Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Gestern Pur-Abend bei Tanja.

Auch irgendwie eine scheiß Band, aber was soll’s. Wegen Tanja mussten wir außerdem „Verbotene Liebe“ gucken. Dann noch ein Pur-Video. Gott, sind diese Teenager-Abende schrecklich. Hoffentlich wird mein Leben aufregender, wenn ich älter bin.Vielleicht denke ich nur noch an N., weil ich es von mir erwarte Ich hätte ihn vielleicht schon vergessen, wenn ich mich nicht so an den N.-Gedanken gewöhnt hätte. Das wäre nicht schlecht. Dann könnte ich ihn nämlich einfach vergessen. (Kann man das kapieren? Manchmal verstehe ich mich selbst nicht.) Keine Antwort übrigens auf meine Geburtstagskarte. Ob das ein Zeichen ist, dass er nichts mit mir zu tun haben will?

Ich meine, ich sehe ihn ja nicht als Sexobjekt an, als einen Freund, nur um einen Freund zu haben. Die absolut große Frage ist: Denkt er noch an mich? Kennt er mich überhaupt noch? Nach einem dreiviertel Jahr! Vielleicht hat er sich die Karte auch an den Hut gesteckt.

Morgen Nachhilfe geben bei Kim. Was aus der Frau werden soll, weiß ich auch nicht. 14, voll pubertär, von Schule keine Ahnung und einen Intellekt wie Hartmut Engler.

Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.

Ich nehme mir vor, wieder eine Diät zu machen. An meinem Bauch stapeln sich die Rollen. Ich will nur schlank und hübsch sein. Dünn, dünn, dünn. Oh mann, hoffentliche kriege ich das hin.

Und mit N.? Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, vor sechs Monate auf der Fete, hat er mich ignoriert. Oh, N. – bist du das Bild, das ich von dir habe? Oder bist du der Ignorant von der Fete? Du musst nicht das Erste sein, aber sei bitte nicht das Zweite!

Morgen zwei Doppelstunden Chemie und Englisch. Das ist der Tod. Die Langeweile wird so schlimm, dein Herzschlag verlangsamt sich und du fällst in ein Koma. Vor einer Woche habe ich mal meinen Ruhepuls gemessen. Erst 64, dann 52! Morgen werde ich sicher sterben.

[Das ganze Teenie-Tagebuch]
Tja, N. – eben habe ich eine Doppelseite mit seinem Namen vollgeschrieben. Nein, natürlich nützt das nix. Und natürlich ist er mir dadurch nicht näher. Absolut nicht.

Ach, N. – du toller, gut aussehender, tiefgründiger, charakterstarker N., der absolut zu mir steht und alles von mir weiß. Aber ist er so? Egal. Ich würde ihn bis aufs Letzte lieben, egal, wie er ist.

Ich weiß noch nicht einmal, wie er mittlerweile aussieht. Es ist irgendwie scheiße. Wenn ich in der Stadt bin, hoffe ich, ihn zu treffen. Viele Leute sind in der Stadt, alle Leute sind in der Stadt. Man trifft jeden, vor allem die, die man nicht treffen will. Nur N. treffe ich nie. Wenn ich ihn träfe, hätte ich auch Angst. Irgendwie albern.

Manchmal, im ersten Augenblick – unglaublich! – verwechsel ich jemanden mit ihm. Dann läuft es mir kalt den Rücken runter und sofort schießt mir durch den Kopf: Was soll ich jetzt sagen?

Das ist ein wahnsinniges Problem. Irgendwie genauso, wie es in der Bravo steht.

[Das ganze Teenie-Tagebuch]
Letzte Nacht habe ich beschlossen, N. zum 19. Geburtstag eine Karte zu schicken. Ganz unvoreingenommen. Erstmal nur so. Wenn er sich nicht meldet, ist es schade, aber eben nicht zu ändern. Dann passiert einfach nichts. Ein Zustand wie das letzte Dreivierteljahr. Aber wenn er sich meldet und sich für die Karte bedankt – umso besser. Ich kann also nichts verlieren. Ich wünsche mich aber schonmal, dass mir etwas Gescheites einfällt, das ich sage, wenn er anruft.

Ich habe heute Alexandra „Barbie“ Nolte im Bus getroffen. Die hat jetzt einen Freund. Sie wohnt auch schon bei ihm. Wahrscheinlich hat sie auch schon mit ihm geschlafen. Dabei ist sie eher Skipper als Barbie. Hat ja noch nicht mal Brüste, sondern nur lange Haare und reitet auf einem Pferd.

So, das war’s für heute. Gedanke an N. – gute Nacht.

[Das ganze Teenie-Tagebuch]
Dieser N.! Bin ich bescheuert, frage ich mich? Sieben Monate ist es her, und ich heule ihm immer noch nach! Mein Gott, ja, ich bin verliebt, aber dieses Gejammere ist nun absoluter Quatsch! Seit vier Monaten habe ich ihn nicht mehr gesehen.

Und jetzt das: Frank Krüger geht mit Julia Vogel. Schweige-Julia. Julia „Sprich mich nicht an“ Vogel. Sandra und Christian haben sie verkuppelt. Die Geschichte:

Frank steht auf Julia. Julia weiß es nicht, und wenn, hätte sie sowieso nichts gesagt. Und nach langem Hickhack hat Frank bei ihr angerufen. Treffen bei Sandra am Sonntag. Video gesehen. Julia „Faß mich nicht an“ Vogel und er nebeneinander. Sandra zu ihrem Traumchristian: „Ach Christian, mach doch mal das Licht aus, es blendet so schrecklich! Tut schon in den Augen weh!“ Und dann haben Julia „Ich bin so prüde, daß es blitzt“ Vogel und Frank sich an die Hand genommen. Später sollen sie sich sogar geküsst haben. Niemand weiß Genaues. War ja dunkel!

Und ich? Ich werde noch im Kloster enden.
Morgen wieder Bandprobe. Da lasse ich es krachen.

*Nachdem ich heute in alten Tagebüchern geblättert
und mich gut amüsiert habe, gibt’s jetzt eine neue Rubrik.
Das kann ich Euch nicht vorenthalten.
Sie war tot, ausgesprochen tot. Blass, wächsern und sehr regungslos. Ihre Hände gefaltet, oder nein – mehr ineinander verknotet. Das haben sie nicht gut hingekriegt.

Am Hals dunkle Flecken. Das Kostüm lila mit einer Brosche. Die Haare gebürstet. Fast hätte ich sie nicht erkannt, so steif, wie sie dalag. Lebend hat sie immer gelacht, war munter, pumperlrund und hatte etwas von einem Apfelbäumchen – fest verwurzelt, an der Rinde ein bisschen knorrig, aber doch immer fröhlich, mit wiegendem Schritt und geröteten Bäckchen.

Der Moment, in dem sie den Sarg zu Grabe lassen, ist ja immer der schlimmste. In diesen zehn Sekunden manifestiert sich die Endgültigkeit des Verlusts. Deshalb ist es auch dieser Augenblick, in dem der Oberinspektor alle Contenance verliert, das verstohlene Schnäuzen sein lässt und zu weinen beginnt. Einsamer kann ein Mensch nicht sein als dieser alte Mann, der im strömenden Regen seiner Frau eine letzte Blume auf den Sarg wirft.

„‚Vatta‘, hat meine Tochter am Dienstach zu mir gesacht‘, ‚getz musse dir aber ma wat weißes Hemd kaufen für die Beerdigung vonne Mutti'“, erzählt er beim Kaffeetrinken nach der Beisetzung. „Da bin ich im Kaufhof und hab mir wat weißes Hemd gekauft. Aber guckense ma, Frau Nessy,“ – er zieht den Arm aus dem schwarzen Jacket – „hab ich wat für’n Sommer erwischt. War dann doch wat kalt am Grabb!“ Er lacht und gibt mir einen freundschaftlichen Stupser. Seine trüben Augen schimmern wässrig.

Drei Tage nach dem Tod seiner Frau, sagt er, habe er zum ersten Mal gekocht: Bratkartoffeln. „Hab ich meine Tochter angerufen und gefracht, wat ich da machen muss. Und ich muss sagen: Hab ich gut gemacht. War nur’n bissken wat wenig. Dat hatte meine Frau besser raus mit mein‘ Appetit.“

Als ich mich für heute von ihm verabschiede und noch einmal herzliches Beileid wünsche, zwinkert er mir zu. „War ich doch die Tage immer inne Totenhalle und hab mit meine Frau wat Zwiesprache gehalten. Hab se gefracht, wie et da oben aussieht im Himmel. Und wissense was, Frau Nessy? Sie hat mir nich geantwortet, auch nache fünfte Frage nich. Aber dat is wie inne letzten 40 Jahre auch: Ich kann ihr einfach nich böse sein.“

Wir müssen jetzt ein bisschen auf ihn achtgeben.

Ich blättere in der Bibliothek, lese Dieses und Jenes. Darunter Max Frisch, der im April 1946 in sein Tagebuch schreibt:

„Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei.“
– und bemerke eine Parallele zu Peter Høeg, der „Fräulein Smilla“ sagen lässt:

„In der Großstadt lernt man, die Umwelt mit einem besonderen Blick zu betrachten. Mit einem fokussierenden, punktweise herausgreifenden Blick. Wenn man eine Wüste oder eine Eisfläche überschauen will, sieht man anders. Man lässt die Einzelheiten um der Gesamtheit willen aus dem Fokus herausgleiten. Ein solcher Blick sieht eine andere Wirklichkeit. Betrachtet man dagegen auf diese Weise ein Gesicht, beginnt es, sich in eine ständig verändernde Serie von Masken auszulösen.“
Den Menschen, den wir lieben – und damit meine ich denjenigen, der ein Reserviert-Schild in unserem Herzen hat -, konnten wir nur lieben lernen, weil wir es vollbracht haben, uns aus unserer Verliebtheit – der innigen Detailverliebtheit – herauszulösen. Wir haben es geschafft, unseren Blick von den Einzelheiten abzuwenden, von seinen Augen, seinem Mund, seinem Humor, von seiner Eigenart, ernste Dinge anzusprechen oder auf unernste zu reagieren. Es gab einen Moment, in dem wir ein Stück zurückgetreten sind; in dem die kleinen Mosaiksteine seines Wesens sich zu einem Bild formten, das wir mit Abstand – und nur mit Abstand wahrnehmen können.

Weshalb uns wiederum die Kleinigkeiten entgleiten. Sollten wir einmal den Liebsten beschreiben müssen – wo fingen wir an?

Treten wir zu diesem Zwecke wieder an ihn heran wie an ein großes Bild in einer Museumshalle, so nah, dass die verschlafene Aufseherin uns von ihrem harten Holzstuhl aus zur Ordnung ruft, und lassen wir unseren Blick von links nach rechts nach oben nach unten schweifen, sehen wir nur eine sich ständig verändernde Auswahl kleinster Pinselstriche, von denen wir nicht wissen, wo wir beginnen sollen, sie zu beschreiben. Denn sie scheinen allesamt ungeordnet und wirr in ihrer Einzelbetrachtung.

Wenn wir aber einen Schritt zurücktreten, sehen wir nur noch die Summe der Pinselstriche, nicht aber die einzelnen Streiche. Was wir wahrnehmen, ist das Bild, ist der Geliebte in seiner Gesamtheit. Wenn wir nun aber beginnen, nach Worten zu suchen, das Kunstwerk zu beschreiben, seine Charakterzüge zu erklären, ist es nur seine Wirkung, für die wir eine erschöpfende Darstellung finden – nicht aber für das Gemälde selbst.

Sie sind die schnelle Eingreiftruppe: der Indianer, der Klingone und der Stumme. Drei bärtige Mädchen für alles, eins männlicher, eins weniger, das dritte ein Pantoffeltierchen.

Der Indianer ist der Chef. Ein Baumstamm von Mann, Militärklamotten, lange Haare, Bandana, Neun-Tage-Bart, Whiskey-Stimme. Sein Gang: schwerfällig und wiegend, wie gerade vom Pferd gestiegen. Sein Auto: ein schwarzer Caddy, außen glänzend, innen eine Rumpelkammer mit zwei dicken Schaumstoffwürfeln am Rückspiegel.

Sein Mitarbeiter: der Klingone. Ein Mann dünn wie ein Fleischerhaken mit Ohren wie Parabolantennen, einer Nase wie ein Kleiderbügel und einer Haut, hansaplastgelb wie der Naturdarm meiner Frühstücksleberwurst.

Sein Handlanger: der Stumme. Ein farb-, aber nicht geruchsloser Fussel von Mann. Aus all seinen Poren sickert Qualm; er schmoikt zehn in der Stunde, ohne Filter, mit fahler Haut und wunden, zitternden Fingern.

Der Indianer, der Klingone und der Stumme entrümpeln. Sie tragen Schränke von Büro zu Büro, vom Flur ins Magazin und vom Möbellager an die Arbeitsplätze. Sie schmeißen weg, was übrig ist, wuchten, stemmen und hieven, rollen Schweres über Fliesen und tragen Leichtes über Teppiche. Sie lassen Tische zum Fenster hinunter und werfen Stühle in die erste Etage hinauf.

Seit Kurzem bin ich dem Indianer ein blonder Fixpunkt auf dem grauen Unternehmensgelände. Ich tat ihm einen Gefallen und er mir. Nun macht er mir Avancen, spricht, schäkert und lädt mich nicht nur zu seinen Konzerten ein, bei denen er mit rauchiger Stimme deutsche Rockmusik röhrt. Er möchte mich zuvor auch mit einer Stretch-Limo abholen.

Ich traue es ihm tatsächlich zu, denn er ist ein unbekümmerter Rübezahl ohne künstliche Attitüden. Nicht Wenige halten ihn für gaga, für unangepasst und einfältig, für berufsjugendlich, ungehobelt und asozial, aber wer ihm zuhört, wer durch seine Flecktarnweste in sein Herz schaut, sieht einen konservativen Romantiker, einen weltklugen Kerl mit Charakter, der altbackener ist, als er zu sein scheint.

In seiner Band spielt er unter einem Pseudonym. Heute googelte ich nach seinem Klarnamen, und siehe da: Er war einst Schauspieler, damals in den 80ern. Es gibt Foren, in denen Frauen fragen, was aus ihm wurde. Ich könnte es ihnen sagen. Aber ich tue es nicht. Der Indianer und ich, wir gehen demnächst erstmal Stretch-Limo fahren. Oder zumindest gemeinsam in die Betriebskantine.

Die rote Buche im Garten. Das Knacken der Stufen bei Nacht. Die zweitonige Türklingel. Das Versteckspiel in der Küche.

Das Geräusch, wenn jemand die Treppe hoch kommt. Die verzogene Tür im Dachgeschoss. Der begehbare Kleiderschrank unter der Schräge. Die Grube im Keller. Das Dachfenster, das ich oft zu schließen vergaß.

Der Sommer mit dem tennisballgroßen Hagel. Die Birke vor der Haustür. Das vermooste Gras neben dem Holzstapel. Die Gänseblümchen. Das Geräusch der Balkontür. Die schleifende Haustür.

Drei warme Kacheln im Bad. Zwei transparente Dachpfannen. Das Wehen der Gardinen. Das Wespennest im Gästezimmer, damals. Die selbstgeknüpften Teppiche. Der Kamin. Der Holzkorb daneben.

Sommer auf der Terrasse. Das Bettlaken gegen die tief stehende Sonne. Grillen auf dem Rasen. Vogelnester in den Bäumen. Der Bambus. Zahn ausgeschlagen, als ich auf die Steine fiel. Zungenspitze abgebissen, als ich von der Sofalehne stürzte.

Samstags Haare waschen in der Wanne. Föhnen im Wohnzimmer bei der Sportschau. Dann Bratkartoffeln mit Spiegelei. Die grasgrüne Küche, damals. Jetzt grau und modern.

Die Wäscheleinen im Keller und Tennis spielen darunter. Der Kessel mit dem warmen Wasser. Vorheizen vor dem Duschen. Die Taschenlampe auf dem Sicherungskasten. Darunter die Gummistiefel, in der Ecke der Schlitten.

Übers Geländer klettern. Drei Stufen auf einmal nehmen. Die Wäsche in der Treppe mitnehmen. „Kein Gang mit leeren Händen!“

Auto waschen vor der Garage. Aufharken. Laub fegen. Unkraut aus den Fugen kratzen. Schnee schieben. Der Bewegungsmelder der Nachbarn. Die dicke Katze vom Doktor. Die Pfingstrose im Garten. Blühender Ginster.

Der Weihnachtsbaum, der sich in der Scheibe spiegelt. Glöckchenklingeln. Die Wanduhr schlägt die Stunde. Der Wecker klingelt um halb sieben.

Schuhe putzen vor der Kommode im Flur. Lockenwickler im Schrank. Schminktisch. Urlaubsgeld bei den Lippenstiften. Verstecke in der Sockenschublade. Nächtliches Schleichen durch Nachbars Garten.

Servus, Elternhaus.

Mein Vater hat eine neue Freundin. Und mit ihr eine neue Schwiegermutter.

Gerda ist eine herzige alte Dame von stämmigem Wuchs. Seit ihr Mann gestorben ist, wohnt sie alleine in ihrem nun viel zu großen Appartment. In ihren einsamen Stunden backt sie Kuchen, Torten und Teilchen für ihre Kinder – und wenn diese übersättigt sind, auch für sich selbst, denn sie liebt Süßigkeiten, allen voran Törtchen und Schokolade.

Ihre Tochter allerdings, des Vaters neue Flamme, ist eine asketische, solariumgebräunte Frau, die jegliche Aufnahme von Fett und Zucker vermeidet. Sie hat deshalb mehr Falten im Gesicht als ihre dralle Frau Mama und ermahnt diese unentwegt, mit kalorienreicher Nahrung zu haushalten.

Mutter Gerda ist durchaus willens, der ständigen Zurechtweisung genüge zu tun, doch ihr Fleisch ist schwach. Kaum hat ihre leptosome Tochter nach ihrem sonntäglichen Besuch die Wohnungstür hinter sich zugezogen, klemmt das erste Mon Cherie in der mütterlichen Backe. Kontrollanrufe sind an der Tagesordnung.

Tochter: Hast du heute Schokolade gegessen, Mutter?
Gerda: … Mmmh … [druckst herum] … ehm …. nur einen Riegel.
Tochter: Mutter! Das war doch bestimmt nicht nur ein Riegel!
Gerda: Es war ein bisschen mehr.
Tochter: Aber wohl keine ganze Tafel!
Gerda: Vielleicht schon …
Tochter: Eine kleine oder eine große?
Gerda: Die mit den ganzen Haselnüssen.
Tochter: Mutter! Das sind 300 Gramm!
Gerda: Dann war es wohl so eine.

Früher, zu besseren Zeiten, fuhr Gerda regelmäßig für einen Bummel in die Innenstadt. Mittlerweile sind ihre Knochen müde. Außerdem traut sie sich nicht mehr, seit die Stadtbahn unter die Erde verlegt wurde. Der Tunnel, dieses schwarze Loch, ist ihr suspekt. Die Zeit der Bunker sei vorbei, sagt sie – und bleibt daheim.

Ausgerechnet am Samstag, als in Gerdas Heimatstadt Dortmund die Loveparade wie ein Wirbelsturm durch die Straßen tobte, hatte mein Vater es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihr das Straßenbahnfahren neu zu üben. Gerda war zunächst nicht sehr erbaut, ließ sich jedoch überreden. Irgendwann sei es an der Zeit, wieder etwas zu wagen, sagte sie.

So klemmte also Gerda, der Ohnmacht nahe, während ihrer ersten Bunkerfahrt in die Innenstadt zwischen halbnackten, tanzenden, Trillerpfeife blasenden Ravern fest.

„Das war jetzt nicht so optimal“, sagt mein Vater im Nachhinein. Die alte Dame sei „hoch verschwitzt“ gewesen beim Ausstieg.

Ob sie jetzt traumatisiert sei, frage ich. „Keineswegs“, antwortet mein Vater. „Sie fand es sehr aufregend. Auf der Rückfahrt war sie enttäuscht, dass nur der Tunnel kam, ohne Raver.“



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