Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Expeditionen«

Tumult in der U-Bahn

16. 03. 2013  •  48 Kommentare

Die U-Bahn ist voll.

Heute fährt nur ein Kurzzug. Normalerweise fährt auf dieser Strecke ein Langzug, das sind zwei Waggons. Diesmal ist jedoch nur ein Wagen da, deshalb müssen alle, die sonst in zwei Wagen passen, etwas zusammenrücken. Schon an der zweiten Station stehen die Leute dicht, warm und behaglich. Wer das Miteinander mag, der ist hier richtig.

Eine alte Dame steigt zu. Sie ist rüstig, wenn auch sicher über 80, klein und drahtig. Ich kann sie mir gut vorstellen, wie sie beim Turnfest ’53 im Hamburg mit einer vollendet eleganten Kür den ersten Platz im Rhönradturnen belegte, vielleicht auch bei der Sportgymnastik, in einem weißen Turnanzug und gemeinsam mit ihren Kameradinnen Gerda, Herta und Hannelore, wobei Herta immer eher dicklich war, aber beweglich wie eine südamerikanische Rollschlange.

Die alte Dame steht, der Enge geschuldet. zwischen zwei Vierersitzen. Vor ihr sitzt eine Mutter mit ihrer Tochter, das Kind vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Ob sie dort bitte sitzen dürfe, fragt die Dame. Umstehende nicken sofort, murmeln etwas von Respekt und älteren Herrschaften.

Die Mutter verneint. Das Kind müsse sitzen, sagt sie. Es fiele sonst um.

Die Dame entrüstet sich. Sowas hätte es früher nicht gegeben, sagt sie. Wenn das Kind schon sitzen müsse, was sie nicht verstehe, aber bitteschön, könne doch wenigstens sie, die Mutter, für eine alte Frau aufstehen. Das Murmeln im Waggon wird zu einem Raunen. Unverschämt sei es, das Verhalten der Mutter. Sie sei eine junge Frau, sie könne zweifellos stehen, früher – und es folgen nun einige Redundanzen – hätte es sowas nicht gegeben, da sei es selbstverständlich gewesen, für Ältere aufzustehen, man selbst habe das immer getan, da habe es gar kein Vertun gegeben, und überhaupt, das Kind, unbegreiflich, warum es sitzen müsse, früher sei man fünf und mehr Kilometer zu Schule gelaufen, die heutige Jugend sei verweichlicht bis dorthinaus, aber nun ja, eigentlich könne sie nichts dafür, Schuld daran trügen allein die Eltern, denn wer solch eine Unverfrorenheit vorlebe, dessen Kinder könnten gar nicht anders als missraten.

Die Mutter verschränkt trotzig die Arme vor ihrer Brust. Jetzt bleibt sie erst recht sitzen. Auf Türkisch redet sie auf ihre Tochter ein, streicht ihr über den Kopf.

Aha. Für die Gruppe neben mir, eine ältere Frau und zwei Herren, ist nun alles klar. Eine Ausländerin. Das hat man auch nicht anders erwartet. Diese Leute wüssten ohnehin nicht, was gute Erziehung sei, das habe man schon häufiger erlebt, diese tiefe sitzende Dreistigkeit. Ich denke: Ihr habt alle noch nicht mit einem Koffer oder einem Kinderwagen an der Treppe zum Bahnsteig gestanden. Die Einzigen, die dort helfen, sind die Türken, die Araber und die Russen, eigentlich alle, nur nicht die Deutschen.

Ein junger Mann steht weiter hinten auf und bietet der alten Dame seinen Platz an, aber die möchte jetzt nicht mehr. Entweder auf dem Platz der Mutter oder gar nicht, es müsse nun wirklich kein anderer aufstehen, wenn es doch der Sitz vor ihr ist, der ihr gebührt.

Wir erreichen die Innenstadt. Der Waggon leert sich, die Dame steigt aus. Eine Station weiter verlässt auch die Mutter mit dem Kind die U-Bahn, die Aufregung legt sich, ein Punk blockiert für einen Oppa mit Rollator die Tür, dann setzen wir die Fahrt vor. Es gibt nun nichts mehr zu sehen, alle können sitzen.

Der Taxifahrer

29. 01. 2013  •  24 Kommentare

Ich steige in ein Taxi. Der Taxifahrer ist in meinem Alter, ein korpulenter Mann mit dichtem, dunklem Bart und großen, fast schwarzen Augen.

„Zum Krankenhaus bitte“, sage ich.

Er stellt den Taxameter ein und fährt los. „Hastu kranken Freund?“, fragt er, dann legt er los:  „‚Schab auch immer nachts Husten. Der hört gar nisch‘ auf. Hab isch schon seit Wochen. Aber liegt vielleischt daran, dass isch immer bis sechs abends arbeite. Dann ess‘ isch und gehe ins Bett, aber boah! Wenn isch huste, kommt das wieder hoch. Bis hier!“ Er deutet mit der Handkante an seinen Hals. „‚Schab mir schon gedacht, vielleischt soll isch abends weniger essen. Weißtu, meine Frau kocht voll gut.“

Öhm.
„Vielleicht besser nur ein Süppchen?“, sage ich.

„Hastu vielleischt rescht. Hastu Kinder?“

Ich verneine.

„’sch werde Vatta. In einem Monat.“ Er schweigt, streckt unmerklich den Brustkorb vor und sieht mich von der Seite an.

„Herzlichen Glückwunsch!“, sage ich. „Junge oder Mädchen?“

„Junge. Aber weißtu was? ‚Sch hätt‘ gern ’n Mädschen gehabt. Escht jetz‘. Weißtu, in meine Kultur … meine Kumpels haben mir auf die Schulter geklopft und gesagt, Stammhalter und so, Glückwunsch und so. Aber weißtu, Mädschen ist irgendwie, da fühl‘ isch voll viel im Herzen. Weißtu, weil: Mädschen beschützt man mehr.“

„Wenn das Kind erstmal da ist, ist bestimmt egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Und den Jungen beschützt du dann auch ganz doll.“

„Ist bestimmt so. Weißtu, ist sowieso ein ganz besonderes Kind, weil: Meine Frau hatte vorher zwei Fehlgeburten. Immer in zehnter Woche. War isch voll traurisch, und meine Frau war noch trauriger, natürlisch. Hat viel geweint.“ Wir stehen an einer Ampel. „Im Dezember hat sie vier Wochen im Krankenhaus gelegen. War sooooo weit auf, der Muttermund -„, er hält seine Hände melonenbreit auseinander – „deshalb musste sie im Krankenhaus liegen, weil: Sonst flutscht das Kind da raus, weißtu.“

Die Ampel wird grün. Wir fahren weiter.

„War ein escht schlimmer Monat. Weißtu, meine Mutter hat immer viel Wert auf Essen gelegt – früher, als isch noch ein Junge war. Hat immer warm gekocht, jeden Tag. Und isch bin so froh, weil: Meine Frau ist wie meine Mutter. Kocht auch immer warm, jeden Tag. Aber im Dezember, das war schlimm. Ein Monat ohne Essen. Konnte isch kein Fast Food mehr sehen.“

„Dann musst du halt selbst kochen“, sage ich.

„Kann isch doch nisch, Alta!“ Er erschrickt. „Oh, ’schuldigung, wollt‘ isch nisch ‚Alta‘ sagen.“

„Kein Ding. Es gibt Kochbücher. Da steht drin, wie kochen geht.“

„Jaaaaa“, er zieht verschämt die breiten Schultern hoch und grinst verschmitzt. „Weiß isch, weißtu, aber bin isch zu faul. Oh mann, isch freu misch so auf meine Kind. Isch freu misch ja jetzt schon, jeden Tag nach Hause zu kommen, aber dann – Wahnsinn, alta. Zehn Euro zwanzisch.“

Wir sind am Krankenhaus. Ich bezahle und wünsche ihm alles Gute für seine Frau. Er winkt beim Wegfahren. Ich fühle voll viel im Herzen.

Vom Fliegen

5. 11. 2012  •  59 Kommentare

Ich fliege durchaus gerne mit dem Flugzeug.

Wie die Erde beim Starten kleiner wird, wie wir durch die Wolken stoßen, wie wir der Sonne entgegen fliegen, wie wir auf die Erde hinabschauen können und plötzlich alles unbedeutend wird – das ist toll.

Natürlich ist es immer etwas eng im Flieger, besonders für Menschen über einsachtzig und solche, die keine Sitzriesen, sondern Stehriesen sind, also lange Beine haben. So wie ich. In den vergangenen Jahren ging das alles. Ich konnte meine Beine unter den Vordersitz schieben oder unter dem eigenen Sitz zusammenklappen. Der Vordermann konnte sogar noch seine Rückenlehne neigen. Es passte.

Seit meinen vergangenen Flügen deucht mir aber, dass die Sitzreihen immer enger werden. Bei meinen Flügen mit sunexpress und air berlin passte ich – und das ist keine Übertreibung – nicht in den Sitz (bei Germania übrigens schon). Selbst vollkommen aufrecht, mit dem Hintern fest an der Rückenlehne, drückten meine Knie dem Vordermann so sehr ins Kreuz, dass er sich zu mir herumdrehte und wütend darum bat, ich möge mich doch bitte „vernünftig hinsetzen“ und mich „aus seinem Rücken entfernen“. Ich selbst hatte nach kurzer Zeit das Gefühl, als säße ein Elefant auf meinen Kniescheiben.

Ich saß am Gang, also stellte ich das rechte Bein in selbigen und klappte das linke irgendwie darunter – mit dem Ergebnis, dass ein Bein und zwei Füße als Fleisch gewordene Poller den Weg der Saft-Wägelchen blockierten, mein Rücken völlig verdreht war und ich meine Flunken nicht immer binnen Sekundenbruchteilen einfahren konnte, wenn Getränke, pappige Sandwiches, Duty-Free-Zeug oder sonstwas angefahren kamen. Dem Herrn schräg hinter mir ging es genauso, wir bildeten eine natürliche Barriere. Die Flugbegleiterinnen wurden mit zunehmender Flugdauer immer ungehaltener, staksten wie Störche durch unsere herumliegenden Gliedmaßen und rammten uns ihre Wagen in Hacken und Zehen.

Nun bin ich als Bahnfahrerin mit einem geradezu stoischen Gleichmut sowie einer, auf einem sonnigen Gemüt gründeten Besonnenheit gesegnet. Bei derartigen Konstruktionen packt mich jedoch die Wut. Wie kann es bitteschön sein, dass es Fluggesellschaften um des Profits willen erlaubt ist, ihre Maschinen derart mit Sitzreihen vollzupacken, dass es Reisenden nicht mehr möglich ist, das zu tun, was sie bezahlt haben: zu reisen, sitzend. Gibt es für diese Sitzkonstruktion eigentlich eine Norm – und wer hat die gemacht? Zwerg Nase?

Hochkantistan

31. 10. 2012  •  43 Kommentare

Es folgt: eine Bildergeschichte.

Die Bilder sind in der Mehrzahl hochkant, was daran liegt, dass sie in Hochkantistan entstanden sind, einer Insel im Atlantik, auf der man praktisch keine Querformate aufnehmen kann, weil sonst oben und unten immer etwas von der Welt fehlt, weil es dort so steil ist.

Bevor ich wusste, wie steil es in Hochkantistan ist, hatte ich die Idee, dort ein bisschen zu wandern, oder nun ja, eher spazieren zu gehen, schön gechillt mit hübschen Ausblicken für Genießer, abends Käse und Schinken, dazu ein Gläschen Wein. Es stellte sich allerdings heraus, dass schon die Wege auf dem Hotelgelände Gewaltmärsche messnerschen Ausmaßes waren – ein paar Prozent Steigung mehr, und ich hätte an der Rezeption nach Klettergeschirr und Karabinern verlangt. Entsprechend waren die geplanten Wanderungen alles andere als geschmeidiges Umherbummeln, sondern ein Herz-Kreislauftraining, das meinen Kardiologen, wenn ich einen besäße, in ein Gefühl tiefsten Wohlgefallens versetzt hätte.

Ein Vorteil hatten die steilen Berge allerdings: Oben angekommen, boten sie großzügige Panoramen.

La Palma - zum Pico Birigoyo

Bisweilen können Sie in Hochkantistan von so weit oben hinunterblicken, dass Sie durch         die Wolken spinksen. Sie fühlen sich dann wie ein dickes, schwitzendes Englein.

Schon nach der ersten Wanderung war klar: Scheiß auf den Wein, die tüchtige Wandersfrau braucht bei derartigen Höhendifferenzen nach ihrer Rückkehr ein kühles Blondes. Als ich also auf dem Pico Benejado stand und in die unter mir liegenden Schluchten blickte, dachte ich vor allem an eins: an Bier.

La Palma - Die Caldera de Taburiente vom Pico Benejado

Die Caldera de Taburiente ist 2000 Meter tief, was wiederum bedeutet, dass man       ziemlich hoch steigen muss, wenn man reingucken will.

Nicht immer blickte ich in Wolken, manchmal waren dort auch Barancos, das sind Fjorde ohne Meer, aber mit schaurigen Urwäldern. In den Barancos wohnen gefährliche Tiere, ähnlich wie Krokodile, nur viel gefährlicher.

Fauna auf La Palma

Urzeitechsen, die jeden Moment zur Bestie werden können.

Es ist noch gar nicht lange her, dass in Hochkantistan ein Vulkan ausgebrochen ist. Deshalb hatte ich, als ich den Vulkan besuchte, ziemlich heiße Füße. Zum Ausgleich war es sehr windig. So war mir obenrum genauso kalt, wie mir untenrum warm war. Im arithmetischen Mittel ergab sich also eine optimale Wohlfühltemperatur.

La Palma - Volcán de San Antonio mit Wander-Elfe

Eine Wander-Elfe auf dem Volcán Teneguía, ausgebrochen 1971.

Auf den Vulkanen wohnen kleine Feen, die vorbeikommenden Wander-Elfen, ohne dass diese es bemerken, Leggins aus Feenstaub anziehen. Das geht besonders gut, wenn sich die Wander-Elfen ihre Beine vorher mit Sonnencreme eingeschmiert haben:

Leggins aus Vulkanstaub

Vulkanstaubleggins verleihen Superkräfte.

Natürlich gab es auch Tage, an denen ich nicht wandern war. An denen wartete ein knallhartes Erholungsprogramm auf mich.

La Palma - Hotelpool

An freien Tagen Schwimmtraining im Hotelpool.

Eine Sache habe ich noch herausgefunden: Spülbürsten werden nicht, wie ich bislang dachte, künstlich hergestellt, sondern wachsen im fernen Hochkantistan an Spülbürstenbäumen, wo sie einmal im Jahr geerntet und nach Europa verschifft werden.

Der palmerische Spülbürstenbaum

Spülbürstenbaum mit Früchten.

Das war’s. Ende der Geschichte.

Hochzeitsheldin

13. 08. 2012  •  75 Kommentare

Nachdem das Strumpfhosenthema derart Anklang fand,
möchte ich Ihnen die Details des Tages nicht verschweigen:

  1. dieliebenessy
    Heldin in Strumpfhosen – das Beweisbild. #hochzeit #schickundschoen http://pic.twitter.com/VllXd2Sn
    Mon, Aug 13 2012 11:53:07
  2. FrauZimt
    @dieliebenessy Und, wieviele Herren wollten Sie hinterher nachhause geleiten?
    Mon, Aug 13 2012 11:56:29
  3. hb_dragons
    @dieliebenessy Schick. Und schön. Und man kann gar nicht sagen, für welche Lösung Sie sich entschieden haben. #echteheldinnen
    Mon, Aug 13 2012 12:18:39
  4. dieliebenessy
    @FrauZimt Keiner. Aber mit einem habe ich immerhin Sternschnuppen angeschaut (und mich dabei über die Marsmission unterhalten).
    Mon, Aug 13 2012 11:59:06
  5. hb_dragons
    @dieliebenessy @frauzimt Sie haben Ihren Hausend mit auf die Hochzeit genommen?
    Mon, Aug 13 2012 12:19:39
  6. hb_dragons
    @dieliebenessy @frauzimt Dammich. „Hausnerd“ sollte das heissen.
    Mon, Aug 13 2012 12:22:58
  7. dieliebenessy
    @hb_dragons @FrauZimt Könnte man meinen. Es war aber nicht der Hausnerd, sondern ein Informatiker von vor Ort.
    Mon, Aug 13 2012 12:26:10
  8. hb_dragons
    @dieliebenessy @frauzimt Der Hausend der Gastgeber also. Dem hätten sie auch das Heldinnen-Problem noch darlegen können.
    Mon, Aug 13 2012 12:31:49
  9. dieliebenessy
    @hb_dragons @FrauZimt Sie meinen, während wir romantisch auf die Perseiden blicken: „Du, ich habe einen Schlüpper über meiner Strumpfbuxe.“
    Mon, Aug 13 2012 12:35:56
  10. FrauZimt
    @dieliebenessy @hb_dragons Das schafft erst so eine richtig vertraute Atmosphäre.
    Mon, Aug 13 2012 12:38:21
  11. hb_dragons
    @FrauZimt @dieliebenessy Ich hätte es vielleicht als „willste wissen, was garantiert nicht runterfällt“ formuliert.
    Aber so in etwa, ja.
    Mon, Aug 13 2012 12:40:13
  12. dieliebenessy
    @hb_dragons @FrauZimt Das würde natürlich ein stückweit an die Sternschnuppensituation anknüpfen. #runterfallen
    Mon, Aug 13 2012 12:45:04
  13. dieliebenessy
    @hb_dragons @FrauZimt Ich hätte dann noch ergänzen können: „Trotzdem darfst du dir bei mir etwas wünschen.“
    Mon, Aug 13 2012 12:45:26

Außerdem wurde geheiratet, getauft, gesungen, gebetet, gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert, es wurden Tränchen getupft, Blumen gestreut, Grußworte gesprochen und Großtanten übers Parkett geschoben. Wie das eben so ist auf einer Hochzeit.

14 Ideen zum Bergwandern

7. 06. 2012  •  41 Kommentare

Walchensee

  1. Du stehst immer auf dem Fuß, den du gerade brauchst.
  2. Wäre schön, wenn’s mal wieder bergab ginge.
  3. Bergauf war besser.
  4. Es geht immer noch steiler.
  5. Kein Grat ist zu schmal.
  6. Dem Mann, der das Stahlseil gespannt hat, ein dreifach donnerndes Helau!
  7. Hinter der nächsten Kurve wartet eine Überraschung auf dich – …
  8. … und es ist keine gute.
  9. Mit dem Lift fahren kann jeder.
  10. Auf der Hütt’n schmeckt’s dreimal so gut.
  11. Ist das Schnee? Alta, das ist Schnee.
  12. Radler kann was.
  13. Die Aussicht entschädigt für alles …
  14. … außer, du bist Teil einer Wolke.

Und weil jeder Urlaub ein Lied hat, hier das Ferien-Liedl:

[youtube http://www.youtube.com/watch?v=rCE-4sCVpgg&w=480&h=360]

Nächste Woche beginnt die Saisonvorbereitung mit drei Trainingseinheiten. Endlich wieder Bewegung.

Die Baum-Elfe

3. 06. 2012  •  39 Kommentare

In bayerischen Wäldern lebt ein seltenes Säugetier:
die Baum-Elfe (lat. homo elfus arboris). Im Alpenvorland wurde jetzt ein weibliches Exemplar der behenden Freiluftkraxler gesichtet.

Frau Nessy im Kletterwald

Eine Baumelfe in ihrer natürlichen Umgebung.

Nur mit etwas Glück entdeckt man die Baum-Elfe in warmen Monaten in den Höhen der Wipfel, denn die Spezies ist flink und nicht leicht zu entdecken. Auffälligstes Merkmal der Baum-Elfen (männl. Baum-Troll) ist der orangene Hartplastik-Kopfschmuck, der sowohl dem Männchen als auch dem Weibchen als Schutz gegen Stürze und harte Aufschläge an Baumstämmen dient.

Die emsigen Radlertrinker bewegen sich äußerst waghalsig durch die Höhen der Wälder. Gesichert mit Seilen und Schnüren schwingen sie sich von Baum zu Baum, schaukeln sich über Hinternisse und stürzen sich mit Hilfe von Vorrichtungen aus den Baumwipfeln in federnden Rindenmulch. Einen tieferen Sinn hat dieses Verhalten nicht; lediglich beim männlichen Baum-Troll vermuten Forscher Zusammenhänge zu Balz- und Eroberungsverhalten. Weibliche Baum-Elfen scheinen sich aus reiner Plaisier in Ästen und Zweigen zu tummeln.

Frau Nessy im Kletterwald

Charakteristisch für Baum-Elfen ist der ausgeprägte Erd-Fleck am Hinterteil. Je dicker
der Fleck, desto graziler und geschickter die Baum-Elfe. Nicht zu verwechseln ist die
Baum-Elfe mit der gemeinen Erd-Hummel, einem eher taumelnden Tier.

Die jüngst gesichtete Baum-Elfe zeigte neben ihrem orangenen Helm ein zweites optisches Merkmal: den ausgeprägten Erd-Fleck am Hinterteil. Er entsteht, wenn die Baum-Elfe – entgegen ihrer sonst geschmeidigen, geradezu elastischen Fortbewegungssystematik – beim Seilbahnflug von einem Baum mit ihren kräftigen Hinterbacken bremst, welche die Natur zu diesem Zweck entsprechend ausgepolstert hat.

Vor dem Gewitter

1. 06. 2012  •  18 Kommentare

Liebes Tagebuch,

Berggasthof Eckbauer

Berggasthof Eckbauer, Garmisch-Partenkirchen, kurz vor dem Gewitter.

bin zwei Stunden durch die Partnachklamm zum Eckbauern gewandert. Dann das einsetzende Gewitter mit einem Radler überbrückt. Eine Stunde wieder hinunter gewandert. Danach dreimal durch die Sommerrodelbahn gebraust. Bahnrekord nicht geknackt. Dafür mit dem Mund Insekten gefangen. Noch ein Radler getrunken. Abends gut geschlafen.

Demnächst mehr.
Deine Frau Nessy.

Das selbstfahrende Auto

30. 05. 2012  •  50 Kommentare

Das Gute daran, das ich kein eigenes Auto besitze, ist,
dass ich mir öfter mal etwas Nettes miete, um von A nach B zu kommen. Das ist nämlich bisweilen preiswerter als Zugfahren – und mehr Spaß macht es auch.

Tief in meinem Herzen stehe ich nämlich auf schnelle Autos und geilen Technikscheiß. Zum Beispiel auf diesen 5er BMW, mit dem ich 600 Kilometer nach Süddeutschland gefahren bin und in dem ich alle Knöpfchen gedrückt haben, die die Karre an Firlefanz hergibt. Etwa die Abstandsautomatik. Und den „Zeig mir alle relevanten Infos in der Frontscheibe“-Gimmick.

Autofahren im 5er BMW

In der Scheibe: der Tempomat (170), die Abstandsautomatik (rote Linien), das aktuelle Tempo (156) und das Navigationsgerät (noch 211 Kilometer). Nicht im Bild: Frau Nessy,
mit vor Vergnügen geröteten Wangen.

Total krass: Du musst gar nicht mehr selbst fahren. Du haust die Abstandsautomatik rein, stellst den Tempomat ein, und das Auto fährt von allein. Es gibt Gas, und wenn sich einer vor Dich setzt, bremst es. Wenn er wieder weg ist, gibt es wieder Gas. Du musst nix machen, nix!

Alta! Ist das Hamma? Das ist Hamma!

Na gut: Lenken musst du schon noch selbst. Und ab und an musst du auch mal selbst bremsen, wenn jemand nicht in den Rückspiegel geguckt hat. Aber sonst? Mächtig scharfe Nummer. Bin schwer beeindruckt.

Söhne

28. 05. 2012  •  31 Kommentare

In meinem Hotel wohnten zahlreiche Söhne:

Männer in mittleren Jahren, die mit ihrer Mutter den Urlaub zubrachten – Vertreter des Typus „Schwiegertochter gesucht“, kauzig, unbeholfen und gekleidet wie ihr Großvater. Seltsamerweise gab es keine weiblichen Pendants dazu, also keine reisenden Töchter; nur Söhne reisen offensichtlich im Doppelzimmer mit ihrem Elternteil.

Einer von ihnen war mit seinem Vater unterwegs.

Der Vater ist ein Mann mit feudaler Aura. Er ist groß, schlank und bewegt sich mit Eleganz. Ein weißer, kurz geschnittener Haarkranz umrahmt seinen Kopf, ein Henriquatre seinen Mund. Er ist um die 70. Sein Sohn, ein Mann um die 40, wird seine Frisur erben: Sein Haar ist bereits licht. Er hat ein Sitzbäuchlein und einen Rundrücken. Selbst wenn er aufrecht steht, ist er in sich zusammengesunken.

Jeden Morgen brechen sie zu einer Radtour auf, schieben ihre Fahrräder durch die Eingangshalle des Hotels und präparieren sie vor dem Eingang. Der Sohn trägt, von unten nach oben: eine Wandersandale der Marke  „Mit Klettverschluss über Stock und Stein“, Hansaplast-farbene Thrombosekniestrümpfe, es folgt ein Stück freies Knie, eine in zartem Pastell gemusterte Shorts, ein professionelles Radfahrtrikot mit Werbeaufdrucken und eine Kappe mit Nackenschutz gegen die Sonne. Der Vater ist ebenso gekleidet, allerdings ohne Kniestrümpfe. Gegen 10 Uhr radeln sie los, gegen 17 Uhr sind sie wieder da.

Am ersten Abend sitzen sie neben uns im Restaurant. Der Vater erkennt mich sofort als Dame, die ohne Herrenbegleitung reist. Er nickt mir freundlich zu und wünscht vernehmlich „Guten Abend. Sie reisen alleine?“
„Mit einer Freundin“, sage ich.
Er lächelt. Während des Essens ermuntert er seinen Jungen mit Blicken, ein Gespräch zu beginnen. Der Sohn rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her und ringt sich zu der Frage: „Waren Sie schon in einem der Themen-Restaurants?“ durch. Er trägt heute Abend ein schwarzes, übermäßig großes Hemd mit Segelbooten in verschiedenen Neonfarben. 1986 war er damit bestimmt der Held unter der Diskokugel.

Ich sage: Ja, wir seien bereits im Tapas-Restaurant gewesen, und erzähle ihm von der Speisenfolge und dem Service. Er schweigt. Das Gespräch verebbt. So geht es mehrere Abende: Der Vater arrangiert einen Tisch, der Sohn ist steif wie der Römerkragen eines Diakons. Wir nicken uns meist nur freundlich zu.

Dann der letzte Abend. Ich mache mich zurecht und tusche mir die Wimpern: Morgen bin ich nicht mehr da; Sohn soll nochmal etwas zu sehen bekommen. Ich arrangiere einen Tisch neben den beiden, und während der Vorspeise frage ich: „Ihr macht immer Fahrradtouren, ne? Wo fahrt ihr denn immer so hin?“ Ich möchte endlich wissen, wo die beiden jeden Tag hinfahren.

Der Vater lächelt und nickt seinem Sohn zu, er möge doch antworten. Der hat plötzlich Worte gefunden, ein wahrer Schwall von Sätzen entkommt seinem Mund. Er  erzählt von jedem Stein und jedem Strauch, den sie auf ihrer Tour nach Teguise und zum Mirador des Rio passierten. Ich frage nach seinem Namen. Er heiße Bernd, antwortet er. Und: Er sei EDV-Sachbearbeiter im öffentlichen Dienst. Er erzählt mir von seinem System der Dateienarchivierung, dass er immer ganz korrekt sei. Darauf sei er sehr stolz. Es mache ihn nervös, wenn etwas nicht ganz in Ordnung sei. Seine Wangen sind gerötet.

Am Tag unserer Abreise stehen sie wieder in Radmontur vor dem Hotel.

„Oh“, sagt Bernd, „Sie reisen schon ab?“ Er bleibt standhaft beim Sie.
Ich bejahe und erkläre mein Bedauern.
Wir unterhalten uns noch ein wenig. Dann reise ich ab.



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