Kinderlose!
Alles karrieregeile, egoistische Rentenschmarotzer!
BMI über 25!
Fette Schweine. Disziplinlose Couchpotatoes mit Gelenkschmerzen.
Lehrer!
Überpriviligierte Cordhosenträger mit 200 Tagen Urlaub. Können nix, noch nicht mal sich durchsetzen.
Hausfrauen!
Übermuttis. Bastelmafia. Halten sich jahrelang schadlos, dann Scheidung, dann männerverklagende Vipern.
Habe nur ich das Gefühl oder Sie auch? Werden Diskussionen mit immer größerer Vehemenz geführt? Oder liegt das nur an der Undifferenziertheit in diesen schlimmen Kommentarspalten von Webseiten?
Männer, Frauen, Alte und Junge. Eltern und Nicht-Eltern. Veganer, Vegetarier, Fleischesser. Ich mag gar nicht weiter aufzählen, die Kampflinien werden ja doch nur eindeutiger.
Woher kommt die geringe Akzeptanz für Mitmenschen, die in irgendeiner Weise anders leben als wir selbst?
Als ich ein pubertärer Teenager war, bin ich auf Kirchenfreizeiten mitgefahren. Ich bin nicht gläubig (jetzt kann ich’s ja sagen), aber, nun ja, die Gesellschaft war nett und die Reisen waren preiswert. Es war also alles super (für mich). Außer dass alle zwei Vormittage ein Bibelkreis stattfand, verpflichtend. Das war langweilig, das war richtig schlimm. Aber hey, I had to pay the price.
Ich erinnere nicht mehr, welches Gleichnis es war, das wir auf einer kroatischen Terrasse durchkauten. Ich erinnere mich aber an den Blick aufs Meer und an die Quintessenz. Die hieß, ganz grob: „Hast du dadurch Nachteile? Nee? Dann kümmere dich um deinen eigenen Kram.“
Danach lebe ich seither; ich versuche, entspannt zu sein. Habe ich Nachteile dadurch, dass Leute nur Gemüse essen? Nein? Dann kümmere ich mich um meinen eigenen Kram. Oder dass sie zu Allah beten? Zu Jesus? Dass sie überhaupt beten? Dass sie eine offene Beziehung führen? Oder eine mit einem 20 Jahre jüngeren Partner? Wo ist das Problem, wenn Leute keinen Sport treiben? Oder für einen Ultramarathon trainieren? Nur halbtags arbeiten möchten? Oder 50 Stunden? Es gibt keins? Dann gibt es auch keinen Grund, sich darüber aufzuregen. Nicht real und nicht in irgendwelchen Internetforen.
Viele Dinge können uns doch einfach mal wurscht sein.
In einem Workcamp in Griechenland, eine Jugendfreizeit mit Arbeit, habe ich außerdem mal zwei Mädels getroffen. Aus Berlin; ursprünglich stammten sie aus der Westsahara, waren Muslima, trugen Kopftuch und lange Gewänder. Und das bei der Hitze! Du meine Güte! Wir gruben zusammen an Olivenbäumen rum. Und unterhielten uns. Sie erklärten mir, was das Kopftuch für sie bedeutet. Warum sie es tragen. Wie sie sich als Frau sehen. Danach hatte ich großen Respekt vor ihnen. Mir wär’s trotzdem zu warm gewesen und dieses Glaubensding – nee danke, aber ich habe gelernt: Es ist kompliziert. Und es ist oft nicht so, wie es scheint. Es lohnt sich zuzuhören.
Seither versuche ich das – nachzufragen, wenn es passt. Oder einfach mal vorauszusetzen, dass es Gründe dafür gibt, wenn Leute Dinge so tun, wie sie sie tun. Ich sehe diese Gründe halt nur nicht unbedingt – zum Beispiel, weil ich anders lebe. Oder andere Erfahrungen gemacht habe. Oft ist es eine ulkige Sache. Man erfährt ziemlich viele Dinge, wenn man mal nur interessiert ist. Diese Dinge kann man dann wiederum doof finden, aber dann immerhin aus Gründen. Manchmal findet man sie sogar gut! Es ist spannend.
Natürlich: Das alles klappt nicht immer. Auch ich habe Vorurteile, mal einen schlechten Tag und benehme mich daneben. Aber ich möchte mich bemühen.
Um zum Anfang zurückzukommen: Mich nervt dieses ganze Schwarz-Weiß-Denken, das sich derzeit durch so viele Themen zieht. Das sich auch BloggerInnen immer wieder antun müssen, FamilienbloggerInnen oder Leute, die über Essen oder Gleichberechtigung schreiben. Mich nervt, wie angegriffen sich Menschen nur durch die schlichte Anwesenheit anderer fühlen. Deren Lebensmodell oder deren Körper. Das ist alles so ermüdend. Ich mag das nicht mehr hören. Diese Grabenkämpfe sind so anstrengend.
Warum können wir uns nicht alle ein bisschen in Ruhe lassen; einfach mal interessiert sein – und freundlich zueinander. Mir will das nicht in den Kopf.