Außeneinsatz | Diese Woche war ich auf Außeneinsatz in Sachsen. Ich packte meine Siebensachen. Katja Waldhauer fuhr vor dem Haus vor. Wir luden alles ein und brausten nach Chemnitz, um dort bei einem Kunden gemeinsam Seminarworkshops zu Kommunikation, Deeskalation und Moderation zu geben.

Mit uns unterwegs: Ulf. Ulf ist zwölf Wochen alt und gehört zu Katja. Er ist ein Bernerdoodle, eine Mischung aus Berner Sennenhund und Großpudel, und stammt aus einer Blindenhundzucht. Deshalb ist er ein besonnenes Kerlchen, verträglich, gleichmütig und, soweit man das zu diesem Zeitpunkt sagen kann, einigermaßen schlau.

Sorry, sehr schlau natürlich (Katja liest mit). Katja hatte mich vorab gefragt, ob sie Ulf mit nach Chemnitz nehmen könne. Ich fragte die Kundin, und die Kundin war nicht nur aufgeschlossen, sondern freute sich.
Bemerknisse auf dem Weg:
- Viele Ladestationen auf den Autohöfen. Als wir irgendwo zwischen Kassel und Leipzig hielten, gab es dort 21 (!) Ladestationen: 15 von Tesla, 6 von einem anderen Anbieter. Beide Säulentypen waren zu zwei Dritteln belegt. Mit Ausnahme eines Wagens allesamt Autos aus Dänemark, Norwegen oder Schweden.
- Viele Windräder in Sachsen-Anhalt. Das macht mich fröhlich.

- Auf dem Autohof hätten Prozessoptimierer ihre Freude gehabt: Es gab drei Theken. Getränke waren von links aus einer Kühlung zu holen, aber in der Mitte zu bezahlen. An der linken Theke gab’s Baguettebrötchen im Menü, andere Menüs allerdings nur ganz rechts. Süßwaren durften ausschließlich in der Mitte bezahlt werden; das Süßwarenrondell stand aber rechts. Die Hälfte der Menschen stand unverschuldet an der falschen Theke an, die andere Hälfte nur aus Zufall richtig. Der Sanifair-Automat nahm nur selektiv Münzen an, Kartenzahlung funktionierte nicht. Es gab Tumulte friedfertiger Skandinavier.
- Während der Verkehr im Nordrhein-Westfalen und Niedersachen dicht war, dünnte er sich durch Sachsen-Anhalt und Sachsen aus. Auf dem Rückweg fiel es noch deutlicher auf: Die A72 und A 38 waren nur getupft mit Fahrzeugen, auf der A7 und der A44 waren Autos und Lkws eine einzige Perlenkette.
In Chemnitz waren wir an der Technischen Universität zu Gast, an der Professur für Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement und der Professur für Fabrikplanung und Intralogistik – und in einem wunderschönen Gebäude, dem Projekthaus Meteor.





Die hintere Wand ist ein Industrierolltor: Fährt man es hoch, hat man das Gefühl, im Freien zu sitzen. Ein toller Ort für Seminare und Workshops. Ulf lag während der Veranstaltungen unterm Tisch und pennte.
An zwei Abenden flanierten wir durch Chemnitz. Zu Chemnitz erhielt ich vorab folgende Briefings:
- „Chemnitz? Uuuh. Sehr industriell.“
- „Kannst ja, ähm, hinterher mal sagen, wie du es fandest.“
- „Chemnitz, ja … sehr, uhm, sozialistisch, ne … aber es gibt auch ganz nette Ecken.“
Meine Erwartungen waren also kaum zu unterbieten. Und was soll ich sagen? Hübsch ist es! Erstaunlich hügelig, grün, und es gibt schöne Altbauviertel. Die Menschen, die mir begegneten, waren freundlich und herzlich.









Ich lernte, dass Chemnitz-Kaßberg eines der größten zusammenhängenden Jugendstil- und Gründerzeitviertel Europas ist.
Irgendwann, als wir im Auto saßen, sagte Katja: „Boah, die Straßen hier!“
„Was ist mit den Straßen?“, fragte ich.
„Merkst du nicht, wie kaputt die sind?“
Nee, hatte ich nicht bemerkt. Fühlte sich alles an wie zu Hause in Dortmund. Vielleicht ist meine Sympathie für Chemnitz auch darin begründet, dass es wie das Ruhrgebiet ist: hier und da hübsch hässlich, aber im Herzen schön.
Am Rande | Ich habe ein neues Lieblingsskleidungsstück, eine Stoffhose. Bevor ich nach Chemnitz fuhr, fand ich sie in einem Laden im Kiez und erwarb sie zu einem nicht unerheblichen Preis. In Chemnitz feierte sie dann ihren Einstand, und ich bin entzückt. Ich besitze nun eine weite, geschäftstaugliche Stoffhose für heiße Sommertage, Tragekomfort zehn von zehn Punkte, alles Geld wert.
Garten | Kaum guckt man vier Tage nicht hin, hat man vier Zucchini mehr.

Drucker | Danke für die Tipps zu meinem Drucker. Leider fruchten sie nicht.
Ausflug ins Mittelalter | Bevor ich nach Chemnitz fuhr, reiste ich mit dem Fahrrad ins Mittelalter. Mich begleiteten: der Reiseleiter und vier Kinder. Wir sahen Modenschauen und beobachteten Ritterkämpfe, aßen Fladen, flanierten durch Marktstände und suchten historische Kartoffelstäbchen in Tomatensud.



Auffallend war, dass die Ritter allesamt wie Informatiker aussahen und auch so kämpften.
Gelesen | Unheimlich nah von Johann Scheerer. Ein Coming-of-Age-Roman; Scheerer erzählt von sich als vorpubertärem Johann und schließlich pubertierenden Johann, der unter Bewachung dutzender Sicherheitsleute erwachsen wurde. Denn Johanns Vater ist Philipp Reemtsma; nach Reemtsmas Entührung stand die ganze Familie unter Schutz von Bodyguards. Für einen Jugendlichen, der sich loslösen möchte, ist das natürlich ein Albtraum: Knutschen mit der ersten Freundin, Proben mit der Band und Fummeln im Kino – alles unter Aufsicht von persönlichen Begleitern, die nicht von der Seite weichen. Das ist dann allerdings auch schon mehr oder weniger die ganze Handlung.
Und sonst | Spagat:
