gekriegt).


Dortmund – zum Dableiben | Die Stadt Dortmund hat mich angefragt, ob ich ein Statement für das neue Image-Buch der Stadt abgeben möchte. Weil ich so eine berühmte Bloggerin sei (ja, verrückt). Ich habe ihnen Folgendes abgeliefert:

Seien wir ehrlich – wenn jemand fragt: „Nennen Sie mir die schönste deutsche Stadt!“, nennt niemand Dortmund. Niemand sagt: Da muss du unbedingt hin. Das liegt daran, dass Dortmund nicht zum Hinfahren ist. Dortmund ist zum Dableiben: zum Wohnen, zum Leben, zum Freundesein, zum miteinander Wachsen. Deshalb mag ich Dortmund. 

Ich habe erst ein „zu bearbeiten“-Fähnchen an die Mail gemacht, aber dann habe ich sofort zurückgeschrieben, mit Statement und dem gewünschten Foto, weil: Sonst liegt das wieder ewig für so eine kleine Sache. Da waren sie ganz entzückt.


Danke | Haben Sie übrigens vielen Dank an Ihre Zuwendungen in die Kaffeekasse! Ich habe davon eine zusätzliche Nacht an der See bezahlt. Eigentlich wäre ich nur bis Sonntag geblieben. Aber weil es so schön dort war, habe ich spontan eine Nacht verlängert und es aus der Kaffeekasse bezahlt.


Garten | Mein Garten gibt mir ein Rätsel auf. Ich habe im Frühjahr Kürbisse herangezogen und ins Beet gesetzt. Die Pflanzen ranken und tun alles, was ordentliche Kürbispflanzen tun. Sie sehen rundheraus wie Kürbispflanzen aus. Lange tat sich an ihnen nichts. Nun bekommen sie Früchte, die aussehen wie runde Zucchini.

Ich habe schon so ein Dingsi gegessen. Das Fruchtfleisch ist hell wie Zucchinifleisch und schmeckt auch so. Es hat innendrin allerdings dicke Kerne wie ein Kürbis, die man rausmachen muss, und nun weiß ich auch nicht.

Das wirft auch eine philosophische Frage auf – nämlich, ob es für alles eine Kategorie geben muss. Vielleicht ist diese Pflanze einfach divers, nichtbinär, vielleicht heißt sie Ingo Corinna, und ist einfach Ingo Corinna.

Meinem Apfelbaum werde ich dieses Jahr übrigens wieder einen Eimer Äpfel aus dem Nachbargarten vor die Füße stellen, als passiv-aggressive Anregung. Denn er weigert sich beharrlich, eigene Früchte zu produzieren. Das ist kein Grund, ihn rauszuschmeißen, ein gesunder Garten trägt auch die Unwilligen durchs Leben, aber ich finde schon, dass jeder seinen Beitrag leisten sollte.

Währenddessen ist im Hibiskus Wanzenparty.

Die Fachwelt weiß über Feuerwanzen:

Als äußerst geselliges Insekt hält sich die Feuerwanze immer in großen Gesellschaften mit Artgenossen auf, richtet jedoch keinerlei Schaden an.

Biologie-Schule

Wie sympathisch! *fump


Nullpunkt | Am Sonntag ist in NRW Kommunalwahl, und ich habe mich als Wahlhelferin gemeldet. Ich muss aber gestehen, dass meine Laune so ziemlich auf dem Nullpunkt ist, wenn ich an dieses Ereignis denke. Ich bin nämlich fürs Briefwahlzentrum eingetragen. Das befindet sich in einer der Westfalenhallen. Auf dem Lageplan, den die Stadt Dortmund mir zugeschickt hat, sehe ich 97 Tische zum Auszählen. Meiner ist irgendwo in der Mitte. 94.000 Menschen haben in Dortmund Briefwahl beantragt. Das heißt, dass jeder Tisch an die 1.000 Briefe sichtet und auszählt. Ich fürchte, dass das bis tief in die Nacht geht.


Gelesen | Verurteilt, weil er seine Frau geschlagen hat – und trotzdem Bürgermeisterkanndidat für die CDU. Bemerkenswert finde ich seine Antwort auf die Frage, welchen Stellenwert dieser Sachverhalt für ihn hat. Eindrücklicher kann man die Nichteignung für ein Amt nicht zeigen. | Immerhin eins läuft im Jahr 2020 nach Plan: der Klimawandel. Leider nach dem ungünstigsten aller Pläne. Wenn du Lehrer um Hilfe fragst | Amateuerfurßball und Corona: Das größte deutsche Sozialprojekt

Corona-Service | Corona im Herbst

Zurück im Alltag

8. 09. 2020  •  5 Kommentare

Gestern | Heimgekommen, Blick in den Garten geworfen und direkt mal Rasen gemäht. Bald wächst mir ein Feinrippunterhemd.

Es beginnt die Zeit, in der ich im Garten Dinge zurückschneide, weil ise verblüht sind. Den Beginn machen der Lavendel und die Lilien.


Heute | Leichte Annäherung an den Alltag – mit schwimmen. Im Freibad war mehr los, als das Bild suggeriert. Etwa 30 Leute kamen und gingen und zogen mit mir ihre Bahnen.

Freibad, bedeckter Himmel

Dieses Woche ist die letzte Woche im Stammfreibad. Danach hat nur das Dortmunder Volksbad noch für fünf Tage geöffnet. Ich ärgere mich jedes Jahr, dass die Freibäder schon Mitte September schließen, zumal es auch dieses Jahr nochmal richtig warm werden wird, wenn die Wettervorhersage recht behält. Das Wasser ist beheizt, und es lässt sich locker bis Anfang Oktober darin schwimmen.

Anschließend heim, Wäsche waschen, Pflaumenkuchen backen.

Pflaumenkuchen nur echt mit Quark-Öl-Teig: 250 Gramm Magerquark, ca. 12 Esslöffel Milch, ca. 8 Esslöffel Rapsöl, 100 Gramm Zucker, Backpulver, Vanillezucker, 400 Gramm Mehl. Ober- und Unterhitze bei 160 bis 180 Grad. Die Pflaumen vor dem Erkalten mit Zucker bestreuen. Serviervorschlag für ein Probierstück:

Pflaumenkuchen mit Schlagsahne, daneben eine blaue Tontasse mit weißer Blume

Danach Schreibknast.


Gelesen, angeguckt und gehört | Jochen Wegener, Chefredakteur von Zeit Online, über das dezentrale Arbeiten in Corona-Zeiten und was seine Redaktion daraus mitnimmt: Was bei der Zeit vom Homeoffice bleibt. | Frau Herzbruch schreibt über Handball, wie ich es nicht besser hätte tun können:

Das ist übrigens im Handball eine interessante Hybris: Bei aller Aggression und Verbissenheit, bei aller überbordender Körperlichkeit, muss jeder auf dem Feld sich maximal zurücknehmen können, denn ab einem gewissen Level gehen Alleingänge nicht mehr durch. Es gibt Kinder, die technisch hervorragend sind und es nicht in die Auswahl geschafft haben, da sie nicht gut zu steuern sind. Für Einzelkämpfer gibt es wenig Toleranz, es wird über 6 Stationen gespielt, und da muss jede Station das machen, was insgesamt hilft. Und nur einer wirft, das ist halt so. 

Gegen Cybermobbing, Hate Speech und Diskriminierung: Die Schriftart Polite Type korrigiert Beleidigungen direkt beim Schreiben. | Der finnische Violinist Pekka Kuusisto singt ein finnisches Liebeslied – und das Publikum liegt ihm zu Füßen: My darling is beautiful. Das waren Zeit, als man noch gemeinsam singen konnte! | Danach bin ich auf diesen Auftritt Kuusistos gestoßen und habe gerne zugehört. Bemerknis: Während alle mit Papiernoten da sitzen, hat Kuusisto seine Noten auf dem iPad. | Eine fundierte wissenschaftliche Analyse, wie Sie am besten vor einem Dinosaurier wegrennen. | Toni Kroos im Podcast Hotel Matze: unprätentiös und sympathisch

Corona-Service | Erkenntnisse, wie das Corona-Virus im Körper vorgeht, werden konkreter. Forscher:innen verfolgten eine zeitlang die Zytokin-Hypothese, um die Überreaktion des menschlichen Immunsystems und damit zahlreiche Todesfälle zu erklären. Jetzt fällt der Blick auf das gefäßerweiternde Peptidhormon Bradykinin. Das eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten. (Englisches Original des Artikels) | SZ-Journalist Heribert Prantl findet, Corona sei Entheimatung. Alle Mitmenschen seien eine potentielle Gefahr, der Handschlag bleibe aus, Corona sei eine Entfremdung von Selbstverständlichkeiten. Ich empfinde das genaue Gegenteil: Corona lehrt uns zu schätzen, was wir haben, und zeigt uns, wer sich solidarisch verhält – und zwar entfernt stehen bleibt, aber uns emotional nah ist.

Expedition an die See. Neue Fotos für die Website. Tennis als Leibesertüchtigung.

6. 09. 2020  •  18 Kommentare

Expedition an die See | Kein Bild, kein Ton hier. Das lag daran, dass ich weg bin – an einem Ort, wo es kein WLAN gibt. Ich machte mir selbst WLAN, hatte aber trotzdem keine Lust zu bloggen.

Panoramabild aus dem Watt, links der Strand mit einem Riesenrad. Die Wolken bilden einen Bogen.

Stattdessen befasste ich mich mit Käthe. Auf der Reise durch ihr Leben habe ich das Jahr 1911 erreicht, die Internationale Luftschifffahrtsausstellung (ILA) hat 1909 erstmals stattgefunden, sie bekommt Motorflugunterricht, und wir steuern direktemang auf den Ersten Weltkrieg zu – und so langsam auch auf das Ende der Erzählung. Noch kein Zielspurt, aber deutlich das letzte Drittel (wenn man das noch folgende Lektorat und Korrektorat außer acht lässt).

Wenn ich nicht schrieb oder, ermattet von der Seeluft, einschlief, fuhr ich mit dem Fahrrad durch die Gegend, einem geliehenen Hollandrad mit sechs Gängen. Die reichten aus. Denn wie ich feststellte, braucht man, um gegen den Wind zu fahren, nur den ersten, um mit dem Wind zu fahren nur den sechsten, alles zwischendrin ist Schischi.

Bilder von meiner Expedition an die Küste:

Weg am Deich, rechts der Deich, links Gras.
Graslandschaft, dahinter das Meer. Der Hommel ist blau mit Schäfchenwolken.
Gerade Straße, links ein Haus mit einem Baum, rechts Gras. Die Sonne scheint.

Wie man sieht, war die Sache mit dem Abstandhalten #wegenderaktuellenSituation nicht allzu herausfordernd.


Neue Fotos | In der verganenen Woche war ein bisschen Weihnachten, als Anke Sundermeier mir die fertigen Fotos von unserem Shooting schickte. Hier eine kleine Auswahl:

Auf meiner Website habe ich sie schon aktualisiert, ebenso in meinen Profilen bei Facebook, Twitter, Xing und Instagram.

In den nächsten Tagen aktualisiere ich noch die Texte auf der Website. Das möchte ich alles etwas straffer haben. Seit Beginn der Selbstständigkeit hat sich mein Profil geschärft. Das soll besser rauskommen. Die Terminseite ist schon frisch.


Tennis als Leibesertüchtigung | Ich verweilte außerdem zwei Nächte beim Patenmädchen Partymädchen im Osnabrücker Land. Im Zuge dessen schaute ich bei einem Tennistraining zu – Hausfrauentennis, wie die Damen selbst sagen.

Wie ich so zusah, konnte ich mir das sehr gut für mich vorstellen.

Neben dem Schwimmen ist Tennis ja eine Sportart, die man bis ins hohe Alter ausüben kann. Ich bin 42. Da muss man bei der Auswahl der Leibesübungen in die Zukunft denken. Was für Tennis spricht: Ich muss nicht mit anderen Menschen rangeln. Ich werde weder umgeschubst noch weggewemst. Niemand haut mich. Niemand reißt meinen Arm nach hinten, während ich gerade nach vorne springe. Das habe ich nach 30 Jahren Handball ein bisschen über. Vielleicht ist Tennis also ein Projekt für den nächsten Sommer. Dafür spricht auch, dass man es in jeglicher Skalierung spielen kann: von „Sich gegenseitig konpromisslos über den Platz scheuchen, bis sich der andere erbricht“ bis „Wir schlagen freundschaftlich Bälle übers Netz und hinterher ein isotonisches Getränk“.


Gelesen im Web | Neues Studiodesign fürs ZDF-Morgenmagazin | Sehr aufschlussreich – ich kann die gezeigten Unterschiede in meiner eigenen Wahrnehmung nachvollziehen, wenn ich durch die angepassten Landkarten scrolle: How maps in media make us more negative about migrants

Gelesen auf Papier | Die Dirigentin von Maria Peters, übersetzt von Stefan Wieczorek. Klappentext:

New York, 1926: Für Antonia Brico gibt es nur die Musik. Unermüdlich übt sie an dem alten Klavier, das ihr Vater, ein Müllmann, auf der Straße gefunden hat. Ihr großer Traum: Dirigentin zu werden. Doch noch nie hat eine Frau in dieser Rolle auf der Bühne stehen dürfen. Als sie sich als junge Frau zu einem Konzert ihres Idols Willem Mengelberg schleicht, und sich auf einem Klappstuhl in den Mittelgang setzt, wird sie herausgeworfen und verliert dabei auch noch ihren Job im Konzerthaus. Sie steht vor dem Nichts. Doch sie gibt nicht auf und reist nach Europa, um für ihren Traum zu kämpfen. Sie verlässt sogar ihre große Liebe Frank, um nicht in dessen Schatten zu stehen. Unermüdlich klopft sie an die Türen der großen Musiker. Karl Muck, der legendäre Dirigent in Berlin, zerreißt vor ihren Augen ihr Empfehlungsschreiben. Antonia sieht letztlich nur einen Weg: Ein Orchester nur mit Frauen, von ihr selbst dirigiert. Mit dem Eröffnungskonzert ist klar: Es wird Antonia befreien – und die Musikwelt für immer verändern.

Eine spannende Geschichte, leider mit dem Holzhammer erzählt. Die Biographie Bricos ist einzigartig: Als einer der ersten Frauen wurde sie Dirigentin, nachdem sie aus den USA ausgewandert war und eine Ausbildung in Europa erhielt. Sie dirigierte 1930 die Berliner Philharmoniker, und war auch nach ihrer Rückkehr in die USA als Dirigentin tätig.

Die Art und Weise, wie Maria Peters Bricos Geschichte in einer fiktiven Romanbiographie erzählt, erinnert allerdings in ihrer Flachheit an Herzschmerz-Frauenromane. Die Sätze werden mir als Leserin wie Backsteine um die Ohren gehauen, jeder Gedanke wird vorweggenommen, innere und äußere Konflikte werden holzschnittartig auf den Mann/Frau reduziert. Schade.

Gelesen auf Papier | Mein Leben mit Martha von Martina Bergmann. Klappentext:

Martina kümmert sich um Martha. Martha ist Mitte achtzig und in einer „poetischen Verfassung“. So nannte das Heinrich, der Mann, mit dem Martha fast vierzig Jahre lang zusammenlebte. Aber jetzt ist Heinrich tot, und Martina beschließt, sich der alten Dame anzunehmen, ohne mit ihr verwandt zu sein oder sie auch nur gut zu kennen. Oder ist es vielmehr Martha, die sich Martina ausgesucht hat? So genau ist das nicht mehr auszumachen, aber es ist auch nicht wichtig, weil sie nämlich beide glücklich sind, so wie es ist. Martina Bergmann tritt in ihrem ebenso klaren wie empathischen Bericht den Gegenbeweis dafür an, dass die Betreuung eines dementen Menschen eine Bürde sein muss. Sie schildert, wie es sich anfühlt, mit jemandem zusammenzuleben, der trotz seiner Einschränkungen klug und humorvoll, ja geradezu hellsichtig ist.

Einerseits: eine schöne kleine Geschichte. Eine Erzählung aus dem Leben mit einer freundlichen Sicht auf Demenz und aufs Zusammenleben.

Andererseits glaube ich der Erzählerin nicht. Es kann nicht so einfach gewesen sein mit der dementen Dame. Mir fehlt das Innenleben der Erzählerin, ein innerer Konflikt, das Für und Wider von Zuneigung einerseits und Wut, Überforderung und Frustration andererseits, wenn die Krankheit zu dominant ist. Da bleiben mir zu viele Lücken, das erscheint mir zu viel Schönrederei.

Schwäche des Buches ist, wenn die Erzählerin sich an der empfundenen Missgunst von Nachbarn und Dorfbewohnern abarbeitet. Das wiederholte, leicht gebetsmühlenartige Erwähnen dieses Motivs hinterlässt einen schalen Beigeschmack.

Aus meiner Sicht hätte es der Geschichte gut getan, weiter in die Fiktion zu rücken und aus verschiedenen Perspektiven erzählt zu werden: aus der Martinas, die sich um die alte Dame kümmert; aus Sicht der dementen Marthas; aus der Perspektive eines Nachbarn oder einer Nachbarin; aus der Perspektive des Vermögensverwalters.

Gelesen auf Papier  | Kaffee und Zigaretten von Ferdinand von Schirach. Klappentext:

Ferdinand von Schirachs neues Buch »Kaffee und Zigaretten« verwebt autobiographische Erzählungen, Aperçus, Notizen und Beobachtungen zu einem erzählerischen Ganzen, in dem sich Privates und Allgemeines berühren, verzahnen und wechselseitig spiegeln. Es geht um prägende Erlebnisse und Begegnungen des Erzählers, um flüchtige Momente des Glücks, um Einsamkeit und Melancholie, um Entwurzelung und die Sehnsucht nach Heimat, um Kunst und Gesellschaft ebenso wie um die großen Lebensthemen Ferdinand von Schirachs, um merkwürdige Rechtsfälle und Begebenheiten, um die Idee des Rechts und die Würde des Menschen, um die Errungenschaften und das Erbe der Aufklärung, das es zu bewahren gilt, und um das, was den Menschen erst eigentlich zum Menschen macht. In dieser Vielschichtigkeit und Bandbreite der erzählerischen Annäherungen und Themen ist »Kaffee und Zigaretten« das persönlichste Buch Ferdinand von Schirachs.

Einige Anekdoten mochte ich. Sie lassen Fragen zu, sind ergebnisoffen, machen nachdenklich. Andere empfand ich als selbstverliebt und aufgesetzt intellektuell.

Der Eindruck, der blieb: ein mir fremder Mann, ein Mensch aus einer anderen Welt, der Welt des Elite-Internats, Spross einer wohlhabenden Familie und ein Jurastudium, das ihn mit der Strafverteidigung ebensolcher Menschen konfrontierte. Was auch bleibt, ist der Eindruck eines verschlossenen Mannes – denn wenn das, was er schreibt, das Persönlichste ist, was er zu schreiben vermag, dann habe ich ein anderes Verständnis von persönlich.

Der Leistungskurs Waffelvernichtung, brennendes Wasser und Verantwortung für Lösungen

31. 08. 2020  •  2 Kommentare

Wochenende | Der Leistungskurs Waffelvernichtung hat sehr gute Ergebnisse erzielt. Drei große und zwei kleine Menschen haben alles gegeben, um ein Pfund Mehl, ein halbes Pfund Butter, sechs Eier und begleitendes Eis zu verdrücken – und waren erfolgreich!

Teller mit Waffelrest, eine fliegende Wespe und Kinderbesteck

Weil man von Waffeln allein nicht leben kann und auch, weil es spannend ist, Gemüse aus der Erde zu ziehen und aus der Luft zu pflücken, guckten wir danach nach den Gurken, den Möhren und den Tomaten.

Dann erkundeten wir den See und seine Spielplätze, es gab Sushi, und wir schoben wieder heim.

Der erste Satz des Blogbeitrags war ein Satz, der mir vorgegeben war. Fotos von Daniel.


Physikanten | Danke für die Rückmeldungen zu den Physikanten, die als Wissenschafts-Show-Leute derzeit nur selten auftreten können und die ich ein wenig durch die aktuelle Zeit begleite. Ich habe alle Hinweise, die mich hier oder per E-Mail erreichten, weitergegeben. Es kam vor allem Feedback aus dem Bereich Bildung: Kitas, Erzieher:innenausbildung, Grundschule, Universitäten und Hochschuldidaktik.

Mit diesem Feedback und nach offenen Recherchen, diversen Telefonaten in alle Richtungen, einem Mailing an Unternehmenskunden und Agenturen zeichnet sich aktuell folgendes Bild:

  • Bildung – Menschen im Bildungsssektor haben großen Bedarf an naurwissenschaftlicher Didaktik. Lehrer:innen und Erzieher:innen freuen sich über Handreichungen, Experimente und pädagogische Pakete für ihre Arbeit mit Kindern, Schülerinnen und Schülern. Sie vergeben aber keine Aufträge. Die Physikanten orientieren sich jetzt in Richtung der Geldgeber: Stiftungen und öffentliche Hand. Ein weiteres Feld sind die Vorlesungsassistent:innen an Hochschulen, die Dozent:innen bei Versuchen unterstützen. Sie stehen aktuell vor der Herausforderng, digitales Material anzubieten. Auch hier können die Physikanten mit viel Know-how unterstützen.
  • Unternehmen – Weihnachts- und Betriebsfeiern fallen dieses Jahr weitgehend aus. Aber es gibt Bedarf an alternativen Formaten. Die Physikanten bieten Unternehmenskunden ein unterhaltsames, moderiertes, naturwissenschaftliches (Kneipen-)Quiz sowie einen individuellen Adventskalender an. Beides kann online wie offline durchgeführt werden. Es gibt bereits Anfragen dazu.
  • Veranstaltungen – Die ein oder andere Veranstaltung findet statt. Termine stehen auf der Physikanten-Website. Mit Hygiene-Konzepten sind die Physikanten vertraut.

Wenn Sie sich an einer Stelle wiedererkennen und sagen: „Da kann ich helfen!“ oder „Das brauche ich auch“, melden Sie sich gerne bei mir oder direkt bei Marcus, Judith und Birte.

Vielleicht möchten Sie (oder Ihre Kinder) aber auch nur wissen, wie Sie Dinge schweben lassen und wie Wasser brennen kann, dann schauen Sie sich dieses Video an:

Im Zuge meiner Arbeit mit den Physikanten unterhielt ich mich mit Marcus auch darüber, wie Käthe Paulus – die Ballonfahrerin und Fallschirmspringerin, deren Romanbiografie ich schreibe – Wasserstoff in ihren Ballon gekriegt hat, Ende des 19. Jahrhunderts, ohne Stahlflaschen und mit begrenzten Transportmöglichkeiten. Ich erfuhr, dass man Wasserstoff ganz leicht selbst herstellen kann, auch für den Hausgebrauch mit einem Anspitzer. Weil das schon wieder so interessant war, dass ich finde, dass auch andere Leute das wissen sollten, und weil ich auch andere spannende Dinge erfahren habe, nehme ich mit Judith und Marcus demnächst eine Podcastfolge auf.


Newsletter | Heute schrieb und versendete ich einen Newsletter. Nach der Sommerpause war es mal wieder an der Zeit. Es geht um die Verantwortung für Lösungen. Managerinnen und Manager fühlen sich mehrheitlich in der Pflicht, immer Lösungen parat zu haben. Ich schrieb darüber, dass es nicht schlimm ist, wenn man in einer komplexen Welt auf Fragen keine Antwort hat. Vielmehr ist es ein Wert an sich, die Organisation zu einer Antwort zu führen. Den Text stelle ich demnächst auch online.


Gelesen und gehört | Der Vorgarten ist nur zum Teil privat – der Schottergarten speichert Hitze, stört den natürlichen Wasserkreislauf und seine Bewirtschaftung ist nur auf den ersten Blick einfach. | Warum wir erzählen – spannende Podcastfolge über die Funktion von Geschichten für Erwachsene und Kinder | How Angela Merkel’s great migrant gamble paid off: Die Hälfte der Geflüchteten, die seit 2015 nach Deutschland kamen, ist inzwischen in Arbeit und zahlen Steuern. 10.000 ehemalige Geflüchtete studieren an deutschen Universitäten. 80 Prozent der Kinder und Teenager, die nach Deutschland kamen, sagen, sie fühlen sich von Gleichaltrigen gemocht und Deutschland zugehörig.

Corona-Service | Jetzt treiben junge Leute die Pandemie.

Das Fliewatüüt parkte mit angezogener Handbremse neben der Tür

27. 08. 2020  •  5 Kommentare

Auftragsbloggen | Das Fliewatüüt parkte mit angezogener Handbremse neben der Tür, als ich heute Pralinen einkaufte.

„Ich glaube, ich muss mal einen Fahrradständer aufstellen“, sagte die Pralinenmacherin. Aber das braucht es nicht. Denn hier klaut niemand Fahrräder, nicht an diesem Ort. Woanders wäre es dringender. Im Örtchen zum Beispiel.

„So viele Kundinnen kommen mit dem Fahrrad!“, sagte die Pralinenmacherin, und es verwundert, dass das Thema im Kommunalwahlkampf nicht stattfindet. Wir ersticken in Autos, überall steht Blech, die ganze Stadt wird um das Auto herum geplant. Doch das Einzige, was ich höre, ist ein gemurmeltes „… und natürlich brauchen wir auch ein sicheres Radwegenetz“. Ganz ehrlich? Ich möchte Fahrradstraßen, eine Innenstadtmaut, Park & Bike und mehr Leihfahrräder für Auswärtige, ich möchte, dass ganze Straßen und ganze Fahrspuren gesperrt werden, damit man dort Rad fahren kann. Sollen sich die Autos doch auf dem restlichen Platz aufreihen. Aber das traut sich hier niemand. Das macht mich wütend.

Überhaupt: Kommunalwahl. Nicht nur, dass ich keinen Unterschied zwischen SPD und CDU erkenne. Hier läuft es auch noch auf eine Stichwahl zwischen den zwei männlichen Mittfünfzigern dieser Parteien hinaus, und auch das macht mich wütend. Warum stehen nur alte Männer zur Wahl? Warum stellen die Parteien keine jungen Männer oder junge Frauen als Oberbürgermeisterkandidatinnen auf, Menschen zwischen 30 und 45, die Visionen und Energie haben, die Neues anstoßen und bewegen. Stattdessen ist jahrzehntelange Verwaltungserfahrung die oberste Kompetenzmaxime.

Jetzt habe ich mich in Rage geredet! Dabei ging’s nur um’s Fliewatüüt (der Satz wurde mir als Einstieg vorgegeben).


Alltägliches | Heute gute Schwimmperformance. Toll mit den Flossen. Sehr gut für die Beine.

Freibad aus der Ferne, bedeckter Himmel

Auf der Nebenbahn trainierten Schwimmer, also richtige Schwimmer, solche, die das ganz offensichtlich sehr gründlich und intensiv gelernt haben. Ich bin wirklich nicht die langsamste, aber von solch einer Performance bin ich Lichtjahre entfernt; sie waren doppelt so schnell, und es sah auch noch wunderhübsch aus. Das war faszinierend, und es hat Spaß gemacht zuzusehen.

Auf dem Rückweg kehrte ich in den Rewe ein, kaufte Pflaumen für Pflaumenkuchen und noch allerlei andere Utensilien (Gästebewaffelung!). Den Parkplatz ziert dieses Graffiti:

Graffiti: Kinder im EInkaufswagen, dahinter eine fliegende Frau und eine Oma mit Rollator.

Schön! Und sicherlich Zufall, dass nur Frauen einkaufen gehen.


Gelesen und angeschaut | In Island gibt es ein Phallusmuseum, und in dem Phallusmuseum ein Gruppenbild der isländischen Handball-Nationalmannschaft. Also, untenrum. Die Aufstellung im Glaskasten entspricht übrigens nicht der Aufstellung auf dem drüberhängenden Foto. | Die Deutsche Bahn eröffnet einen Coworking-Space im Berliner Hauptbahnhof. Ein Arbeitsplatz kostet 9,60 Euro pro Stunde, Getränke inbegriffen. Finde ich attraktiv. | BuzzFeed News hat 260 Internierungslager für Uiguren in China gefunden, die allein in den vergangenen drei Jahren neu gebaut wurden, teilweise für bis zu 10.000 Gefangene: Built To Last. Die Redakteure und Redakteurinnen haben außerdem mit 28 ehemaligen Gefangenen gesprochen: What They Say. | Schonmal als Beifahrerin entspannt die Füße aufs Armaturenbrett gelegt? So sieht es aus, wenn der Airbag auslöst.

Corona-Service | Pathologen haben Menschen obduziert, die Covid-19 hatten. Ergebnis: Die Menschen sterben an Corona, nicht mit Corona.Das Recherchenetzwerk Correctiv hat das bundesweite Netzwerk aus Wissenschaftlern, Anwälten und Meinungsmachern nachverfolgt, das auf verschiedenen Wegen den Corona-Kurs der Regierung untergraben will. Mit dabei: der rechte Rand. | Der Podcast mit Christian Drosten ist jetzt der Podcast mit Christian Drosten und Sandra Ciesek und erscheint ab September wöchentlich dienstags. | Wir wissen immer mehr über die Aerosol-Übertragung – und können handeln. | Die Infizierten-Zahlen gehen hoch, aber es sterben weniger Menschen an Covid-19. Lars Fischer schaut darauf, warum das so ist. | Wer denkt an die Traurigen und die Müden?

Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Und es gab ein Fotoshooting.

25. 08. 2020  •  Keine Kommentare

Erster Satz | Heute bat ich auf Twitter um einen ersten Satz für meinen heutigen Blogbeitrag. Es kamen mehrere sehr gute Vorschläge. Ich nehme den von Kiki. Er erhielt die meisten Herzen.

https://twitter.com/e13Kiki/status/1298237534082924547?s=20

Es war eine dunkle und stürmische Nacht. Ich lag auf dem Oberdeck, bis eben war es noch warm gewesen. Eben, das war, als wir den Hafen verlassen hatten, als wir im Wind standen und zurückblickten auf die schwedische Küste und auf eine Sommerfreizeit, die so verwirrend und emotional gewesen war, wie eine Sommerfreizeit nur sein kann, wenn man 16 ist. Doch nun war sie vorbei, und wir fuhren heim, auf einer Fähre über die Ostsee. Nach dem Ablegen hatten wir uns auf dem Oberdeck nebeneinander gelegt, alle zusammen, als das Schiff in den Sonnenuntergang fuhr, als es noch warm war und ich guter Dinge. Doch jetzt waren sie fort, die anderen, alle bis auf Sonja und Marcel, die sich auf dieser Freizeit gefunden hatten; eine Sommerfreizeitliebe mit Gefummel im Jugendherbergshochbett, schweißfeuchten Händen, Knutschflecken und Petting mit zugeknöpfter Hose. Sie lagen eng aneinandergeschmiegt, und ich daneben, als Dritte neben Zweien, die anderen waren verschwunden. Treffender hätte diese Freizeit nicht enden können.

Ich stand auf. Der Wind zog an meiner Kleidung und meinen Haaren, das Schiff schwankte. Ich war müde und fror, mir war leicht übel. Ich ließ die beiden liegen, sie hatten es warm miteinander, und ging hinunter in einen Saal mit Sesseln, der behaglich war, aber auch nach Alkohol und Schweiß roch. Suchend blickte ich über die Schlafenden und Schnarchenden. Wo waren meine Leute?

Ich schaute mich um, suchte die Menschen nach bekannten Gesichtern ab, aber sah niemanden. Ich durchquerte den Saal, ging den Gang hinunter, stieg Treppen hinab und wieder hinauf. Der Seegang warf mich gegen Wände. Menschen kamen mir entgegen, Gruppen von wachen, trinkenden Jugendlichen torkelten gegen mich, lachten. Niemand, den ich kannte. Übelkeit legte sich wie ein enges Band um meinen Hals und drückte mir in den Magen. Ich war zum Umfallen müde, wankte weiter, irrte umher, Treppen hinauf, Treppen hinab. Ich wollte zurück in den Saal. Wo war er? Bis zum Morgen musste ich einen Platz finden, irgendwo. Einen Ort, an dem ich mich hinlegen und schlafen konnte. Wenn ich meine Leute nicht fand, dann allein.

Wieder eine Welle, ich strauchelte und griff ans Geländer, hielt inne, ging weiter. Ich musste hinaus, ich brauchte Luft. Gleich musste ich mich übergeben. Flure links und rechts. Vielleicht ging es dort hinaus? Ich wechselte den Gang, immer tiefer in den Bauch des Schiffes hinein. Nein, hier würde ich niemanden finden, hier kam ich nicht zurück aufs Deck. War ich unten, oben, in der Mitte? Ich suchte Treppen, fand sie, ging hinauf, wieder durch Gänge, weiter hinauf. „Jetzt bin ich gleich draußen“, dachte ich, aber ich war doch nicht oben. Noch ein Deck, noch ein Gang.

Irgendwann fand ich zurück zum Saal mit den Sesseln, und da waren sie, die restlichen Mitreisenden, mussten immer dort gewesen sein. Zusammengerollt lagen sie in den Polstern. Ich legte mich dazu, auf den Teppich, und schlief zuckend ein.

Einen Monat später sank die Estonia auf der Ostsee, ein ähnliches Schiff wie unseres, mitten in dunkler, stürmischer Nacht, und ich wusste sofort: Ich hätte gewiss nicht hinaus gefunden.


Shooting | Heute Nachmittag fuhr ich zum Campus der TU Dortmund ins Work Inn. Dort arbeitet Anke – und Anke machte Fotos von mir. Die Fotos auf meiner Job-Website sind nun vier Jahre alt. Sie sind nicht mehr ich, ich bin nicht mehr sie. Die Bilder sind zu steif, zu bieder. Das muss alles neu.

Wir verbrachten drei Stunden im Work Inn, im Treppenhaus, an Schreibtischen, an der Teeküchentheke, wir gingen in den Technologiepark, vor Glasfronten und ins Grüne. Ich kleidete mich mehrmals um: von Jeans ins Kleid, vom Kleid in den Hosenanzug, vom Hosenanzug in den Hoodie.

Kamera-Display mit Bild von Vanessa

Am Ende waren wir beide müde und zufrieden. Ja, ich glaube, die Bilder sind gut geworden.

Übrigens ist Anke genau eine fritz-kola-Kiste kleiner als ich.

Häufigster Satz des Nachmittags: „Räum mal deine Haare auf.“


See | Auf dem Heimweg stoppte ich am See – für einen Happen Sushi, und weil der Himmel so schön war.

Seepanorama im Dämmerlicht mit Thomasbirne und den Lichtern der Hafenpromenade
Hafenpromeande in der Dämmerung

Gelesen | Das verdeckte Imperium: Die Milliardärsfamilie Pears unterhält ein Geflecht aus Briefkastenfirmen, besitzt mit diesen Firmen mehrere tausend Wohnungen in Berlin und zählt damit zu den Großeigentümern der Stadt, ohne dass es bislang jemand mitbekommen hat. | Ben und sein Mann leben in Berlin und haben einen Sohn. Ben erzählt davon, wie es ist, gleichgeschlechtlich mit einem Kind zu leben – und sagt damit eine Menge über deutsche Erwartungen an Mütter und Väter: ‘Mum’s day off, is it?’: what adopting as a same-sex couple taught us

Spätsommer mit einem Bukett von Herbst. Das Internet ist ein guter Ort. Korken. Kompost.

24. 08. 2020  •  3 Kommentare

Das Internet ist ein guter Ort | Das Internet ist wieder einmal großartig. Vor eineinhalb Wochen verlor Vatta sein Handy – oder, wahrscheinlicher: Es wurde geklaut. Jedenfalls war es weg und tauchte nicht wieder aus. Ich fragte im Internet nach, ob jemand ein gebrauchtes iPhone abgeben wolle – und erhielt prompt Antworten.

Das Telefonino kam heute mit der Post. Ich holte das Backup aus der Cloud, und alles ist wie am 15. August, dem Tag, als Vatterns Gerät abhanden kam. Danke an alle Beteiligten!

Wer übrigens denkt, die Jugend könne nicht ohne ihr Smartphone leben: 70-Jährige auch nicht.


Spätsommer mit einem Bukett von Herbst | Am Sonntag sagte der Frühherbst Hallo, in Begleitung von lebendigem Wind und einem erleichterten Seufzen. Ich ging mit der Turnschwester um den See – sie war aus Heidelberg zu Gast -, wir kauften Eis im Hörnchen (Kreation „Russischer Zupfkuchen“) und ließen uns die Frisur verwehen.

Panoramaaufnahme: links Phoenixsee, geradeaus der Se, rechts Wiese und moderne Häuser

Seepferdchen | Der heutige Tag begann mit einem Morgenschwumm. Es war kalt, vong Fühlen her. Objektiv war es natürlich nicht kalt, sondern nur in Relation zu den vergangenen Wochen. Die Luft hatte 17 Grad, das Wasser 23.

Das Bad war wunderbar leer, ich schwamm zweieinhalb Kilometer. Zwischendurch nieselte es. Auf halber Strecke stieg eine Gymnastikgruppe zu. Die Mitwirkenden waren gesetzteren Alters, sie schnallten sich Gürtel um und trieben wie Korken über die Nachbarbahn.

Wenn ich schwimme und dabei atme, bin ich auf Augenhöhe der Leine; ich sehe sie mit jedem Atemzug an mir vorbeigleiten, und wie ich nun schwamm, schwebten silberne Korken über der Leine. Kraulzug, atmen, Korken, Kraulzug, atmen, Korken. Perlen auf einer Schnur.

Ich probierte erstmals Rückenkraul. Ich ließ dazu die Flossen an und heidewitzka – am Ende der Bahn war ich ganz schön außer Atem. Wer hätte das gedacht.

Schwimmhilfen auf einer Bank: Pullbuoy, Flossen, Brille, Paddel und eine Badekappe. Über der Lehne hängt ein Pullover.

Ich machte das dann ein paarmal: eine Bahn Vorwärtskraul, eine Bahn Rückenkraul. Ich muss das weiter üben. Am Ende der Rückenbahn war ich jedesmal kurz vorm Ertrinken, weil mir Wasser übers Gesicht schwappte. Ich werde mir dazu ein Instruction-Video auf Youtube anschauen.

Als ich geduscht hatte, kam die Sonne heraus. Ich sah der Gymnastikgruppe zu, die weiterhin im Becken trieb und sehr viel Spaß hatte, auch weil ein einzelner Mann teilnahm. Dieses Hobby kommt auf die To-Do-Liste für wenn ich weiße Haare habe.


#Serviceblog Garten | Ein Update für die Neigungsgruppe „Trommelkompostierung“: schwere, feuchte, nahrhafte Erde.

Blick in die Trommel des Komposters: alles Erde

Ich drehe die Trommel regelmäßig und rühre um – immer wenn etwas Neues von bedeutender Menge reinkommt. Der aktuelle Rasenschnitt ist unten; den sieht man auf dem Bild nicht.

Im Beet sind die Kartoffeln reif – und so lecker wie in keinem Jahr zuvor. Zehn von zehn Geschmackspunkte für diese Ernte.


Gelesen und angeguckt | Eine Karte mit allen Unverpackt-Läden in Deutschland | Umnutzung von Kaufhäusern: Schaut auf Gelsenkirchen, Herne, OldenburgEine kleine Geschichte aus Berlin – beteiligt: ein Vermieter, eine Hausgemeinschaft, ein Geldautomat. | In Groningen legen die Menschen 61 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurück – weil die Stadt die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellt: Ampeln mit Regensensor, „Park and Bike“-Parkplätze, beheizte Fahrradspuren, Vorrang für Fahrräder, Fußgänger und Busse bei der Straßen- und Verkehrsplanung. | Sechs Monate nach Hanau: Eine Frage des Vertrauens | Rafael Behr ist Professor für Polizeiwissenschaften an der Hochschule der Akademie der Polizei in Hamburg. In einem unaufgeregten Interview [€] spricht er über Polizeigewalt, Strukturen, Macht und Schweigekultur – und appelliert gleichzeitig, die Beurteilung einzelner Szenen Gerichten zu überlassen.

Corona-Service | Die Maus und Masken | Quarantine Barbie und Zoom Ken

Gleichzeitig und nacheinander

22. 08. 2020  •  1 Kommentar

Update | Ich habe den Trailer zu meinem Podcast nochmal überarbeitet. Er war einfach schlecht. Habe die neue Version hochgeladen.

Feinschliff der ersten Folge. Preview:

Vier Tonspuren

Kommt am Sonntag – für alle Wochenendhörer, Sonntagabendpendler und Montagsmorgenfahrer. Es gilt die alte Weisheit: Der Inititalaufwand für etwas Neues ist immer größer, als man denkt.


Und sonst so | Seit einigen Wochen begleite ich eine Führungskraft, remote per Zoom, auch heute wieder. Das macht viel Freude. Ich habe das Gefühl: Wir haben uns gut eingegroovt.

Drei Übernachtungen an der See gebucht. Dass kein Barcamp Dangast stattfindet, ist noch lange kein Grund, nicht ans Meer zu fahren.

Für den Besuch am Wochenende eingekauft. Keine Nasenbären im Supermarkt – ich war verzückt.

Während ich im Getränkemarkt und dann im Supermarkt war, gestern im Baumarkt und andernorts Zeug besorgte, habe ich etwas festgestellt. Nämlich, warum ich so wenig auf dem Sofa sitze. Es ist banal, aber: Weil ich Single bin. Mir ist aufgegangen: Im Vergleich zum (kinderlosen) Paar habe ich neben der Arbeit die gleichen Aufgaben. Paare tun Dinge jedoch gleichzeitig, während ich alles nacheinander tue – ist ja kein anderer da, der es mit mir macht: einkaufen, kochen, aufräumen, Wäsche, diverse Besorgungen, Wohnung staubsaugen, Bad putzen, Rasen mähen, Dinge reparieren, Garten wässern … Bei Paaren: Während sie noch auf der Arbeit ist, geht er schonmal einkaufen. Während er im Getränkemarkt ist, besorgt sie nebenan die Lebensmittel. Während sie den Router neu installiert, mäht er den Rasen und repariert den Wasseranschluss für den Gartenschlauch. Während er morgens Brötchen holt, räumt sie schonmal die Spülmaschine aus. Während sie am Abend den Garten gießt, hängt er die Wäsche ab und legt sie zusammen. Während sie beim Sport ist, holt er das Paket von der Post ab – und so weiter. (Ersetze er/sie wahlweise durch er/er oder sie/sie.)

Als ich im vergangenen Jahr beruflich viel unterwegs war, abends nach Hause kam, zum Teil von Reisen, erstmal einkaufen musste, die Blumen goss und mir dann noch etwas kochte, dachte ich so manches Mal: Beim durchschnittlichen Geschäftsmann hat das jetzt alles schon die Ehefrau erledigt. Der kann sich einfach hinsetzen.


Garten | Heute Abend war Zuckerwattestimmung:


Gelesen | Kein Wirbeltier wird älter als der Grönlandhai. Es gibt Exemplare, die an die 500 Jahre alt sind. Sie kamen zur Welt, als Luther der Ketzerei beschuldigt wurde. Ein SZ-Artikel aus 2018 und einer der BBC aus 2016 (zufällig entdeckt und gestaunt). | Emiş und Selahattin Gürbüz über ihren Sohn Sedat, der ihnen bei dem Anschlag in Hanau genommen wurde.

Neuer Podcast: Vanessa spricht mit …

20. 08. 2020  •  4 Kommentare

Trailer | Ich starte einen neuen Podcast.

Auf meinen Reisen, im Beruf oder einfach im Leben komme ich mit vielen Leuten ins Gespräch. Was sie erzählen, finde ich oft irre spannend. Aber niemand hört es – außer ich.

Deshalb gibt es einen neuen Podcast. In dem spreche ich mit Menschen, denen ich begegnet bin. Das wird mal länger und auch mal kürzer ausfallen – das kommt ganz auf den Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin an und darauf, was sie zu erzählen haben.

Den Podcast gibt es bei Podigee, Spotify, Soundcloud und auch bei Apple Podcasts.

Das wundervolle Logo hat Monika Eckey Lourenço gemacht.

Die erste Folge ist schon im Kasten. Ich habe mir den Notarzt und Anästhesisten Daniel Dreyer geschnappt, der die medizinische Projektleitung bei Mediziner für Mediziner gegen Covid gemacht hat. Während der Entstehung der Website – und auch schon vorher – haben wir über so vielen Dinge gesprochen! Das war alles superspannend.

Im Gespräch mit Daniel wird es um Intensivmedizin gehen und um Rettungsdienst zu Land und in der Luft. Daniel erzählt, welche Patientenverfügung er hat, und wir reden über Organspende. Ein bisschen streifen wir auch Corona. Am meisten reden wir über sein Leben als Notarzt und Anästhesist.

Ich mache noch ein paar Nacharbeiten. Dann geht die Folge online.


Käthe | Ich habe mit der Historikerin Charlotte Jahnz telefoniert. Danke, Charlotte! Wir haben uns über geschichtliche Ereignisse ausgetauscht, die für die Zeit, in der Käthe Paulus gelebt hat und in der meine Geschichte spielt, relevant ist. Beruhigend war: Ich habe die Situation richtig erfasst. Gleichzeitig habe ich noch ein paar Dinge erfahren.

Außerdem weiß ich nun, dass fast alle militärhistorischen Dokumente aus dem Ersten Weltkrieg verbrannt sind und ich nichts zu den Namen finden werde, die im Nachlass von Käthe Paulus auftauchen – zum Beispiel in Verträgen oder in Korrespondenz mit den Preußischen Luftschiffertruppen. Das Militärarchiv in Freiburg verwaltet diese Dinge – und hat fast nichts. Auch gut zu wissen.

Heute habe ich Feedback von meiner Lektorin erhalten: Alles gut (Juchhuu)! Wir werden kürzen müssen – aber das war mir klar. Meine Arbeitsweise ist nämlich: Erstmal aufschreiben, dann zurechtstutzen. Das geht besser, als wenn ich mich von Anfang an reglementiere.

Dann geht’s jetzt an Teil III, den letzten Abschnitt des Buches – und die Zeit direkt vor und im Ersten Weltkrieg.


Gelesen | Wolfgang Luenenbuerger-Reidenbach stellt Überlegungen zum Homeoffice an

Corona-Service | Die Angst im Bus | Passend dazu ein Tweet von Bundestagsmitarbeiter Ssaman Mardi



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