Die liebe Anne schrieb jüngst auf ihrem Facebook, dass sie im Schlafzimmer rieche, wenn ihr Nachbar zwei Balkone weiter rauche.
„Mein Geruchssinn in einer Variante weniger feinkalibriert wäre vermutlich besser für mich.“
Ich äußerte mich mitfühlend und fragte, ob ich die Geschichte meiner offiziell bestätigten Zwei-Prozent-Nase schon einmal aufgeschrieben habe.
Nein, aber ich solle doch bitte.
Nun denn.
Es war einmal … das Jahr 1999. Ich studiere und bin knapp bei Kasse. Ein Aushang am Schwarzen Brett offeriert einen Job beim Landesumweltamt.
Gesucht: Testriecher.
Stundenlohn: 25 Mark.
25 Mark pro Stunde! Galaktisch! Ich betrachte mich als qualifiziert für Was-auch-immer und melde mich. Zunächst erklärt mir ein Umweltmensch den Hintergrund der Täitigkeit: Jemand telefoniere ans Umweltamt: „Hier stinkt’s! Die Brauerei in meiner Nachbarschaft – unerträglich!“ Das Amt rufe einen seiner freien Mitarbeiter an, um die Sache zu überprüfen. Dieser fahre zur Brauerei – mehrmals, zu festgelegten Uhrzeiten. Jeweils zwei Stunden lang setze er sich auf einen Klappstuhl und kreuze auf einem Bogen an:
x stinkt
x stinkt ein bisschen
x stinkt nicht
Ich betone meine herausragenden Kompetenzen im Dasitzen und In-die-Gegend-riechen und bekräftige mein Interesse an der Tätigkeit. Man lädt mich zum Eignungstest ein.
Gemeinsam mit zwei weiteren Kandidaten verfrachtet man mich in einen Container. Im Container steht ein Tisch. Aus dem Tisch gucken drei Inhalierrüssel heraus. Neben jedem Rüssel gibt es zwei Knöpfe. Auf einem Kopf steht „ja“, auf dem anderen „nein“.
Wir hocken uns vor die Rüssel. Trennwände sind zwischen uns.
„Ihre Aufgabe ist es, meine Damen zu Herren, zu sagen, ob Sie etwas riechen“, sagt der Supervisor.
Prima, denke ich. Das kriege ich hin.
Aus den Rüsseln kommen 20 Riechproben, jeweils in unterschiedlicher Konzentration, von sehr wenig bis sehr viel:
10-mal Schwefelwasserstoff, formally known as „faule Eier“
10-mal 1-Butanol, der Duft von Edding
„Zwei Gerüche mit hohem Wiedererkennungswert“, sagt der Supervisor. Je Geruch seien zwei Nullproben dazwischen. Aufgabenstellung sei es nun, Knöpfe zudrücken:
Ja =Ich rieche etwas.
Nein = Ich rieche nichts.
Noch während der Test läuft, ist offenkundig, dass ich mehr rieche als andere. Während ich mehrmals kurz vorm Erbrechen stehe, murmelt es hinter der Trennwand: „Riecht ihr was? Ich riech‘ nix.“
Als ich am Ende des Spektakels in den Vorraum trete, um das Ergebnis zu hören, erwartet mich ein Gesichtsausdruck freudiger Ergriffenheit: „Frau Giese“, sagt der Umweltmann, „das ist ja fantastisch! So etwas habe ich noch nicht erlebt! Sie haben eine Zwei-Prozent-Nase! 98 Prozent der Bevölkerung riechen schlechter als Sie! Wahnsinn!“
Ich hätte, so der Testaufseher, alles richtig herausgerochen, auch die Nullproben, zwanzig Mal. Das sei einmalig. Nur sein Hund rieche besser.
Was ihn in Verzückung versetzt, freut mich gar nicht: Ich bekomme den Job nicht. Für mich stinkt’s schließlich überall.